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Birte Strunk
Erstveröffentlichung im Makronom
Es stimmt hoffnungsvoll zu sehen, welche weitreichenden Maßnahmen die Politik ergreifen kann, wenn eine Situation einmal als Krise identifiziert wurde. Doch in der Klimakrise reicht der politische Wille allein nicht, solange bestehende Diskurse darüber, weshalb und wie investiert und reguliert werden soll, unangetastet bleiben. Ein Beitrag von Birte Strunk.
Was folgt aus der Klimakrise für unsere Wirtschaft(sweisen) und das Denken darüber? Im Angesicht der Fridays-for-Future-Proteste hat sich aus dem Netzwerk Plurale Ökonomik eine neue Initiative herausgebildet: Economists for Future. Mit der gleichnamigen Debattenreihe werden zentrale Fragen einer zukunftsfähigen Wirtschaft in den Fokus gerückt. Im Zentrum stehen nicht nur kritische Auseinandersetzungen mit dem Status Quo der Wirtschaftswissenschaften, sondern auch mögliche Wege und angemessene Antworten auf die dringlichen Herausforderungen und Notwendigkeiten. Dabei werden verschiedene Orientierungspunkte für einen tiefgreifenden Strukturwandel diskutiert.
Ob sich die Corona-Krise positiv oder negativ auf Klimaschutz auswirkt, wird kontrovers diskutiert. Einerseits sind Krisenmomente potenziell Chance und Katalysator für radikale Veränderungen. Andererseits bringen sie auch große Unsicherheiten mit sich, welche den politischen Druck, zur „Normalität“ zurückzukehren, erhöhen.
Allerdings darf es angesichts der Klimakrise kein Zurück zum „business-as-usual“ geben. Klimaschutz wird nur dann effektiv sein, wenn er eine sozio-ökologische Transformation mit sich bringt. Das heißt konkret, dass wir einen Weg in eine Postwachstumsökonomie finden müssen, in welcher unsere sozialen Systeme weitgehend unabhängig von Wirtschaftswachstum sind.
Vor diesem Hintergrund werde ich im Folgenden zwei Fragen nachgehen. Erstens: Wie sind die bereits verabschiedeten Corona-Hilfspakete aus einer Nachhaltigkeits-Perspektive zu bewerten? Und zweitens: Wie müsste ein Corona-Paket aussehen, welches uns in Richtung einer Postwachstumsökonomie führen könnte?
Die deutsche Bundesregierung hat seit Beginn der Corona-Krise umfangreiche Maßnahmen in die Wege geleitet, um die sozialen und ökonomischen Folgen der Pandemie abzufangen. Aus makroökonomischer Perspektive sind viele dieser Maßnahmen, wie beispielsweise das Kurzarbeitergeld, sehr positiv zu bewerten.
Interessant war dabei zu beobachten, wie schnell auf einmal beträchtliche finanzielle Ressourcen mobilisiert werden konnten, die wenige Monate zuvor noch undenkbar gewesen wären. Das zeigt einmal mehr, wie diskursmächtig es ist, einen Sachverhalt als existenzielle Krise zu bewerten. Die Reaktion auf die Corona-Krise erfolgte zudem nicht nur in Form von finanzieller Unterstützung, sondern auch durch das Aussprechen konkreter Ver- und Gebote.
Diese Reaktion macht Hoffnung, dass eine ähnliche politische Entschlossenheit möglich wäre, wenn die Klimakrise endlich als das anerkannt wird, was sie ist: eine ebenso existenzielle Bedrohung für die Menschheit. Gleichzeitig lässt es fragen: Was muss noch passieren, damit die Klimakrise endlich ebenso ernst genommen wird wie momentan die Corona-Krise?
Auch wenn wir zu einem wachstumsunabhängigen System kommen müssen, brauchen wir sektorales Wachstum, um überhaupt die Chance zu haben, Postwachstumsgesellschaften politisch und sozial umsetzbar zu machen
Aber wird nicht schon viel für den Klimaschutz getan? Beim im Juni beschlossenen Paket ist es auf den ersten Blick positiv zu bewerten, dass etwa ein Viertel der 130 Milliarden hohen Summe für Investitionen in den Klimaschutz vorgesehen ist. Die Verknüpfung ökologischer und sozialer Ziele in diesem Kontext ist erstmal schlüssig: Wir können ganz akut den Schmerz der Arbeitslosigkeit innerhalb eines wachstumsabhängigen Systems abfedern, indem wir starke Investitionen in Klimaneutralität tätigen. Diese schaffen einerseits neue Arbeitsplätze und andererseits treiben sie die notwendige Transformation bestehender Systeme voran – auch in einer Postwachstumsökonomie brauchen wir irgendeine Form von Energiebereitstellung, und auch wenn der aggregierte Energiebedarf sinken soll, so muss dieser Bedarf dennoch zu 100% aus Erneuerbaren gedeckt werden.
