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Patricia Urban
Erstveröffentlichung im Makronom
Lineares Wirtschaften ist trotz alternativer Vorschläge fest etabliert. Dabei wäre eine effektive Umsetzung der Kreislaufwirtschaft nötig, um den Fußabdruck menschlichen Konsums deutlich zu verringern. Ein Beitrag von Patricia Urban.
Unsere Gesellschaft befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Transformationsprozesses. Im Zentrum: die Wirtschaft. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob uns der Wandel by disaster passiert oder uns by design gelingt. Die Debattenreihe Economists for Future widmet sich den damit verbundenen ökonomischen Herausforderungen. Sie beleuchten einerseits kritisch-konstruktiv Engführungen in den Wirtschaftswissenschaften sowie Leerstellen der aktuellen Wirtschaftspolitik. Andererseits diskutieren wir Orientierungspunkte für eine zukunftsfähige Wirtschaft und setzen Impulse für eine plurale Ökonomik, in der sich angemessen mit sozial-ökologischen Notwendigkeiten auseinandergesetzt wird.
Von Produktion über Konsum zu Entsorgung: Lineares Wirtschaften ist nach jahrelanger Praxis und trotz alternativer Vorschläge fest etabliert. Beispielsweise wurden von den 29,5 Millionen Tonnen Plastikmüll in der EU im Jahr 2020 nur etwa ein Drittel recycelt.
Als „entsorgt“ kann man dies jedoch nicht betrachten. Lineare Strategien zum Umgang mit Produkten am Ende ihrer Lebensdauer bedeuten schlussendlich entweder Verbrennung oder Deponie. Diese Entsorgungsmaßnahmen tragen signifikant zu Treibhausgasemissionen, Biodiversitätsverlust und anderen Klima- und Umweltproblemen bei. Darüber hinaus werden immense Mengen nicht erneuerbarer Ressourcen abgebaut, um die steigende globale Nachfrage (und insbesondere jene des „globalen Nordens“) nach Konsumgütern zu befriedigen.
Als Alternative zu einem solchen Wirtschaftssystem trat die Kreislaufwirtschaft in den frühen 2010er Jahren auf die Bühne der EU-Politik. Kreislaufwirtschaft strebt danach, Ressourcen möglichst lange in einem geschlossenen Kreislauf zu erhalten und damit sowohl die Menge an extrahierten Primärrohstoffen zu reduzieren als auch den produzierten Abfall bestmöglich zu minimieren. Der gesamte Lebenszyklus eines Produkts und die möglichen Maßnahmen am Ende seiner (ersten) Lebensdauer sollen dabei schon im Produktentwurf berücksichtigt werden. Am Ende ihres ersten Lebens sollen Produkte, oder ihre Komponenten, weiter verwertet werden und damit ein Teil des Kreislaufs bleiben.
In der EU wurde der erste Circular Economy Action Plan (CEAP) 2015 als Strategie zur Vereinigung von Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeit beschlossen. Dabei sollen inhärente Konflikte zwischen diesen beiden Zielen überwunden und (grünes) Wachstum von Ressourcenkonsum und negativen Umweltauswirkungen entkoppelt werden. Während der erste CEAP auf Maßnahmen zum Abfallmanagement fokussierte, spielen Konzepte wie Öko-Design, die an frühen Punkten im Lebenszyklus eines Produkts ansetzen, im zweiten CEAP 2020 eine größere Rolle. Als zentrale Säule des European Green Deals wurden im Zuge des CEAP etliche Strategien vorgeschlagen, um die Zirkularität bestimmter Sektoren zu erhöhen. Besonderer Fokus wird dabei auf ressourcenintensive Lieferketten gelegt, wie Textilien, Plastik, Elektronik und Batterien, und Baustoffe.
Derartige Strategien haben das Potenzial, die mit Produktions- und Konsummustern assoziierten Umweltauswirkungen zu reduzieren. Im Bereich Plastik bedeutet dies zum Beispiel, das Design von Materialien bereits mit Blick auf ihre Lebensenden zu optimieren und damit sowohl Mülltrennung, -sammlung als auch Reparatur, Wiederverwertung und Recycling zu erleichtern. Damit kann mehr Plastik im Kreislauf bewahrt und es müssen weniger neue (zumeist fossile) Rohstoffe für die Polymerproduktion abgebaut werden. Zugleich können auch die mit Verbrennung und Deponie assoziierten Treibhausgasemissionen und Umweltauswirkungen verringert werden – zumindest theoretisch.
