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Stanislas Jourdan und Marc Beckmann
Erstveröffentlichung im Makronom
Inzwischen beschäftigen sich auch die großen Zentralbanken mit ihrer Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Wie weit sie dabei gehen (können), hängt davon ab, wie viel politische Legitimation dafür geschaffen wird.
Ein Beitrag von Stanislas Jourdan und Marc Beckmann.
Was folgt aus der Klimakrise für unsere Wirtschaft(sweisen) und das Denken darüber? Im Angesicht der Fridays-for-Future-Proteste hat sich aus dem Netzwerk Plurale Ökonomik eine neue Initiative herausgebildet: Economists for Future. Mit der gleichnamigen Debattenreihe werden zentrale Fragen einer zukunftsfähigen Wirtschaft in den Fokus gerückt. Im Zentrum stehen nicht nur kritische Auseinandersetzungen mit dem Status Quo der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch mögliche Wege und angemessene Antworten auf die dringlichen Herausforderungen und Notwendigkeiten. Dabei werden verschiedene Orientierungspunkte für einen tiefgreifenden Strukturwandel diskutiert.
Der Klimawandel wird mit aller Wahrscheinlichkeit gewaltige Auswirkungen auf unsere Wirtschaft haben. Dies erfordert schon jetzt ein vorausschauendes Handeln auf Seiten aller beteiligten Akteure – wozu nicht nur die klassische Wirtschaftspolitik, sondern auch die Geldpolitik gehört.
Bei den verantwortlichen Akteuren ist diese Erkenntnis bereits angekommen. So stellte beispielswese Bundesbank Präsident Jens Weidmann kürzlich fest, dass die Zentralbanken „mehr gegen den Klimawandel tun” sollten. Noch vor einigen Jahren schien eine solche Anerkennung der eigenen Rolle im Kampf gegen den Klimawandel undenkbar. Heute ist die Frage, wie diese Rolle aussehen könnte, eine der größten Diskussionspunkte in der Chefetage der Europäischen Zentralbank.
Was ist also in den letzten Jahren passiert? Vereinfacht gesagt, hat ein verstärktes Problembewusstsein innerhalb der Zentralbanken sowie ein zunehmender Druck durch die Zivilgesellschaft den Klimawandel auf der Agenda nach vorne getrieben. Ein bedeutender Impetus dafür kam in Form von Warnungen vor klimabedingten finanziellen Risiken. Diese folgen aus der Tatsache, dass bestimmte Branchen Gefahr laufen, durch den Klimawandel ihren finanziellen Wert zu verlieren – beispielsweise, weil sie klimabedingten physischen Schäden stärker ausgesetzt sind oder weil sie durch den Wandel zu einer CO2-neutralen Wirtschaft bei Seite gedrängt werden (mehr dazu hier). Unter der Führung von bekannten Notenbankern wie Mark Carney gründete sich 2017 eine Koalition von mittlerweile 75 Zentralbanken und Finanzaufsichtsbehörden, die Forschungen zu klimabedingten finanziellen Risiken betreiben und Ansätze erarbeiten, wie Zentralbanken zu einem klimaresilienten Finanzsystem beitragen könnten.
Durch die Zusammensetzung ihrer Kaufprogramme verstärkt die EZB nicht nur klimabedingte Finanzrisiken, sondern setzt sich diesen auch selbst aus
Doch bei den Bemühungen der Zentralbanken ist eines klar: Es reicht nicht aus, wenn sie lediglich Finanzakteure auffordern, ihre Investitionen aus risikoreichen Sektoren abzuziehen, aber selber als Zentralbank nicht dementsprechend aktiv werden. Momentan schenkt die EZB den klimabezogenen Finanzrisiken in ihren geldpolitischen Maßnahmen keine Beachtung, sondern kopiert blind den Finanzmarkt – Klimarisiken inklusive. Laut Studien von Greenpeace und Positive Money Europe führt dies dazu, dass die EZB allein im 240 Milliarden Euro schweren CSPP-Programm zum größten Teil die Vermögenswerte von CO2-intensiven Unternehmen ankauft. Dadurch verstärkt sie nicht nur klimabedingte Finanzrisiken, sondern setzt sich diesen auch selbst aus – ein krasser Widerspruch zu den Forderungen der EZB an die Finanzakteure, solche Risiken zu reduzieren.
