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Dieser Text ist eine Zweitpublikation aus dem Jahr 2014. Er wurden Exploring Economics zur Verfügung gestellt und ist aktuell nur noch hier zu finden. Das EE-Team hat kleinere redaktionelle Überarbeitungen vorgenommen. Ein weiterer Grundlagentext zur Feministischen Ökonomie ist hier zu finden.
Bei der feministischen Ökonomie geht es darum, den unbezahlten Teil der Ökonomie sichtbar zu machen und die Geschlechterblindheit von ökonomischen Prozessen aufzudecken. Entstanden ist diese Theorierichtung in den 1960er Jahren, wobei die Wurzeln bis ins 19 Jahrhundert zurück reichen. Zu Beginn setzten sich die Feministen und Feministinnen vor allem für das Erreichen des Frauenwahlrechtes, für den Zugang zur Bildung und der Abschaffung der Vernunftehe ein. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau war in der zweiten Welle des Feminismus zu finden. Bis heute gibt es zwischen Männern und Frauen Unterschiede, welche durch den Feminismus versucht werden aufzudecken und zu beseitigen. Zum Beispiel die Care-Arbeit, den Gender-Wage-Gap, keine Berücksichtigung in ökonomischen Modellen, etc.
Die Themenfelder der feministischen Ökonomie sind vielseitig und beinhalten unter anderem folgende Punkte:
Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind in mehreren Bereich zu finden, unter anderem auch in der Ökonomie. Dabei spielt der Ausschluss der Frauen aus der Geschichte, aus den ökonomischen Modellen und aus der Wissenschaft eine Rolle. Weiters wird die Pflege- und Erziehungsarbeit, welche noch immer als Frauenberufe bezeichnet werden, nicht in das ökonomische Modell einbezogen.
Der Ausschluss der Frauen aus der Ökonomie hat sich aus der Geschichte ergeben. Thorstein Veblen schreibt, dass die Unterdrückung der Frauen bereits bei den Urhorden begonnen hat, denn Frauen wurden als Eigentum der Männer angesehen und hatten keine Macht. (Vgl. Veblen T. 1981. S. 33f) „Es gab eine strikte Trennung zwischen dem privaten und den öffentlichen Sektor, wobei der private den Frauen und der öffentliche den Männern vorbehalten ist.“ (Mansour. 2013. S. 47) Aus diesem Grund, wurden die Frauen nicht zur Politik und zur Wissenschaft zugelassen. Es bestand für die Frauen keine Möglichkeit, sich mit der Ökonomie auseinander zu setzten. Erst durch Arbeiterbewegungen und Klassenkämpfen kam es zu Veränderungen welche die feministische Ökonomie ins Rollen brachte (Vgl. Power M. 2013. S. 8). Die ersten Feministinnen setzten sich für politische Anliegen ein, ökonomische Rechte und Arbeitsbedingungen spielten noch keine Rolle. (Mansour, 2013. S. 48) Dies entwickelte sich erst mit der Veränderung der Gesellschaft. Dabei standen dann Punkte wie die Gleichberechtigung von Männern und Frauen, der Wiederspruch gegen den strukturellen Ausschluss von Frauen aus den Wirtschaftswissenschaften und das Hinterfragen von sozialer Abwertung im Mittelpunkt. (Vgl. Barker D. K. 2013. S. 20)
Feministische Ökonominnen kritisieren, dass in fast allen ökonomischen Modellen die Hausarbeit und Pflegearbeit nicht in die Analyse der Wirtschaft einbezogen wird. Es findet eine Trennung zwischen Haus und Erwerbsarbeit statt.
„Frauen wird die Rolle der Familienversorgerin zugewiesen, Männern die Berufsrolle.“ (Becker-Schmidt R. 2008. S. 65) Es ist somit eine strikte Trennung in diesen zwei Bereichen vorgegeben. Wobei man bei der Unterscheidung von Haus- und Erwerbsarbeit noch weiter greifen kann und feststellt, dass die Arbeit der Frau, also Hausarbeit keinen Wert hat. „Wenn „Arbeit“ als Medium der Vergesellschaftung gedacht wurde, dann waren es männlich konnotierte und vorrangig marktvermittelte Tätigkeiten. Hausarbeit blieb ausgespart und damit das ganze Spektrum an Kompetenzen das Frauen im Privatbereich erwerben.“ (Becker-Schmidt R. 2008. S. 66) Aus dieser Benachteiligung entwickelte sich zu Beginn der Frauenbewegung die Hausarbeitsdebatte, dabei ging es um den unbezahlten Teil der Arbeit, welchen Frauen im Haushalt leisten. Die Hausarbeit wird dabei als keine Arbeit angesehen und das Geschlechterverhältnis wird „als ökonomisches Verhältnis, als Produktionsverhältnis innerhalb der kapitalistischen Produktionsweise aufgefasst“. (Baier A. 2008. S. 75)
Bis zum heutigen Zeitpunkt hat sich in der Politik und der Gesellschaft eine kleine Veränderung ergeben. Es wird die Männerkarenz gefördert und forciert. Weiters wurde im Jahr 1995 von der damaligen Frauenministerin Helga Konrad (SPÖ) die Kampagne ""Ganze Männer machen Halbe / Halbe"" gestartet, welche die gleiche Arbeitsaufteilung im Haushalten zwischen Männern und Frauen regeln sollte. Im Jahr 1999 wurde die Pflicht zur Ausgewogenheit der Führung des gemeinsamen Haushalts in das Ehe- und Familienrecht aufgenommen. Konrad erntete für diese Kampagne Lob und Kritik und erreichte, dass die Verteilung und Anerkennung der Vorsorgearbeit wieder ins Gespräch gebracht wurde. (Steger-Mauerhofer H. 2007)
Charlotte Perkins Gilman war die erste Feministin welche das Wort Androzentrismus in ihrem Buch „The Man-Made World or Our Androcentric Culture“ 1911 verwendete, und sie bezeichnete damit eine männergemachte Welt. Es entstand das androzentristische Weltbild, welches den Mann als die Norm und die Frau als die Abweichung dieser Norm verstand. (Gilman C. 1914. S. 17)
Das androzentrische Denken reicht von der antiken Philosophie bis zur Aufklärung. Bereits bei Aristoteles Konzeption der Polis war für Frauen kein Platz in der Bürgerschaft vorgesehen, weiters in der mittelalterlichen Theologie, wo Gott-Vater als männlich definiert wurde. Und auch in der Aufklärung wird das >vernünftige selbstbestimmte Subjekt< auf den Mann zugeschnitten. Bis heute in den modernen Sozialwissenschaften findet das androzentrische Denken Fortsetzung. Die feministische Wissenschaft arbeitet durch eigene Forschung, die Defizite aufzuzeigen und zu beseitigen. (Preglau M. 2007. S. 266f)
Entstanden ist die feministische Ökonomie aus der Frauenbewegung der 1960er Jahre (vgl. Power M. 2013. S. 8), hat aber Wurzeln, die bis ins 19. Jahrhundert zurück reichen. Damals wurden die Werke der Frauen nicht veröffentlicht, daher publizierten sie oft mit dem Namen des Ehegatten oder gaben Bücher anonym heraus. So auch die Autorin Harriet Taylor Mill. Eine weitere bekannte Ökonomin aus dem 19. und 20. Jahrhundert ist Joan Robinson. Auch Mary Paley Marshall zählt zu den bekannten Ökonominnen, die in der Zeit des umbruches von der Klassik zur Neoklassik publizierte. Viele Frauen arbeiten an der Schnittstelle zwischen Politik und ökonomische Theorien, wie zum Beispiel Käthe Leichter. Feministische Autorinnen sind zum Beispiel: Marxistinnen, Keynesianerinnen/Post-Keynesianerinnen oder Neoklassikerinnen. Nachfolgend wird noch genauer auf die einzelnen Damen eingegangen.
Die beiden Autorinnen Marcet und Martineau verfassten Einführungswerke in den Gegenstand der politischen Ökonomie und fanden damit Anerkennung.
Es ist zwischen Sexismus und Androzentrismus zu unterscheiden. Sexismus ist die Herabwertung der Frau und die Zuweisung von Rollenstereotypen während der Androzentrismus stillschweigend und unauffällig den Mensch und den Mann gleich stellt. Die Frau ist "das andere", und wird aus diesem Grund daran gehindert, gleichberechtigt am politischen, ökonomischen und kulturellen Leben teilzunehmen. (Kreisky E. online)
„Androzentrismus“ entstand aus der Kritik der Wissenschaft. Seit den 80er Jahren werden einzelne Themen nicht mehr nur aus feministischer Perspektive untersucht, sondern die Institution Wissenschaft wird selbst einer kritischen Prüfung unterzogen. Evelyn Fox Keller war eine von den Kritikerinnen, sie kritisierte den herrschenden Wissenschaftsbetrieb auf vier Ebenen: (Kreisky E. online)
Auch die feministische Wissenschaftskritik wird kritisiert, da sich diese darauf konzentriert, eine neue Perspektive in die bereits vorhandene Wissenschaft einzugliedern und nicht versucht, eine feministische Wissenschaft zu gründen. (Kreisky E. online)
Die Schwerpunkte der feministischen Analyse sind laut Meyer folgende:
In der traditionellen Wirtschaftstheorie des Neoliberalismus werden die oben genannten Punkte benachteiligt, Jaggar nennt vier charakteristische Themen für den Neoliberalismus: (Jagger A. 2001. S. 73)
Die Themen des Neoliberalismus beschäftigen sich mit der Gewinnmaximierung, hingegen sollte bei den feministischen Schwerpunkten eine neue Wertvorstellung in die Theorie gebracht werden, jene des Gutes >LEBEN<. Also die Sorge um Umwelt und zukünftige Generationen ist das Ziel. Zum heutigen Zeitpunkt hat dieses Denken, welches sich von der feministischen Theorie ableitet, aufgrund der Globalisierung schon Zustimmung erfahren. (Meyer U. 2002. S. 125)
In der feministischen Ökonomiekritik ist Nachhaltigkeit Teil eines Gesamtkonzeptes, das sich vorsorgendes Wirtschaften nennt. Und dieses Nachhaltigkeitsprinzip erfordert ein Umdenken im zugrunde liegenden Weltbild. „Es ist eine Absage an die wachstumsfixierte Ökonomie und erfordert einen Blick für das Ganze des Lebens.“ (Meyer U. 2002. S. 125)
Nachfolgend ein passender Ausschnitt zum Thema vorsorgendes Wirtschaften von Adelheid Biesecker, veröffentlicht am feministischen Institut Hamburg:
„Maßlosigkeit und Sorglosigkeit – mit diesen beiden Begriffen lässt sich die vorherrschende ökonomische Rationalität, kennzeichnen. Maßlosigkeit – denn aus Geld soll immer mehr Geld werden, und das möglichst ohne Bezug zur realen Produktion, ohne irgendein stoffliches oder soziales Maß. Und Sorglosigkeit – denn Menschen mit dieser Maximierungsrationalität kümmern sich nicht um den Erhalt der lebendigen Grundlagen – sozial-weibliche Care-Arbeit und ökologische Produktivität –, sondern nutzen sie rücksichtslos aus. Das wirkt zerstörerisch auf dieses sog. Reproduktive – die Krise wird zur „Krise des „Reproduktiven““. Dieses ökonomische System schafft seinen „Reichtum“ somit durch Zerstörung der Reichtumsgrundlagen. Es ist nicht zukunftsfähig. Zukunftsfähig ist nur eine Ökonomie, die durch ihre eigene Praxis des Produzierens und Konsumierens den langfristigen Erhalt der lebendigen Grundlagen garantiert. Erhalten im Gestalten, um diese neue Rationalität geht es – um Vorsorgendes Wirtschaften eben.“ (Biesecker A. online)
Spricht man von der Wirtschaft wird traditionell nur von der Marktökonomie gesprochen, die soziale Lebenswelt und die Versorgungsökonomie sind ausgeschlossen. Das Konzept des vorsorgenden Wirtschaftens beginnt mit einem Perspektivenwechsel, es werden ausgegrenzte reproduktive Bereiche einbezogen und geschlechtshierarchische und naturfeindliche Konstruktionen kritisiert. (Biesecker A. online)
Vorsorgendes Wirtschaften beinhaltet drei Prinzipien:
Die Neoklassik beruht auf das Menschenbild des Homo oeconomicus. Subjektiver Nutzen und Grenznutzen als Grundlage für Wert, Tauschbeziehungen und das gesamte System. Der homo oeconomicus ist ein Gewinnmaximierer, weibliche Werte wie Führsorge, Nächstenliebe und Rücksichtnahme sind nicht beinhaltet. "Die scheinbare Geschlechtslosigkeit des homo oeconomicus erweist sich nämlich bei näherem Hinsehen als Fiktion. Die ihm zugeschriebenen Eigenschaften wie egoistisch, nutzenmaximierend, rational, autonom und objektiv werden - zumindest im westlichen Sprachgebrauch - landläufig assoziiert als männliche Eigenschaften. Im Gegensatz dazu steht für das `Weibliche´ eher altruistisch, emotional, affirmativ, gebunden an andere, subjektiv." (Maier F. 1993. S. 558) Somit kann man sagen, dass die Frau nicht freie Marktteilnehmerin ist wie der Mann. Sie steht außerhalb des Wirtschaftskreislaufes. Sie muss sich, laut Meyer, den Zugang zum Geldmarkt durch das Erlernen von Männlichkeit schaffen. (Meyer U. 2002. S. 133) Dieses androzentrische Menschenbild bildet den Kern der herrschenden Theorie. (Maier F. 1993. S. 558)
Die feministische Ökonomie ist ein eigenständiges Forschungsfeld, das das Ziel hat, die nachteiligen ökonomischen Rahmenbedingungen für Frauen zu verstehen die Organisiertheit des herrschenden ökonomischen Systems infrage zu stellen und eine andere Wirtschaftswissenschaft und -politik einzufordern.
