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Quelle: van Treeck, Till, and Janina Urban. Wirtschaft neu denken: Blinde Flecken in der Lehrbuchökonomie. iRights Media, 2016. Das Buch kann hier bestellt werden: http://irights-media.de/publikationen/wirtschaft-neu-denken/.
Rezensierte Bücher:
Krugman, P.R./Obstfeld, M./Melitz, M. (2014): International Economics. Theory and Policy, 10. Auflage, London: Pearson, 792 Seiten. Im Folgenden zitiert als KOMa. (ohne Abb.)
Krugman, P.R./Obstfeld, M./Melitz, M. (2015): Internationale Wirtschaft. Theorie und Politik der Außenwirtschaft, 10. Auflage, München: Pearson, 954 Seiten. Im Folgenden zitiert als KOMb. (Abb: Pearson)
Mankiw, N.G./Taylor, M.P (2014): Economics, 3. Auflage, Boston: Cengage Learning, 904 Seiten. Im Folgenden zitiert als MTa. (Abb: Cengage Learning)
Mankiw, N.G./Taylor, M.P. (2016): Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 6. Auflage, Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1172 Seiten. Im Folgenden zitiert vals MTb. (Abb: Schäffer-Poeschel)
Samuelson, P.A./Nordhaus, W.D. (2009): Economics, 19. Auflage, New York: McGraw-Hill, 715 Seiten. Im Folgenden zitiert als SNa. (ohne Abb.)
Samuelson, P.A./Nordhaus, W.D. (2010): Volkswirtschaftslehre, 4. Auflage, München: mi-Wirtschaftsbuch, FinanzBuch-Verlag, 1104 Seiten. Im Folgenden zitiert als SNb. (Abb: mi-Wirtschaftsbuch)
Einleitung: Globalisierung, die Sorgen der Menschen und die Antwort der Lehrbuchökonom_innen
Viele Menschen hegen heutzutage große Zweifel an Globalisierung und Handelsliberalisierung. Allzu häufig nämlich werden Globalisierung und der verschärfte internationale Wettbewerb als Argumente für Rationalisierung und Arbeitsplatzabbau, für niedrigere Lohn-, Arbeits-, Sozial- und Umweltstandards – konkret für die Verschlechterung der Arbeits- und Lebensbedingungen – angeführt. Dementsprechend skeptisch ist die Haltung gegenüber weiteren internationalen Freihandelsabkommen wie dem Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) oder dem Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP).
Die Haltung weiter Teile der Öffentlichkeit steht in bemerkenswertem Kontrast zu derjenigen der einflussreichsten Lehrbuchökonom_innen. Zwei der international führenden Einführungslehrbücher in die Volkswirtschaftslehre Mankiw/Taylor und Samuelson/Nordhaus sowie eines der führenden Lehrbücher der internationalen Wirtschaft Krugman et. al. setzen sich zwar (scheinbar) mit einigen Einwänden der Gegner_innen der Globalisierung und des Freihandels auseinander, plädieren dann aber doch vehement für den Freihandel: „Obwohl einige dieser Argumente unter besonderen Bedingungen zutreffen, halten Ökonomen den Freihandel gewöhnlich für die bessere Politik.“ (MTb, S. 621) „Argumente zugunsten der Verhängung von Zöllen […] halten zumeist keiner volkwirtschaftlichen Analyse stand.“ (SNb, S. 549) „Obwohl Freihandel nur von wenigen Ländern praktiziert wird, halten ihn die meisten Ökonomen weiterhin für erstrebenswert.“ (KOMb, S. 360)
Mankiw (2009) führt an, dass in diversen Umfragen 93 Prozent der befragten Ökonom_innen der Aussage zustimmen, Zölle und Importquoten seien generell wohlfahrtsmindernd. Diese Aussage steht bei ihm auf Platz 2 einer Liste von 14 weitgehend unumstrittenen Behauptungen. Mankiw wünscht sich: „Wenn wir die amerikanische Öffentlichkeit dazu bringen könnten, all diesen Aussagen zuzustimmen, dann bin ich sicher, dass ihre politischen Führer dem schnell folgen würden und die Wirtschaftspolitik stark verbessert würde. Aus diesem Grund ist die ökonomische Ausbildung so wichtig.” (Mankiw 2009, eigene Übersetzung) Mankiw und Kolleg_innen mühen sich in ihren Lehrbüchern denn auch nach Kräften, die Freihandelsdoktrin zu verbreiten. Leider gehen sie dabei aus methodischer wie wirtschaftspolitischer Sicht extrem einseitig vor.