Was könnte die EZB stattdessen tun? Ziemlich viel, und das auch noch ziemlich einfach: Beispielsweise könnte sie bei der Auswahl von Sicherheiten für ihre Anleihekäufe künftig auch Klimarisiken berücksichtigen. Des Weiteren könnte die EZB Anreize für Banken und Investoren schaffen, in grüne Projekte zu investieren (wie es etwa das Konzept der sogenannten „grünen TLTROs“ propagiert).
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Doch gegen jene Form einer proaktiv grünen Geldpolitik wurden bislang zwei Kritikpunkte vorgebracht: Der erste ist ein juristischer Einwand, nach dem eine proaktive grüne Geldpolitik schlichtweg nicht mit dem Mandat der EZB vereinbar ist. Der zweite ist demokratietheoretischer Natur und besteht darin, dass die EZB mit einer proaktiv grünen Geldpolitik die demokratisch gewählten Parlamente und Regierungen in ihrer Rolle als Schrittmacher der grünen Transformation umgehen würde.
Der rechtliche Einwand gegen eine grüne Geldpolitik lässt sich relativ schnell entkräften. Wie von der EZB selbst anerkannt, beinhaltet das Mandat der EZB zwei Ebenen: das Primärziel der Preisstabilität und das Sekundärziel der Unterstützung der allgemeinen EU-Wirtschaftspolitik.
Eine proaktiv grüne Geldpolitik ist kompatibel und eventuell sogar erforderlich, um beide Ziele zu erreichen. Im Hinblick auf das Primärziel könnte ein geldpolitisches Instrument, das grüne Investitionen direkter unterstützt, eine Rückkehr zu einem Inflationspfad von nahe, aber unter 2% besser unterstützen. Des Weiteren könnte eine proaktiv grüne Geldpolitik der EZB dabei helfen, das Ziel der Preisstabilität auch langfristig zu erreichen. Schließlich würde diese Form der Geldpolitik klimabedingte Finanzrisiken reduzieren, und so auch die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die EZB irgendwann durch ein sich ausbreitendes Klimachaos nicht mehr in der Lage sein wird, ihr Primärziel zu erfüllen – eine Möglichkeit, die bereits die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich diskutiert hat.
Bezogen auf das Sekundärziel ist festzuhalten, dass die EU-weite Wirtschaftspolitik bereits mit Klimazielen und mit Artikel 3 der EU-Verträge verbunden ist. Dieser besagt, dass die Wirtschaftspolitik auf „ein hohes Maß an Umweltschutz und Verbesserung der Umweltqualität” abzielen soll. Demnach würde eine proaktiv grüne Geldpolitik dem Sekundärziel nur Rechnung tragen.
Wer die Nebenfolgen einer grünen Geldpolitik als unverhältnismäßig kritisiert, aber die Klima- und Umweltfolgen der gegenwärtigen Geldpolitik nicht nennt, argumentiert inkonsistent
Doch das Beitragen zu den vertraglich festgelegten Ziele der EZB reicht allein nicht aus, um die Rechtmäßigkeit einer proaktiv grünen Geldpolitik zu bestätigen. Wie z. B. das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai zeigte, erfordert die Rechtmäßigkeit geldpolitischer Entscheidungen auch eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit. Eine Maßnahme kann demnach unverhältnismäßig sein, wenn sie Nebenwirkungen hat, die zur Erreichung des Primär- und Sekundärziels nicht notwendig sind. Damit soll u.a. verhindert werden, dass die EZB in die den Nationalstaaten vorbehaltenen Politikbereiche eingreift, indem sie zu viele Nebenwirkungen in Kauf nimmt. Sollte dies der Fall sein, wäre die Maßnahme rechtswidrig.
Laut Kritikern liegt dieses Eingreifen in nationale Politikbereiche bei einer grünen Geldpolitik vor. Schließlich verschlechtert diese Form der Geldpolitik die Finanzierungsbedingungen von CO2-intensiven Unternehmen, wodurch die Zentralbank in das Feld der sektoralen Industriepolitik eintreten würde. Diesem Argument können allerdings zwei Punkte entgegengestellt werden: Erstens sind die negativen Nebenwirkungen einer grünen Geldpolitik in ihrer Struktur nicht anders als die Nebenwirkungen, welche die CO2-intensive Geldpolitik schon heute hat. In der Tat hat die momentane Geldpolitik den gleichen Effekt in die andere Richtung, denn hier werden die Finanzierungsbedingungen von CO2-intensiven Unternehmen verbessert. Wer also die Nebenfolgen einer grünen Geldpolitik als unverhältnismäßig kritisiert, aber die Klima- und Umweltfolgen der gegenwärtigen Geldpolitik nicht nennt, argumentiert inkonsistent.