Corona-Hilfspakete können also zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem sie helfen, die notwendigen Infrastrukturen für solch eine klimaneutralere Wirtschaft zur Verfügung zu stellen und dabei innerhalb unseres wachstumsabhängigen Systems an „den richtigen Stellen“ Wachstum schaffen. Auch wenn wir aus ökologischer Perspektive zu einem wachstumsunabhängigen System kommen müssen, brauchen wir dieses sektorale Wachstum, um überhaupt die Chance zu haben, Postwachstumsgesellschaften politisch und sozial umsetzbar zu machen.
Inwieweit lassen sich die Maßnahmen im bestehenden Paket nun allerdings tatsächlich als Erfolg für die sozio-ökologische Transformation verbuchen? Nach Bewertung des Wuppertal Instituts beinhalten diese Maßnahmen viele gute Impulse, gehen aber nicht weit genug. Insgesamt sind die Maßnahmen sehr technisch geprägt, mit Fokus auf Sektoren wie Gebäude, Industrie, Energie oder Verkehr. Die Bundesregierung bleibt damit ihrer Linie treu, Transformationsfragen eher als technologisch-ökologisch zu konstruieren. Eine sozio-ökologische Transformation lässt sich daraus kaum ableiten. Denn es sollte inzwischen bekannt sein, dass rein technische Maßnahmen nur zu einem grünen Wachstum führen, welches als alleinige Strategie den Klimawandel nicht effektiv adressieren kann.
Aus dieser Perspektive ist es als sehr kritisch zu bewerten, dass nach wie vor der Fokus darauf liegt, bestehende Strukturen vermeintlich „grüner“ zu machen, statt mit den Geldmitteln Strukturänderungen anzustoßen. Zwei Beispiele: Anstatt in Fahrradinfrastrukturen und Fußgänger-/ÖPNV-freundliche Raumplanung zu investieren, werden im Paket mehrere Milliarden in E-Mobilität und moderne Flugzeuge investiert. Anstatt zu überlegen, wie öffentliche Räume gestärkt und somit individueller Wohnraum verkleinert werden kann, liegt der Fokus auf technischer Gebäudesanierung. Der Blick des aktuellen Klimaprogramms im Konjunkturpaket ist also nach wie vor auf eine bestimmte Art von Klimaschutz gerichtet, welche einer sozio-ökologischen Transformation noch nicht nahekommt.
Gleichzeitig lässt sich zudem sehen, dass die Politikmaßnahmen weiterhin stark in ökonomische Narrative eingebettet sind, welche für effektive Klimapolitik problematisch sind. Auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums ist beispielsweise ein kurzes Video verlinkt, welches die Frage angeht: „Was ist mit der Schwarzen Null passiert?“ Aus der Antwort im Video gehen zwei problematische Aspekte hervor. Erstens: Wir können es uns leisten, jetzt viele Schulden aufzunehmen, „weil wir gut gewirtschaftet haben“. Und zweitens: Wir brauchen eine Wirtschaftsankurbelung, damit keine Arbeitsplätze verloren gehen.
Wir können dem Klimaschutz nur dann (ansatzweise) gerecht werden, wenn wir die ambivalente Gratwanderung meistern, ein Konjunkturpaket zu schnüren, welches uns langfristig unabhängiger von Konjunkturschwankungen macht
Abgesehen davon, dass das Narrativ der Schwarzen Null an sich problematisch ist, sieht man hier sehr stark die unhinterfragte Notwendigkeit von Erwerbsarbeit. Es stimmt: Wir brauchen die Wirtschaftsankurbelung, weil momentan Menschen ihre Jobs, ihr Einkommen, und ihre Lebensgrundlagen verlieren. Gleichzeitig können wir uns eine Wirtschaftsankurbelung à la Status quo ante aus ökologischen Gründen nicht leisten. Wir befinden uns also in einer Zwickmühle, welche nur nochmal deutlicher macht, wie sehr die Thematik der Erwerbsarbeit als ein Wachstumsimperativ und als ein Apologet eines TINA-Narratives (There is no alternative – to economic growth) fungiert.
Die ökologische Unmöglichkeit eines „immer weiter so“ verschiebt allerdings die Problemanalyse. Die Frage sollte nicht mehr lauten: „Wie schaffen wir es, bei Krisen genug Nachfrage und Wirtschaftsaktivität zu generieren?“ Stattdessen sollten wir alle Energie darauf verwenden, um Antworten auf die Frage zu erhalten „Wie schaffen wir es, trotz Wachstumseinbußen ein gutes Leben für alle sicherzustellen?“.
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Es ist also wichtig, dass aktuelle Krisenpakete nicht dazu verwendet werden, unhaltbare Systeme aufrecht zu erhalten. Stattdessen sollten wir die aktuelle Situation nutzen, um radikale Transformationen voranzutreiben. Wie kann sowas geschehen?
