Mathematisch rationalisierte Ideologieproduktion statt Marktanalyse

Frank Beckenbach
Wirtschaft neu denken: Blinde Flecken in der Lehrbuchökonomie, 2016
Niveau: débutant
Sujet: Microéconomie & marchés, Réflexion sur l'économie
Format: Journal Article & Book Chapter
Lien: http://fgw-nrw.de/fileadmin/user_upload/Blinde_Flecken_der_Lehrbuchoekonomie_klein.pdf

Mathematisch rationalisierte Ideologieproduktion statt Marktanalyse

Zur Kritik der Denkform der neoklassischen (Lehrbuch-)Mikroökonomik

Frank Beckenbach

Quelle: van Treeck, Till, and Janina Urban. Wirtschaft neu denken: Blinde Flecken in der Lehrbuchökonomie. iRights Media, 2016. Das Buch kann hier bestellt werden: http://irights-media.de/publikationen/wirtschaft-neu-denken/.

 

Rezensiertes Buch:

Pindyck, R.S./Rubinfeld, D.L. (2013): Mikroökonomie, 8. Auflage, München: Pearson, 1013 Seiten. Im Folgenden zitiert als PR. (Abb: Pearson)


Einleitung

Die Lehrbücher der modernen Mikroökonomik sind Teil einer normalwissenschaftlichen Praxis: In einer vorwiegend auf sich selbst bezogenen wissenschaftlichen Kommunikation sind sie eine Brücke zwischen den in dieser Kommunikation generierten Forschungsergebnissen und den durch allerlei didaktische und pädagogische Rücksichtnahmen gekennzeichneten Ausbildungserfordernissen. Insofern sind sie geprägt durch die in der Forschungskommunikation der Ökonomik vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgten paradigmatischen Festlegungen. Diese lassen sich als eine Kombination aus Themenfokussierung, axiomatischen Postulaten, speziellen Annahmen1 und formalen Methoden charakterisieren. Für die moderne Neoklassik besteht die Themenfokussierung in der Aufgabe, die (effiziente) Allokation knapper Ressourcen zu erklären, die axiomatische Grundstruktur umfasst die Gesamtheit der Bedingungen, die für eine zum Gleichgewicht führende Zielmaximierung unter Beschränkungen erforderlich sind, während die Annahmen in Abhängigkeit von der Betrachtungsperspektive (wie zum Beispiel partialanalytische vs. totalanalytische Betrachtung) beziehungsweise vom Betrachtungsgegenstand (wie zum Beispiel unterschiedlichen Marktformen) variieren. Die dabei gewählte Methode ist (im Falle der neueren Forschungskommunikation) die Mengen- und Vektorrechnung und Fixpunkttheoreme oder (im Falle der Lehrbuchkommunikation) die mathematische Funktionsalgebra und die darauf aufbauende Optimierungsrechnung.2 Diese spezifische Verknüpfung von Betrachtungsfokus („Sichtweise“), Konzeptualisierung („Theorie“) und Mathematik („Methode“) geht aus der normalwissenschaftlichen Kommunikation als wissenschaftliche Denkform3 hervor und wird umgekehrt – vor allem in Gestalt der lehrbuchmäßigen Vereinfachung – zu einem Ausbreitungs- und Verfestigungsmittel dieser Kommunikation.

Die mit dieser mikroökonomischen Denkform verbundenen Probleme der fehlenden Plausibilität und der nur sehr eingeschränkten empirischen Erklärungsmöglichkeiten sind in der kritischen Literatur ausführlich behandelt worden (vgl. exemplarisch Simon 1997). Nicht zuletzt aufgrund des Anspruchs dieser Denkform, nur idealtypische Konstrukte zu adressieren, ist aber zu fragen, ob diese Konstrukte eine innere Konsistenz aufweisen. Unabhängig von ihrem fehlenden empirischen Bezug bleibt dabei zu prüfen, erstens, ob es möglich ist, explanans und explanandum zu unterscheiden und zweitens, ob es einen widerspruchsfreien Weg vom ersteren zum letzteren gibt. Dies soll im Folgenden im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.4

Die folgende Erörterung beschränkt sich auf den Kern der Markterklärung, wie er in der neoklassischen Lehrbuchmikroökonomik behandelt wird.5 Das Buch von Pindyck/Rubinfeld (2015) wird hier als pars pro toto herangezogen. Es ist der Repräsentant einer (Lehr-)Buchgattung, die in fast schon gespenstischer Weise die Bindungskraft und Homogenität der mikroökonomischen neoklassischen Denkform dokumentiert. Daher sind die hier vorgetragenen kritischen Erörterungen ohne Weiteres auf andere Repräsentant_innen dieser Gattung beziehbar. Es sollte aber auch deutlich werden, welche spezielle Rhetorik diese Autoren bei dem Umgang mit den allfälligen konzeptionellen Schwächen an den Tag legen.

Der Betrachtungsfokus: Allokation knapper Ressourcen

Ganz dem mikroökonomischen Konsens entsprechend, wird von den Autoren die Mikroökonomik als auf der Ebene der Einzelakteur_innen angesiedelte Entscheidungstheorie qualifiziert, die Auskunft darüber geben soll, wie auf Basis dieser individuellen Entscheidungen Interaktion auf Märkten oder in Branchen stattfindet (PR, S. 26). Dabei folgt die Mikroökonomik durchgängig der von Robbins (1935) vorgeschlagenen Sichtweise, dass es dabei um die optimale Allokation knapper Ressourcen geht (PR, S. 27). Nicht nur bei Robbins selbst (1935, S. 18), auch in dem hier zugrunde gelegten Lehrbuch ist aber offensichtlich, dass es – historisch gesehen – ganz unterschiedliche Formen für diese Allokation gegeben hat und gibt. Was die Bedingungen dafür sind, dass diese Allokation durch Märkte erfolgt, tritt dabei gegenüber der Frage, wie diese Allokation durch Märkte funktioniert, in den Hintergrund.

