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Erstveröffentlichung im Makronom
Die Klimapolitik der Bundesregierung reicht bisher nicht aus, um die katastrophalen Folgen der Klimakrise abzuwenden. Mit Blick auf die Bundestagswahl im September formulieren viele deutsche Parteien nun ehrgeizigere Ziele. Doch die Zeit drängt.
Was folgt aus der Klimakrise für unsere Wirtschaft(sweisen) und das Denken darüber? Im Angesicht der Fridays-for-Future-Proteste hat sich aus dem Netzwerk Plurale Ökonomik eine neue Initiative herausgebildet: Economists for Future. Mit der gleichnamigen Debattenreihe werden zentrale Fragen einer zukunftsfähigen Wirtschaft in den Fokus gerückt. Im Zentrum stehen nicht nur kritische Auseinandersetzungen mit dem Status Quo der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch mögliche Wege und angemessene Antworten auf die dringlichen Herausforderungen und Notwendigkeiten. Dabei werden verschiedene Orientierungspunkte für einen tiefgreifenden Strukturwandel diskutiert.
Seit dem 5. Mai 2021, dem nationalen „Earth Overshoot Day“, leben wir in Deutschland ökologisch wieder auf Pump. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatten wir so viele natürliche Ressourcen verbraucht, dass das Ökosystem Erde sie in diesem Jahr nicht mehr wiederherstellen kann. Mit dieser Lebensweise wären für die gesamte Menschheit knapp drei Planeten nötig.
Die Klimakrise ist eine der sichtbarsten Auswirkungen dieser Überbeanspruchung. Wir entfernen uns im Anthropozän mit rasender Geschwindigkeit von denjenigen Klimaverhältnissen, über die wir mit Sicherheit sagen können, dass sie menschliches Leben und Wohlergehen ermöglichen. So lag die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bei allen natürlichen Schwankungen über Jahrtausende stets unter 300 parts per million (ppm). Doch seit Beginn der Industrialisierung, insbesondere der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, steigt diese Zahl immer schneller an und hat mittlerweile sogar die 400er-Marke überschritten.
Als Konsequenz ist mittlerweile eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um mindestens 0,8°C zu verzeichnen; in manchen Schlüsselregionen des Klimasystems wie der Arktis fallen die Temperaturanstiege sogar noch höher aus. Die Folgen dieser Abweichung können wir alle bereits jetzt deutlich spüren, etwa in Form heißerer und trockener Sommer sowie zunehmender Wetterextreme. Zu den politischen Auswirkungen dieser klimatischen Entwicklung hat jüngst sogar das Bundesverfassungsgericht in einem Aufsehen erregenden Beschluss Stellung genommen.
Der wissenschaftliche Konsens zum menschengemachten Klimawandel ist beeindruckend. Mittlerweile sehen satte 97% der Klimawissenschaftler*innen menschliche Aktivitäten als bei weitem wichtigste Quelle der fortschreitenden Erderwärmung an. Der Weltklimarat (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), gleichzeitig wissenschaftliches Expertengremium und zwischenstaatlicher Ausschuss, wies bereits in seinem ersten Sachstandsbericht 1990 auf den Handlungsbedarf zum Klimawandel hin. Seitdem gibt es immer mehr Gewissheit darüber, dass menschliche Aktivitäten die globale Erderwärmung hervorrufen. Lag die statistische Sicherheit für diesen Zusammenhang 2007 bereits bei 90%, war sie 2013 sogar auf 95% angestiegen. Dass die Warnungen von Wissenschaftler*innen bisher weitestgehend ungehört verhallt sind, wurde unter anderem durch Desinformationskampagnen der fossilen Brennstoffindustrie begünstigt, wie der Klimawissenschaftler Michael E. Mann in seinem kürzlich veröffentlichten Buch Propagandaschlacht ums Klima darlegt.
Wir können es drehen, wie wir wollen: Zu wenigen anderen Fragen besteht ein derart umfassender wissenschaftlicher Konsens, der mittlerweile über jahrzehntelange Forschung abgesichert ist. Der aktuell voranschreitende Klimawandel ist demnach menschengemacht. Es bedarf globaler Anstrengungen, um ihn wenigstens einigermaßen einzudämmen und beherrschbar zu machen.