Die feministische Ökonomie lässt sich in verschiedene Strömungen unterteilen, wobei bei manchen Strömungen die ein oder andere Eigenschaft oder Meinung mehr ausgeprägt ist als bei anderen. Nachfolgend wird zwischen dem Gleichheits- und dem Differenzfeminismus unterschieden. Der Gleichheitsfeminismus verfolgt dabei das Ziel, eine Gleichstellung zwischen Mann und Frau zu erreichen und die typischen Rollenzuteilungen aufzuheben. Hingegen ist der Differenzfeminismus der Ansicht, dass weibliche Eigenschaften nicht beseitigt werden müssen, sondern mehr Anerkennung finden sollten, und eine Gleich- oder Besserstellung zum Mann erreicht werden sollte.
Bei diesem Feminismus spielt vor allem die Chancengleichheit und Gleichberechtigung eine wichtige Rolle. Es wird vor allem die Strukturierung der Gesellschaft aufgrund der dualistischen Vorstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit kritisiert. Die Gleichstellung im rechtlichen Bereich führt noch lange nicht zur Gleichstellung in der Öffentlichkeit und vor allem am Arbeitsmarkt. Gleichheitsfeministen und –innen versuchen, die Trennung zwischen der Männerdominanz am Arbeitsmarkt und der Reproduktionsarbeit der Frauen im Haushalt aufzubrechen und eine Gleichheit herzustellen. (Kerner I. 2007. S. 8)
Zum Gleichheitsfeminismus lassen sich drei Richtungen einteilen:
Auf den sozialistischen oder marxistischen Feminismus wird nachfolgend noch genauer eingegangen.
Sozialistischer oder Marxistischer Feminismus
Dieser Feminismus geht davon aus, dass die Geschlechter grundlegend gleich sind aber eine Geschlechterdifferenz besteht. Diese Differenz lässt sich auf die Frauenunterdrückung im Kapitalismus zurückführen. Es muss eine Veränderungsforschung angestrebt werden, welche die strukturelle Verbindung zwischen Patriarchat und Kapitalismus auflöst. Dabei geht es nach Frigga Haug um eine „Kritik der Produktionsweise des Kapitalismus, die auf Frauenunterdrückung in Form der Aneignung unentlohnter Arbeit basiert und des Fraueneinsatzes in geschlechtstypischer Arbeitsteilung bedarf; dies um eine Gesellschaft zu reproduzieren, die sich einer Produktionsweise nach Profitlogik verschrieben hat, in der praktisch die Wiederherstellung der Gattung ebenso wenig vorgesehen ist wie diejenige der sonstigen Naturressourcen.“ (Haug F. 2004. S. 49)
Das Grundprinzip kapitalistischer Gesellschaften folgt einer geschlechtshierarchischen Logik, diese Geschlechtshierarchie entstand aus der Biologie aus der Bestimmung und aus dem Wesen und wurde durch die Bildung zum vervollkommnenden Gattungsmerkmal. Demnach sind Frauen für das Reproduktive, also für das gebärende, versorgende, sorgende und emotionale Arbeiten zuständig und Männer für das Produktive. Der Mann ist aktiv und rational, die Frau hingegen passiv und emotional. (Hausen K. 2007. S. 177) Diese Eigenschaften spiegeln sich nicht nur in der Zuständigkeit der Frauen für Haus- und Sorgearbeit und der Männer für bezahlte Arbeit, sondern auch innerhalb der Lohnarbeit: So sind für erwerbstätige Frauen diejenigen Tätigkeiten vorgesehen, die reproduktiv sind: Krankenschwester, Lehrerin, Kindergärtnerin etc. (Carstensen T./Groß M. 2006. S. 4)
Marx und Engels haben in ihrer Theorie die Frau als unterdrücktes Wesen gesehen, und doch die Reproduktionsarbeit der Frau als gesellschaftlich notwendige Praxis kaum berücksichtigt. Daher war es die Aufgabe der Frauen- und Geschlechterforschung, diese Theorietradition auf eine feministische Perspektive zu transformieren. Der Arbeitsbegriff musste erweitert werden, sodass alle Formen von Praxis, auch die der Frau, inkludiert sind. Es sollten die gesellschaftlichen Reproduktionsprozesse auch Teil der Analyse sein. (Becker-Schmidt R. 2003. S. 12)
Aus dieser feministischen Strömung entstand die Hausarbeitsdebatte, welche eine große Diskussion auslöste. Es wurde die politische Forderung nach Lohn für Hausarbeit gestellt sowie das theoretische Postulat, dass Nicht-Lohnarbeit als produktive Arbeit angesehen werden sollte, diskutiert. (Haug F. 2004. S. 54) Im weiteren spielte die doppelte Vergesellschaftung der Frau eine Rolle. Weil Frauen zum einen auf Grund ihrer Klassen- und Geschlechtszugehörigkeit vergesellschaftet werden, und zum anderen wird auf ihr Arbeitsvermögen sowohl in der Organisation des Privatlebens als auch in der Strukturierung des Beschäftigungssystems zugegriffen. (Becker-Schmidt R. 2003. S. 12)
Bei Differenztheoretikern und Differenztheoretikerinnen werden weibliche Eigenschaften den männlichen gleichgestellt oder aber als überlegen betrachtet. Das Weibliche wird als Bereicherung betrachtet und eine strikte Quotierung legislativer Ämter wird befürwortet. Es wird eine Geschlechterdifferenz akzeptiert, aber die Benachteiligung des weiblichen Geschlechts kritisiert. Es ist daher eine „Gleichheit in der Differenz“. Differenzfeministinnen und -feministen geht es also weniger darum, gesellschaftlich wirksame Weiblichkeitsbestimmungen abzuschütteln, als darum, Weiblichkeit autonom zu reformulieren und diesem neuen Konzept zu gesellschaftlicher Relevanz zu verhelfen. Im Gegensatz zu Gleichheitsfeministen und-innen werden weibliche Eigenschaften akzeptiert und nicht bewusst abgelehnt. Den Frauen wird zum Beispiel die Affinität zur Natur angerechnet. Differenztheoretiker und -innen kritisieren den Gleichheitsfeminismus dafür, dass diese dem männlichen Modell nacheifern wollen. (Kerner I. 2007. S. 8f)
Nachfolgend wird auf verschiedenste Themen der feministischen Ökonomie eingegangen, welche aus eigenem Interesse gewählt wurden und nicht alle Bereiche/Themen der Ökonomie umfassen.
Der Begriff der „doppelte Vergesellschaftung“ bedeutet, dass man doppelt in die gesamtgesellschaftlichen Lebens- und Produktionsbedingungen eingefügt ist. Becker-Schmidt versteht darunter, „dass Frauen über zwei unterschiedlich und in sich widersprüchlich strukturierte Praxisbereiche in soziale Zusammenhänge eingebunden sind.“ (Becker-Schmidt R. 2003. S. 15)
Wenn man von Arbeit spricht, so wird darunter männlich konnotierte und vorrangig marktvermittelte Tätigkeit verstanden. Hausarbeit und damit verbunden die Kompetenzen der Frau werden dabei nicht berücksichtigt. Und erst seit kurzem wird in der sozialpolitischen Diskussion auf den Konflikt hingewiesen, dass die Vereinbarkeit der beiden Arbeitsformen, Haus- und Erwerbsarbeit, kein Frauenproblem ist, sondern ein Gesellschaftliches. (Becker-Schmidt R. 2003. S. 13)
Durch ein Projekt des Psychologischen Institutes der Universität Hannover kam es zu dem Konzept der doppelten Vergesellschaftung von Frauen. Es wurden Fabrikarbeiterinnen im Wechsel von Akkordarbeit und Hausarbeit begleitet und es stellte sich heraus, dass Frauen aus modern westlichen Gesellschaften beides wollen – Familie und Beruf. Dazu treibt sie nicht nur die Notwendigkeit, Geld zu verdienen, sondern auch der Kontakt zu Mitarbeitern, soziale Anerkennung im Wettbewerb, Nachbarschaftspflege, kooperative Zusammenhänge erkennen, etc. Doch gibt es nicht nur positive Merkmale von der doppelten Vergesellschaftung. Der Druck im Arbeitsleben, schnell zu arbeiten und trotzdem auf die Qualität zu achten, oder dem Konkurrenzdruck der entsteht entgegen zu halten, etc. dies sind Punkte, bei denen die Frauen auf die Probe gestellt werden. Und dazu kommt die Hausarbeit, welche im Alleingang erledigt werden muss und keine Anerkennung oder finanzielle Honorierung findet. Eine weitere Schwierigkeit ist, zwischen dem Arbeits- und Privatleben umzuschalten, denn beide Bereiche folgen unterschiedlicher Logik. (Becker-Schmidt R. 2003. S. 14f) Aufgrund dessen, dass immer mehr Frauen in das Erwerbsleben eintraten und die Geburtenrate zurück ging, begannen die New Home Economics sich mit der Familie und dem Haushalt als relevante ökonomische Einheit zu befassen.
Gary S. Becker war der erste, der versuchte, die Logik der Neoklassik auf alle Gesellschaftsbereiche auszuweiten, und dabei auch unter anderem den Haushalt als relevante ökonomische Einheit zu sehen.
