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Wie der Überfluss an Finanzvermögen globale Abhängigkeiten schafft

Wie der Überfluss an Finanzvermögen globale Abhängigkeiten schafft

Foto von Tim Trad auf Unsplash

Annina Kaltenbrunner
Economists for Future, 2024
Grado: adelantado
Perspectivas: Economía política Marxista, Otros, Economía poskeynesiana
Topic: Crítica del capitalismo, Historia económica, Globalización y relaciones económicas internacionales, Macroeconomía, Dinero y deuda, Relaciones Norte-Sur y desarrollo
Format: Ensayo

Erstveröffentlichung im Makronom am 16. Dezember 2024

Die „Internationale Finanzielle Subordination“ zementiert eine hierarchische Weltwirtschaft – die sich in instabilen Kapitalströmen, hohen Finanzierungskosten und der Dominanz des US-Dollars zementiert. Ein Beitrag von Annina Kaltenbrunner.

                   



Unsere Gesellschaft befindet sich inmitten eines tiefgreifenden Transformationsprozesses. Im Zentrum: die Wirtschaft. Die nächsten Jahre werden entscheiden, ob uns der Wandel by disaster passiert oder uns by design gelingt. Die Debattenreihe Economists for Future (#econ4future) widmet sich den damit verbundenen ökonomischen Herausforderungen und diskutiert mögliche Lösungsansätze. Die mittlerweile sechste Staffel beleuchtet nun Aspekte rund um das Thema Überfluss.

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Ein Merkmal der hierarchischen Weltwirtschaft ist die Konzentration von Finanzvermögen und Finanzmärkten im globalen Norden. Diese Konzentration des Finanzkapitals versetzt die Länder des globalen Südens in eine untergeordnete Rolle im internationalen Finanz- und Währungssystem, das durch eine ausgeprägte Hierarchie gekennzeichnet ist. Der amerikanische Dollar steht an der Spitze dieser Währungshierarchie, die einerseits dem Dollar und der amerikanischen Wirtschaft ein „exorbitantes Privileg“ verleiht und andererseits katastrophale Auswirkungen auf die makroökonomische Stabilität der Länder des globalen Südens hat. Während die USA in der Lage sind, große und langanhaltende Leistungsbilanzdefizite in der eigenen Währung zu finanzieren, stellt der Mangel an Devisen – beispielsweise zur Finanzierung notwendiger Importe – ein gravierendes und strukturelles Entwicklungsproblem für viele Länder des globalen Südens dar.

Dieses Phänomen der untergeordneten Position des globalen Südens im internationalen Finanz- und Währungssystem wird zunehmend unter dem Begriff „International Financial Subordination“ (IFS) zusammengefasst. IFS zeigt auf, dass die Macht des monetären Kapitals und die disziplinierende Kraft des Finanzkapitals im globalen Süden noch stärkere und negativere Auswirkungen haben als im globalen Norden. Empirisch zeigt sich diese Macht – und die negativen Folgen der IFS – durch verschiedene Phänomene wie höherer Kapitalvolatilität, höherer Zinssätze, die Abhängigkeit von Finanzierungsbedingungen auf internationalen Finanzmärkten (vor allem in Dollar), und die Notwendigkeit, Billionen an Währungsreserven zu halten, um sich vor diesen negativen Einflüssen zu schützen.

Im Gegensatz zu neoklassischen Theorien und der Rhetorik internationaler Finanzinstitutionen wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, haben die negativen Auswirkungen der Finanzintegration der Länder des globalen Südens nur wenig mit nationalen makroökonomischen Bedingungen (wie etwa der Fiskalpolitik) zu tun. Stattdessen sind sie das Ergebnis der Strukturen des globalen Finanzsystems, insbesondere der oben genannten Konzentration von Finanzvermögen und Finanzmärkten im globalen Norden.

Für marxistische Autor*innen ist IFS – und dessen negative Auswirkungen – ebenfalls ein Bestandteil des kapitalistischen Systems, da höhere Erträge im globalen Süden (zum Beispiel durch niedrigere Löhne, höhere Zinsen und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen) einen Werttransfer in den globalen Norden ermöglichen. Die Literatur zum ungleichen ökologischen Austausch zeigt beispielsweise auf, dass die untergeordnete Rolle der Währungen des globalen Südens – sowie die Stärke des Dollars – den asymmetrischen Transfer biophysischer Ressourcen vom globalen Süden in den globalen Norden sowie die Ausbeutung von Mensch und Natur in diesen Regionen ermöglicht (Althouse & Svarzamn 2022; Olk 2024).

In diesem Sinne ist IFS  kein neues Phänomen. Seit der Kolonisierung des globalen Südens sind monetäre und finanzielle Hierarchien Teil des globalen Wirtschaftssystems und ermöglichen die Kapitalakkumulation im globalen Norden. Vor der Liberalisierung der globalen Finanzmärkte zeigte sich diese Unterordnung vor allem durch Finanzströme, die mit der Produktion verbunden waren (z.B. Direktinvestitionen). Dies änderte sich jedoch mit dem Aufkommen des globalisierten Finanzkapitalismus Anfang der 1980er Jahre. Die Liberalisierung und Deregulierung der Finanzmärkte im globalen Norden führte zu einem massiven Anstieg kurzfristiger und spekulativer Finanzströme, die bald auch den globalen Süden erfassten – oft mit katastrophalen Folgen.