Zentrale Aufgabenstellung der Mikroökonomik ist es dann, den Markt als Allokationsverfahren zu erklären. Dabei soll dessen Überlegenheit gegenüber anderen Allokationsverfahren (wie zum Beispiel der Planung) deutlich gemacht werden (PR, S. 27).

„In der Mikroökonomik wird […] beschrieben, wie die Preise bestimmt werden. In einer zentral gesteuerten Wirtschaft werden die Preise durch den Staat festgelegt. In einer Marktwirtschaft werden die Preise durch die Interaktion zwischen Konsumenten, Arbeitnehmern und Unternehmen bestimmt. Diese Interaktion findet auf Märkten statt – Ansammlungen von Käufern und Verkäufern, die gemeinsam den Preis einer Ware bestimmen.“ (PR, S. 29; vgl. ebd., S. 32)

Am Anfang des mikroökonomischen Räsonnements der Neoklassik stehen mithin drei Behauptungen: Erstens, dass es in der Wirtschaft ausschließlich um die Allokation von knappen Ressourcen geht; zweitens, dass der Markt ein Allokationsverfahren darstellt und drittens, dass der Markt als Allokationsverfahren anderen Allokationsverfahren überlegen ist. Streng genommen wird keine dieser Behauptungen durch die neoklassische Analyse der Märkte begründet. Weder die Notwendigkeit dieses theoretischen Zugangs zur Wirtschaft generell und Märkten speziell noch wie daraus eine komparative Überlegenheit der letzteren abgeleitet werden kann, wird in den vorgelegten Analysen nachgewiesen; es wird lediglich (eine Möglichkeit) gezeigt, wie man einen Markt als Allokationsverfahren interpretieren und erklären kann.

In der neoklassischen Forschungsdiskussion sind zur Einlösung dieses Erklärungsanspruchs zwei unterschiedliche Erklärungswege eingeschlagen worden: Zum einen wird von (vermeintlich) beobachtbaren Marktkräften in Gestalt von Angebot und Nachfrage ausgegangen und aus deren Aufeinanderwirken das Zustandekommen eines Marktgleichgewichts erklärt (Angebots-/Nachfrageanalyse des Marktes); zum andern wird von (nicht beobachtbaren) präferenz- beziehungsweise nutzentheoretischen Überlegungen ausgegangen und daraus abgeleitet, wie die Akteur_innen auf den beiden Marktseiten agieren und dadurch ein Gleichgewicht hervorbringen (Akteursanalyse des Marktes). Pindyck/Rubinfeld verwenden in ihrem Lehrbuch beide Herangehensweisen (S. 50 ff. einerseits und S. 104 ff. andererseits), ohne dass ihr Verhältnis zueinander geklärt wird. Beide Erklärungswege sollen im Folgenden kurz charakterisiert werden und die dabei auftretenden Konsistenzprobleme erläutert werden.

Die Angebots-/Nachfrageanalyse des Marktes

Merkmale

In der Angebots- und Nachfrageanalyse werden sowohl das gesamte Angebot als auch die gesamte Nachfrage nach einem gegebenen Gut als eine von einem vorgegebenen Preis für dieses Gut abhängige Funktion (grafisch als Angebots- beziehungsweise Nachfragekurve) aufgefasst (PR, S. 50 ff.). Alle Faktoren, die unabhängig vom Preis die Mengen des Angebots und der Nachfrage beeinflussen könnten, werden dabei über die „ceteris paribus“-Annahme aus der Betrachtung ausgeschlossen. Es wird von dem Regelfall ausgegangen, dass die Angebotskurve mit der Zunahme des Preises monoton steigt und die Nachfragekurve mit der Zunahme des Preises sinkt. Bei Ausschluss von kritischen Sonderbedingungen kann dann unterstellt werden, dass es genau einen Schnittpunkt dieser Kurven gibt. Dieser Schnittpunkt soll das Marktgleichgewicht darstellen und durch das Aufeinanderwirken dieser Marktkräfte ohne äußeres Zutun erreicht werden (PR, S. 50, S. 55, S. 96).

Konsistenzprobleme

Diese durch das Wirken von Angebot und Nachfrage als explanans und dem Marktgleichgewicht als explanandum charakterisierbare Erklärung weist aber gravierende Konsistenzprobleme auf.6 Erstens setzt die Modellierung der Marktkräfte als normale Funktionen voraus, dass die dafür notwendige Stetigkeit dieser Funktionen gegeben ist. Da diese Gesamtfunktionen aber preisabhängig aggregierte Funktionen der einzelnen Akteur_innen sind, ist nicht auszuschließen, dass die unterschiedlichen Bedingungen für die Artikulation von Angebotsoptionen und Nachfragewünschen bei den einzelnen Akteur_innen dazu führen, dass es Unstetigkeiten in den aggregierten Kurven gibt.7