Die New Home Economics gehen davon aus, dass die Individuen in Bezug auf das Verhalten im Haushalt egoistisch und autonom sind, und das Verhalten des Familienoberhauptes ist rational altruistisch. Becker behauptet: „that production goes on in the household and that therefore the household should be seen as spart of "the economy"“. (England P. 2003. S. 43) Somit ist das gemeinsame Familienwohl abhängig von den Vorstellungen des altruistischen Haushaltsvorstandes. Dieses Ergebnis ist für Feministen und Feministinnen erschreckend, da die Entscheidungsgewalt meist denen obliegt, die das Haushaltsbudget durch Erwerbsarbeit zur Verfügung stellen. Dies sind meist die besser verdienenden Männer, und die unbezahlte Arbeit der Frau wird nicht beachtet. Man kann also sagen, dass die New Home Economics den Haushalt als Gegenstand ökonomischer Fragestellung machten, und sogar die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung thematisierten, jedoch letzten Endes wurde es legitimiert. (England P. 2003. S. 43f)
Pflegearbeit ist eine Arbeit, die hauptsächlich von Frauen verrichtet wird und die laut der neoklassischen Ökonomie, nicht in die Betrachtung des wirtschaftlichen Lebens passt. Julie Nelson schreibt als Begründung, dass dabei keine Ware gegen Geld getauscht wird (Nelson J. 2013. S. 62). Sie kritisiert diese neoklassische Sichtweise und weist auf den Geschlechterunterschied zwischen Pflegearbeit und Erwerbsarbeit hin. Bereits 1970 setzten sich einige Feministen und Feministinnen dafür ein, dass Pflege- und Hausarbeit in das ökonomische System aufgenommen werden sollte. Es begann die „wages for housework“ Diskussion. Dabei wurde gefordert, dass die verrichtete Pflegearbeit so bezahlt wird, als würde es ein Pfleger oder eine Pflegerin ausführen. Oder die pflegende Person jenen Gehalt erhält, auf welchen sie durch die Pflege einer Person verzichtet. Kritisiert wurde, dass auch Pflege verrichtet wird, wo es nicht notwendig wäre. Zum Beispiel beim Waschen von Kleidern der Teenager oder Ehemänner. Diese Arbeit kann an Personen, die man dafür bezahlt, abgegeben werden (Nelson J. 2013. S. 63f). Mittlerweile hat sich eine „global care chain“ entwickelt. Dabei bezahlen Frauen aus reicheren Ländern jenen Frauen aus ärmeren Ländern einen Lohn für das verrichten der Pflegearbeit. Dieses System hat zwei Seiten, zum einen ist es für die armen Frauen eine Möglichkeit besser zu verdienen, zum anderen müssen sie ihre Familie zurück lassen und teilweise selber jemanden finden, der die Pflege ihrer Familie übernimmt (Nelson J. 2013. S. 67f).
Um eine Entschärfung der Situation herbeizuführen, kann man die Problematik auf drei Dimensionen (Infrastruktur, der Begriff der Arbeit, Zeitpolitik) beschränken, auf diesen Ebenen sollten gezielt Lösungen eingearbeitet und umgesetzt werden.
Soziale Infrastruktur
Es muss sich eine neue „soziale Infrastruktur“ etablieren, auch im Rahmen einer zeitgemäßen feministischen Politik, die ein vernünftiges gesellschaftliches Leben für alle Betroffenen möglich macht. Hier ist ein ganz zentraler Aspekt, der Ausbau von öffentlichen Gütern und Dienstleistungen, die allen Menschen unentgeltlich zu Verfügung stehen müssen („service public“). Diese Leistungen müssen sich in Umfang und Nutzen der alltäglichen Lebensführung der Menschen anpassen, fernab von Markt- und Profitlogik, in Form einer demokratischen, dezentralen Selbstorganisation - eine Form von gesellschaftlicher Arbeit, die bedarfsnah und von allen mitgestaltbar und beeinflussbar ist. Um die privatisierte Care-Arbeit neu zu strukturieren und umzuverteilen, ist ein Ausbau von familienexternen Betreuungsangeboten, eine flächendeckende Bereitstellung von Krippen, Ganztagesschulen und gemeinschaftlich organisierten Einrichtungen zur Unterstützung pflegebedürftiger Menschen, ganz entscheidend. Zwangsläufig damit verbunden und notwendig ist eine Verbesserung der Entlohnungsstrukturen und die Entprekarisierung dieser Dienstleistungen in der Care-Ökonomie. (vgl. Schilliger, 2009: 102)
Der Begriff der Arbeit
Der Begriff der Arbeit sollte darüber hinaus neu ausgehandelt werden. Hier muss sich das Bewusstsein dahingehend verändern, dass jede gesellschaftlich nützliche Arbeit auch Arbeit ist, nicht nur die entlohnte Arbeit. Im Bereich der aktuell bezahlt geleisteten Arbeit als auch im Bereich der aktuell unbezahlt geleisteten Arbeit werden gesellschaftlich notwendige und nützliche Tätigkeiten verrichtet. Nur so können Care-Tätigkeiten aus dem privaten familialen Bereich herausgelöst und ihre gesamtgesellschaftliche Bedeutung in einem größeren Zusammenhang deutlich gemacht werden. (vgl. Schilliger, 2009: 103) Eine Studie (in der Schweiz durchgeführt) aus dem Jahr 2004 unterstreicht den enormen Arbeitsaufwand der unbezahlten Care-Arbeit. Die Studie beziffert das gesamte Arbeitsvolumen der unbezahlten Arbeit (Hausarbeit, Kinderbetreuung, Betreuung und Pflege von Erwachsenen) für das Jahr 2004 auf 8.444 Millionen Stunden, dem steht ein Gesamtvolumen der bezahlten Arbeit von 6.974 Millionen Stunden gegenüber. Den größten Posten bei der unbezahlten Arbeit nimmt hierbei die (alltägliche) Hausarbeit ein, mit 6.394 Millionen Stunden. Prozentual entfallen auf die gesamte unbezahlte Arbeit 62,2 % auf die Frauen, im Gegensatz zur gesamten bezahlten Arbeit der Frauen, die nur 36,1 % beträgt, anders ausgedrückt, wird von den Frauen 1,7-mal so viel unbezahlte Arbeit wie bezahlte Arbeit verrichtet. (vgl. Madörin, 2010: 92ff)
Gender-Wage-Gap bezeichnet den geschlechtsspezifischen Einkommensunterschied und zählt zu den Kernthemen der feministischen Ökonomie. Man muss bei der Betrachtung des Gender-Wage-Gap beachten, dass man von verschiedenen Aspekten der Ungleichheit ausgehen kann. So ist es zum Beispiel der Fall, dass, wenn man den gesamten Einkommensunterschied betrachtet, sich mehr Frauen als Männer in Teilzeitbeschäftigung befinden, und daher ein größerer Gehaltsunterschied ist. Im Jahr 2018 verdienten Frauen zum Beispiel in Österreich 20,4 % weniger als Männer. Hingegen die Zahl der „reinen“ Diskriminierung viel geringer ist, da hier der Gehaltsunterschied aufgrund des Geschlechtes bestimmt wird und nicht in Abhängigkeit des Beschäftigungsverhältnisses steht. Bei dieser Berechnung lag der Einkommensunterschied zwischen Frauen und Männern bei 14%. Im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedsstaaten zählt Österreich zu jenen mit den größten geschlechtsspezifischen Lohn- und Gehaltsunterschieden. (Geisberger T. / Glaser T 2021)
Ein Grund für die schlechtere Bezahlung könnte sein, dass Frauen vor allem in Berufen tätig sind, welche von vornherein schlechter bezahlt werden. So zum Beispiel die Dienstleistungsberufe im Gegensatz zum herstellenden Gewerbe. Weiters sind Frauen in Führungspositionen weniger stark vertreten als Männer. Nur 2,9% der Frauen erreichen 2019 eine Führungsposition im Vergleich zu den Männern mit 6,2 %. (Geisberger T. / Glaser T 2021)
Alle Zahlen, die den Gender-Wage-Gap versuchen zu erklären, sollten selbst schärfster Kritik unterzogen werden, und man sollte äußerste Vorsicht bei der Interpretation dieser Zahlen walten lassen. Die berechneten Zahlen können nämlich sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem welche Datenquelle verwendet wird und welche Definition dem Untersuchungsgegenstand zugrunde liegt. (vgl. Haidinger/Knittler, 2016: 100) Dieses Phänomen ist gerade beim Gender-Wage-Gap, als eine der Schlüsselindikatoren, auf den gerne Bezug genommen wird, um Ungerechtigkeit aufzudecken und zu erklären, sehr ausgeprägt. Es existieren beim Gender-Wage-Gap grundsätzlich zwei verschiedene Berechnungsmethoden: der „unbereinigte“ und der „bereinigte“ Gender-Wage-Gap. Der unbereinigte Gender-Wage-Gap vergleicht die Einkommen der Frauen in Vollzeitbeschäftigung mit denen der Männer in Vollzeitbeschäftigung. Frauen sind häufiger in schlecht bezahlten Branchen und Berufen tätig (horizontale Arbeitsmarktsegregation), weniger oft in Führungspositionen vertreten und zudem häufiger im Niedriglohnsektor beschäftigt (vertikale Arbeitsmarktsegregation). Auf diese Weise können gut zwei Drittel der Lohnunterschiede erklärt werden, es verbleibt jedoch ein nicht zu erklärender Rest. (vgl. Trenkmann, 2017: 6) Um diesen Rest bzw. Unterschied, der verbleibt, wenn Männer und Frauen sich durch kein einziges Merkmal außer dem Geschlecht unterscheiden, zu erklären, wird der bereinigte Gender-Wage-Gap herangezogen, auch als die „reine Diskriminierung“ bezeichnet. Mit Hilfe von Regeressionsanalysen soll die reine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts errechnet werden mit dem Ziel Unterschiede der Frauen im Vergleich zu den Männern am Arbeitsmarkt herauszurechnen. Zur Berechnung der um die personenbezogenen Unterschiede (auch Ausstattungseffekte genannt) bereinigten Diskriminierung, werden sogenannte „Zwillinge“ von Männern und Frauen gebildet, die sich somit in keinem Merkmal unterscheiden (z. B. selbe Branche, selbe Hierarchie). Der verbleibende, aus der Differenz der beiden Einkommen resultierende Einkommensunterschied, gibt so die reine Diskriminierung wider. Die anfangs vorgenommene Bildung der Zwillinge zeigt den Einkommensunterschied auf, der auf unterschiedliche Ausstattungseffekte zurückgeführt werden kann. Die reine Diskriminierung stellt den Einkommensunterschied dar, der auf keinen dieser Aspekte zurückgeführt werden kann und somit „unerklärlich“ bleibt. (vgl. Haidinger/Knittler, 2016: 119)
Die Berücksichtigung von personenbezogenen Merkmalen ist in dieser Hinsicht als problematisch anzusehen und kann zu Verzerrungen führen, vielmehr sollten tätigkeitsbezogene Merkmale Berücksichtigung finden. Schon der Grundsatz „Gleiches Entgelt für gleiche und gleichwerte Tätigkeit“ trägt ja schon den Begriff der „Tätigkeit“ in sich, die es ohne Diskriminierung zu entlohnen gilt. Die eigentliche Tätigkeit als Verrichtung der Arbeit wird so aber nicht miteinbezogen, sondern vielmehr die Eigenschaften, die Frauen und Männer in den Arbeitsmarkt miteinbringen, berücksichtigt. Es wird davon ausgegangen, dass Frauen und Männer je nach Qualifikation, Leistungsgruppe oder Beruf auch tatsächlich unterschiedlich anspruchsvolle Tätigkeiten leisten, was sich so aber nicht pauschalisieren lässt. (vgl. Klenner, 2016: 7)