Das methodische Grundproblem: Die Walrasianische allgemeine Gleichgewichtstheorie als Grundlage der „reinen“ Außenwirtschaftstheorie
Aus einer pluralistischen Perspektive besteht ein methodisches Grundproblem aller drei Lehrbücher bereits in ihrer festen Verwurzelung in der Mainstream-Volkswirtschaftslehre und damit darin, dass sie die Volkswirtschaftslehre (VWL) und die Internationale Wirtschaftslehre nicht nach ihrem eigentlichen Gegenstand, das heißt der internationalen Wirtschaft, abgrenzen, sondern nach der angewandten (und zwingend anzuwendenden!) ökonomischen Methode der Optimierung unter Nebenbedingungen (vgl. Chang 2014, S. 15 ff.; siehe auch den Beitrag von Torsten Heinrich in diesem Band). In der referierten Handelstheorie kommt diese in der besonders engen Ausprägung der Walrasianischen allgemeinen Gleichgewichtstheorie (siehe den Beitrag von Claudius Gräbner in diesem Band) daher.
Käme stattdessen eine gegenständliche Abgrenzung zum Einsatz, stünden die zahlreichen drängenden Fragen und Probleme der internationalen Wirtschaft und damit potenziell die Sorgen und Nöte der Menschen in den Industrie- wie in den Schwellen- und Entwicklungsländern im Mittelpunkt: Gefragt werden müsste zum Beispiel sehr genau, was unter welchen Bedingungen von wem wo produziert wird und welche ökonomischen, sozialen und politischen Auswirkungen dies hat. International tätige Konzerne und die Wertschöpfungsketten, entlang derer sie ihre Standort- und Steuerarbitrage betreiben, müssten zweifellos ebenso eine große Rolle spielen wie die Auswirkungen auf die weltweiten Arbeits-, Lohn-, Sozial-, Steuer- und Umweltstandards. In den hier besprochenen Lehrbüchern geraten solche realweltlichen Phänomene bestenfalls zu komplizierenden – aber letztlich kaum wesentlichen – Anhängseln des gelehrten, abstrakten Grundmodells.
Die Dominanz der Methode über den Gegenstand kommt in den beiden VWL-Einführungslehrbüchern dadurch zum Ausdruck, dass sie die Kapitel über den internationalen Handel relativ weit hinten unter „Die Anwendung ökonomischer Grundsätze“ (SNb, Teil 4, Kapitel 18) einsortieren. In der neuesten Auflage des Mankiw/Taylor (2016, Kapitel 19) steht das entsprechende Kapitel mittlerweile alleine; in der vorhergehenden 5. Auflage war es noch unter „Anwendung: Zwischenstaatlicher Handel“ (MTb, Kapitel 9, S. 217) zu finden. Das naturgemäß detailliertere Lehrbuch der Internationalen Wirtschaft von Krugman et al. widmet mehr als 140 Seiten und 4 Kapitel der schrittweisen Entwicklung des allgemeinen Gleichgewichtsmodells („Das Standardmodell des Handels“), bevor dann „Erweiterungen“ wie unvollständige Konkurrenz, Skalenerträge und handelspolitische Implikationen angegangen werden (KOMb, S. 57–205). In allen Lehrbüchern geht es damit eindeutig um die Anwendung zuvor einstudierter abstrakter Grundmodelle, nicht aber um die Entwicklung oder Auswahl von Modellen oder Theorien, die explizit den Gegenstandsbereich der internationalen Wirtschaft erschließen.
Das zweite methodische Grundproblem der Lehrbücher besteht darin, dass sie nicht nur unkritisch die ökonomische Methode der Optimierung unter Nebenbedingungen anwenden, sondern ausgerechnet die Walrasianische allgemeine Gleichgewichtstheorie. Wie Rodrik als aufgeklärterer Mainstream-Vertreter hervorhebt, gibt es selbst innerhalb des neoklassischen Mainstreams eine Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Modelle, die pragmatisch für unterschiedliche Fragestellungen eingesetzt werden können (Rodrik 2015, S. 83 ff.). Zu nennen wären etwa Modelle unvollkommener Konkurrenz, der Entscheidung unter Risiko sowie der Behavioural Economics. Nichts davon findet sich im „Standardmodell“ des internationalen Handels, das den Lehrbüchern und ihren Empfehlungen für den Freihandel zugrunde liegt. In diesem Modell herrschen vollständige Konkurrenz, vollständige Information, Markträumung und jederzeit Vollbeschäftigung. Sämtliche notwendigen Anpassungen erfolgen unendlich schnell und reibungslos. Und da sich alle ökonomischen Akteure ständig nutzen- und gewinnmaximierend verhalten, ist das zustande kommende Modellgleichgewicht immer gesellschaftlich optimal, weil wohlfahrtsmaximierend.
Die Walrasianische allgemeine Gleichgewichtstheorie krankt jedoch schon daran, dass sie nach dem Sonnenschein-Mantel-Debreu-Theorem unter allgemeinen Bedingungen nicht erklären kann, wie die modellierte Volkswirtschaft überhaupt ins Gleichgewicht kommt (Lavoie 2014, S. 50 ff.; siehe auch die Beiträge von Claudius Gräbner und Torsten Heinrich in diesem Band). Vor allem aber handelt es sich bei der Gleichgewichtstheorie nach mittlerweile weitverbreiteter Ansicht weniger um ein positiv-empirisch ausgerichtetes Instrumentarium als vielmehr um einen Referenzrahmen, an dem die Unvollkommenheiten der realen Welt gemessen werden können. So wird das zentrale Ergebnis der allgemeinen Gleichgewichtstheorie – die beiden Hauptsätze der Wohlfahrtsökonomik, wonach jedes Wettbewerbsgleichgewicht pareto-optimal ist und jeder pareto-optimale Zustand als Wettbewerbsgleichgewicht zu erreichen ist – in der Wirtschaftspolitik lediglich als Ausgangspunkt für die Theorie des Marktversagens genommen, die aufzeigt, dass bei Verletzungen der restriktiven Grundannahmen die Optimalität der marktlichen Allokation gestört ist und Staatseingriffe angebracht sein können (Corneo 2012, S. 19 ff.; Rodrik 2015, S. 47 ff.).