Damit ist die Möglichkeit verbunden, dass es keinen Schnittpunkt zwischen diesen durch Unstetigkeiten gekennzeichneten Aggregatkurven gibt.8 Zweitens unterstellt die Zusammenführung der aggregierten Angebots- und der aggregierten Nachfragefunktion in einem Diagramm, dass diese beiden Kurven unabhängig voneinander sind. Selbst bei der Beschränkung der Betrachtung auf ein spezielles Gut (zum Beispiel Brot, Autos) ist aber nicht grundsätzlich auszuschließen, dass die Veränderungen der Angebots- und der Nachfragemengen in dieser Branche interdependent sind. Bezieht man diese Kurven auf die zugrundeliegenden Kaufs- und Verkaufsoperationen beziehungsweise Ausstattungsverwendungen, dann sind die preisabhängigen Veränderungen bei der Ausstattungsverwendung auf der Angebotsseite beziehungsweise der Nachfrageseite abhängig voneinander, wenn Akteur_innen auf beiden Seiten des Marktes operieren.9 Werden die indirekten Effekte für andere Branchen mit einbezogen, wird diese Interdependenz zwingend.10 Drittens wird bei der Kalkulation der aggregierten Angebots- und Nachfragekurven davon ausgegangen, dass ein vorgegebener einheitlicher Preis die unabhängige Variable darstellt. Die als Standardbegründung für diese Vorgabe angeführte Annahme des „vollkommenen Wettbewerbs“, in dem kein/e Marktteilnehmer_in den Preis beeinflussen kann (PR, S. 33, S. 46, S. 385) lässt nicht nur die Frage unbeantwortet, wie dieser Preis zustande kommt, sondern ist auch nicht hinreichend, um die Vorgabe eines einheitlichen Preises zu begründen.11 Ein derartiger einheitlicher Preis setzt voraus, dass es keine preisbezogene Arbitragemöglichkeiten gibt. Dies ist jedoch nur im Gleichgewicht der Fall. Da aber die Konstruktion der Angebots- und Nachfragkurven unabhängig von der Spezifikation eines Gleichgewichts erfolgt, kann diese Konstruktion keine Marktprozesse abbilden, sondern stellt eine Operation eines/r zentralen Planers/in dar, der/die in einem von ihm/ihr definierten Format private Handlungsoptionen abfragt. Insofern ist es fünftens nicht überraschend, dass in diesem Rahmen die Herstellung des Gleichgewichts durch Marktprozesse nicht begründet werden kann. Dies machen Pindyck/Rubinfeld selbst auf unfreiwillige Weise deutlich, indem sie davon ausgehen, dass bei einem „Überschuss“ (Angebot > Nachfrage), „die Produzenten beginnen, die (!) Preise zu senken“ beziehungsweise bei Vorliegen von „Knappheit“ (Angebot < Nachfrage) die Preise in die Höhe getrieben werden, „da die Konsumenten versuchen würden, sich beim Kauf der bestehenden Angebote zu überbieten“ (PR, S. 55). Damit wird offensichtlich, dass es in diesen Situationen außerhalb des Gleichgewichts keine über einen einheitlichen Preis aggregierte Angebots- beziehungsweise Nachfragfunktionen geben kann, sondern offenbar eine Vielzahl voneinander abhängiger individueller Angebots- und Nachfrageartikulationen auf Basis unterschiedlicher Preise.12 Ob – und wenn ja, wie – aus dieser Interdependenz akteursspezifischer Marktoperationen und den damit verbundenen Marktgewinnen und -verlusten ein Marktgleichgewicht entstehen kann, bleibt damit völlig unerklärt (siehe den Beitrag von Claudius Gräbner in diesem Band).

Auch wenn Pindyck/Rubinfeld „[d]as Grundmodell von Angebot und Nachfrage“ als das „grundlegende Instrumentarium der Volkswirtschaftslehre“ (PR, S. 51) bezeichnen, stellt sich angesichts der aufgeführten konzeptionellen Schwächen dieses Modells die Frage, ob nicht durch eine genauere Betrachtung der am Marktgeschehen beteiligten Akteur_innen dieses Marktgeschehen und insbesondere das Marktgleichgewicht unter Außerachtlassung von Anpassungsprozessen erklärt werden kann.13 Im Folgenden soll dieser Ausweg am Beispiel der Akteursgruppe der privaten Haushalte genauer diskutiert werden.