Die Erklärungsfaktoren können auch nicht jede Form von Entgeltdiskriminierung entlarven. Vor allem macht es eine Aufdeckung solcher Faktoren erst recht unmöglich, wenn frauendominierte Tätigkeiten auf Grund von Geschlechterstereotypen geringer als männerdominierte Tätigkeiten bewertet werden. Studien belegen, dass Anforderungen, Belastungen und Verantwortung bei weiblich dominierter Arbeit mitunter unterbewertet werden. Die Berechnungsmethode bzw. die Faktorenzerlegung kann diesen Umstand nicht erfassen und somit nicht einbeziehen, was ebenfalls zu verzerrten Ergebnissen führen kann. (vgl. Klenner, 2016: 8)
Dem Gender-Wage-Gap liegt meist ein neoklassischer Ansatz zu Grunde, der für beide Berechnungsmethoden gerne herangezogen wird. Dieser Ansatz preist die Existenz von perfekt funktionierenden Märkten an, und die Fähigkeit der Märkte geschlechtsneutrale und diskriminierungsfreie Verdienste für die einzelnen Berufe zu produzieren, die ihrer jeweiligen Produktivität angemessen sind. Diese erwünschten perfekten Märkte geben jedoch in keiner Weise ein realitätsgetreues Bild ab und führen so zu einer verzerrten Ergebnisinterpretation. (vgl. Lillemeier, 2016: 23) Die erklärenden Faktoren, wie die ungleiche Verteilung von Männern und Frauen auf Berufe, Branchen und berufliche Positionen sowie andere Einflussfaktoren stehen sinnbildlich für die benachteiligenden Strukturen auf dem Arbeitsmarkt. Berücksichtigt man diesen Umstand nicht, wird das Ausmaß geschlechtsbezogener Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt unterschätzt. Andererseits kann dann nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass der „unerklärte“ Rest der Lohnlücke ausschließlich auf Diskriminierung zurückzuführen ist. Ein Teil dieses Restes kann durch Faktoren bedingt sein, die ungleiche Einkommen rechtfertigen, aber nicht statistisch erfasst werden. (vgl. Klenner, 2016: 7) Die wahrheitsgemäße Interpretation der Resultate als Kommunikationsmittel nach Außen für die breite Öffentlichkeit durch Expert/-innen ist nicht minder wichtig, aber Voraussetzung für eine glaubhafte Verwertung und Interpretation der Ergebnisse. (vgl. Haidinger/Knittler, 2016: 99)
Mit dem „Comparable Worth“-Index (Gleichwertigkeitsindex) wurde erstmals ein Instrument erschaffen, das mit Hilfe statistischer Analysen in der Lage ist, unterschiedliche Berufe geschlechtsneutral hinsichtlich ihrer jeweiligen Arbeitsanforderungen und Belastungen zu vergleichen. Dieser neu entwickelte Maßstab befähigt durch seinen Fokus auf Arbeitsbewertung, gleichwertige Berufe statistisch zu identifizieren, d. h. alle relevanten Anforderungen und Belastungen geschlechtsneutral zu berücksichtigen. In diesem Punkt kann sich der Gleichwertigkeitsindex klar vor dem Gender-Wage-Gap positionieren, der die Bedeutung der Arbeitsbewertung vernachlässigt. (vgl. Lillemeier, 2016: 22) Der Gender-Wage-Gap ist nicht in der Lage gesellschaftliche Abwertungen weiblicher dominierter Berufe aufzudecken. (vgl. Lillemeier, 2016: 24) Der Comparable Worth-Index baut auf der „Devaluationshypothese“ auf, diese geht im Kern davon aus, dass „Frauenberufe“ trotz gleichwertiger Arbeitsanforderungen und Belastungen durch institutionalisierte Abwertungen, in der Regel schlechter bewertet und entlohnt werden als gleichwertige „Männerberufe“. Der Comparable Worth -Index unterstreicht diese Annahme empirisch, gerade auch in den „typisch weiblichen“ Care-Berufen kommt es zu Ungleichheiten in den Entlohnungsstrukturen der Frauen. (vgl. Lillemeier, 2016: 23) In Deutschland werden so insgesamt 62,5 % der weiblich dominierten Berufe im Vergleich zu den jeweils gleichwertigen Berufen der Männer unterdurchschnittlich bezahlt. (vgl. Lillemeier, 2016: 21)
Neben der offensichtlichen direkten Diskriminierung in der Höhe der Entlohnung, darf die mittelbare, auf das Entgelt wirkende vielfache Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt nicht vergessen werden. Dazu zählen Diskriminierungen und strukturelle Benachteiligungen beim Zugang zu Arbeitsplätzen und vor allem zu gut bezahlten höheren Positionen, diese sind maßgeblich für einen Teil der Lohnlücke verantwortlich. Dazu kommt die ungleiche Teilung der unbezahlten häuslichen Arbeit zwischen Frauen und Männern, die zu einer ungleichen Verteilung von Teilzeit und Erwerbsunterbrechungen führt. Zudem bestraft der Arbeitsmarkt ein solches Verhalten, was sich zum Beispiel in Einkommenseinbußen, späteren Pensionsansprüchen oder auch in schlechteren Verhandlungspositionen äußert. Wären hier die Erwerbsmuster und -verläufe der Männer ähnlicher, würde sich das auch in einem niedrigeren Gender-Wage-Gap äußern. (vgl. Klenner, 2016: 6)
Hinzu kommt es zu einer teilweisen Ignoranz und Leugnung der Realität von staatlicher Seite, indem Entscheidungen über Karriere und Familie nur auf die private Entscheidungsfreiheit abgetan und dadurch erklärt werden sollen, d. h. alle Faktoren (Branchen- und Berufsstruktur, Teilzeitarbeit und Besetzen von Führungspositionen), die einen Teil der Lohnlücke aufzeigen, werden damit zur Wahlmöglichkeit der Frauen erklärt, die darüber frei entscheiden können. Gerade die Teilzeitarbeit ist hier hervorzuheben, diese darf auf keinen Fall nur auf die individuelle und freie Entscheidung der Frauen abgeschoben werden. Die Teilzeitarbeit steht immer noch für das traditionelle Haushaltsmodell, der Arbeitsteilung zwischen vielen Frauen und Männern. Frauen unterbrechen familienbedingt ihre Erwerbstätigkeit gerade wegen ihrer geringeren Verdienste im Vergleich zum Mann. Gesellschaftlich vorgeprägte und traditionelle Geschlechterrollen verstärken diese Entscheidung, so dass meist die Frau auf familienbedingte Teilzeit wechselt. Die Teilzeitbeschäftigung ist in den letzten Jahren und Jahrzenten kontinuierlich gestiegen, allerdings sehr viel stärker bei den Frauen als bei den Männern. Fast die Hälfte aller berufstätigen Frauen arbeitet heute in Teilzeit, bei den Männern sind es nur elf Prozent. Vier von fünf Teilzeitbeschäftigten in Österreich sind weiblich. Laut neuesten Daten wird sich dieser Trend in den nächsten Jahren noch mehr zuspitzen. (vgl. Ringhofer, 2016: 8)
Die geringe gesellschaftliche Anerkennung und Wertschätzung geht aber gerade mit der relativ niedrigen Bezahlung in frauen-dominierten Branchen einher, d. h. hier ist auch an einer Änderung im Bewusstsein der Gesellschaft zu arbeiten, und diese dürfen nicht einfach als legitime Marktergebnisse hingestellt werden, was viele neoklassisch orientierte Ansätze aber so erklären wollen. (vgl. Klenner, 2016: 8 & Lillemeier, 2016: 4) Gerade der Dienstleistungssektor, der von der Dominanz der Frauen geprägt ist und davon lebt, leidet unter einer mangelnden Finanzierung, was eine Besserung der Entgeltsituation für die Frauen auch nicht in Aussicht stellt. (vgl. Klenner, 2016: 8)
Lohngerechtigkeit kann durch einen Faktor beeinflusst werden, der bis jetzt noch wenig Beachtung findet, der Faktor des Tarifvertrags. Frauen und Männer, die unter einen Tarifvertrag fallen, haben im Durchschnitt 21,3 % höhere Bruttostundenverdienst als ohne, vor allem Frauen können überdurchschnittlich davon profitieren. Bereinigt um Personen- und Betriebsmerkmalen ergibt sich für die Frauen ein Vorteil von 9,2 % im Gegensatz zu Frauen, die an keinen Tarifvertrag gebunden sind. Bei den Männern beträgt der Unterschied hier 6,6 %. Die Lohnlücke zwischen den Geschlechtern kann durch Tarifverträge jedenfalls etwas geschlossen werden. Die geschätzte Differenz der Bruttostundenverdienste von Frauen gegenüber Männern beträgt 9,5 % zugunsten von Frauen, wenn sie unter keinen Tarifvertrag fallen, dieser kann die Differenz auf 5,9 % verringern. (vgl. Klenner, 2016: 9)
Der Gender-Wage-Gap reduzierte sich in Österreich von 25,5 % im Jahr 2006 auf 22,2 % im Jahr 2014. (vgl. Österreichisches Parlament, 2016: 146) Hier fehlt jedoch jegliche Aussage über die herangezogene Berechnungsmethode. Damit liegt der Gender-Wage-Gap deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 16,4 %. Österreich ist neben Estland Schlusslicht im Europavergleich. (vgl. Berger/Danzer/Sorger, 2016: 3)
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„Gender Budgeting“ bezeichnet das ''geschlechterbewusste Haushalten'' als Verfahren bzw. Prozess. Der Begriff „Gender Budget“ umfasst das Ergebnis aus diesem Prozess und beschreibt den ''geschlechterbewussten Haushalt'' als Ganzes. (vgl. Kletzing, 2004: 55) Wie beeinflussen Staatseinnahmen (Steuern, Abgaben) und Staatsausgaben (Transfers, Subventionen) die Verteilung von Arbeit, Zeit und Geld zwischen Frauen und Männern und wem kommt die Verwendung öffentlicher Mittel zugute, sind zwei ganz zentrale Fragen innerhalb des Gender Budgeting. (vgl. Haidinger/Knittler, 2016: 157) Wichtig ist zu verstehen, dass Gender Budgeting schon von einer ungleichen Verteilung zu Lasten der Frauen ausgeht. (vgl. Haidinger/Knittler, 2016: 158)
Gender Budgeting ist ein entscheidendes Handlungsfeld innerhalb der Strategie des „Gender Mainstreaming“. (vgl. Kletzing, 2004: 56) Gender Mainstreaming zielt auf die Gleichstellung von Frauen und Männern ab, und stellt als Forderung an sich selbst, dieses Ziel als Querschnittsaufgabe in alle Politikfelder, Aktivitäten und Maßnahmenbereiche zu berücksichtigen und zu integrieren. Nach der Definition des Europarates von 1988 besteht Gender Mainstreaming „in der (Re-) Organisation, Verbesserung, Entwicklung und Evaluierung politischer Prozesse mit dem Ziel, eine geschlechterbezogene Sichtweise in alle politischen Konzepte auf allen Ebenen und in allen Phasen durch alle an politischen Entscheidungen beteiligten Akteurinnen und Akteure einzubeziehen“. (vgl. Schrattenecker/Bodisch/Greisberger, 2016: 2) Die EU-Politik bildet einen übergeordneten rechtlichen Rahmen. Durch den Amsterdamer Vertrag von 1997 wurde Gender Mainstreaming in das Primärrecht der EU aufgenommen, der Vertrag enthält auch die Verpflichtung zur Umsetzung von Gender Budgeting in der Budgetpolitik als Konkretisierung von Gender Mainstreaming. (vgl. Land Oberösterreich, 2008: 7)