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Wenn es um Lösungen für grenzüberschreitende Probleme geht, dann stellt sich natürlich die Frage: Wer kann helfen, ein derart großes Problem in den Griff zu bekommen? Der Klimaschutz ist ein geradezu klassisches Problem kollektiven Handelns („collective action problem“), wie es in der internationalen Politik häufig anzutreffen ist. Durch gezielte Kooperation würden alle Staaten langfristig profitieren, wobei die Erderwärmung bereits jetzt in vielen Teilen der Welt massive ökologische und in der Folge auch soziale Verwerfungen mit sich bringt. Die zu erwartenden Schäden machen diese Kooperation noch dringlicher. Gleichzeitig haben Staaten einen Anreiz, durch „Trittbrettfahren“ („free riding“) aus der Kooperation auszuscheren: Sie können dann von den positiven Effekten des Klimaschutzes profitieren, ohne die Kosten der erforderlichen Anpassungen (in gleichem Maße) zu tragen. Diese strategische Option stellt eine hohe Hürde für effektive internationale Klimapolitik dar.
Zur Überwindung von Problemen kollektiven Handelns zwischen Staaten können internationale Institutionen einspringen. Vor allem internationale Organisationen sind hier zu nennen, weil sie über ein gewisses Ausmaß an Unabhängigkeit gegenüber Staaten, die ihre Mitglieder sind, verfügen. So setzen und überwachen sie zwischenstaatliche Regeln in wichtigen Bereichen wie Friedenssicherung oder Wirtschaftspolitik. Obwohl es keine genuine „Weltklima-Organisation“ gibt, haben viele internationale Organisationen einen indirekten Einfluss auf globale und nationale Klimaschutzbemühungen, indem sie Standards „guter“, typischerweise marktliberaler, Wirtschaftspolitik definieren. So vertreten aktuell viele internationale Organisationen die Position, dass „grünes“ Wachstum dem Klimaschutz diene. Allerdings mangelt es bisher an empirischen Belegen dafür, dass eine absolute Entkopplung von grünem Wachstum und Ressourcenverbrauch gelingen kann.
Neben der eher indirekten Rolle internationaler Organisationen in der internationalen Klimapolitik finden regelmäßig spezifische Klimakonferenzen („Conferences of the Parties“ oder kurz „COPs“) statt. Staaten kommen normalerweise jährlich zu einer COP zusammen, um Klimaziele auszuhandeln und den Fortschritt bei deren Erreichung zu überprüfen. Besonders bekannt sind die Ergebnisse zweier COPs.
Das Kyoto-Protokoll von 1997 (COP3) betrat mit der Festschreibung bindender CO2-Reduktionsziele Neuland und verlangte dabei gemäß dem Grundsatz der „common but differentiated responsibility“ von reichen Ländern größere Anstrengungen beim Klimaschutz. Dieser Grundsatz verankert ihre historische Verantwortung für den Großteil der in der Atmosphäre enthaltenen menschlichen CO2-Emissionen. Der eingeforderte Beitrag eines materiell wohlhabenden Landes wie Deutschland ist in diesem Lichte zu bewerten. Darüber hinaus ist der übliche Vorwurf, dass aufstrebende Nationen wie China oder Indien doch aktuell mehr CO2 ausstießen als Deutschland, nur bedingt richtig. Während China (Platz 1) und Indien (Platz 3) 2018 bei absoluten Emissionen tatsächlich vor Deutschland (Platz 6) lagen, waren ihre Pro-Kopf-Emissionen jeweils geringer (Deutschland auf Platz 9, China auf Platz 13 und Indien auf Platz 21).
Aktuell ist das Paris-Abkommen von 2015 (COP21) als zentraler Referenzpunkt internationaler Klimadebatten in aller Munde. Der Beschluss, die globale Erwärmung auf „deutlich unter 2°C, idealerweise 1,5°C“ zu begrenzen, ist zwar ein politisches Ziel, basiert aber auf Erkenntnissen des IPCC, wonach unterhalb dieses Grenzwertes die schlimmsten Folgen der Klimakrise mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden werden können. Im Rahmen des Pariser Abkommens bleibt es den Vertragsstaaten selbst überlassen, wie sie die gemeinsam vereinbarte Zielvorgabe erreichen wollen. Dafür formulieren sie jeweils eigene Vorgaben zur Emissionsreduzierung („nationally determined contributions“, NDCs) für die nächsten fünf Jahre. Auch die deutsche Bundesregierung hat sich dem 1,5°C-Ziel verpflichtet. Doch ihre Klimapolitik hinkt diesem Anspruch nach wie vor weit hinterher. Beim Climate Action Tracker werden die gesetzten Ziele als „höchst ungenügend“ eingestuft, was auf eine Erderwärmung von 3°C bis 4°C hinausliefe.