Die Akteursanalyse des Marktes am Beispiel der privaten Haushalte

a) Merkmale

Das Inkommensurabilitätsproblem

In der Akteursanalyse des Marktes werden nicht mehr einfach Marktaktivitäten als preisabhängige Größen unterstellt, sondern diese Aktivitäten sollen aus dem Innenleben der Akteur_innen in Gestalt von maximierten Zielfunktionen erklärt werden. Angebots- und Nachfragemengen wären insoweit das zwingende Ergebnis der Befolgung dieser Art von Handlungsrationalität. Insbesondere bei den an subjektiven Zielen orientierten Haushalten entsteht aber damit das neue Problem, wie individuelle Kalküle eine soziale (marktliche) Interaktion begründen können. In der mikroökonomischen Forschungsneoklassik wird versucht, dieses Problem dadurch zu lösen, dass gegebene Güterausstattungen mit den Handlungszielen durch einen (analytisch kalkulierten) Gleichgewichtspreisvektor vermittelt werden. Dies gelingt nur mit Hilfe eines aufwendigen mathematischen Verfahrens und nur unter sehr speziellen Sonderbedingungen (vgl. Mandler 1999, S. 22 ff., S. 49, S. 81). In der mikroökonomischen Lehrbuchneoklassik wird daher dieses Problem dadurch vereinfacht, (i) dass die Akteur_innen bereits mit einem intersubjektiv gültigen Geldbudget ausgestattet werden und (ii) dass für die betrachteten Güter einheitliche, intersubjektiv gültige Preise vorgegeben sind (PR, S. 126–127). Durch (iii) die Ablösung von einem spezifischen Handlungskontext und durch Indexierung der als Bezugsgröße fungierenden Währungseinheit (PR, S. 38–39) werden diese Vorgaben weiter objektiviert.14 Wird zudem im Rahmen der Maximierung gefordert, (iv) dass das gesamte Budget verausgabt wird (PR, S. 131), dann ist die durch die Merkmale (i) – (iv) charakterisierte gesellschaftliche Einbettung der Haushaltsakteur_innen in Gestalt einer Budgetgleichung beziehungsweise, relationslogisch betrachtet, als Gleichheitsrelation formulierbar.15 Die Schließung der dabei verbleibenden Freiheitsgrade in Gestalt der Festlegung der nachgefragten Gütermengen soll dann durch Einbeziehung der Ziele der Akteur_innen und deren Maximierung erfolgen. Diese Ziele sind aber nur in Gestalt von individuellen und güterbezogenen Präferenzen gegeben. Wie Mengen unterschiedlicher Güter im Rahmen dieser Präferenzbildung aufeinander bezogen werden, ist damit nur subjektiv durch den/die jeweilige/n Haushaltsakteur_in festgelegt.16 Soll nun diese Präferenzbildung herangezogen werden, um die obengenannten Freiheitsgrade zu schließen, ist es erforderlich, dass den intersubjektiven Optionen bei der Budgetverwendung subjektive Bewertungen in Bezug auf die Zielrealisierung zugeordnet werden können, diese Zuordnungen eindeutig sind und eine widerspruchsfreie Hierarchisierung erlauben. Da diese Voraussetzungen der Präferenzbildung nicht inhärent sind, gibt es ein Kommensurabilitätsproblem zwischen der intersubjektiven, gesellschaftlichen Einbettung und der individuellen, subjektiven Festlegung der Zielerreichung: Sie können nicht in zielführender Weise aufeinander bezogen werden.17

Die Stilisierung des Zielraums der Akteur_innen

Zur Überwindung dieses Kommensurabilitätsproblems wird die subjektive Zielartikulation der Akteur_innen in einer Weise standardisiert und stilisiert, dass diese Zielartikulation zum einen dieselben Eigenschaften aufweist wie die intersubjektiven Ausstattungsmerkmale und zum andern in eindeutiger Weise auf diese Ausstattungsmerkmale bezogen werden kann. Diese Standardisierung und Stilisierung erfolgt in mehreren Schritten. In einem ersten Schritt werden Axiome18 für die Präferenzartikulation formuliert: Neben der Vollständigkeit, der Transitivität und der Monotonie, die der Analogisierung zu den Eigenschaften der intersubjektiven Ausstattungsgrößen dienen, wird mit der Konvexität die Eindeutigkeit in der Relationierung von subjektiven und intersubjektiven Größen sichergestellt (PR, S. 110, S. 116–117 und zur Kritik Fradin 1976, S. 175–176).19 Im zweiten Schritt wird dann der Raum der Präferenzartikulation normiert, indem unter Verwendung des Konvexitätsaxioms ein (differenzierbares) Kontinuum von Güterpaarungen postuliert wird, das auf demselben Präferenzniveau liegen soll – die Indifferenzkurve (PR, S. 110 ff.). Darüber hinaus wird gefordert, dass der Raum der Präferenzartikulation lückenlos ist: Dies wird dadurch sichergestellt, dass ein Kontinuum von Präferenzniveaus, die jeweils durch eine Indifferenzkurve dargestellt werden können, angenommen wird. Fordert man zudem, dass sich die Indifferenzkurven nicht schneiden dürfen,20 ist damit eine sehr spezielle Topologie des Raums der Präferenzartikulation gegeben. Diese Topologie lässt sich in einem dritten Schritt mit einer kontinuierlichen Funktion darstellen, in der die relativen Unterschiede in den Präferenzniveaus berücksichtigt werden (Nutzenindexfunktion) (PR, S. 122–123). Um im Lehrbuchkontext21 den Anschluss an die in absoluten Größen gegebenen Budgets und Preise herzustellen, ist es erforderlich, im vierten Schritt eine kardinale (intervallskalierte) Nutzenfunktion zu postulieren. Dieser Anschluss wird zum einen hergestellt in Gestalt der notwendigen Optimierungsbedingung (Grenzrate der Substitution = Preisverhältnis)22 und zum andern in der Optimierungsrechnung (Bildung der Differenz zwischen der Nutzenfunktion und der Budgetbedingung).23 Erst dann ist die Isomorphie zwischen den objektiven Ausstattungsmerkmalen und den subjektiven Zielartikulationen in einer Weise vollendet, die die Anwendung der einschlägigen mathematischen kontrolltheoretischen Verfahren erlaubt.