Aus der Perspektive des globalen Südens lässt sich diese Epoche des untergeordneten Finanzkapitalismus bis heute in drei Phasen unterteilen, die sich in verschiedenen empirischen Ausprägungen der IFS widerspiegeln:

1. In den 1980er Jahren führte der Überschuss an Dollareinkommen in ölproduzierenden Ländern, die durch das internationale Finanzsystem gelenkt wurde, zu einem starken Anstieg an Bankkrediten, hauptsächlich in Form von Staatskrediten. Was diese Staatskredite gemeinsam hatten, war ihre Denominierung in Dollar – ein Phänomen, das in der Literatur auch als „Original Sin“ bekannt ist. Diese Auslandsverschuldung führte in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren zu einer weitverbreiteten Schuldenkrise, da höhere Zinsen in den USA (der Volkerschock) und eine Aufwertung des Dollars die Rückzahlung der Schulden für viele Länder des globalen Südens unmöglich machten. Intern führte die Schuldenkrise zu Perioden großer wirtschaftlicher Unsicherheit und in vielen Ländern zur Hyperinflation.

2. Die zweite Periode begann in den frühen 1990er Jahren mit der Implementierung von Stabilitätsprogrammen und der Restrukturierung der Staatsverschuldung (dem Brady-Plan). Diese Phase war durch neue Arten von Kapitalflüssen gekennzeichnet – insbesondere Portfolioflüsse, sowohl in Form von Anleihen als auch von Aktien. Diesmal waren die Schuldner nicht nur Staaten, sondern auch private Akteure (vor allem Unternehmen). Erneut waren Anleihen und Bankkredite überwiegend in Dollar denominiert, was die Anfälligkeit dieser Länder gegenüber Entwicklungen des Dollars weiterhin aufrechterhielt – die „Original Sin“ blieb bestehen.

Dies führte auch in dieser Phase zu einer Reihe von Finanzkrisen (hauptsächlich in Asien, aber auch in Brasilien, Russland, der Türkei und Argentinien), als bereits geringe Zinserhöhungen in den USA und die Aufwertung des Dollars zu Abwertungserwartungen und spekulativer Panik führten. Die wirtschaftlichen Auswirkungen waren erneut katastrophal. So sank beispielsweise das Bruttoinlandsprodukt in Thailand, einem der am stärksten betroffenen Länder, im Jahr 1998 um 11%.

3. Derzeit befinden wir uns in der dritten Phase. Auf der makropolitischen Ebene ist diese Phase durch eine Kombination aus Inflation-targeting, gesteuerten Wechselkursen, Bankenregulierung und der Anhäufung von Währungsreserven gekennzeichnet. Wie wir in Kaltenbrunner und Painceira (2017) zeigen, ist dieser makroökonomische Rahmen darauf ausgerichtet, die Finanzintegration aufrechtzuerhalten und internationalen InvestorInnen einen attraktiven Risiko-Rendite-Ausgleich zu garantieren. Insbesondere gewährleisten Währungsreserven Dollar-Liquidität im Falle einer Krise, während die gesteuerten Wechselkurse das Risiko starker Abwertungen – und damit von Wertverlusten in lokalen Währungen – verringern.

Auch in Bezug auf Finanzflüsse gibt es Veränderungen. Wie wir in einem bevorstehenden Buch (gemeinsam mit Pablo Bortz) beleuchten, sind diese Veränderungen sowohl auf der Haben, also auch der Sollseite der Zahlungsbilanz von Ländern des globalen Südens zu finden. Auf der Habensseite sind insbesondere zwei Phänomene bemerkenswert: Einerseits ist es einigen – vor allem größeren Schwellenländern – gelungen, einen bedeutenden Teil ihrer Staatsverschuldung von Fremdwährungen auf lokale Währungen umzuschulden. So stieg der Anteil ausländischer Investoren an Staatsanleihen in Landeswährung in Indonesien und Südafrika von 19% bzw. 14% im Jahr 2009 auf jeweils 38% im Jahr 2018 (dieser Anteil sank jedoch wieder leicht im Jahr 2022).

Andererseits hat sich das Investorenprofil verändert: Portfolioflüsse sind in vielen Ländern mittlerweile wichtiger geworden als Bankinvestitionen. Zudem hat sich innerhalb der Portfolioinvestoren das Profil von eher kurzfristig orientierten Hedgefonds hin zu grundsätzlich langfristig orientierten Asset Managern verschoben. Innerhalb der Gruppe der Asset Manager gewinnen Passivinvestoren, die nach einem Index handeln (statt aktiv und autonom Investitionsentscheidungen zu treffen), zunehmend an Bedeutung. Generell hat sich in vielen Ländern eine größere Vielfalt an AkteurInnen (z.B. Unternehmen), Instrumenten (z.B. Derivatemärkte und Währungen) und Institutionen (z. B. Börsen) im Rahmen der Finanzintegration etabliert.