Alle im aktuellen Deutschen Bundestag vertretenen Parteien außer der Alternative für Deutschland (AfD) erkennen die Realität menschengemachten Klimawandels grundsätzlich an und fühlen sich den im Pariser Abkommen vereinbarten Zielen verpflichtet. Das ist die gute Nachricht. Aber die schlechte ist, dass die Formulierung ambitionierter Klimaziele leichter ist als deren Umsetzung. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, dass der Klimaschutz nicht weiter aufgeschoben werden dürfe, weil sonst zukünftige Generationen massiv in der Ausübung ihrer Freiheitsrechte beeinträchtigt würden, hat zusätzliche Aufmerksamkeit auf diese Problematik gelenkt. In seiner Entscheidung verweist das Gericht wiederholt explizit auf das Pariser Abkommen. Auf diese Weise können internationale Klimaabkommen auch die deutsche Rechtsprechung beeinflussen.
Was das für die im September anstehende Bundestagswahl bedeutet, ist ungewiss. Immerhin haben neben den Grünen, für die Klimaschutz lange ein Alleinstellungsmerkmal und zugleich ihr Markenkern war, nun auch andere Parteien weitergehende Anstrengungen angekündigt. Das zumindest lässt hoffen, dass die meisten Parteien um konkrete Lösungen ringen werden, anstatt lediglich fossile Statusobjekte erhalten zu wollen. Allerdings bestehen berechtigte Zweifel daran, dass bisher überhaupt irgendeine der etablierten Parteien ausreichende Maßnahmen für die Erreichung des 1,5°C-Ziels vorgeschlagen hat.
Eine fatale Schwierigkeit liegt darin, dass aus biophysikalischer Sicht immer radikalerer Klimaschutz nötig sein wird, wenn geeignete Maßnahmen verschleppt werden. Die individuellen und kollektiven Beharrungskräfte sind gerade auch in Deutschland enorm. Dabei steht unfassbar viel auf dem Spiel – in ökologischer und sozialer Hinsicht. Generell muss es das Ziel guter Klima- und Umweltpolitik sein, die „planetaren Grenzen“ zu respektieren und gleichzeitig soziale Mindeststandards zu erreichen, wie es beispielsweise Kate Raworths „Doughnut“-Modell vorsieht. Der extrem ungleiche Ressourcenverbrauch, sowohl auf globaler Ebene als auch innerhalb von Gesellschaften, steht diesem Grundsatz jedoch entgegen.
Doch wie genau soll und kann Klimaschutz funktionieren? Wissenschaft und Praxis bieten bereits eine Vielzahl von Lösungsansätzen, zum Beispiel in Bezug auf eine Energie- oder Verkehrswende. Auch eine angemessene CO2-Bepreisung und der konsequente Abbau von Subventionen für die Fossilindustrie sind Bestandteile wirkungsvoller Klimapolitik. Selbst eine Verminderung der Arbeitszeit könnte neben positiven sozialen und gesundheitlichen Effekten einen wichtigen Beitrag zur Senkung des Emissionsausstoßes leisten.
Wichtig ist, bei allen Maßnahmen Fragen der sozialen Gerechtigkeit ernsthaft zu berücksichtigen, um die Klimakrise demokratisch und global gerecht zu lösen. Verzerrende Verweise auf die mangelnde Bereitschaft der Bevölkerung zu Veränderungen, die oft zum vermeintlichen Schutz des „kleinen Mannes“ vorgeschoben werden, sind da wenig hilfreich. Ein dagegen vielversprechendes Beispiel aus Deutschland ist der kürzlich gegründete „Bürgerrat Klima“, für den 160 Personen per Losverfahren ausgewählt wurden, um gemeinsam Ideen für besseren Klimaschutz zu entwickeln. Dieses Modell hat bereits in Irland, Großbritannien, Frankreich und zuletzt Dänemark konstruktive Vorschläge hervorgebracht. Angesichts der überaus prekären Ausgangslage wird es über die Bundestagswahl hinaus entscheidend sein, konkrete Ideen für schnell wirkende Maßnahmen gegen den Klimawandel und andere drängende ökologische Probleme (wie etwa das globale Artensterben) zu entwickeln und dann auch politisch umzusetzen.
Zu den AutorInnen
Matthias Kranke ist Post-Doktorand an der Universität Kassel. Er forscht und lehrt dort zu Global Governance, internationalen Organisationen sowie Transformationsprozessen und damit verbundenen Debatten über (Post-)Wachstum.
Svenja Quitsch ist Doktorandin an der Universität Kassel. Sie forscht und lehrt dort zu Klimawandel, Postwachstum und nachhaltiger Transformation mit einem Schwerpunkt auf internationalen Organisationen. Außerdem ist sie Mitglied bei Scientists for Future.