Internes Optimum und Nachfragefunktion

Aus den in den letzten beiden Abschnitten skizzierten Überlegungen folgt, dass sowohl die Budgetgleichung als auch die Nutzenfunktion doppelt differenzierbar sind; dann kann mit Hilfe einer kombinierten Extremwertberechnung für beide Komponenten diejenige – qua gegebener Ausstattung zulässige – Güterkombination ermittelt werden, für die der höchste Nutzen realisiert werden kann (Haushaltsoptimum). Damit ist die Nachfrageartikulation nutzentheoretisch begründet. Wird nun – wie schon aus der Angebots-/Nachfrageanalyse bekannt – der vorgebebene einheitliche Preis jeweils eines der im Fokus der Präferenz- beziehungsweise Nutzenartikulation stehenden Güter variiert, dann kann wiederum unter Verknüpfung der (jetzt veränderten) Budgetgeraden und der (unveränderten) Nutzenfunktion eine neue optimale Nachfragemenge ermittelt werden (PR, S. 165 ff.). Führt man diese Berechnungen (sic!) für alle möglichen Preise durch, ergibt sich eine nutzentheoretisch fundierte individuelle Nachfragefunktion. Die Aggregation dieser individuellen Nachfragefunktionen über den vorgegebenen einheitlichen Preis liefert dann die gesellschaftliche Nachfragefunktion (PR, S. 181 ff.).24 Damit scheint nicht nur das Inkommensurabilitätsproblem (siehe oben) gelöst zu sein oder anders, eine Verknüpfung zwischen subjektiver Zielartikulation und intersubjektiven Restriktionen hergestellt zu sein, sondern auch eine bei der Angebots-/Nachfrageanalyse des Marktes verbleibende Erklärungslücke (hier: wie kommt bei einer Preisveränderung die veränderte Nachfrage zustande?) geschlossen zu werden.

b) Konsistenzprobleme

Auch diese Erklärungsvariante für das Markthandeln, in der die Zielmaximierung sowie die Restriktionen (Budget beziehungsweise Kosten) als explanantia firmieren und das Angebot, die Nachfrage sowie das Gleichgewicht als explananda, weist gravierende Konsistenzprobleme auf. Nicht nur tauchen alle oben behandelten Konsistenzprobleme der Angebots-/Nachfrageanalyse des Marktes in spezifizierter Form wieder auf; durch die explizite Betrachtung individueller Handlungslogiken einerseits und der Vorgabe gesellschaftlicher Restriktionen andererseits kommt das oben erläuterte Kommensurabilitätsproblem hinzu.

Die in den Abschnitten „Stilisierung des Zielraums der Akteur_innen“ und „Internes Optimum und Nachfragefunktion“ skizzierte Lösung dieses Kommensurabilitätsproblems für die privaten Haushalte ist gleichbedeutend mit der Transformation einer subjektiven (auf eine spezielle Situation und Güter bezogenen) Kalkulation in eine objektive (situationsunabhängige und alle Güter einschließende) Kalkulation.25 Sowohl für eine/n gegebene/n Akteur_in als auch zwischen den Akteur_innen werden die Präferenz- beziehungsweise Nutzenartikulationen vergleichbar gemacht, indem sie „objektiv“ gemessen werden (durch in positiven rationalen Zahlen ausgedrückte Nutzeneinheiten).26 Das Problem zu erklären, wie individuell interessierte Akteur_innen in einem geordneten („effizienten“) Marktkontext zusammenwirken, wird also bei der Betrachtung der Haushalte dadurch gelöst, dass die Marktakteure nicht nur in Bezug auf ihre Restriktionen (Budgets und Güterpreise), sondern auch in Bezug auf ihre Zielverfolgung (Nutzenfunktionen) als Teil eines vorab festgelegten, in homogenen Einheiten gemessenen, objektiven gesellschaftlichen Ganzen definiert werden.27 Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur von theoriegeschichtlichem Interesse, dass das Grundgerüst der neoklassischen Marktmodellierung stark durch die Abarbeitung an der klassischen Mechanik geprägt worden ist (vgl. Mirowski 1989).

Auch alle bereits im Abschnitt zur Angebots-/Nachfrageanalyse des Marktes genannten Konsistenzprobleme tauchen in dieser Variante der neoklassischen mikroökonomischen Marktkonzeption wieder auf; sie lassen sich nun teilweise in spezifizierter Form reformulieren. Das Problem der Unstetigkeit beziehungsweise des horizontalen Verlaufs der aggregierten Nachfragekurve kann auf die Existenz unterschiedlicher Güter (Giffen-Güter vs. „normale Güter“; vgl. PR, S. 177–178) beziehungsweise auf die Unterschiedlichkeit der Budgets (zum Beispiel viele kleine Budgets, wenige große Budgets) zurückgeführt werden. Ferner wird hier wie bei der Angebots-/Nachfrageanalyse des Markts von vorgegebenen einheitlichen Preisen ausgegangen und darüber hinaus angenommen, dass alle Akteur_innen über ein gegebenes Geldbudget verfügen. Damit wird immerhin die implizite Annahme der Angebots-/Nachfrageanalyse des Marktes explizit formuliert, ohne allerdings zu spezifizieren, welche Akteur_innen wodurch28 über wie viel Geld disponieren können. Da in der Akteursanalyse des Markts die (optimale) Nachfrage aber nicht nur vom Preis, sondern auch vom Budget und von der Nutzenfunktion abhängt, ist selbst bei Voraussetzen der Unabhängigkeit der Präferenz- beziehungsweise Nutzenartikulation von den Restriktionen zu berücksichtigen, dass hohe/niedrige Preise und hohes/niedriges Budget interdependent sein können (Einkommenseffekt der Preise). Dies wird mit der Vorgabe der Budgets kategorisch ausgeschlossen. Wichtiger noch als die fehlende Berücksichtigung dieser Interdependenz ist das Wiederauftauchen der Vorgabe der einheitlichen Preise, die es als marktliches Ergebnis nur im Gleichgewicht geben kann (vgl. oben den Abschnitt zu Konsistenzproblemen). Damit wird die Ermittlung der optimalen – aus der Nutzenmaximierung abgeleiteten – Nachfragemenge aber unabhängig von der Festlegung der Gleichgewichtspreise. Geht man umgekehrt von der Nichtexistenz des Gleichgewichts aus (da dieses ja erklärt werden soll), dann gibt es sogar innerhalb einer Branche unterschiedliche Budgetgeraden in Abhängigkeit von den auf dem Markt vorfindlichen unterschiedlichen Preisen: Nicht nur deren Niveau ist dann budgetabhängig unterschiedlich, sondern auch deren Steigung (vgl. Fradin 1976, S. 144 ff.). Eine eindeutige optimale Nachfragemenge ist dann nicht ermittelbar. Außerhalb des Gleichgewichts trägt die Ermittlung der mit der Nutzenmaximierung konformen Nachfragemenge nichts zum Erreichen des Gleichgewichts bei, da sie nur Auskunft darüber gibt, welche Menge einem gegebenen (einheitlichen oder nicht einheitlichen) Preis entspricht, nicht aber wie der Preis und/oder die Menge selber verändert werden müssen, damit das Gleichgewicht erreicht wird.29

