Stickeraktion: Ein Ökonom kommt in eine Krise: Was tut er?

Netzwerk Plurale Ökonomik e.V. , 2018
Grado: debutante
Perspectivas: Economía conductual, Economía neoclásica, Otros
Topic: Crisis, Macroeconomía, Reflexión sobre economía
Format: Infografía

In den Jahren nach 2008 finden sich mindestens vier Reaktionsweisen, wie Ökonom*innen auf die Finanzkrise reagiert haben: Weiter so, menschliche Fehler, Fehler von Staaten und mehr Empirie.

Erstens befürworten gerade Vertreter (gendern ist hier kaum nötig) der Rational Expectations kurz und bündig ein Weiter so. Robert Lucas (Träger des sogenannten Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften) sieht kein Grund für Änderungen, weil es schlicht niemals möglich sei, Entwicklungen wie den Fall Lehman Brothers vorherzusehen (The Economist, 6.8.2009). Eugene Fama (ein weiterer Träger des sogenannten Nobelpreises) leugnet gar die Existenz von Blasen (New Yorker, 13.01.2010).

Zweitens verweisen gerade Verhaltensökonomen wie Richard Thaler auf menschliche Fehler und schieben damit die Verantwortung weg von gesellschaftlichen Problemen. So beschreiben Thaler und sein Ko-Autor Cass Sunstein (2009) ausführlich, dass das entscheidende Problem doch der Mensch mit all seinen Mängeln wie großes Selbstbewusstsein, Herdenverhalten und dergleichen mehr sei.

Drittens betonten empirische Makroökonom*innen wie Carmen Reinhart, Kenneth Rogoff und Alberto Alesina (alle mit einer Professur in Harvard) immer wieder die Fehler des Staates vor und während der Wirtschaftskrise, gerade im Hinblick auf öffentliche Ausgaben- und Verschuldungspolitik. Eine von Merkel und co immer wieder aufgegriffene Arbeit von Reinhart und Rogoff (2010) mit dem Titel Growth in a Time of Debt kam zu dem Resultat, dass ab einer öffentlichen Verschuldung von 90% relativ zum BIP das ökonomische Wachstum sinkt. Alberto Alesina kam zusammen mit Silvia Ardagna in der breit zitierten und vor den EU-Finanzminister*innen vorgestellten Publikation Large Changes in Fiscal Policy: Taxes vs Spending zu dem Schluss, dass eine Kürzung öffentlicher Ausgaben in Krisenzeiten vorteilhaft sei. Beide Studien suggerieren zusammen betrachtet, dass zu hohe Staatsausgaben geringeres Wirtschaftswachstum vor Krisen wahrscheinlicher machen würden und für ökonomische Erholung in Krisen hinderlich seien. Interessanterweise erwies sich die wissenschaftliche Autorität für Austerität indes in beiden Fällen als trügerisch: Die Datenarbeit von Reinhart und Rogoff wies fundamentale Fehler in der Bearbeitung mit Excel auf, sodass die Ergebnisse ganz andere wurden und Wirtschaftswachstum nicht geringer ausfällt, sobald die Staatsschulden über 90% des BIP liegen (Herndon et al. 2014). Im Falle Alesinas kam der IMF zu dem Schluss, dass die Arbeit erhebliche methodologische Fehler aufwies (Islam und Chowdhury 2012).

Viertens, und da liegt vielleicht Hoffnung in den Krisenreaktionen, arbeiten Ökonom*innen nach der Finanzkrise verstärkt empirisch und versuchen so mehr Wissen über Krisen, ihre Ursachen und Effekte zu erfahren. Nicht nur Krisen, sondern auch Themen wie Ungleichheit erfahren große Aufmerksamkeit, wie beispielsweise der Hype um Thomas Piketty zeigt.

 

Die Stickeraktion wurde von der Gruppe Was ist Ökonomie? initiiert und für das Netzwerk Plurale Ökonomik erstellt. Vielen Dank für die finanzielle Unterstützung des Projekts an das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. 

 

Noch Fragen?

1. Wann kommt die nächste Krise, Herr Professor*?

2. Grenzenloses Kapital? Grenzenlose Arbeit? Grenzenlose Freiheit?

3. Markt United vs. FC Staat: Wer gewinnt?

4. Krise?

5. Ein Ökonom kommt in eine Krise: Was tut er?

6. Mit neuem Nationalismus aus der Wirtschaftskrise?

7. Mit Green Growth die Welt retten?

8. Wen trifft die Krise?

9. Hat Griechenland Schuld(en)?

10. Wie viele Theorieschulen gibt es eigentlich in der VWL?

11. Werde ich durch das VWL Studium egoistischer?

12. Ist der repräsentative Agent männlich oder weiblich?

13. Was ist mit ökonomischen Inhalten, die nicht in Matheformeln passen?

14. Wieso sehen meine VWL-Professor*innen auch dort Gleichgewichte, wo keine sind?

15. Hat Geld wirklich keinen Einfluss auf die reale Wirtschaft?

16. Wieso nimmt mein VWL-Professor andere Sozialwissenschaften nicht ernst?

17. Wie funktionieren eigentlich andere Wirtschaftssysteme?

18. Warum sind meine VWL-Professoren fast nur männlich?

19. Wieso kennen meine VWL-Modelle keine Geschichte?

20. Studiere ich VWL oder Neoklassik?

 

Literatur

Alesina, Alberto und Silvia Ardagna (2009) Large Changes in Fiscal Policy: Taxes Versus Spending. NBER Working Paper No. 15438.

Herndon, Thomas, Michael Ash, Michael und Robert Pollin (2014) Does high public debt consistently stifle economic growth? A critique of Reinhart and Rogoff. Cambridge Journal of Economics 38(2), 257-279.

Islam, Iyanatul und Aris Chowdhury (2012) Revisiting the evidence of expansionary fiscal austerity: Alesina's hour. VOX CEPRs Policy Portal. Online verfügbar unter: http://voxeu.org/debates/commentaries/revisiting-evidence-expansionary-fiscal-austerity-alesina-s-hour.

Reinhart, Carmen und Kenneth Rogofff (2010) Growth in a Time of Debt. American Economic Review 100(2), 573-578.

Thaler, Richard und Cass Sunstein (2009) Nudge. Penguin, London.

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