Gender Budgeting greift diese Zielvorgabe auf und versucht bei haushaltspolitischen Entscheidungen und Fragenstellungen maßgeblich darauf Einfluss zu nehmen und Ziele innerhalb des finanzpolitischen bzw. öffentlichen Haushaltsplanes umzusetzen. Darunter sind alle Phasen - Konzeption, Planung, Umsetzung, Kontrolle und Wirkungsanalyse - der haushaltspolitischen Entscheidungsprozesse beinhaltet. In jede einzelne dieser Phase werden die Perspektiven und Chancen der Geschlechterverhältnisse hineingearbeitet und die Auswirkungen der haushaltspolitischen Maßnahmen und Entscheidungen - also aller öffentlichen Einnahmen und Ausgaben - auf die soziale und ökonomische Situation von Frauen und Männern in unterschiedlichen Lebenslagen untersucht. Aufbauend auf diesen Prozess wird eine Bewertung auf Grundlage der Benachteiligung, die mit Geschlechtsmerkmalen einhergeht, durchgeführt. Die Idee von Gender Budgeting ist, die Auswirkungen von Haushaltspolitik auf die Geschlechterverhältnisse und die Gleichstellung von Frauen und von Männern in unterschiedlichen Lebenslagen in Betracht zu ziehen. (vgl. Kletzing, 2004: 56f)
Der erste Anstoß bzw. die erste Initiative für das Gender Budgeting geht auf die australische Ökonomie-Professorin Rhonda Sharp zurück. Sharp leitete Mitte der 1980er Jahre in Australien eine 5-Jahres-Agenda für Frauen in die Wege, die darauf abzielte, eine gerechtere Verteilung der staatlichen Mittel auf Frauen und Männer herzustellen. Die theoretische Grundlage für diese ersten Anstrengungen bildete die feministische Wirtschaftstheorie, die scharfe Kritik an der Nichtberücksichtigung der unbezahlten Reproduktionsarbeit (unbezahlte häusliche Arbeit) von Frauen in den herkömmlichen makroökonomischen Theorien, äußert. Neben Australien nahm das Gender Budgeting zunächst vor allem in der Entwicklungshilfepolitik eine wichtige Rolle ein. Bei Vergabe der Mittel sollte der Zweck und der gezielte Einsatz der Mittel berücksichtigt werden, und, ob diese unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer hat. (vgl. Beuter, 2003: 14)
Eine andere Entwicklung, die sich vor allem in der südlichen Hemisphäre ereignete, verhalf dem Gender Budgeting ebenfalls zu seinem Aufkommen. Die Schuldenkrise der Entwicklungsländer gab den internationalen Finanzinstitutionen die machtpolitische Möglichkeit Umschuldungsprogramme aufzuerlegen. Durch einschneidende Maßnahmen und haushaltspolitische Auflagen, wie Verringerung des Haushaltsdefizites, Privatisierung, Deregulierung, Abwertung der nationalen Währung und Liberalisierung des Außenhandels, resultierte eine extreme Verarmung ganzer Bevölkerungsschichten. Neben der Verarmung wurde aber auch die Erhöhung der Arbeitsbelastung für Frauen festgestellt. Auch hier äußerte sich ein Lautwerden von Kritik an der Missachtung der Geschlechterverhältnisse auf makroökonomischer Ebene durch die etablierten Finanzinstitutionen, vor allem von Seiten feministischer Wirtschaftswissenschaftlerinnen. Sie konnten einen „male bias“ in den dominierenden Wirtschaftsmodellen nachweisen und entwickelten erstmals realitätsnahe Ansätze, die ein wahres Bild der sozialen Wirklichkeiten und Geschlechtsstrukturen bzw. -ungleichheiten sowie der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilungen, abgaben. Hier zeigte sich, dass eine für den Staat erfolgreiche Verringerung des Haushaltsdefizites unter anderem zu einer (Re)Privatisierung von Reproduktionsarbeiten führt, d. h. Sparen in öffentlich finanzierten Bereichen kommt einer Umlage von gesellschaftlich notwendigen Aufgaben und Tätigkeiten vom öffentlichen Sektor auf die Privathaushalte bzw. in den Bereich der „Care-Ökonomie“ gleich. Der gesamte Bereich der Care-Ökonomie, also der unbezahlten Pflege- und Versorgungsarbeit, wird vor allem von Frauen getragen. Die Umschichtung der Arbeit durch „Sozialabbau“ führt dazu, dass Arbeitszeit im Care-Bereich als Art frei verfügbares und endloses Gut „missbraucht“ wird. Es geht aber nicht nur um Sparmaßnahmen, sondern vielmehr um die geschlechtergerechte Politikgestaltung im Haushaltsbereich als Ganzes. „Eine Politik, die den Status quo nicht verändert, stabilisiert somit bestehende Geschlechterordnungen und trägt ergo eher zur Aufrechterhaltung bestehender ungleicher Strukturen bei.“ (vgl. Frey, 2003: 88)
Diese Kritik wurde weiter verschärft, gerade in Bezug auf die staatlichen Haushaltspläne, die nur den äußeren Schein wahren, sich auch geschlechtsneutral zu verhalten; tatsächlich aber ist die Geschlechterverteilung der öffentlichen Ausgaben von deutlichen Unterschieden geprägt. Diese ungleiche Verteilung in den öffentlichen Ausgaben, kann auf unterschiedliche Annahmen über die Arbeits- und Aufgabenverteilung von Frauen und Männern zurückgeführt werden; das Gender Budgeting hat sich zum Ziel gesetzt, diese Unterschiede in der Verteilung transparent zu machen. (vgl. Beuter, 2003: 14)
Aus diesen bestehenden Ungleichheiten ergibt sich zwangsläufig die Notwendigkeit, den „Malestream“ der Ökonomie zu enttarnen und diese „unsichtbaren“ Effekte von Haushaltspolitik aufzudecken. (vgl. Frey, 2003: 89) Ein erstes Instrument zielt auf die ''genderbewusste Bewertung politischer Strategien'' ab. Hier bezieht sich alles auf die Auswirkungen von Politikstrategien und die ihnen entsprechenden Ressourcenumverteilung auf die Geschlechterungleichheiten. Dabei werden ganze Politikprogramme und Entscheidungen auf ihre Auswirkungen auf die Geschlechterverteilung hin analysiert. Die ''geschlechtsdisaggregierte Nutzenanalyse'' als zweites Instrument zielt auf die Beteiligung ihrer Bürger/-innen ab. Hier wird der Frage nachgegangen, welche Bevölkerungsgruppen von staatlichen Ausgaben bzw. Einsparungen in welcher Weise einen Nutzen bzw. auch keinen Nutzen ziehen? Ein weiteres Instrument stellt die ''geschlechtsdisaggregierte Analyse öffentlicher Ausgaben'' oder auch Nutzungsanalyse dar. Hierbei wird festgestellt, welche Bevölkerungsgruppe (Frauen - Männern, Mädchen - Jungen) konkret von öffentlichen Ausgaben profitiert. Dieses Instrument kann als das Kernelement des Gender Budgetings angesehen werden, die Durchführung dieser Analyse wird mit der Umsetzung der Strategie des Gender Budgeting gleichgesetzt. Für die Analyse müssen Daten über die Nutzung von öffentlichen Geldern bzw. Einrichtungen durch Haushalte und Individuen sowie der Mittelverteilung nach Geschlecht bereitstehen. Für die Garantie einer zuverlässigen und glaubhaften Analyse müssen neben den natürlichen Personen, vor allem auch juristische Personen miteinbezogen werden, andernfalls kommt es zu Verzerrungen („social bias“). Die weiteren Instrumente beziehen sich auf die Einnahmenseite. Hier ist ein Instrument die ''geschlechtsdisaggregierte Anaylse des Steueraufkommens''. Dabei wird gefragt, wer (Frauen oder Männer) direkte und indirekte Steuern an den Staat abführt. Vorreiter auf dem Fokus dieser Analyse war Österreich. Ein weiteres Instrument auf der Einnahmenseite ist die ''nach Geschlecht aufgeschlüsselte Analyse des Einflusses des öffentlichen Haushaltes auf Zeitnutzung'' (Zeitbudget-Studien). Hier wird angenommen, dass eine Wechselwirkung zwischen der Gestaltung öffentlicher Haushalte und der Zeitnutzung in Privathaushalten besteht. Es kann so durch Berechnungen festgestellt werden, bis zu welchem Ausmaß sich öffentliche Haushalte auf unbezahlte Arbeit stützen und so errechnet werden, wie viel zusätzliche Arbeit auf die Privathaushalte und damit vor allem auf Frauen zukommt, wenn Kürzungen im Bereich der Pflege oder Kinderbetreuung vorgenommen werden; somit kann der volkswirtschaftliche Wert unbezahlter Arbeit offengelegt werden. Der ''geschlechtsbewusste Ansatz einer mittelfristigen Finanzplanung'' als nächstes Instrument ist eher ein Planungs- und Steuerungs- als ein Analyseinstrument. Die ökonomischen Modelle werden um die Kategorie des Geschlechts ergänzt, so dass die zukünftige Haushaltsplanung geschlechterbewusst gestaltet werden kann. Auch soll die unbezahlte Arbeit in den Berechnungen Berücksichtigung finden. Die ''geschlechtsbewusste Haushaltserklärung'' als Planungs- und Steuerungsinstrument bildet das letzte Instrument. Es basiert auf der Informationsgewinnung der anderen Instrumente. Eine Regierung legt auf Basis dieser Informationen eine entsprechende Erklärung ab, wie diese zukünftige Programme und Entscheidungen gestalten will, um geschlechtsspezifische Disparitäten zu verringern bzw. nicht weiter zu vergrößern. (vgl. Frey, 2010: 40ff)
Die Umsetzung eines Gleichstellungsziels bzw. einer Budgetingmaßnahme lässt sich in vier Schritte zusammenfassen (1. Schritt: Analyse, 2. Schritt: Ziele, 3. Schritt: Umsetzung, 4. Schritt: Evaluierung). Im ersten Schritt werden mit Hilfe eines oder mehrerer Instrumente auf Grundlage der verfügbaren Daten, geschlechtsspezifische Ungleichheiten aufgezeigt und daraus weiterführende Fragestellungen formuliert. Daraufhin werden im zweiten Schritt möglichst konkrete und überprüfbare Gleichstellungsziele festgelegt, Indikatoren entwickelt sowie entsprechende Strategien, Maßnahmen, Programme bzw. Projekte geplant, die im dritten Schritt dann umgesetzt und durchgeführt werden. Im letzten Schritt werden die Ergebnisse und Fortschritte der gesetzten Gleichstellungsziele kritisch auf ihre Wirkung und Funktionsweise hin beleuchtet und dokumentiert. Es erfolgt dabei eine Überprüfung des Grades der Zielerreichung anhand der vorab festgelegten Indikatoren. Da es sich um einen dynamischen und kontinuierlichen Veränderungsprozess handelt, wird nach dem Evaluierungsprozess wieder mit Schritt 1 begonnen; mit einer neuen Bestimmung und Zielsetzung des weiteren Handlungsbedarfs. (vgl. Fischer & Gatterbauer, 2010: 13ff)
Im Bezirk Meidling (Wien) wurde Anfang 2005 Gender Budgeting einem Pilotprojekt unterzogen, folgender Link (https://www.staedtebund.gv.at/fileadmin/USERDATA/themenfelder/finanzen/Wien%20GB.pdf) zeigt den gesamten Analyse-Prozess von Anfang bis Ende bzw. die Umsetzung von Gender Budgeting recht gut und anschaulich.
