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Im Angesicht der Klimakrise und der Fridays-for-Future-Proteste hat das Netzwerk Plurale Ökonomik unter #Economists4Future dazu aufgerufen, Impulse für neues ökonomisches Denken zu setzen und bislang wenig beachtete Aspekte der Klimaschutzdebatte in den Fokus zu rücken. Dabei geht es beispielsweise um den Umgang mit Unsicherheiten und Komplexität sowie um Existenzgrundlagen und soziale Konflikte. Außerdem werden vielfältige Wege hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaftsweise diskutiert – unter anderem Konzepte eines europäischen Green New Deals oder Ansätze einer Postwachstumsökonomie. Hier finden Sie alle Beiträge, die im Rahmen der Serie erschienen sind.
Kerstin Hötte∗[i]
Weltweit gehen seit August 2018 Schülerinnen und Schüler auf die Straße um ihrer Wut Ausdruck zu verleihen - ihrer Wut darüber, dass zwar seit mehr als 30 Jahren über Klimaschutz geredet wird, aber bislang wenig erreicht wurde, um eine drohende Klimakatastrophe zu verhindern [Warren, 2019]. Im Januar 2019 schlossen sich tausende Wissenschaftler*innen dem Protest an: “Die Sorgen der jungen Protestierenden sind berechtigt” bestätigten Hagedorn et al. [2019] in der renommierten Fachzeitschrift Science im Frühjahr 2019. Ein ungebremster Klimawandel stelle eine existenzielle Bedrohung dar. Aktuelle Bemühungen seien unzureichend, um das Risiko eines ungebremsten Klimawandels effektiv zu verringern. Die technologischen Lösungen seien bekannt. Jetzt sei es Zeit, zu handeln; und zwar schnell und konsequent [Hagedorn et al., 2019, IPCC, 2018].
Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Ökonomik als Wissenschaft? Irreversibilitäten im Klimasystem und potenziell katastrophale Konsequenzen fordern ein neues Denken in der Klimaökonomik entlang einer Kernfrage: Wie kann der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit erleichtert werden? Diese Sichtweise weicht von der traditionellen Wohlfahrtsperspektive der Klimaökonomik ab, die Kosten und Nutzen des Klimawandels miteinander abwägt. Auf globaler Ebene sind die Kosten des Klimawandels und dessen Vermeidung praktisch nicht abschätzbar, insbesondere wenn Irreversibilitäten im Klimasystem und Pfadabhängigkeiten in der technologischen Entwicklung in die Analyse einbezogen werden. Eine alternative Agenda in der Klimaökonomik entlang der Frage nach der Gestaltung des Wandels hat den Charme, auf Annahmen bezüglich einer solchen Kosten-Nutzen-Analyse verzichten zu können. Und eine solche Agenda ist nicht vollkommen neu. Sie hat viele Überlappungen mit bestehenden Forschungsfeldern der Ökonomik: Technologischer Wandel, Verteilungseffekte und ein Verständnis des Nachfrageverhaltens von Konsument*innen sind entscheidend, um eine Nachhaltige Transformation zu beschleunigen. Zudem birgt die neue Perspektive birgt auch eine theoretische Neuerung: Gesucht wird eine tief gehende Endogenisierung von Vermeidungs-, Adaptions- und Schadenskosten des Klimawandels, die am Ende auch in der Kosten-Nutzen-Bewertung von entscheidender Bedeutung sind.[ii]
Zunächste noch einige Worte zum aktuellen Kenntnisstand der Klimawissenschaft. Eine voranschreitende globale Erwärmung kann eine irreversible Reihe von Kippkaskaden in der Erwärmungsdynamik auslösen, wenn bestimmte Schwellenwerte im Erdsystem überschritten werden. Diese Kaskaden können die Dynamik des Klimawandels außer Kontrolle bringen. Wenn diese Schwellenwerte überschritten werden, entwickelt sich die globale Erwärmung zu einer sich selbst verstärkenden Dynamik, die auch durch konsequente Emissionsreduktion nicht mehr aufzuhalten wäre. Dies würde zu einer deutlich höheren Temperatur als im gesamten Holozän, dessen stabile klimatische Bedingungen die Entwicklung menschlicher Zivilisation begünstigt haben, und einem deutlichen Anstieg Meeresspiegels führen. Ein solcher Zustand ist auch als Heißzeit bekannt [Steffen et al., 2018].