Die (Lehrbuch-)Interpretation der reinen realen Außenwirtschaftslehre bleibt hinter diesen Einsichten erheblich zurück: Sie versucht erstens – erwartbar erfolglos – ein Modell, dessen wesentlicher Zweck darin besteht, die abstrakten theoretischen Voraussetzungen zu identifizieren, die für die Optimalität der marktlichen Freihandelsallokation notwendig sind, dazu zu verwenden, tatsächliche Handelsströme zu erklären. Dabei prognostiziert und erklärt das Standardmodell schlicht gar nichts: Je nach „Präferenzen“ der Konsument_innen und der Produktionstechnologien in den beiden Ländern ist nichts ausgeschlossen und jedes Ergebnis möglich. Zweitens versichert sie sich dabei paradoxerweise regelmäßig selbst der Optimalität der Freihandelsallokation, obwohl diese lediglich den vorausgesetzten restriktiven Annahmen, nicht aber irgendwelchen empirisch überprüften – oder überhaupt überprüfbaren – Realitäten entspringt.
Des Weiteren krankt die Außenwirtschaftslehre selbstverständlich an der strikten Dichotomie zwischen der sogenannten reinen realen mikroökonomischen (Tausch-)Theorie und der monetären Theorie, in die Komplikationen wie Geld, internationale Finanzströme, Wechselkurse und andere makroökonomische Faktoren ausgelagert worden sind (vgl. Davidson 2009). Nicht-Ökonom_innen dürften sich mit Recht die Frage stellen, ob man eine Theorie ernst nehmen kann, die glaubt, den internationalen Handel und die Globalisierung wirklich ohne diese Faktoren erklären zu können.
Freihandelsindoktrination für Anfänger im Mankiw/Taylor und im Samuelson/Nordhaus
Die prominenten Autoren der VWL-Einführungslehrbücher sind sich der erwähnten methodischen Grenzen ihres Ansatzes offenbar nicht bewusst. So preisen sie auf Basis ihres Modells unerschütterlich die Vorteile des Freihandels und warnen vor den Gefahren des Protektionismus. Interessanterweise unterscheiden sich die beiden besprochenen Lehrbücher dabei nur in Nuancen. Aufgrund der unterschiedlichen politischen Standpunkte der beteiligten Hauptautoren hätte man dies nicht unbedingt erwartet: Der erste, US-Nobelpreisträger Paul A. Samuelson, als prominenter Mainstream-Keynesianer tendenziell den US-Demokraten zuneigend, plädiert im Vorwort mit seinem Ko-Autor William D. Nordhaus ausdrücklich für eine Ökonomie der Mitte (SNb, S. 7 ff.; siehe auch die Beiträge von Johannes Jäger und Till van Treeck in diesem Band). Dagegen ist der zweite, N. Gregory Mankiw, US-Republikaner und war von 2003 bis 2005 als Vorsitzender des Council of Economic Advisors oberster wirtschaftspolitischer Berater des konservativen US-Präsidenten George W. Bush. Dennoch weisen beide Lehrbücher in der grundsätzlichen Herangehensweise wie in den wirtschaftspolitischen Schlussfolgerungen erstaunliche Parallelen auf.