Zweitens sind die Nebenwirkungen einer grünen Geldpolitik mit einiger Wahrscheinlichkeit verhältnismäßiger als die Nebenwirkungen der momentanen CO2-intensiven Geldpolitik, da sie zumindest nicht das Sekundärziel der EZB konterkarieren. Denn die Förderung von kohlenstoffintensiven Industrien läuft entgegen der auf Klima- und Umweltschutz ausgelegten EU-Wirtschaftspolitik. Demnach ist das Prinzip der Verhältnismäßigkeit nicht nur ungeeignet, um die Geldpolitik des Status quo gegenüber der Alternative einer grünen Geldpolitik zu verteidigen – eine grüne Geldpolitik wäre unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit sogar der momentanen Geldpolitik vorzuziehen.
Kommen wir zum zweiten Kritikpunkt gegenüber einer proaktiv grünen Geldpolitik – der demokratischen Legitimität. Hier gibt es aus unserer Sicht zwei Gründe, wieso diese bereits heute legitim ist.
Der erste Grund ist die vom Europäischen Parlament erteilte demokratische Unterstützung für eine grüne Geldpolitik. Ab 2017 hat das Parlament wiederholt eine Reihe von Resolutionen angenommen, in denen es die Rolle der EZB im Kampf gegen den Klimawandel unterstützt. Auch die gesamte Fraktion der konservativen Europäischen Volkspartei hat beispielsweise einer entsprechenden Resolution im vergangenen Februar zugestimmt.
Die Entschließungen des EP sind zwar nicht rechtsverbindlich, aber sie signalisieren eindeutig eine politische – und vor allem: demokratische – Bestätigung für die laufenden Bemühungen der Zentralbanken, in diese Richtung zu gehen. Das Gleiche lässt sich über den Europäischen Rat sagen, der Lagardes Ernennung zur EZB-Präsidentin bestätigte, auch nachdem sie in der parlamentarischen Anhörung sehr deutlich ihre Absicht bekundete, „einen schrittweisen Übergang zur Beseitigung von ‘Carbon Assets’” aus dem Portfolio der EZB einzuleiten.
Der zweite Grund bezieht sich auf die Green Taxonomy, die der EZB die politische Entscheidung abnimmt, welche Finanzprodukte grün sind. Während diese Gesetzgebung ursprünglich als Grundlage für private Investoren dienen sollte, wird sie bereits als Maßstab für EU-Institutionen wie die Europäische Investitionsbank oder in jüngerer Zeit im Konjunkturpaket der EU verwendet.
Wie von Lagarde wiederholt betont wurde, wäre die Existenz der Taxonomie für die EZB „äußerst nützlich”, da sie bedeutet, dass die EZB die EU-Taxonomie als alternativen Maßstab für das Prinzip der „Marktneutralität” verwenden könnte, an dem die EZB bisher festhält. Auf diese Weise würde die EZB in keiner Weise den Kampf gegen den Klimawandel „anführen”, wie oft befürchtet wird – sondern lediglich ihre Politik an den politisch beschlossenen Rahmenbedingungen ausrichten, so wie das auch von anderen EU-Institutionen bei der Verwendung öffentlicher Gelder zunehmend gemacht wird.
Wenn immer noch Zweifel an der demokratischen Legitimität bestehen, so beziehen sich diese weniger auf die Merkmale einer klimabewussten Geldpolitik an sich, sondern reflektieren viel mehr ein Unbehagen mit der jüngsten Entwicklung des Zentralbankwesens im Allgemeinen.
Wenn die Parlamente ausdrücklich signalisieren, dass ihre Zentralbanken mehr für das Klima tun sollen, dann ist das Argument, die grüne Geldpolitik gehe am Parlament vorbei, nichtig
Denn obgleich sich die EZB konstant mit den Nebenwirkungen ihrer Politik konfrontiert sieht, gibt das Mandat keine klare Auskunft darüber, wie mit diesen umzugehen ist. Dies liegt daran, dass Nebenwirkungen im monetaristischen Paradigma, von dem die Formulierung des Mandats maßgeblich beeinflusst war, gar nicht erst existieren sollten, bzw. die EZB nie die Notwendigkeit erleben sollte, sich mit diesen auseinanderzusetzen. Diese Lücke im Mandat, die der Rechtswissenschaftler Nik de Boer und der Ökonom Jens van t’Klooster als „democratic authorization gaps” bezeichnen, existiert schon länger. In seinem Urteil im Mai, in dem das Bundesverfassungsgericht die EZB zu einer Abwägung von intendierten Effekten und nicht-intendierten Nebeneffekten ermahnte, kam diese Lücke wieder zum Vorschein, und eine proaktiv grüne Geldpolitik macht sie letztlich nur explizit.