Steffen et al. [2018] haben gezeigt, dass der Einfluss des Menschen bereits zu einer Verschiebung des Klimapfades aus der stabilen zyklischen Dynamik (interglacial limit cycle) geführt hat, die den Klimaverlauf zwischen den Eiszeiten kennzeichnet. Die Autoren haben gezeigt, dass es Schwellenwerte in der globalen Temperatur gibt, die nicht überschritten werden dürfen, wenn die unumkehrbare Verschiebung der klimatischen Entwicklung in Richtung einer Heißzeit vermieden werden soll. Die Autoren haben auch gezeigt, dass die Schwelle zwei Grad oder sogar noch darunter liegen kann. Zur Einordnung: Die im Pariser Übereinkommen von 2015 vereinbarten Intended Nationally Determined Contributions (INDC) implizieren insgesamt eine Erwärmung im Median von 2,6-3,1 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts [Rogelj et al., 2016].
Was ist die ökonomische Sichtweise auf den Klimawandel? Das ist der Titel eines kürzlich von W.D. Nordhaus verfassten Aufsatzes. Nordhaus gilt als einer der Begründer der Klimaökonomik und wurde 2018 „für die Integration des Klimawandels in langfristige makroökonomische Analysen“ mit dem Nobel-Gedächtnispreis ausgezeichnet.[iii] In seinem Aufsatz fasst Nordhaus die wichtigsten Errungenschaften, Ansätze und offenen Herausforderungen aus rund 40 Jahren Forschung zum Zusammenhang von Klimawandel und Ökonomie zusammenfasst [Nordhaus, 2019].
Die zugrunde liegende Sichtweise der in diesem Artikel resumierten, klimaökonomischen Forschung kann als eine Studie der Abwägung zwischen den Kosten der Emissionsreduzierung (Minderungskosten) und den Vorteilen vermiedener Schäden (Minderungsnutzen) beschrieben werden.
Diese Perspektive auf die ökonomische Bewertung des Klimawandels setzt eine wesentliche Prämisse voraus: Kosten und Nutzen der Minderung sind hinreichend bekannt, so dass sie für einen Zeithorizont von mehr als einem Jahrhundert zuverlässig geschätzt werden können. Diese Annahme bildete die Arbeitsgrundlage für eine ganze Generation von Klimaökonom*innen. Es wurden zahlreiche Studien über die Kontroversen um angemessene Diskontraten, die Einbeziehung des technologischen Wandels oder die Herausforderung, verlässliche Schadensfunktionen zu entwickeln, verfasst [z.B. Auffhammer, 2018, Pindyck, 2013, Popp et al., 2010]. Und auch sehen viele Klimaökonom*innen in einer verbesserten Schätzung von Schadens- und Nutzenfunktionen die Kernaufgabe der Klimaökonomik [z.B. Auffhammer, 2018, Stern, 2016].
Aber sind dies tatsächlich die relevanten Fragen der kommenden Jahrzehnte? Selbst wenn es theoretisch und praktisch möglich wäre, zuverlässige Schätzungen der langfristigen Schadens- und Minderungskostenfunktionen zu erhalten und den wirtschaftlich optimalen Anstieg der globalen Temperatur zu berechnen, würde dieses Wissen dazu beitragen, das gewünschte Temperaturniveau zu erreichen? Was hilft es, das Ziel zu kennen, wenn der Weg im Dunkeln liegt?