Das Credo beider Lehrbücher lässt sich am besten durch die Kurzzusammenfassung des Kapitels 9 „Interdependenz und Handelsvorteile“ in der Inhaltsübersicht von Mankiw/Taylor (MTb, S. XIII) charakterisieren: „Spezialisierung und Handel erhöhen die Wohlfahrt der Beteiligten. Das gilt auch für den Außenhandel eines Landes. Dabei gibt es Gewinner und Verlierer, die Zölle, Quoten und nicht-tarifäre Maßnahmen gegenüber dem Ausland fordern können.“ Beide Lehrbücher betonen eingangs die Bedeutung des Außenhandels für das tägliche Leben der Menschen durch die Aufzählung alltäglicher importierter Güter und Vorprodukte. Sie wenden sich danach anhand einfacher Beispielfälle der Einführung des Konzepts der komparativen Kostenvorteile zu, um dann im Rahmen einfacher komparativ-statischer Partialanalysen eines (vollkommenen) Marktes für ein international gehandeltes Gut (Annahme: kleine Volkswirtschaft ohne Preissetzungsspielräume) die Vorteilhaftigkeit des Außenhandels und die Wohlfahrtsverluste durch protektionistische Maßnahmen wie Zölle und Importquoten zu veranschaulichen. „Zölle führen zu volkswirtschaftlichen Ineffizienzen. Wenn Zölle verhängt werden, übertrifft der volkswirtschaftliche Verlust für die Konsumenten die Einnahmen, die dem Staat erwachsen, zuzüglich der Zugewinne der Produzenten.“ (SNb, S. 535)
Beide Lehrbücher betonen, dass der Freihandel zwar zu Gewinner_innen und Verlierer_innen führe, jedoch: „Aus ökonomischer Sicht ist es egal, wer durch Außenhandel gewinnt und wer verliert – allein von Bedeutung ist, dass die gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt steigt.“ (MTb, S. 606) Allerdings machten die Verlierer_innen – zum gesamtwirtschaftlichen Schaden – politischen Druck und seien so für protektionistische Maßnahmen verantwortlich: „[S]ie erheben folglich laut ihre Stimmen, um Schutzmechanismen und Handelsbarrieren einzufordern.“ (SNb, S. 530) „Die Verlierer nutzen ihren politischen Einfluss und versuchen, die Politik von der Notwendigkeit von Handelsbeschränkungen wie beispielsweise Zöllen zu überzeugen.“ (MTb, S. 607)
Einhellig ist die negative Beurteilung der Argumente für protektionistische Maßnahmen: Samuelson/Nordhaus (2010, S. 538–539) unterscheiden unter anderem zwischen fragwürdigen „Argumente[n], denen ein logisches Missverständnis volkswirtschaftlicher Prinzipien zugrunde liegt“ und immerhin „potenziell stichhaltigen Argumenten“ (SNb, S. 542). Als fragwürdig wird neben protektionistischen Maßnahmen im Dienste von speziellen Interessengruppen unter anderem die Sorge vor dem Wettbewerb durch billige ausländische Arbeitskräfte bezeichnet. Diese sei langfristig, nach kurzfristig möglicherweise schmerzhaften Anpassungsprozessen, „nicht stichhaltig, weil [sie] die Theorie des komparativen Vorteils missachtet. Ein Land profitiert durch den Außenhandel selbst dann, wenn seine Löhne weit über dem seiner Handelspartner liegen. Hohe Löhne sind nämlich das Ergebnis hoher Effizienz, nicht protektionistischer Zölle.“ (SNb, S. 541) Mankiw/Taylor (2016, S. 616) sekundieren für den Fall der Sorge vor dem Verlust von Arbeitsplätzen: „Die Arbeitskräfte der beiden Länder finden ihre Arbeitsplätze schlussendlich in den Wirtschaftszweigen, in denen ihr Land einen komparativen Vorteil hat.“
Beide Lehrbücher wehren schließlich ein weiteres wesentliches – nach Samuelson/Nordhaus immerhin potenziell stichhaltiges – Argument ab, nämlich das der Schutzzölle zur vorübergehenden Abschirmung eines noch jungen Sektors vor ausländischer Konkurrenz. Mankiw/Taylor (2016, S. 617) urteilen: „Protektion ist für die Etablierung und das Wachstum einer Industrie grundsätzlich nicht nötig.“ Samuelson/Nordhaus (2010b, S. 543–544) sind etwas aufgeschlossener und verweisen auf einige (wenige) Erfolgsfälle und prominente Ökonom_innen als Fürsprecher_innen, halten jedoch die Erfolgsaussichten für gering und Subventionen für das geeignetere Instrument. Untermauert wird ihre Skepsis durch einen Kasten „Der nutzlose Schutz der brasilianischen Computerindustrie“, der ein Negativbeispiel in Szene setzt.
Das Lehrbuch von Samuelson/Nordhaus mag stellenweise methodisch und wirtschaftspolitisch ein wenig aufgeschlossener erscheinen. Immerhin beginnt das Kapitel über den internationalen Handel mit ein wenig Empirie, indem einige Zahlen über den US-Außenhandel referiert werden. Zudem wird gegen Ende die Geschichte von Zöllen und Handelsbeschränkungen sowie der Handelsliberalisierung durch internationale Abkommen nach dem Zweiten Weltkrieg skizziert. Immerhin weist es offen auf mögliche Probleme des Outsourcings und damit der Verlagerung von Produktion und Arbeitsplätzen ins Ausland hin. Ironischerweise führt es abschließend jedoch gerade Mankiws Ansicht an, der Outsourcing letztlich nur für einen weiteren Fall der Nutzung komparativer Vorteile und damit langfristig für wohlfahrtssteigernd hält (SNb, S. 522–523). Zudem weisen Samuelson/Nordhaus (2010, S. 528–530) auf die Bedeutung der „klassischen Annahmen“, das heißt der Vollbeschäftigung, für die referierte Theorie der komparativen Kosten hin und deuten damit wenigstens einen Zusammenhang zu makroökonomischen Fragestellungen an. Bei Unterbeschäftigung gilt die Vorteilhaftigkeit des Freihandels nicht mehr uneingeschränkt (vgl. auch Shaik 1979). Dennoch sollen die Probleme in diesem Fall nicht durch Protektionismus, sondern durch entsprechende makroökonomische Politik angegangen werden (SNb, S. 545). Im Gegensatz zu Mankiw/Taylor verschweigen Samuelson/Nordhaus (2010, S. 542–543) auch nicht, dass im Falle großer Länder mit Einfluss auf den Weltmarktpreis Zölle die Terms of Trade zugunsten des zollerhebenden Landes verbessern können, was immerhin die Basis für die Optimalzoll-Theorie bildet.