Bedeutet dies, dass wir keine andere Wahl haben, als die EU-Verträge zu ändern, um die Politik der EZB, einschließlich der Option einer proaktiv grünen Geldpolitik, demokratischer zu gestalten? Obwohl eine Vertragsänderung sicherlich der ideale Weg wäre, ist sie keine Notwendigkeit. Ein alternativer und wahrscheinlich pragmatischerer Weg wäre es, das Sekundärziel mit Hilfe des Europäischen Parlaments klarer zu definieren.
Da das Sekundärziel der EZB mit dem Artikel 3 der EU-Verträge verknüpft ist, welches mehrere Prioritäten, auf die die Wirtschaftspolitik hinwirken soll, festschreibt, ist es ziemlich unscharf. Denn nicht nur findet sich unter diesen Prioritäten der Umweltschutz wieder, sondern z. B. auch die Sicherheit und die Innovation. Dies macht es für die EZB schwerer, ihre Politik mit dem Sekundärziel zu rechtfertigen, da dieses eben vieles – und unter Umständen sogar widersprüchliches – gleichzeitig bedeuten kann.
Ein Ausweg aus diesem Problem wäre, wenn die gewählten Volksvertreter:innen im Europäischen Parlament über eine Rangfolge der in Artikel 3 genannten möglichen Prioritäten abstimmen würden, eventuell auch in Absprache mit dem Europäischen Rat. Dies würde der EZB klar signalisieren, welche Prioritäten am relevantesten wären, die sie ohne Beeinträchtigung der Preisstabilität auf mittlere Sicht proaktiv unterstützen sollte. Wenn sich das Europäische Parlament auf eine Entschließung einigen würde, in der die Eindämmung des Klimawandels eindeutig als Priorität Nr. 1 unter den vielen in Artikel 3 aufgeführten Punkten eingestuft würde, so müsste die EZB nicht mehr so stark von ihrem eigenen Ermessensspielraum Gebrauch machen.
Als unabhängige Institution ist die EZB natürlich nicht an das gebunden, was das Europäische Parlament oder der Rat der Europäischen Union ihr sagt. Aber die Resolutionen würden die oben erwähnten „demokratischen authorization gaps” im Mandat füllen und der EZB somit eine wertvolle demokratische Richtschnur bieten. Oder anders ausgedrückt: Wenn die Parlamente ausdrücklich signalisieren, dass ihre Zentralbanken mehr für das Klima tun sollen, dann ist das Argument, die grüne Geldpolitik gehe am Parlament vorbei, nichtig.
Jegliche Diskussion über die EZB wird heute dadurch erschwert, dass das Mandat der EZB vor drei Jahrzehnten festgeschrieben wurde, als keine der aktuellen Herausforderungen vorhergesehen wurde. Daher ist es nur natürlich, dass das heutige Mandat der EZB in der gesamten Eurozone unterschiedlichen und teils widersprüchlichen Interpretationen unterliegt. Kritik an einer grünen Geldpolitik ist daher nur natürlich und willkommen.
Glücklicher- und richtigerweise haben Zentralbanken und politische Institutionen wie das Europäische Parlament bereits eine Mehrheit für die Position geschaffen, dass Zentralbanken für eine angemessene Berücksichtigung von Klimarisiken im Finanzmarkt sorgen sollen. Ob die Zentralbanken bei der aktiven Unterstützung des grünen Übergangs weiter gehen sollten, ist jedoch nach wie vor eine Frage der politischen Debatte und nicht allein von den Zentralbanken zu lösen. Es wird davon abhängen, wie viel politische Legitimation dafür geschaffen werden kann.
Zu den Autoren:
Stanislas Jourdan ist Exekutivdirektor von Positive Money Europe, einer NGO mit Sitz in Brüssel, die auf eine faire, nachhaltige und demokratische Eurozone hinarbeitet.
Marc Beckmann ist Deutschland-Koordinator von Positive Money Europe. Darüber hinaus engagiert er sich in der Initiative „Economists for Future” und studiert an der Wirtschaftsuniversität Wien.