Trotz der diskutierten Potenziale der Kreislaufwirtschaft birgt die erfolgreiche Implementierung eines solchen Systems einige praktische Schwierigkeiten. Beispielsweise sind manche der notwendigen Technologien noch in den Kinderschuhen und die erhofften positiven Auswirkungen sind durch ein hohes Maß an Unsicherheit über ihr tatsächliches Potenzial beschränkt. In der Plastikindustrie zum Beispiel sind verschiedene neue Technologien des chemischen Recyclings vielversprechende Ergänzungen des herkömmlichen mechanischen Recyclings. Zugleich ist nach wie vor wenig über exakte Prozessverluste und Umweltauswirkungen bekannt und die Datenlage ist stellenweise äußerst begrenzt.
Darüber hinaus fehlt es vielerorts an den nötigen Investitionen. Gründe dafür sind zu hohe Kosten vor allem für kleinere Unternehmen, der Unwille mancher Firmen, ihre Wirtschaftsweise zu verändern, fehlende politische Vorgaben, oder die mangelnde Verfügbarkeit sekundärer Ressourcen. Aber auch tiefgreifende soziale Ungleichheiten spielen eine Rolle, sowohl zwischen als auch innerhalb von Ländern – etwa zwischen ärmeren und reicheren Regionen oder zwischen Städten und ländlichen Gebieten, wo die nötige Infrastruktur oftmals schwieriger zu etablieren ist.
Des Weiteren sind existierende politische Rahmenbedingungen in der Praxis nicht immer förderlich für zirkuläres Wirtschaften. Nationale Vorschriften sind nicht harmonisiert, was angesichts internationaler Lieferketten eine Schwierigkeit beispielsweise für den Transport von Abfall darstellen kann, da Unternehmen all diesen unterschiedlichen und teilweise widersprüchlichen Anforderungen entsprechen müssen.
Wenngleich der Diskurs der Konsument:innenverantwortung Gefahr läuft, die wahre Verantwortlichkeit politischer und wirtschaftlicher Strukturen zu verschleiern, sind auch Schwierigkeiten auf der Konsumseite nicht zu übersehen. Eine erfolgreiche Implementierung von Kreislaufwirtschaft erfordert nicht nur Änderungen im Produktdesign, der Extraktion von Rohstoffen oder den End-of-Life-Strategien. Auch ein Umdenken von Konsument:innen hin zu verantwortlichem Konsum ist zentral, z.B. hinsichtlich Reparatur, Skepsis gegenüber der Qualität recycelter Produkte oder Mülltrennung.
Die aufgezeigten Schwierigkeiten sollten jedoch nicht als unumstößliche Grenzen gedacht werden – dass Transformationsprozesse einen Bruch mit dem Alten und mit lange praktizierten Mustern bedeuten, liegt in der Natur der Sache. Dennoch bleibt es fraglich, ob die angestrebten Vorteile des zirkulären Wirtschaftens (d.h. grünes Wachstum) tatsächlich in die Tat umgesetzt werden können. So ist es hinsichtlich des Plastikmülls selbst in einem optimistischen Szenario ambitionierter Kreislaufwirtschaft wahrscheinlich, dass das Volumen in der EU auf dem aktuellen Stand stagniert oder bis 2050 gar weiter ansteigt. Ein Grund für diese düsteren Prognosen könnte in inhärenten Widersprüchen des Kreislaufgedankens begraben liegen.
Eine solche unmittelbare Grenze für vollständige Kreislaufwirtschaft ist durch die enorme zusätzlich benötigte Infrastruktur gegeben, die für zirkuläres Wirtschaften notwendig wäre. Trotz der eingeschränkten Möglichkeit, zusätzliche Technologien in die bestehende Infrastruktur zu integrieren, werden für den Ausbau dieser Strukturen, wie Recyclinganlagen und Wiederverwertungszentren, große Mengen an Rohstoffen (Metalle, Kunststoffe, Glas, etc.) benötigt. Die Extraktion und Verarbeitung dieser zusätzlichen Rohstoffe ist mit etlichen Umweltauswirkungen verbunden. Dasselbe gilt für den hohen Energieverbrauch der Kreislaufprozesse. Um beim Beispiel des chemischen Recyclings von Plastik zu bleiben: Einige dieser Technologien arbeiten mit hohen Temperaturen oder gehen mit starken Kohlenstoffverlusten einher. Die damit verbundenen Emissionen sollen zwar durch den vermehrten Einsatz von erneuerbaren Energien minimiert werden, doch auch dieser Einsatz beruht auf dem weiteren Ausbau von Infrastruktur, welche wiederum Rohstoffe benötigt.