Mankiw/Taylor (2016, S. 601), behaupten dagegen faktenwidrig ernsthaft, „[d]ie Annahme der kleinen Volkswirtschaft ist zwar nicht notwendig für die Untersuchung der Handelsvorteile. Die […] Ökonomen wissen jedoch aus Erfahrung, […] dass die grundlegenden Erkenntnisse auf kompliziertere große Volkswirtschaften übertragbar sind.“ Zudem wird die einschränkende Annahme der Vollbeschäftigung nirgendwo erwähnt. Kleinste Spuren von Empirie suchen die Leser_innen vergebens im Mankiw/Taylor; diese verbleiben stets im Abstrakten und führen lediglich konstruierte Beispielfälle zur Illustration an. Was an Realitätsbezug fehlt, wird durch einen über weite Strecken extrem suggestiven Tenor ausgeglichen. Das gipfelt zum Abschluss des Kapitels in der Parabel (sic!) vom Erfinder, der in einer protektionistischen Volkswirtschaft eine geheimnisvolle, extrem effiziente Technologie zur Produktion von Stahl erfunden zu haben scheint, die Weizen in Stahl transformiert. Aufgrund der resultierenden Wohlfahrtssteigerung wird der Erfinder zunächst gefeiert, schließlich jedoch als Betrüger entlarvt, der lediglich verbotenerweise durch internationalen Handel Weizen gegen Stahl getauscht hat. „Der Erfinder wird verhaftet und der Lächerlichkeit preisgegeben. Am Ende war er kein Erfinder, sondern nur ein Ökonom.“ (MTb, S. 618) Vom etwas seltsamen Pathos ganz abgesehen: Was soll die Parabel inhaltlich eigentlich besagen? Etwa, dass Entwicklungsländer gar nicht erst versuchen sollten, selbst Stahl zu produzieren, und sich stattdessen ganz auf Agrarprodukte konzentrieren sollten?
Schließlich sei noch auf eine interessante Besonderheit der deutschen Übersetzung der neuesten Auflage eingegangen. Dort findet sich wie in der Vorauflage (Mankiw/Taylor 2012) zwar immerhin der Kasten mit der Fallstudie „Zweifel am Freihandel“, in dem auf einen Artikel von Paul Krugman in der New York Times von 2007 eingegangen wird, in dem dieser auf potenzielle negative Auswirkungen des Freihandels für niedrig qualifizierte Beschäftigte in den Industrieländern hinweist. Wenig überraschend verteidigt er Freihandel dann aber natürlich trotzdem, indem er die negativen Konsequenzen durch einen entsprechend ausgebauten Sozialstaat abfedern will (MTb, S. 619–620). Den deutschsprachigen Leser_innen wird jedoch vorenthalten, dass die neueste Auflage des englischsprachigen Originals einen weitaus kritischeren Diskussionskasten enthält, in dem aufgrund fundamentaler empirischer Zweifel die Theorie der komparativen Kosten zur Disposition gestellt wird (MTa, S. 431–432).
Noch mehr Indoktrination für Fortgeschrittenere bei Krugman et al.
Wer vermutet haben sollte, dass die beschriebene Enge und Einseitigkeit der Einführungslehrbücher möglicherweise lediglich der gebotenen Kürze der Darstellung entspringt, sieht sich nach der Lektüre des ausführlichen Lehrbuchs von Krugman et al. (2015b) eines anderen belehrt. Obwohl dort viele der restriktiven Annahmen des Grundmodells in späteren Kapiteln aufgegeben werden, verharrt das Buch in der Herangehensweise und der Einseitigkeit der handelspolitischen Schlussfolgerungen auf dem niedrigen Niveau der Einführungslehrbücher. Dies erstaunt vor allem angesichts der Tatsache, dass einer der Autoren, Nobelpreisträger Paul Krugman, den Nobelpreis gerade für seine Arbeiten auf dem Gebiet der sogenannten neuen Handelstheorie bekommen hat, die die Optimalität des Freihandels potenziell in Frage stellen. Zudem hat sich Krugman in den letzten Jahren als (neu-)keynesianischer radikaler Kritiker des makroökonomischen Mainstreams hervorgetan (Krugman 2012). Von dieser kritischen Haltung findet sich leider nicht das Geringste im Standardlehrbuch.