In Österreich hat Gender Budgeting Verfassungsrang erreicht. Seit dem 1. Jänner 2009 ist Gender Budgeting in der Bundesverfassung verankert: Artikel 13 (3) B-VG besagt, „dass Bund, Länder und Gemeinden bei der Haushaltsführung die tatsächliche Gleichstellung von Frauen und Männern anzustreben“ haben. (vgl. Mader, 2010: 44) Österreich wurde damit das erste Land, in dem Gender Budgeting in die Verfassung aufgenommen wurde und für alle öffentlichen Verwaltungen rechtsverbindlich gemacht wurde. (vgl. Klatzer/Schratzenstaller/Buchinger/Schaffer, 2010: 48) Das Gender-Budgeting stellt somit das finanzpolitische Instrument für die Umsetzung der österreichischen Gender Mainstreaming-Strategie auf Bundesebene dar. (vgl. Quinn, 2016: 11) Darüber hinaus wird das Gender Budgeting seit 2013 durch eine neue Reform unterstützt, die sogenannte wirkungsorientierte Folgenabschätzung (Artikel 51 Abs. 8 B-VG). (vgl. Quinn, 2016: 12) Die Wirkungsorientierung soll als Bindeglied zwischen Budget und Gleichstellung fungieren (vgl. Österreichisches Parlament, 2016: 145) Artikel 51 Abs. 8 B-VG besagt: "Bei der Haushaltsführung des Bundes sind die Grundsätze der Wirkungsorientierung insbesondere auch unter Berücksichtigung des Ziels der tatsächlichen Gleichstellung von Frauen und Männern, der Transparenz, der Effizienz und der möglichst getreuen Darstellung der finanziellen Lage des Bundes zu beachten." Die Gleichstellung der Geschlechter, die bereits Teil des ordnungspolitischen Rahmens war, wurde dadurch neu formuliert, um sicherzustellen, dass die "effektive" (oder de-facto) Gleichstellung von Männern und Frauen bewertet wird. Dieser Regulierungsprozess gilt für alle neuen Gesetze, Verordnungen, Richtlinien sowie große Regierungsprojekte. Von besonderer Bedeutung für die Gleichstellung der Geschlechter ist die Einschätzung der Auswirkungen auf die Teilhabe am Arbeitsmarkt für Frauen und Männer sowie die Auswirkungen auf das Einkommen. (vgl. Quinn, 2016: 12) Das Haushaltsrecht fordert jedes Bundesministerium und die Obersten Organe auf, Gleichstellungsziele in allen gesellschaftlichen Handlungs- und Wirkungsfeldern zu erarbeiten bzw. Analyse-Prozesse durchzuführen (siehe „Der Analyse-Prozess“). Die Gleichstellungsziele und -maßnahmen sind zugleich Orientierungshilfe und Kommunikationsmittel für Nationalrat und die Öffentlichkeit, welche Schwerpunkte das jeweilige Bundesministerium im nächsten Finanzjahr verfolgen wird. (vgl. Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, 2016: 1ff) Um der rechtlichen Situation weiter gerecht zu werden und diese einzuhalten, sind Berichte auf allen Steuerungsebenen (Gesamthaushalt, Untergliederung, Globalbudget und Detailbudget) anzufertigen, die das Gleichstellungsziel berücksichtigen müssen. Zu den Budgetunterlagen gehören insbesondere: Strategiebericht, Bundesvoranschlag je Untergliederung, Bundesvoranschlag je Globalbudget und Teilhefte zum Bundesvoranschlag. (vgl. Fischer & Gatterbauer, 2010: 17ff)
Diese Merkmale machen die österreichische Gender Budgeting-Initiative zu einer der institutionell robustesten in ganz Europa und stellen eine gute Legislativgrundlage für eine Verfeinerung ihrer Methoden dar, um im Einklang mit sozioökonomischen Prioritäten stärkere Gleichstellungsergebnisse erreichen zu können. (vgl. Quinn, 2016: 8)
Ein wichtiges Ziel gendersensibler Budgetierung ist es, das Bewusstsein der Geschlechter bei den Politikern und in der öffentlichen Verwaltung zu stärken. Zwar wird schon lange eine öffentliche Debatte über geschlechtsspezifische Diskrepanzen geführt, die vor allem von zivilgesellschaftlichen Akteuren (Sozialpartner, NGOs, etc.) und Forscher/-innen bzw. Expert/-innen vorangetrieben wird, aber oft fehlt der umfassende systematische Zusammenhang mit der Struktur der öffentlichen Haushalte. Ein Ziel des „Gender Impact Assessment-Verfahrens“ (Gleichstellungsprüfung) in der Budgetierung ist es daher, das Interesse der Öffentlichkeit und der Zivilgesellschaft für die enormen potenziellen Auswirkungen der Budgetpolitik auf die Gleichstellung von Männern und Frauen zu stärken. (vgl. Schratzenstaller, 2014: 3)
Der erste Bericht über die Durchführung der „wirkungsorientierten Folgenabschätzungen“ zeigt jedoch, dass 73 % der Folgenabschätzungen „keinen Hinweis auf die Ziele oder Maßnahmen der jeweiligen Ministerien enthalten“, bezüglich Gender Budgeting. Um diesen Missstand zu beheben, muss die Koordination zwischen den einzelnen Ministerien viel stärker ausgebaut und intensiviert werden. Die horizontale Koordination zwischen den Ministerien muss vertieft werden, denn die Gleichstellung der Geschlechter ist ein Querschnittsthema, das von den Entscheidungen und Handlungen jedes einzelnen Ministeriums beeinflusst wird. Es sollten die Entscheidungen und Maßnahmen anderer Ministerien in die eigene Entscheidungsfindung miteinbezogen werden und sogar über alle Ministerien gemeinsam koordiniert werden, so könnten auch Synergieeffekt generiert und ausgenutzt werden. Ebenso muss sich auch die vertikale Koordination verbessern: übergreifende Gleichstellungsziele und Umsetzungspläne sollten viel mehr Grundlage für alle weiteren Entscheidungen der Ministerien sein. (vgl. Schratzenstaller, 2014: 7f) Nicht zuletzt muss ein elementares Ziel der geschlechtsspezifischen Budgetierung darin bestehen, auf bestehende Datenlücken aufmerksam zu machen. Nach einer im Jahr 2010 durchgeführten Befragung in der Bundesverwaltung, ist das Wissen über die Umsetzung von Gender Mainstreaming und die Existenz geschlechtsspezifischer Daten eher begrenzt. (vgl. Schratzenstaller, 2014: 3)
Besonders in einem Land wie Österreich, in dem die Staatsausgaben bereits relativ hoch sind, wird die öffentliche Verwaltung zunehmend unter dem Druck stehen, bestehende Ineffizienzen im öffentlichen Sektor auszugleichen, um dem steigenden Ausgabenbedarf durch langfristige Trends und Herausforderungen robust gegenüberzustehen. Leistungsbudgets unter Einbeziehung der geschlechtsspezifischen Budgetierungen können dazu beitragen, bestehende Ineffizienzen bei der Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen zu ermitteln und sind daher ein wesentlicher Bestandteil einer haushaltspolitischen Politik, die auf eine langfristige finanzpolitische Tragfähigkeit abzielt. (vgl. Schratzenstaller, 2014: 3)
Darüber hinaus existiert ein starker ökonomischer Aspekt für die Gleichstellung der Geschlechter und damit für die geschlechtsspezifische Budgetierung im öffentlichen Sektor. Eine zunehmende Zahl theoretischer und empirischer Literatur unterstreicht die positiven Auswirkungen der Steigerung der Geschlechtergleichstellung, nicht nur auf die Produktivität und Rentabilität der einzelnen Unternehmen, sondern sieht die Vorteile in einem makroökonomischen Zusammenhang, so können sich beispielsweise positive Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung ergeben. (vgl. Schratzenstaller, 2014: 3)
Eine im Jahr 2014 durchgeführte Evaluierung des Haushaltsreformprozesses, auf Basis von Interviews mit Budgetbeamten, berührte kurz die Gender Budgeting-Debatte. Während die Mehrheit der Befragten die Integration der Geschlechtergleichstellung zwar durchaus positiv bewertete, befanden jedoch viele, dass die Beurteilung der Bedeutung dieses Richtwertes (Geschlechtergleichstellung) äußerst fraglich ist. Die Befragten waren der Auffassung, dass es in diesem frühen Stadium des Reformprozesses unrealistisch war, der Gleichstellung der Geschlechter das gleiche Gewicht zu verleihen wie anderen Dimensionen bzw. Richtwerten. Sie glaubten, dass die Gleichstellung der Geschlechter in dieser Hinsicht nämlich nicht gut funktionierte. Die Evaluierung lenkte die Aufmerksamkeit auf die schlecht spezifizierten Geschlechtergleichstellungsziele, die nicht in der Lage waren, die ganze Komplexität des Themas überhaupt zu erfassen. So zeigte die Evaluierung beispielsweise, dass das Ziel, Frauen sollten 50 Prozent aller Zielgruppen ausmachen, ein ganz und gar schlecht konzipiertes Geschlechtergleichstellungsziel ist. Es lässt sich festhalten, dass die Ziele der Geschlechtergleichstellung nicht ausreichend ehrgeizig verfolgt werden und, dass ein Mangel an Daten dazu führt, dass die Ziele der Gleichstellung oftmals überhaupt nicht Gegenstand einer Bewertung sind. (vgl. Quinn, 2016: 13)
Es ist offensichtlich und durch internationale Erfahrung bekräftigt, dass die erfolgreiche Umsetzung der Leistungsbudgetierung nicht nur eine rein technische Frage ist. Es erfordert vielmehr einen kulturellen Wandel, der sich vor allem auf der Ebene der Politiker und Bürokraten vollziehen muss; nur so kann die effektive Umsetzung eines langfristigen und nachhaltigen Projekts auch erfolgreich werden. (vgl. Schratzenstaller, 2014: 6) Es darf nicht nur beim Bekenntnis zum Gender Budgeting bleiben. (vgl. Haidinger/Knittler, 2016: 164) Die aktuellste Budgetanalyse betont die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Koordination von Zielen und Maßnahmen, um die nötigen Voraussetzungen zu schaffen, um Gleichstellung weiter voranzutreiben. (vgl. Österreichisches Parlament, 2016: 146) Auch müssen Daten über das Budget und dessen Verteilung deutlich offener und zugänglicher gestaltet werden, um Budgeting-Analysen überhaupt durchführen zu können. (vgl. Haidinger/Knittler, 2016: 165) In diesen Punkten besteht in Österreich jedoch deutlich Handlungsbedarf. (vgl. Österreichisches Parlament, 2016: 146)
In der feministischen Ökonomie wird vor allem die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern diskutiert und kritisiert. Daher werden vor allem aktuelle politische Themen und ökonomische Modelle am häufigsten in spezialisierten Journalen zu finden sein. So zum Beispiel am feministischen Institut Hamburg das Thema „Männer in der Sozialen Arbeit – Mehr Männer in die Soziale Arbeit?“ gerade aktuell ist. Oder die Frage diskutiert wird, wie lange Genderwissenschaft noch gebraucht wird. Auf ökonomischer Ebene veröffentlichte das Institut im Jahr 2012 einen Artikel zum Thema „Menschenwürde statt Profitmaximierung. Zur sozialen Reproduktion in der Krise und einer Care Revolution als Perspektive“. (Feministisches Institut Hamburg. Online)