Schlussfolgerungen

Sowohl die Angebots-/Nachfrageanalyse als auch die Akteursanalyse des Markts in der neoklassischen Lehrbuch-Mikroökonomik sind mit gravierenden Konsistenzproblemen verbunden. Nicht nur die in diesen Ansätzen enthaltene funktionale Aggregation der Marktseiten, auch die stilisierte Betrachtung der Marktakteure weisen konzeptionelle Widersprüche auf, die sie als wissenschaftlicher Leitfaden für das Verständnis von Marktprozessen ungeeignet machen. Diese Widersprüche sind im Wesentlichen:

  • die – mathematisch verklausulierte – Transformation subjektiver (nicht messbarer) in objektive (messbare) Größen,

  • die funktionale Separierung interdependenter Größen und

  • das Operieren mit Gleichgewichtskonzepten außerhalb des Gleichgewichts.

Auf welche spezifische Weise auf Märkten individuelle Aktivitäten zu intersubjektiv gültigen Ergebnissen führen, bleibt damit ebenso außerhalb des Erklärungshorizonts wie die Darstellung von Prozessen, die ein allfälliges Gleichgewicht erst hervorbringen. Zwischen den individuellen Rationalitätskalkülen und den Marktkräften kann außerhalb des Gleichgewichts kein konsistenter Zusammenhang hergestellt werden. Preise sind daher im Kontext dieser Konzepte fiktive Kalkulationsinstrumente und Teil einer komparativen partialanalytischen Gleichgewichtsplanung. Damit sind diese Konzepte auch ungeeignet als Auskunftsgeber darüber, was Märkte leisten können („Markteffizienz“) beziehungsweise was diese nicht leisten können („Marktversagen“). Insoweit sie aber gerade dies behaupten, sind sie ein Beitrag zur mathematisch rationalisierten Ideologieproduktion.30

 

Literatur

Albert, H. (1967): Marktsoziologie und Entscheidungslogik: Ökonomische Probleme in soziologischer Perspektive, Neuwied: Luchterhand.

Benicourt, E./Guerrien, B. (2008): Is Anything Worth Keeping in Microeconomics? In: Review of Radical Political Economics 40, Nr. 3, S. 317–323.

Fradin, J. (1976): Les Fondements Logiques de la Théorie Néoclassique de l’Échange, Grenoble: Presses Universitaire de Grenoble.

Ganßmann, H. (1979): On the Reconstruction of Economics as a Social Science, Diskussionsbeiträge zur Politischen Ökonomie. New York : New School for Social Research.

Georgescu-Roegen, N. (1966): Analytical Economics – Issues and Problems, Cambridge: Harvard University Press.

Hahn, F. (1985): Money, Growth and Stability, Cambridge: MIT Press.

Himmelweit, S./Simonetti, R. et al. (2001): Microeconomics: Neoclassical and Institutionalist Perspectives on Economic Behavior, London: Thomson Learning.

Kade, G. (1962): Die Grundannahmen der Preistheorie – Eine Kritik an den Ausgangssätzen der mikroökonomischen Modellbildung, Berlin: Vahlen.

Krause, U. (1979): Geld und abstrakte Arbeit – Über die analytischen Grundlagen der Politischen Ökonomie, Frankfurt am Main: Campus.

Kuhn, T.S. (1978): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Mandler, M. (1999): Dilemmas in Economic Theory – Persisting Foundational Problems of Microeconomics, New York: Oxford University Press.

Mirowski, P. (1989): More Heat than Light: Economics as Social Physics – Physics as Nature’s Economics, Cambridge: Cambridge University Press.

Robbins, L. (1935): An Essay on the Nature and Significance of Economic Science, London: Macmillan.

Simon, H.A. (1997): Towards an Empirically Based Microeconomics, Cambridge: Cambridge University Press.