Besonders ärgerlich ist, dass das Buch nicht einmal eine besonders gelungene Einführung in die orthodoxe allgemeine Gleichgewichts-Außenwirtschaftslehre ist. Das mag auch an der ungelenken deutschen Übersetzung liegen, die unter anderem darin zum Ausdruck kommt, dass aus der „Empirical Evidence on the Heckscher-Ohlin Model“ im Original (KOMa, S. 135) „Empirische Beweise für das Heckscher-Ohlin-Modell“ werden (KOMb, S. 154). Sätze wie „Humanressourcen und von Menschen geschaffene Ressourcen wie zum Beispiel Maschinen und andere Arten von Kapital sind wichtiger als Rohstoffe“ (KOMb, S. 53) klingen doch eher wie aus dem Übersetzungscomputer. Zwar wird im letzten der vier theoretischen Einführungskapitel das Standardmodell des internationalen Handels, also der Handel zwischen zwei Ländern mit zwei Gütern und zwei Produktionsfaktoren bei unterschiedlichen Produktionstechnologien und Konsumentenpräferenzen dargestellt. Jedoch muss bezweifelt werden, ob die weitgehend grafische und an vielen Stellen vereinfachte Darstellung tatsächlich ein echtes Verständnis des zugrundeliegenden Modells ermöglicht. Man fragt sich, wie eigentlich im Zwei-Länder-Modell die „Weltmarktnachfragekurve“ vom Himmel fällt; bei nur zwei Ländern müsste diese doch explizit aus der Nachfrage der beiden Länder hergeleitet und nicht einfach postuliert werden. Erschwert wird das Verständnis dadurch, dass sich zum Beispiel im fünften Kapitel über das Heckscher-Ohlin-Modell Fehler eingeschlichen haben. So wird der Produktionsfaktor Kapital nicht einheitlich als Kapital, sondern gelegentlich auch als Boden bezeichnet (z.B. KOMb, S. 140, Abb. 5.7 sowie S. 169) – vermutlich ein übersehenes Relikt aus früheren Auflagen. Warum es nicht möglich ist, solche Fehler in der 10. Auflage eines „führenden“ Lehrbuchs von „US-Starökonomen“ abzustellen, ist schwer nachzuvollziehen. Wer wirklich verstehen möchte, wie das Modell funktioniert, sollte daher auf ausgereiftere analytischere Darstellungen wie bei Gandolfo (2013) oder die viel systematischeren deutschsprachigen Lehrbücher wie Maennig (2013) oder Rose/Sauernheimer (2006) zurückgreifen.
Auch Krugman et al. stimmen in das Loblied auf den Freihandel ein. Besonders frappierend ist dabei, dass sie schon auf Seite 73 und auf der Basis eines völlig rudimentären Modells – des „Ricardo-Modells“ des Handels zwischen zwei Ländern mit zwei Gütern mit Arbeit als einzigem Produktionsfaktor – vehement einigen „irrigen Annahmen über den komparativen Vorteil“ entgegentreten. Man fragt sich, warum dies schon so früh geschieht und nicht erst gegen Ende des über vierhundert Seiten starken Teiles über die reale Außenwirtschaftstheorie, in der die Modelle weiter ausdifferenziert und einige der einfachen Ergebnisse in Frage gestellt werden. Stattdessen erfahren die Leser_innen: „[A]uf dem Gebiet der Wirtschaft herrscht kein Mangel an verworrenen Vorstellungen. Politiker, Unternehmensführer und selbst Ökonomen treffen oft Aussagen, die einer sorgfältigen wirtschaftswissenschaftlichen Analyse nicht standhalten. Aus irgendeinem Grund trifft dies insbesondere auf die internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu.“ (KOMb, S. 73)
Alsdann werden drei „Mythen“ – „das Wettbewerbsfähigkeits-Argument“, „das Lohndumping-Argument“ und „das Ausbeutungsargument“ – ins Visier genommen. Das Wettbewerbsfähigkeitsargument, welches bezweifelt, dass Außenhandel sinnvoll sein kann, wenn ein Land gegenüber einem anderen nicht wettbewerbsfähig ist, wird widerlegt, indem auf die Bedeutung der komparativen, nicht der absoluten Kostenvorteile hingewiesen wird, wonach ein Land, auch wenn es in allen Branchen mit höheren Löhnen produziert als ein anderes, Handel mit dem Gut, das es relativ günstiger produzieren kann, treiben wird. Dem Lohndumping- wie dem Ausbeutungsargument wird begegnet, indem darauf hingewiesen wird, dass die Höhe der Löhne nicht vom Handel, sondern von der Produktivität in den jeweiligen Ländern abhänge: „In unserem Beispiel werden die Arbeiter in Ausland weitaus geringer entlohnt als die Inlands-Arbeiter und man könnte sich leicht einen Kolumnisten vorstellen, der empörte Kommentare über ihre Ausbeutung schreibt. Wenn sich Ausland jedoch weigern würde, ‚ausgebeutet‘ zu werden, indem es sich dem Handel mit Inland entzieht […], dann wären seine Löhne noch niedriger: Die Kaufkraft des Stundenlohns eines Arbeiters würde von 1/3 auf 1/6 Pfund Käse sinken.“ (KOMb, S. 77)
Im engen Rahmen des zuvor eingeführten Ricardo-Modells sind diese Argumente zwar stichhaltig, aber bei Aufgabe der Annahmen stoßen sie schnell an Grenzen. Kann man zum Beispiel sinnvoll das häufig geäußerte Ausbeutungsargument entkräften, wenn es im Modell gar keinen Produktionsfaktor Kapital und keine multinationalen Unternehmen gibt, die aufgrund fehlender gewerkschaftlicher Organisation und eines fehlenden Sozialstaats die Menschen in Entwicklungsländern zu extrem niedrigen Löhnen und unter lebensgefährlichen Arbeitsbedingungen arbeiten lassen? Ist die geringere Produktivität in den ärmeren Ländern tatsächlich gegeben beziehungsweise stellt Außenhandel automatisch den besten Weg zur Produktivitätssteigerung dar? Falls ja, kann man dies in einem Modell beweisen, in dem die Produktionstechnologie einfach als gegeben vorausgesetzt wird? Vor diesem Hintergrund mutet die selbstbewusst vorgetragene – aber komplett im Primitivbeispiel verharrende – Aussage bezüglich der Steigerung der Kaufkraft von einem Sechstel auf ein Drittel Pfund Käse fast schon unfreiwillig komisch an.