Wenn heute keine radikalen Maßnahmen ergriffen werden, schließt sich das Zeitfenster für eine wirksame Abschwächung des Klimawandels, und es besteht die Gefahr, dass die Entwicklung des Klimas unumkehrbar die Richtung einer Heißzeit einschlägt. Um die Wahrscheinlichkeit eines katastrophalen und existenzbedrohenden Klimawandels zu verringern, muss das Wirtschaftssystem innerhalb kürzester Zeit tiefgehend verändert werden. Konsum- und Produktionsweisen müssen innerhalb des kommenden Jahrzehnts radikal dekarbonisiert werden [IPCC, 2018]. Ohne Zweifel ist es wichtig, Klimaschutz effizient zu gestalten. Doch Effizienz bedeutet, dass bekannt ist, wie ein effizienter Zustand aussieht und wie dieser erreicht werden kann. Beides ist im Angesicht der klimatischer und technologischer Unsicherheit nicht gegeben.
Ich schlage eine neue Agenda für die Ökonomik des Klimawandels vor, die sich auf eine Kernfrage bezieht: Wie kann der nachhaltige Wandel erleichtert werden? Dies impliziert: Wie können Unternehmen bei der Umstellung auf klimafreundliche Produktionsweisen unterstützt werden? Wie kann es Verbraucher*innen erleichtert werden, ihre Konsumgewohnheiten zu ändern? Wie kann es leicht gemacht werden, Lebens- und Produktionsweisen anzupassen, wenn sich die lokalen Umweltbedingungen infolge des Klimawandels in kurzer Zeit ändern? Dabei bedeutet das Wort “erleichtern“, dass soziale und strukturelle Verwerfungen verringert und/ oder abgefedert werden. Es impliziert auch Schranken in der politischen, ökonomischen und technischen Umsetzbarkeit von Nachhaltigkeitsstrategien, die aber bewusst als veränder- und gestaltbar begriffen werden. Diese Sichtweise steht mit ökonomischer Effizienz keinesfalls im Widerspruch, sondern kann als eine Art prozeduraler Effizienz interpretiert werden.
Diese Agenda ist durchaus anschlussfähig an bestehende Arbeiten in der Ökonomik. Wirtschaftswissenschaftler*innen haben über Jahrzehnte Werkzeuge entwickelt, um diese Fragen zu beantworten. Sie verfügen über langjährige Erfahrung in der Erforschung von Innovation und technologischem Wandel. Sie haben untersucht, welche Art von materiellen und immateriellen Vermögenswerten und Institutionen die wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen. Sie sind Expert*innen für die Determinanten von Konsumentscheidungen. Diese Erkenntnisse sind wertvoll, um ein ökonomisches Verständnis für die gesellschaftliche und politische Gestaltung einer nachhaltigen Transformation zu entwickeln. Theoretische Debatten über die ordnungsgemäße Bewertung der finalen Wohlfahrtseffekte sind zwar eine schöne theoretische Gedankenübung, doch für das sofortige politische und gesellschaftliche Handeln heute von geringer praktischer Relevanz.
Angesichts der alarmierenden Beobachtungen der Klimawissenschaftler*innen, sollte die Frage nicht mehr “ob” sondern “wie” lauten. Der Klimawandel muss jetzt bekämpft werden und Ökonom*innen können dabei helfen, diese Agenda schnell und sozialverträglich umzusetzen.
Nichtsdestotrotz, hat die skizzierte Forschungsagenda auch eine Bedeutung für die theoretische Diskussion: Minderungs- und Schadenskosten werden wirklich endogenisiert und aus einer konstruktiven Perspektive betrachtet. Minderungs- und Schadenskosten sind keine gegebenen, äußeren Umstände, sondern werden selbst zu Zielfunktionen: Das Erleichtern des Wandels führt einerseits zu einer Verringerung der Minderungskosten, weil es Untermehmen und Konsument*innen erleichtert wird, weniger CO2 -intensiv zu leben. Die Erleichterung des Wandels führt andererseits auch zu einer Reduzierung der Schadenskosten, wenn die Anpassung an veränderte klimatische Bedingungen erleichtert wird.