Macht als Konzept, theoretisches Konstrukt und Ofenlegung ungleicher Geschlechterverhältnisse, nimmt im feministischen Diskurs eine zentrale Rolle ein, um Diskriminierungen, Rassismus, Sexismus, und Geschlechterungleichheiten zu erklären und aufzulösen. Androzentische Macht und dessen verlängerter Arm der Herrschaft, in dem Frauen dem Mann untergeordnet waren, wurde innerhalb der zweiten Frauenbewegungen vehement in Frage gestellt und kritisiert (vgl. Sauer, 2012: 379f.). ,,Das politische Ziel des Feminismus seit dem 19. Jahrhundert ist die Beseitigung von Unterdrückung, Ausbeutung und Ausgrenzung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts, also ihre Befreiung bzw. Emanzipation aus geschlechtsspezifischen Herrschaftsverhältnissen“ (Sauer, 2012: 379). Da Macht und männliche Dominanz, in der feministischen Thematik, in so gut wie allen Bereichen vorherrschend ist und Einfluss auf Gesellschaft, Gerechtigkeit und damit auch auf Frauen ausübt, war es ein Ziel der zweiten Frauen Bewegung, darauf aufmerksam zu machen, dass neben der individuellen Ebene, staatliche Strukturen und ökonomische Gegebenheiten, Macht und Herrschaft auf Frauen ausüben, sodass das Motto bzw. Leitwort, das private ist politisch, zur Skandalisierung des männlichen Herrschaftsmissbrauchs benutzt wurde, um dem Ziel einer gleicheren und faireren Gesellschaft, die ohne Geschlechterdiskriminierungen auskommt, näher zu kommen. ,,Herrschaft von Männern über Frauen in allen gesellschaftlichen Bereichen gilt der Frauenbewegung als Skandalon und als durch nichts zu rechtfertigen. Diese frauenbewegte Macht- und Herrschaftskritik war stets mit der Vision eines herrschafts- und gewaltfreien Lebens aller Menschen verknüpft.“ (Sauer, 2012: 379). Da es aber äußerst vielschichtige Ausformungen, Begriffsdefinitionen, Vorstellungen von Macht und seiner Natur gibt, ist es nicht verwunderlich, dass es auch im feministischen Diskurs keine einheitliche Definition gibt. Vielmehr dienen altbewährte Konzepte und Ideen von Macht als Ausgangspunkt für feministische Weiterentwicklungen und Vorstellungen über Macht und dessen Implikationen für Frauen und Gesellschaft. Zu den grundlegendsten Definitionen von Macht werden unteranderem Max Weber, Robert Dahl oder Michael Foucault herangezogen (vgl. Allen, 2016: o.S.). Da es aber eine Vielzahl an weiteren, differenzierteren, in die Tiefe gehenden, Definitionen von Macht gibt, spiegeln die folgenden Definitionen einen allgemeinen Grundkonsens über die Natur von Macht wieder. So zeigt zum Beispiel Robert Dahls Definition von Macht, einen grundlegenden Zusammenhang über das Wesen der Macht auf. “A has power over B to the extent that he can get B to do something that B would not otherwise do” (Dahl, 1957: 202f.). Ähnlich wie Dahl ist bei Max Weber, Macht als ein soziales Phänomen zu betrachten, welches in sozialen Beziehungen stattfindet. Für Weber bedeutet Macht „jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht“ (Weber, 1980: 28). ,,Webers Machtbegriff ist also akteurs-und handlungsorientiert. Macht geht von den Handlungen des Subjekts aus, welche mit der Intention erfolgen, andere zu einem bestimmten Verhalten zu bewegen. Entscheidend dabei ist das selbstgesetzte und am eigenen Ziel und Erfolg interessierte Handeln“ (Sirmasac, 2012: 59). Dagegen ist Foucaults Vorstellung von Macht geprägt von einer Allgegenwärtigkeit, die neben repressiven Dimensionen auch produktive erzeugt. Ständig sei man nach Foucaults Machttheorie in Machtstrukturen eingebunden und Macht sei bis in die letzten Kapillaren bzw. in allen sozialen Verhältnissen, so auch in Sexualpraktiken etc., anzufinden (vgl. Knapp 2012: 239-243) ,,Macht wirkt, so Foucault, bis in die Mikrodimension des Körpers hinein, zielt doch modernes Regieren auf die Bevölkerung, auf das Leben. Die Disziplinierung und Normalisierung des – weiblichen und männlichen – Körpers konnten so als Phänomene moderner Macht identifiziert werden. Vergeschlechtlichte Körper galten nun nicht mehr als natürlich und vordiskursiv, sondern als Effekte von Macht“ (Sauer, 2012: 390). Neben diesen und anderen Definitionen von Macht, konstruiert die feministische Theorie, ihre eigenen Machttheorien, die je nach Ausrichtung und Denkschule, die individuelle oder holistische Ebene forcieren. So ist der feministische Diskurs über Macht ein pluralistisches nebeneinander von holistischen und individuellen Machtansätzen, die wiederum von den jeweiligen gegebenen Machtstrukturen beeinflusst werden oder vom Individuum selbst ausgehend geprägt werden (vgl. Allen, 2016: o.S.). Die feministische Machtdebatte in den Anfangsjahren der zweiten Bewegung der Frauenbewegung, war besonders von drei großen Denkschulen geprägt, die sich in ihren jeweiligen Macht Konzepten und Vorstellungen von Macht unterscheiden. Die drei grundlegend wichtigsten Denkschulen und Konzeptualisierungen von Macht, waren die liberal- und gleichheitsfeministische Denkschule, die Macht als eine ungleichverteilte Ressource ansah, die radikal- marxistische Denkschule, wo Macht als ein Herrschafts- und Unterdrückungsinstrument angesehen wird und die differenzfeministische Denkschule, die eine positive Sichtweise von Macht forcieren, die als Empowerment befreiend wirkt und einen Machtgewinn für Frauen darstellen kann (vgl. Allen, 2016: o.S.) Anzumerken ist, dass es noch viele weitere Strömungen in der feministischen Machttheorie gibt, wie zum Beispiel die poststrukturale, die intersektionale, die analytische und die dekonstruktivistische Machtperspektive. (vgl. Allen, 2016: o.S.). Den Beginn macht die liberal feministische Denkschule.
Die theoretischen Vorstellungen und Konzepte von Macht in der liberal- gleichheitsfeministischen Denkschule sind geprägt von der Gleichheitsidee der Aufklärung und den Ideen des Liberalismus. In Anlehnung an Immanuel Kant, sich aus der selbst verschuldeten Unmündigkeit zu befreien und mithilfe der Forderungen des Liberalismus nach Gleichheit, Menschenrechten und Freiheit, selbstbestimmt leben zu können, ergibt sich die liberal feministische Idee der Geschlechtergleichheit. ,,Folglich seien Frauen und Männer ursprünglich gleich bzw. alle Individuen besäßen das natürliche Recht auf Gleichheit als ein universelles Menschenrecht“ (Sirmasac 2012: 30). Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten zwischen den Geschlechtern wird als ein vom Menschen geschaffenes Konstrukt gesehen, wodurch sich Benachteiligungen von Frauen in Wirtschaft, Öffentlichkeit und Politik ergeben bzw. reproduziert werden. Die Erklärung und Kritik der Diskriminierung von Frauen wird auf das Patriarchat und den Sexismus reduziert, wodurch sich die Forderungen nach einer gleicheren Machtverteilung ergeben haben. Macht wird somit als eine geschlechtsneutrale, soziale Ressource angesehen, die gleich verteilt werden muss. Da dies, aber im Patriarchat, welches unteranderem definiert wird als ,,a system of social structures and social practices in which men dominate, oppress and exploit women“ (Cyba 2008: 17) nicht erreicht werden kann, da die Macht zwischen den Geschlechtern ungleich verteilt ist und Männer somit mehr Macht haben als Frauen, ist es Ziel des liberalen Feminismus, diese soziale Ressource umzuverteilen, sodass Frauen der Zugang zu gesellschaftlichen Machtpositionen, wie zum Beispiel der Wirtschaft, Bildung, Sport und Politik etc. gewährt wird und letztlich Frauen die gleichen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Rechte und Teilnahmemöglichkeiten haben wie Männer (vgl. Sauer 2012: 384). Der Staat nimmt dabei ebenso wie das Recht eine Schlüsselrolle ein, um die normative Zielsetzung der Geschlechter- und Chancengleichheit zu erreichen, indem Frauen weder rechtlich, wirtschaftlich und sozial diskriminiert werden. In der aktuellen Diskussion gelten Gender Mainstreaming und Gender Budgeting als mögliche Instrumente, die Macht zwischen Mann und Frau gleicher und gerechter zu verteilen (vgl. Alston 2014: 289f.). Nichtsdestotrotz lässt sich auch in der heutigen Zeit, Machtunterschiede zwischen Mann und Frau noch feststellen, wodurch sich die Aktualität des folgenden Zitates nicht geändert hat: “when we look seriously at the distribution between husbands and wives of such critical social goods as work (paid and unpaid), power, prestige, self-esteem, opportunities for self-development, and both physical and economic security, we find socially constructed inequalities between them, right down the list” (Okin 1989: 136).
In der radikal, marxistischen Denkschule spielt das Patriarchat, das biologische Geschlecht, bezeichnet als Sex und die daraus negative Sichtweise auf Macht eine zentrale Rolle. Macht wird als Herrschaft, Gewalt und Unterdrückungsinstrument gesehen, welches Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten in den Geschlechterverhältnissen erzeugt. Unterschiede und andere Erklärungen für die jeweiligen Machtkonzepte in der radikalen und marxistischen Denkschule sind dennoch vorhanden (vgl. Allen 2016: o.S). So ist der Fokus bei den radikal feministischen Überlegungen über Macht, auf die biologischen Geschlechterunterschiede gerichtet. Männliche Macht und dessen Herrschaft über das weibliche Geschlecht wird aufgrund von Sexualität erzeugt. D.h. Radikalfeministische Theoretikerinnen identifizieren die Heterosexualität als zentralen Mechanismus, männlicher Macht und weiblicher Ohnmacht. Frauen werden als Sklaven und Männer als Herren stilisiert. ,,Macht und Ohnmacht, so Catharine MacKinnon, entstehen in der sexuellen Unterwerfung: „Man fucks woman; subject verb object“ (Sauer 2012: 384). Somit ist die Unterwerfung und Unterdrückung der Frau, eine Folge der männlichen heterosexuellen Objektivierung des weiblichen Geschlechts, die sich aus einer heterosexuellen Beziehung ergebe, da Männer Frauen explizit, um den Drang nach Geschlechtsverkehr zu befriedigen, benutzen bzw. ausnutzen. Pornographie, sexuelle Gewalt, nehmen eine zentrale Rolle für den Bestand männlicher und patriarchaler Macht und Unterdrückung ein (vgl. Warnicke 2012: 14ff.). ,,For MacKinnon, heterosexual intercourse is the paradigm of male domination; as she puts it, “the social relation between the sexes is organized so that men may dominate and women must submit and this relation is sexual — in fact, is sex” (Allen 2016: o.S.). Die männliche patriarchale Kontrolle und männliche Stilisierung des weiblichen Körpers als Lustobjekt, also als Objekt männlichen Begehrens, wird von Radikalfeministinnen vehement abgelehnt und eine Beendigung der patriarchalen Gewalt gegen Frauen gefordert, die mithilfe einer spezifischen feministischen Politik, von Frauen für Frauen und einer Bildung aller Frauen vereinenden Schwesternschaft (sisterhood) gebrochen werden soll. Gegenseitige Unterstützung, Anerkennung, Wertschätzung und Verteidigung unter den Frauen, soll anhand der Schaffung soziale Räume für Frauen, die radikale Überwindung heterosexueller Verhältnisse möglich machen, um eine Änderung der Geschlechterverhältnisse zu erwirken (vgl. Sirmasac 2012: 34). Kritik an dieser Machttheorie, kam vor allem aus anderen feministischen Strömungen, die vor allem kritisierten, dass Frauen generell als hilflose Opfer diffamiert werden und Frauen ihrer Autonomie beraut werden (vgl. Allen 2016: o.S.).