Krugman et al. (2015b) entwickeln die Modelle weiter und stellen bei der Optimalzoll-Theorie, positiven Skalenerträgen und der strategischen Handelspolitik durchaus potenzielle Abweichungen von der reinen Freihandelsdoktrin vor, die jedoch größtenteils für wenig überzeugend beziehungsweise kaum praktikabel eingestuft werden. Allerdings hat man nach der „Entkräftung“ der „irrigen Annahmen“ nach knapp 80 Seiten ohnehin den Eindruck, das Urteil stehe bereits fest. Ebenso wie in den VWL-Einführungslehrbüchern wird manchen Argumenten gegen den Freihandel geradezu feindselig begegnet und zwischen offenbar für irrig gehaltenen und „ernsthaften, wissenschaftlichen“ Argumenten (KOMb, S. 360) unterschieden. Die politische Ökonomie der Handelspolitik wird benutzt, um reale Handelshemmnisse zu erklären, die Minderheiten zu Lasten der volkswirtschaftlichen Effizienz und der Mehrheit der Bevölkerung protegieren (KOMb, S. 333 ff.).
Einige notwendige plurale Ergänzungen
Der Außenhandel wird in führenden Lehrbüchern der VWL beziehungsweise des internationalen Handels auf sehr einseitige Art und Weise dargestellt und bewertet. Das bedeutet natürlich nicht, dass die angeführten Argumente im Ergebnis sämtlich falsch und Protektionismus immer die richtige Strategie ist. Es bedeutet lediglich, dass die Argumentation der Lehrbücher aufgrund ihrer methodischen und politischen Einseitigkeit dringend aus pluraler Perspektive hinterfragt und überprüft werden muss. Leider gibt es bislang kein umfassendes alternatives Lehrbuch der internationalen Wirtschaft, das dies leisten würde. Dennoch empfehlen sich einige Ergänzungen zu den Lehrbüchern, die insgesamt zu einer ausgewogeneren Herangehensweise und offeneren Schlussfolgerungen führen.
Erstens sollte das in den Lehrbüchern explizit oder implizit zugrunde gelegte allgemeine Gleichgewichtsmodell immer kritisch reflektiert werden. Der uneingeschränkte Glaube an die segensreichen Wirkungen des internationalen Handels basiert vor allem darauf, dass davon ausgegangen wird, dass sich langfristig die Volkswirtschaften gemäß ihrem komparativen Vorteil ausrichten. Wird jedoch beachtet, dass das Gleichgewichtsmodell nicht einmal theoretisch einen eindeutigen Weg in das langfristige Gleichgewicht aufzeigen kann (Lavoie 2014, S. 50 ff.), wird dies sehr zweifelhaft.
Zweitens sollten die Modellerweiterungen beziehungsweise die vielen Alternativmodelle mit unvollständiger Konkurrenz, Skalenerträgen etc., die für unterschiedliche Kontexte entwickelt wurden und die zum Beispiel bei Krugman et al. (2015b, S. 207 ff.) dargestellt werden, viel ernster genommen werden. Folgt man Rodrik (2015), dann sollte von der Vorstellung Abschied genommen werden, dass es ein einheitliches, alles erklärendes Modell gibt, das auf alle Situationen anwendbar ist. Vielmehr besteht die Kunst darin, aus der Vielzahl an ökonomischen Modellen dasjenige auszuwählen, das für einen konkreten Kontext adäquat ist. Auf die reale Außenwirtschaftslehre bezogen ginge es dann nicht mehr um große generelle Schlussfolgerungen, sondern um die konkrete Beurteilung, ob eine Handelsliberalisierung in einem bestimmten Land für bestimmte Güter unter den jeweils herrschenden Bedingungen vorteilhaft ist oder nicht.