Sohn-Rethel, A. (1978 [1936]): Warenform und Denkform – Mit zwei Anhängen, Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Sraffa, P. (1986): Über die Beziehung zwischen Kosten und produzierter Menge. In: Schefold, B. (Hrsg.): Ökonomische Klassik im Umbruch, Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 137–193.

Wicksteed, P.H. (Hrsg.) (1944): The Common Sense of Political Economy, London: Routledge.

1Axiome drücken dabei ein von einer Mehrheit der Wissenschaftler_innen geteiltes Grundverständnis ihres Untersuchungsfeldes aus und sind daher unveränderlich; Annahmen sind demgegenüber in einem spezifischen Kontext verwendete Vereinfachungen, die ggf. verändert werden können (vgl. Hahn 1985, S. 12 ff.).

 

2Vgl. zur neueren neoklassischen Forschungskommunikation Mandler (1999). Dieser Methodenunterschied beeinflusst aber nicht die anderen Elemente des neoklassischen Paradigmas.

 

3Der Begriff der „Denkform“ ist ursprünglich von Sohn-Rethel (1978) geprägt worden und erfasst die mit der Praxis des Warentauschs verbundene Art und Weise des ökonomischen Denkens. Im vorliegenden Zusammenhang ist die Praxis der ökonomischen „Normalwissenschaft“ der Hintergrund für die Art und Weise des Denkens. Im Unterschied zum Kuhn’schen Begriff des Paradigmas, der auf die moderne wissenschaftliche Kommunikation als Ganze bezogen ist (vgl. Kuhn 1978, S. 186 ff.), werden hier die korrespondierende Herausbildung einer spezifischen Denkweise und die damit einhergehenden Legitimierungsmuster bei den einzelnen Wissenschaftler_innen betont.

 

4Kritische Diskussionen der neoklassischen Mikroökonomik, die Konsistenzprobleme in den Mittelpunkt stellen, sind nur vereinzelt zu finden (vgl. Ganßmann 1979; Fradin 1976; Albert 1967; Georgescu-Roegen 1966; Kade 1962).

 

5Dieser Kern bleibt auch der gedankliche Referenzpunkt, wenn unterschiedliche Marktformen auf Einzelmärkten (vgl. PR, S. 486 ff.) bzw. das Wettbewerbsgleichgewicht auf mehreren Märkten (PR, S. 798 ff.) behandelt werden.

 

6Die mit diesem Ansatz verbundenen Probleme der fehlenden Plausibilität bzw. der unzureichenden empirischen Erklärungskraft werden hier nicht diskutiert.

 

7Für die aggregierte Angebots- bzw. Nachfragekurve werden die Komponenten bei Pindyck/Rubinfeld so gewählt, dass keine Unstetigkeiten entstehen (vgl. PR, S. 182, S. 405). Auch die mit der Existenz von Komplementärgütern möglichen Kaskadeneffekte (PR, S. 54) werden von den Verfassern nicht als Unstetigkeitsproblem diskutiert.

 

8Neben dem Problem der Stetigkeit können auch horizontal verlaufende Kurven ein Problem für die Gleichgewichtsermittlung darstellen. Dies kann die Folge einer unendlich elastischen Reaktion individueller Marktakteur_innen sein (PR, S. 67) oder aber die Aggregation individueller Kurven führt zu horizontal verlaufenden Abschnitten für die Gesamtkurve. Letzteres ist dann der Fall, wenn es Schwellenwerte für die Mengenveränderungen gibt (vgl. das Beispiel bei PR, S. 405). Damit ist die Möglichkeit verbunden, dass keine eindeutigen Schnittpunkte der aggregierten Kurven existieren.

 

9Diese Abhängigkeit von Angebot und Nachfrage ist dann virulent, wenn (i) etwa bei Veränderung des Preises ein gegebenes Einkommen insgesamt nicht mehr investiv, sondern konsumtiv verwendet wird (bzw. umgekehrt), (ii) ein Teil der Investition auch Nachfrageimplikationen in der betrachteten Branche hat oder (iii) die Produktionskosten sich verändern. Diese Probleme der Zirkularität bei der Formulierung von Angebot-/Nachfragekurven sind mit unterschiedlicher Zielrichtung von Wicksteed (1944, S. 505 ff., S. 516–517, S. 784 ff.) und Sraffa (1925/1986, S. 182 ff.) diskutiert worden. Wicksteed geht es um das Einfädeln einer nutzentheoretischen Fundierung und Sraffa um die Rehabilitation des klassischen Konzepts der konstanten Kosten.

 

10Diese indirekten Effekte können nicht durch die „ceteris paribus“-Klausel ausgeschlossen werden, da dann die Möglichkeit zur Mengenvariation in der betrachteten Branche (etwa durch den Markteintritt neuer Anbieter) selbst außer Acht bleiben müsste.

11Fradin (1976) führt diese eigentümliche Konstruktion auf das neoklassische Konzept der „relativen Preise“ zurück, in dem güterwirtschaftliche Tauschbeziehungen durch ein „numéraire“-Gut normiert werden. Dies würde auf eine unhaltbare Projektion des Tauschhandels in eine Geldwirtschaft hinauslaufen.

12Vgl. zur Kritik dieses Vorgehens auch in anderen Lehrbüchern Benicourt/Guerrien (2008, S. 319).

13Schon früh ist in der neoklassischen Forschungskommunikation angemahnt worden, die Bedingungen des Gleichgewichts unabhängig von den Marktprozessen zu konzeptualisieren (vgl. Wicksteed 1944, S. 506, S. 516, S. 785).