Während durch ein erfolgreiches Umsetzen des Kreislaufgedanken zumindest theoretisch einige der mit linearer Wirtschaft verbundenen negativen Konsequenzen eingedämmt werden können, ist es in der Praxis unmöglich, den Kreis gänzlich zu schließen. Prozessverluste bei Wiederverwertung oder Recycling erfordern weiterhin eine Zufuhr primärer Ressourcen. Die Rohstoffeinsparungen von Kreislaufwirtschaft werden somit durch die negativen Konsequenzen von kontinuierlichem Wirtschaftswachstum wieder aufgehoben.
Die dem Wachstumsparadigma zugrundeliegende Idee, dass ein höherer wirtschaftlicher Durchsatz von negativen Umweltauswirkungen entkoppelt werden kann, wurde in etlichen Studien kritisiert (z.B. Korhonen et al., 2018). Diese zeigen auf, dass es bisher historisch keine nachhaltige, d.h. absolute und andauernde, Entkoppelung beider Variablen gegeben hat und dass eine solche auch in Zukunft nicht zu erwarten sei. Rebound-Effekte führen im Gegenteil dazu, dass Effizienzgewinne in Abwesenheit ausgleichender politischer Vorgaben eine gesteigerte Produktion (und assoziierte Externalitäten) mit sich bringen und somit Einsparungen zunichtemachen. Um diese inhärenten Grenzen und die damit verbundenen Umweltauswirkungen zu entschärfen, wäre eine radikale Änderung menschlichen Wirtschaftens nötig – und ein politisches Umdenken, weg von grünem Wachstum und hin zu Suffizienz. Kreislaufwirtschaft muss einhergehen mit einem grundlegenden Umdenken und einem Paradigmenwechsel hin zur Postwachstums-Ökonomik.
Konzepte von Postwachstum oder Degrowth postulieren die Notwendigkeit gesellschaftlichen Wohlstand von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch zu lösen. Dabei würden, unter Rücksichtnahme auf soziale Gerechtigkeit sowohl innerhalb als auch zwischen Ländern, wirtschaftliche Sektoren mit hohem ökologischen Fußabdruck bewusst geschrumpft. Dies würde die Menge an produzierten Konsumgütern drastisch reduzieren und damit verbundenen Ressourcenverbrauch und Umweltauswirkungen minimieren.
Konsumierte Ressourcen, und damit die Größe des Kreises, zu verringern, ist jedoch nicht das einzige Ziel der Degrowth-Bewegung. Diese legt zudem einen Fokus auf Verteilungsgerechtigkeit und das gute Leben für alle. Demnach müssen transformative Maßnahmen für ein ökologisches Wirtschaften immer auch sozial gerecht gestaltet werden. Ein solches Augenmerk zeigt auf, dass ein Übergang zur Kreislaufwirtschaft in Abwesenheit sozialer Maßnahmen dazu führen könnte, bestehende Ungleichheiten zu vertiefen. Schließlich ist momentan der Zugang zu Dienstleistungen wie Reparatur oder die Leistbarkeit recycelter Produkte nicht für alle gewährleistet.
Die Kritik aus der Degrowth-Bewegung bedeutet jedoch nicht, dass Kreislaufwirtschaft kein transformatives Potenzial hat. Dass lineares Wirtschaften, vor allem kombiniert mit dem Wachstumsparadigma, nicht nur an etliche Klima-, Umwelt- und soziale Grenzen stößt, sondern diese gar überschreitet, ist evident. Eine effektive Umsetzung der Kreislaufwirtschaft ist nötig, um den Fußabdruck menschlichen Konsums deutlich zu verringern.
Gleichzeitig wird Kreislaufwirtschaft allein nicht ausreichen. Ihr Transformationspotenzial kann sich erst entfalten, wenn sie mit einer grundlegenden Veränderung sozialer und ökonomischer Systeme einhergeht, hin zu einem Wirtschaften, das auf menschlichen Bedürfnissen und Suffizienz beruht. Kreislaufwirtschaft in Kombination mit gezieltem Schrumpfen mancher Sektoren einkommensstarker Länder und politischen Maßnahmen für soziale Gerechtigkeit könnte den notwendigen Wandel herbeiführen, um menschliche Aktivitäten zurück innerhalb planetarer Grenzen zu führen – zumindest jene, die nicht bereits irreversibel überschritten wurden.
Zur Autorin
Patricia Urban ist Forscherin am Centre for European Policy Studies (CEPS). Sie spezialisiert sich dabei hauptsächlich auf Kreislaufwirtschaft, Dekarbonisierung von Industrie und sozioökonomische Implikationen von Nachhaltigkeitsstrategien.