Dabei sollten drittens auch Modelle einbezogen werden, die sich schrittweise weiter von den Standardannahmen entfernen. So analysieren Albertson et al. (2015) den Fall unvollständiger Konkurrenz und von Preisstarrheiten auf Inlandsmärkten und kommen zu der Schlussfolgerung, dass in diesem Fall gar nicht die komparativen, sondern die absoluten Kostenvorteile entscheidend sind (vgl. auch Häring 2016). Zu ähnlichen und noch viel weitreichenderen Schlussfolgerungen gelangt man, wenn man mit Davidson (2009, S. 105 ff.) annimmt, dass aufgrund der Mobilität internationaler Realinvestitionen letztlich sämtliche „natürlichen“ Produktivitätsunterschiede zwischen den Ländern verschwinden, weshalb nur noch absolute Kostenvorteile dominieren.
Natürlich stellen sich im internationalen Handel viertens vor allem makroökonomische Fragen der Sicherstellung einer ausreichenden Gesamtnachfrage zur Absorption eines etwa aufgrund von Effizienzvorteilen durch Außenhandel gestiegenen Güterangebots (Davidson 2009, S. 116 ff.) – die Vollbeschäftigungsannahme steht in Frage. Daher sollte der internationale Handel umfassend eingebettet in eine makroökonomische Entwicklungsstrategie analysiert werden (Priewe/Herr 2005; Stiglitz 2002, 2006).
Fünftens sollten der internationale Handel und die Handelspolitik immer unter Berücksichtigung der Wirtschaftsgeschichte analysiert werden. So weist Chang (2003, 2008) darauf hin, dass die Freihandelsempfehlungen der Industrieländer an die Entwicklungsländer aus historischer Perspektive inkonsistent und ungerecht sind: Alle Industrieländer – und auch einige erfolgreiche Schwellenländer – haben ihren Aufstieg und ihre industriellen Produktivitätssteigerungen im Zuge einer langen protektionistischen Phase erreicht und vollzogen die Marktöffnung erst nach Erreichen ihrer Konkurrenzfähigkeit. Zudem waren die Entwicklungsländer laut Chang (2011, S. 51 ff.) gerade in der protektionistischen und makroökonomisch gesehen reguliertesten und interventionistischsten Phase besonders erfolgreich.
Sechstens schließlich sollte auch die politische Ökonomie der Handelspolitik aus ihrer Einseitigkeit befreit und die Einflüsse politischer Macht auf das wirtschafts- und handelspolitische Geschehen ernsthaft analysiert werden (Jäger/Springler 2012). Wenn angenommen wird, dass Minderheiten aufgrund ihres Einflusses die Handelspolitik dominieren, stellt sich die Frage, warum dies nur zur Erklärung der relativ wenigen verbliebenen Handelshemmnisse in den Industrienationen eingesetzt wird. Läge es nicht nahe zu untersuchen, ob die Politik der Handelsöffnung – ganz ketzerisch, möglicherweise sogar inklusive ihrer orchestralen Begleitung durch die „führenden“ Lehrbücher – bestimmten einflussreichen Minderheiten nutzt, während sie eventuell der Mehrheit der Bevölkerung wenig bis keinen Nutzen oder sogar Schaden bringt?
Fazit
Keine der genannten naheliegenden Ergänzungen finden sich in den besprochenen Standardwerken. Ganz im Gegenteil, die Autoren gefallen sich in ihrer Rolle als Angehörige einer überlegenen Gemeinschaft von Erleuchteten, die dem bedauernswerten Rest der Menschheit die Welt erklären. Der nicht erleuchtete Teil der Menschheit versteht manchmal allerdings völlig zu Recht überhaupt nicht die zugrunde gelegten, weitgehend irrelevanten ökonomischen Modell-Scheinwelten. Die Ökonom_innen täten gut daran, dieses Unverständnis endlich ernst zu nehmen und sich methodisch offen den wirklich relevanten Fragen des internationalen Handels und der Globalisierung zuzuwenden.
Literatur
Albertson, K./Simister, J./Syme, T. (2015): Globalisation and sticky prices: “con” or conundrum? In: Real-World Economics Review 73, http://www.paecon.net/PAEReview/issue73/Albertson73.pdf (Zugriff 13. März 2016).
Chang, H. (2003): Kicking Away the Ladder: Development Strategy in Historical Perspective, London: Anthem Press.
Chang, H. (2008): Bad Samaritans: The Myth of Free Trade and the Secret History of Capitalism, New York: Bloomsbury Press.
Chang, H. (2011): 23 Things they don’t tell you about Capitalism, London: Penguin.
Chang, H. (2014): Economics: The User’s Guide, New York: Bloomsbury Press.
Corneo, G. (2012): Öffentliche Finanzen: Ausgabenpolitik, 4. Auflage, Tübingen: Mohr Siebeck.
Davidson, P. (2009): The Keynes Solution. The Path to Global Economic Prosperity, New York: Palgrave Macmillan.
Gandolfo, G. (2013): International Economics I: The Pure Theory of International Trade, Berlin: Springer.
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http://norberthaering.de/de/27-german/news/570-komparative-kostenvorteile (Zugriff am 13. März 2016).
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