14Wegen des bestehenbleibenden Bezugs auf ein Basisjahr und auf die in diesem Jahr vorherrschenden Mengenverhältnisse gibt es aber immer noch eine essenzielle Differenz zu einer für naturwissenschaftliche Größen feststellbaren Objektivität, die diese Indexierung nicht erfordert.

15Diese Gleichheitsrelation weist folgende Eigenschaften auf: Vollständigkeit, Eindeutigkeit, Homogenität, Reflexivität, Symmetrie und Transitivität (vgl. Krause 1979, S. 29, S. 35). Dieser Äquivalenzrelation liegen objektive, auf ein invariantes Maß bezogene Messoperationen zugrunde.

16Die entsprechende Präferenzrelation weist daher zunächst keine der Eigenschaften der Gleichheitsrelation auf

17Relationslogisch ausgedrückt: Die budgetbezogene Gleichheitsrelation und die zielbezogene Ordnungsrelation sind nicht miteinander verknüpfbar. Praktisch ausgedrückt: „kg“ und „lieber als“ sind keine kommensurablen Größen.

18Wie in der Einleitung bereits erläutert, hängt die Verwendbarkeit von Axiomen eng mit der normalwissenschaftlichen Kommunikation zusammen; dies gilt insbesondere für die Sozialwissenschaft der Ökonomik.

19Damit ist eine Ordnungsrelation definiert, für die die Eigenschaften der Reflexivität und der Symmetrie nicht gelten.

20Damit wird der sinkende Grenznutzen auch für Güterbündel in die Betrachtung eingeschmuggelt.

21Zu den Schwierigkeiten des auf die Kardinalisierung des Nutzens verzichtenden neoklassischen Forschungskontext vgl. Mandler (1999, S. 66 ff.).

22Diese Bedingung deckt nicht alle möglichen Haushaltsentscheidungen ab. Ausgeschlossen sind etwa kritische Randlösungen (PR, S. 135–136) oder lexikografische Präferenzen (vgl. Himmelweit et al. 2001, S. 47 ff.).

23Pindyck/Rubinfeld R (S. 121 ff.) stellen die Normierung in Gestalt einer kardinalen Nutzenfunktion als didaktisch motivierte Vereinfachung dar, ohne das systematische Problem bei der Ermittlung des Optimums zu sehen, das sich stellt, wenn diese Vereinfachung nicht gemacht wird. Sowohl die Berechnung der Grenzrate der Substitution (PR, S. 132, S. 144) als auch die Anwendung des Lagrange-Verfahrens (PR, S. 231–232) setzen aber eine derartige kardinale Nutzenfunktion voraus. Dabei wird erst durch die Verknüpfung von kardinaler Nutzenfunktion und kardinaler Budgetbedingung die Ermittlung einer eindeutigen Lösung möglich. Da es viele Punkte geben kann, in denen die Grenzrate der Substitution gleich dem Preisverhältnis ist, ist dies lediglich eine notwendige, aber keine hinreichende Optimierungsbedingung.

24Aus Platzgründen kann die analoge Herleitung der Angebotsfunktion der Unternehmen aus ihren kosten- und produktionstheoretischen Restriktionen einerseits und der Gewinnmaximierung andererseits hier nicht behandelt werden. Die Standardisierung und Stilisierung des Handlungsraums erfolgt in diesem Fall über die Formulierung von intersubjektiv gültigen Produktions- bzw. Kostenfunktionen.

25Wie erläutert, erfüllt diese Kalkulation nicht nur die Anforderungen der Äquivalenzrelation, sondern sie wird auch durch das nutzentheoretische Dogma des sinkenden Grenznutzens normiert.

26Damit wird wie bei der Messung physikalischer Eigenschaften (z.B. Länge, Gewicht) unterstellt, dass es einen unveränderlichen Maßstab (analog etwa zu cm, kg) für die Präferenzen bzw. den Nutzen gibt. Dies ist auch eine Voraussetzung dafür, dass der ursprünglich in physikalischen Kontexten (z.B. für die Erfassung kinetischer bzw. potenzieller Energie) entwickelte Lagrange-Algorithmus überhaupt für die Darstellung nutzentheoretischer Überlegungen verwendet werden kann.

27Dies kann dadurch veranschaulicht werden, dass die Budgetgeraden und die Nutzenfunktionen aller Akteure addiert werden und daraus direkt die optimale Gesamtnachfrage abgeleitet wird.

28Die üblicherweise angeführte Erklärung, dass die Geldbudgets der privaten Haushalte ein Ergebnis des Marktes für den Faktor Arbeit seien, verlagert nur die Frage auf die Herkunft des Geldes auf die Unternehmensbetrachtung. Letztlich zeigt sich hier, dass in der neoklassischen mikroökonomischen Denkform Annahmen über das Geld- und Kreditsystem versteckt sind.

29Analoge Merkmale und Konsistenzprobleme lassen sich auch für die hier nicht behandelte zielmaximierungskonforme Ermittlung der Angebotsmenge in der mikroökonomischen Unternehmenstheorie nachweisen, da sie auf einer ähnlichen Konstruktion wie die Ermittlung der Nachfragemenge beruht.

30Mit „Ideologie“ ist dabei das Verfolgen von Legitimationsinteressen gemeint, das sich – von der Suggestion bis zur Täuschung – einer breiten Palette von Beeinflussungen bedient.

 

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