Wir können dem Klimaschutz momentan nur dann (ansatzweise) gerecht werden, wenn wir die ambivalente Gratwanderung meistern, ein Konjunkturpaket zu schnüren, welches uns langfristig unabhängiger von Konjunkturschwankungen macht. Dies beinhaltet zunächst, wie oben beschrieben, starke Investitionen in Klimaneutralität – und zwar auf eine Art und Weise, die die Strukturen nicht nur vermeintlich grüner macht, sondern transformiert. Das betrifft alle Bereiche unseres Lebens: wie wir arbeiten, wohnen, konsumieren oder uns fortbewegen.
Gleichzeitig muss aber nicht nur über Investitionen, sondern auch über De-Investitionen gesprochen werden. Aus dieser Perspektive ist es beispielsweise unverständlich, warum der Bund bei seiner Rettungsaktion Zugeständnisse an die Lufthansa gemacht hat. In Frankreich wurde das Rettungspaket für die Air France zumindest an ein Verbot des Angebots verschiedener Kurzstreckenflüge gekoppelt. Ähnliche Maßnahmen in Deutschland wären das Mindeste, was notwendig wäre.
Die Corona-Maßnahmen zeigen, dass mit politischem Willen Dinge möglich gemacht werden können, die nur einige Monate zuvor noch als unmöglich galten
Genauso ist der Kohleausstieg erst im Jahre 2038 inakzeptabel und zeigt, wie inhärent widersprüchlich deutsche Klimapolitik ist. Diese Widersprüchlichkeit ist natürlich nicht weiter erstaunlich, solange das Damoklesschwert „Arbeitsplatzverlust” über jeglichen politischen Entscheidungen hängt. Aus dieser Perspektive ist es umso wichtiger, Corona-Pakete nicht nur für „grünes Wachstum“ zu verwenden, sondern die Krise auch als Anlass für eine umfassende Umstrukturierung des Wirtschaftssystems zu nehmen – mit dem Ziel größerer Wachstumsunabhängigkeit.
Mit Bezug auf den Wachstumsimperativ der Erwerbsarbeit hieße das also, entweder Jobs unabhängiger von Wirtschaftswachstum zu machen (etwa durch Vorschläge einer Arbeitsplatzgarantie), oder die Grundversorgung bzw. das Einkommen unabhängiger von Wirtschaftswachstum zu machen (etwa durch Vorschläge wie dem Grundeinkommen oder der Grundversorgung). Auch wenn es vielerorts noch an Erfahrungen mit wachstumsunabhängiger Politikgestaltung für das 21. Jahrhundert mangelt, gibt es doch viele Ideen für konkrete Politikmaßnahmen aus der Postwachstumsökonomie und der Ökologischen Ökonomie. Aus Nachhaltigkeits-Perspektive wäre es essenziell wichtig, das transformative Potenzial, das Krisen stets innewohnt, in der aktuellen Situation dazu zu verwenden, jetzt Schritte in diese Richtung zu unternehmen.
Zusammenfassend lassen sich die bestehenden Corona-Maßnahmen also wie folgt bewerten: Es stimmt hoffnungsvoll zu sehen, welche weitreichenden Maßnahmen – finanziell aber auch regulatorisch – die Politik ergreifen kann, wenn eine Situation einmal als Krise identifiziert wurde. Das zeigt, dass mit politischem Willen Dinge möglich gemacht werden können, die nur einige Monate zuvor noch als unmöglich galten.
Gleichzeitig lässt sich aber sehen, dass die bisher ergriffenen Maßnahmen immer noch sehr tief in einem Wirtschaftsnarrativ verankert sind, welches so nicht länger haltbar ist. Politischer Wille zu investieren und zu regulieren – auch wenn der Klimaschutz mitgedacht wird – reicht nicht, solange bestehende Diskurse darüber, weshalb und wie investiert und reguliert werden soll, unangetastet bleiben.
Es braucht also ein grundlegend anderes Verständnis davon, wo wir mit unseren politischen Maßnahmen überhaupt hinwollen, um sowohl die aktuellen sozialen als auch die ökologischen Herausforderungen effektiv anzugehen. Daher sollte die jetzige Krise als Katalysator verwendet werden, um den – aus Klimaperspektive notwendigen – Wirtschaftsumbau hin zu größerer Wachstumsunabhängigkeit mit voran zu bringen.
Zur Autorin:
Birte Strunk promoviert in VWL an der New School in New York und forscht zu Themen von Arbeit, Klimagerechtigkeit und Postwachstum. Sie ist Mitglied im Netzwerk Plurale Ökonomik und verbindet in ihrer Forschung Perspektiven aus Ökologischer, Feministischer und Post-Keynesianischer Ökonomik sowie der Wirtschaftssoziologie.