Die vorgeschlagene Agenda ist gar nicht so radikal: Debatten über die Empfindlichkeit von Klimamodellen gegenüber den Annahmen über den technologischen Wandels reichen bis in die 70er zu den frühen Limits to growth-Studien des Club of Rome zurück [Meadows et al., 1972]. Jedoch ist die Perspektive der neuen Agenda anders: Im Bewusstsein, dass sofortiges und radikales Handeln notwendig ist, ist die Gestaltung und Beschleunigung nachhaltigen, technologischen Wandels die Zielfunktion. Wohlfahrtseffekte können als bindende Nebenbedingungen angesehen werden und spielen eine Rolle, wenn es um die Wahl verschiedener technologischer Pfade geht. Doch sollte die abstrakte Frage nach der optimalen Temperatur in Fragen umgewandelt werden, die im alltäglichen Handeln relevant und umsetzbar sind und durch Einzelne effektiv beeinflusst werden können.[iv]
[i] ∗ Universität Bielefeld, Deutschland, Paris-1 Sorbonne Panthéon, Frankreich
[ii] Aus Sicht der Autorin sind die wohlfahrtstheoretischen Implikationen jedoch eher von theoretischer und philosophischer Relevanz als von praktischem Nutzen bei der wirksamen Eindämmung des Klimawandels in der kurzen Frist.
[iii] The Prize in Economic Sciences 2018. NobelPrize.org. Nobel Media AB 2019. Thu. 21 Nov 2019.
https://www.nobelprize.org/prizes/economic-sciences/2018/summary/
[iv] Sicht der Autorin, sind die alarmierenden Warnungen aus der Klimawissenschaft und die Kürze des Zeitfensters ausreichend, um diese Agenda zu rechtfertigen. Jedoch kann diese Agenda wahrscheinlich auch rein theoretisch begründet werden. Die Innovationsforschung legt nahe, dass auch technologischer Wandel ein komplexes Phänomen nicht linearer, sich selbst-verstärkender Dynamiken ist [z.B. Safarzyńska et al., 2012, Geels and Schot, 2007, Arthur, 1988]. Angesichts der beiderseitigen Nichtlinearität von Klima- und Innovationsprozessen und der daraus abgeleiteten Schadens- und Nutzenfunktionen ist es auch auf rein theoretischer Ebene fraglich, ob Optimalität durch Grenzwertanalysen überhaupt errechnet werden kann. Die alternative Sichtweise erlaubt es, diese praktisch nicht beantwortbare Frage zu umgehen.
W. B. Arthur. Competing technologies: an overview. In G. Dosi, C. Freeman, and R. Nelson, editors, Technical Change and Economic Theory. Pinter Publishers, 1988.
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G. Hagedorn, P. Kalmus, M. Mann, S. Vicca, J. Van den Berge, J.-P. van Ypersele, D. Bourg, J. Rotmans, R. Kaaronen, S. Rahmstorf, et al. Concerns of young protesters are justified. Science, 364:139–140, 2019. doi: 10.1126/science.aax3807.
IPCC. Summary for Policymakers. In V. Masson-Delmotte, P. Zhai, H. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P. R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pid- cock, S. Connors, J. B. R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M. I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, and T. Waterfield, editors, An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty, Summary for Policymakers.
World Meteorological Organization, Geneva, Switzerland, 2018. D. H. Meadows, D. L. Meadows, J. Randers, and W. W. Behrens. The limits to growth: A report for the Club of Rome’s Project on the Predicament of Mankind. Universe Books, New York, 1972.
W. Nordhaus. Climate change: The ultimate challenge for economics. American Economic Review, 109(6):1991–2014, June 2019. doi: 10.1257/aer.109.6.1991. R. S. Pindyck. Climate change policy: What do the models tell us? Journal of Economic Literature, 51(3):860–72, 2013. doi: 10.1257/jel.51.3.860.
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