Auf der Sollseite gibt es zwei nennenswerte Entwicklungen. Wie bereits erwähnt, haben viele Länder des globalen Südens, soweit es ihnen möglich war, riesige Währungsreserven angehäuft. Diese Reserven sind oft in amerikanischen Anleihen investiert, was bedeutet, dass sie sehr niedrige Zinsen abwerfen. Sie werden jedoch als notwendig erachtet, um sich vor volatilen Finanzströmen zu schützen und plötzlichem Abzug von Auslandskapital entgegenzuwirken.

Auf der anderen Seite haben einige Länder auch einen Anstieg auswärtiger Finanzinvestitionen verzeichnet. Diese Auslandsinvestitionen kommen sowohl von Banken (zum Beispiel in Brasilien, Südkorea, Indien, der Türkei und Chile), als auch von institutionellen Investoren wie Pensionsfonds und – besonders wichtig in einigen Ländern – Staatsfonds (sovereign wealth funds, SWF). Hier sind vor allem China, die Vereinigten Arabischen Emirate, Norwegen, Saudi-Arabien und Singapur zu nennen, die 68% aller SWF-Assets ausmachen).

Diese Veränderungen in der Finanzintegration haben einigen Ländern etwas mehr makroökonomischen Spielraum verschafft. Zum Beispiel konnten viele Länder aufgrund der Verringerung der Auslandsverschuldung während des Covid-Schocks die Leitzinsen senken – anstatt sie zu erhöhen, wie es traditionell im Falle eines Schocks aus dem globalen Norden der Fall war. Mittelfristig könnte der Anstieg von – liquiden – externen Aktiva die Zahlungsbilanz stärken: Im Falle eines Schocks könnten diese Aktiva verkauft werden, um Dollar zu generieren und Verbindlichkeiten zu begleichen. Dementsprechend ist es diesen aufstrebenden Volkswirtschaften durchaus gelungen, Finanzanlagen und Verbindlichkeiten zu schaffen, die international akzeptiert werden.

Strukturell verändern diese Entwicklungen jedoch wenig an der Konzentration des Finanzvermögens im globalen Norden, der Dominanz des Dollars, und der untergeordneten Position der Länder des globalen Südens. Mehr noch, sie können auch neue Risiken schaffen. Wie die Literatur zu “Original Sin Redux” oder „New forms of External Vulnerability“ gezeigt hat, erhöht der Anstieg von Auslandsinvestoren in Staatsanleihen in Landeswährung die Empfindlichkeit dieser Investoren gegenüber erwarteten Wechselkursänderungen und damit die Volatilität dieser Investitionen (Kaltenbrunner & Painceira 2015; Hoffman et al. 2020). Darüber hinaus werden einheimische Finanzmärkte stärker in den sogenannten „globalen Finanzzyklus“ eingebunden. Studien zeigen, dass die Auslandsinvestitionen von Banken im globalen Süden oft durch Dollarkredite finanziert wurden, was die Rolle des Dollars weiter stärkt.

Was ist zu tun?

Wie immer gibt es keine „One-Size-Fits-All“-Lösung, aber eine Verringerung des Auslandskapitals in heimischen Wirtschaften, und die Stärkung des lokalen Finanzsystems müssen Teil der Antwort sein. Solange die Strukturen des derzeitigen Finanzsystems bestehen bleiben, wird auch die IFS des globalen Südens fortbestehen und damit die massiven Einschränkungen des autonomen Entwicklungspotentials dieser Länder und globale Ungleichheit.

Diese Strukturen zu verändern bedeutet nicht nur, die Finanzmärkte im globalen Süden zu stärken um erschwingliche Kredite in Landeswährung bereitzustellen und als entwicklungspolitisches Instrument zu nutzen, sondern auch die Finanzmärkte im globalen Norden zu verringern. Dies ist jedoch eng mit der ungleichen Einkommensverteilung verbunden, bei der Milliarden von Dollar an Gewinnen in die Finanzmärkte fließen.

Veränderungen im internationalen Finanzsystem erfordern daher auch Veränderungen in der globalen Produktion – und vor allem eine Umverteilung der Erträge aus der Produktion weg vom (finanziellen) Kapital hin zu den Arbeitnehmer*innen und Bürger*innen. Ein zentrales Instrument wäre hierbei eine globale Steuerpolitik, die die Macht der Unternehmen und internationalen Finanzinvestoren begrenzt und private Gewinne umverteilt.


Zur Autorin:

Annina Kaltenbrunner ist Professorin für Globale Wirtschaft an der Leeds University Business School. Sie ist eine pluralistische Makro-Entwicklungsökonomin mit einem Interesse an finanziellen und monetären Dynamiken in Entwicklungs- und Schwellenländern. Ihre Arbeit zielt darauf ab, Grenzen sowohl zwischen Disziplinen als auch hinsichtlich der methodischen Vielfalt der Wirtschaftswissenschaften zu überwinden.

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