In der marxistischen feministischen Denkschule bildet die Kombination aus kapitalistischer Ausbeutung und patriarchalischen Herrschaftssystem, wo Männern überwiegend mehr Macht zusteht als Frauen, die Grundlage von Unterdrückung gegenüber Frauen. ,,The system of male domination, most often called ‘patriarchy’, produces the specific gender oppression of women; the system of the mode of production and class relations produces the class oppression and work alienation of most women” (Allen 2016: o.S). Dieser Dualismus von Kapitalismuskritik und Patriarchat wurde deshalb in der machttheoretischen Debatte aufgenommen, da Karl Marx gefangen gewesen sei, in den geschlechtsspezifischen Machtstrukturen jener Zeit, weshalb er kurzsichtig und blind für das wahre Ausmaß der Ausbeutung war, welche seine Ausführungen Gender blind machten (vgl. Knittler/ Haidinger 2016: 90ff.). D.h. die Frau wird somit doppelt benachteiligt. Einerseits führt die ökonomische Realität zur Hierarchie und Herrschaft über das weibliche Geschlecht, da Frauen oftmals nur in Teilzeit Jobs beschäftigt werden und deshalb eine ökonomisch schwächere Position haben. Andererseits kommt es aufgrund der Macht des Mannes, dass Frauen eine untergeordnete Rolle in Öffentlichkeit und Familie einzunehmen haben, was ihre Rolle an den Haushalt knüpft und die Abhängigkeit vom Mann verstärkt (vgl. Sauer 2012: 383f.). ,,Zu den Manifestationen des patriarchalen Ideologiesystems im Kapitalismus zählen sie vor allem die Schlechterbezahlung von Frauenarbeit im Verhältnis zur Männerarbeit, die Eingliederung von Frauen in ‚Frauenberufe‘ und ‚Frauenbranchen‘ mitvergleichsweise geringerem sozialen Prestige und geringerer Entlohnung, die Nichtbewertung der weitgehend von Frauen geleisteten, gesellschaftlich notwendigen Reproduktionsarbeit als Bestandteil des Mehrwerts bzw. der Erwerbsarbeit und die Entstehung von Klassen und damit Interessen-unterschieden zwischen Frauen“ (Sirmasac 2012: 36). Macht wird in dieser Denkschule als negativ beurteilt. Dieser machttheoretische Ansatz wird auch als ,,power over“ verstanden, da die männliche Macht und die Besserstellung von Männern, Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Unterdrückung für das weibliche Geschlecht bedeutet (vgl. Allen 2016: o.S.) Auch bietet dieser Ansatz einen Blickwinkel aus der holistischen Perspektive, welcher die Strukturen, Normen und gesellschaftlichen Institutionen der Geschlechterungleichheiten und Unterdrückungssysteme analysieren und erfassen kann. (vgl. Sirmasac 2012: 35) Die Kritik der marxistischen Variante, richtet sich vor allem an die einseitige Sichtweise und negativ Betrachtung von Macht und Herrschaft. Dazu kommen noch, die Unterschätzung der Rolle der Frau, sowie die einseitige Ausrichtung auf männliche Dominanz und den von Männern dominierten Strukturen (vgl. Sauer 2012: 385).
Da der Differenzfeminismus extrem vielschichtig ist und sehr pluralistische Ansätze vertritt, ist es nicht verwunderlich, dass dies auch auf die machttheoretischen Konzeptionen zutrifft. Aus den vielen unterschiedlichen Vorstellungen über Macht, wird der Fokus auf den Kerngedanken dieser Denkschule gelegt. Besonders wichtig in dieser Hinsicht, ist die Erkenntnis, dass im Differenzfeminismus mit dem Begriff der Verschiedenheit gespielt wird. D.h. es gibt keine Einigkeit darüber, wie der Begriff des Geschlechts zu sehen ist und was ihn wirklich kennzeichnet. Eine bekannte differenzfeministische Strömung, cultural feminism, konzipiert das weibliche Geschlecht als positiv, sowohl in Hinsicht auf Reproduktion, als auch in Hinsicht auf Werte, die dem Geschlecht zugeschrieben werden können. ,,Der weibliche Körper fungiert hier als Auslöser für Eigenschaften wie etwa Fürsorge- und Empathiefähigkeit, Beziehungsoffenheit und Kooperationsbereitschaft sowie Friedfertigkeit und Naturverbundenheit. Damit sind, so eine weitere Idee, originär weibliche Werte und Macht verbunden, die gegenüber dem Männlichen positiv (oder ihm zumindest gleich-gestellt) und aufgrund dessen aufzuwerten sind“ (Sirmasac 2012: 39f.). Im Hintergrund nimmt die patriarchale Macht von Männern eine zentrale Rolle ein, die dem positiven Gesamtbild des weiblichen Geschlechts gegenübersteht. Eine überhöhte natürliche Männlichkeit in Bezug auf Macht und Unterdrückung von Frauen ergeben sich dahingehend, da Frauen aufgrund ihrer regenerativen Funktion und schöpferische Fähigkeit zur Erhaltung der Menschheit, enorm viel Macht besäßen. So besitzt die Frau die Fähigkeit neues Leben zu schaffen, zu erhalten und zu umsorgen im Gegensatz zur männlichen unterdrückerischen und zerstörerischen Macht. (vgl. Sirmasac 2012: 40f.) Der männlichen Realität entspricht der machttheoretische Ansatz von ,,power over“, welcher als Unterdrückungs- und Herrschaftsinstrument konzipiert ist. Im Gegensatz dazu wird das weibliche Machtverständnis von ,,power to“ Ansatz geprägt. Dies entspricht einer Wandlung des Machtverständnisses in der feministischen Debatte, da in dieser Denkschule, Macht, explizit auf Frauen bezogen, positive Eigenschaften besitzt und individuelle und Handlungspotenziale von Frauen in den Vordergrund gerückt werden (vgl. Sauer 2012: 386). ,,Zwangsfreie Autorität legitimiert sich durch Anerkennung; zwangbe-haftete Autorität hingegen kreist um die Unterordnung des Anderen. Genau hier scheidet sich für French power-to (Macht zu) von power-over (Macht über), weibliche Macht von männlicher Macht also.“ (Sirmasac 2012: 42). Nicht mehr die Ablehnung von Macht, sondern mithilfe der Macht positives zu schaffen, steht mit dem Konzept von ,,power to“ im Vordergrund. Dieses Machtkonzept wird als schöpferische Fähigkeit gesehen, die mithilfe des Empowerments zu einer Besserstellung der Frauen in Gesellschaft führen kann und sich nicht äußert „as the desire to destroy (power over others) but as the desire to create (power to do for others)“ ( Sirmasac 2012: 41). Empowerment wurde zu einer politischen Strategie und zu einem erkenntnistheoretischen Ansatz der Befreiung aus der Geschlechter Herrschaft, welches die symbolische Selbstbemächtigung und gemeinschaftliches Anliegen von Frauen in den Mittelpunkt stellt. Solidarität unter Frauen kann eine positive Macht entstehen lassen, die Herrschaft mithilfe kollektiver Frauenmacht abbauen lässt (vgl. Sauer 2012: 387). Explizit wurde dieses Konzept auch von der lesbischen- und ökofeministischen Szene übernommen. So definiert Sarah Lucia Hoagland Macht als, ,, “power-from-within” which she understands as “the power of ability, of choice and engagement. It is creative; and hence it is an affecting and transforming power but not a controlling power” (Allen 2016: o.S). Anzumerken ist auch, dass das Machtkonzept des Empowerments, sehr stark von Hannah Arendts Machtdefinition beeinflusst worden ist. Arendts Unterscheidung zwischen Macht und Gewalt und ihr performativer Machtansatz, der eine interaktive und relationale Komponente enthält, stützt die Gegebenheiten des Empowerments. Macht ist aus Arendts Sichtweise etwas relationales, ,,ein Vermögen, das sich nur in der Interaktion, in der gemeinsamen Praxis von Menschen verwirklicht“ (Sauer 2012: 386). Dazu ist Macht oft an Gruppenangehörigkeit gebunden, da für sie politische Macht zentral ist, wobei Macht ab den Zeitpunkt nicht mehr herrscht, wo Gewalt angewendet werden muss. Aus dieser Perspektive heraus, lehnt Arendt Webers Machtbegriff ab und formuliert Macht als “the human ability not just to act but to act in concert” (Allen 2016: o.S.), welcher sehr dem Begriff des Empowerments inne geschrieben ist, wo gemeinsames Handeln und Solidarität untereinander, zur Verbesserung der Situation von Frauen und positive Stärken der Macht forciert werden (vgl. Sauer 2012: 387). Fasst man nun diese nur groben und grundlegenden Definitionen der drei Denkschulen zusammen, lässt sich folgende Abbildung daraus er erstellen.
In der öffentlichen Debatte, im ökonomischen Mainstream und in den Medien, wurde die Finanzkrise aus dem Jahr 2007, vorrangig nicht aus einer geschlechtsspezifischen Perspektive analysiert. Das Geschlecht und geschlechtsspezifische Aspekte der Krise wurden fast gänzlich außen vorgelassen. Wenn das Geschlecht dennoch mal zur Diskussion und Debatte in den Medien herangezogen worden waren, war die Rede von einer Männerkrise, die sich aus den typischen männlichen Verhalten, in Bezug auf die Finanzkrise ergab. ,,Die Finanzkrise sei durch die Gier, das Spielertum und das Risikoverhalten von testosterongesteuerten Derivathändlern, Bankern und Managern verursacht, die Maß und Ziel verloren und im Rausch individueller Profitmaximierung, aber auch im Rausch des Systems »Finanzialisierung« die Immobilienblase zum Platzen und in der Folge den Zusammenbruch von Banken und den Einbruch des Wirtschaftswachstums verursacht hätten.“ (Sauer 2010: 38). Die Times stilisierte auch das biologisch häufiger auftretende Risikoverhalten von Männern in den Vordergrund, indem es explizit dem männlichen Geschlecht, einen wesentlichen ursächlichen Effekt auf die Krise unterstellte: “After all, it is men who dominate the financial system that got us into this mess; it is men, by and large, whose trading inflated the profits of banks to levels that now seem like the stuff of testosterone-fuelled fantasy; and it is men who pocketed most of the bulging bonuses that even Gordon Brown reckons were a key cause of the crisis. All of which raises an important and deliciously controversial question: what would have happened if global financial institutions had been run by women?” (Young 2010: 259) Nach derselben Argumentationslogik wurde auch über die Investment Bank Lehman Brothers diskutiert. Wäre es Lehman Sisters gewesen, die von Frauen geleitet worden wäre, wäre es möglicherweise nicht zu der großen Bankenkrise gekommen etc. Dieser öffentliche Diskurs folgt aber einem sehr einseitigen, individuellen und biologistischen Argumentationsmuster. Strukturelle und makroökonomische Aspekte genderspezifischen Inhaltes werden übergangen und vom Diskurs ausgeschlossen, was damit einer generellen Kritik am neoliberalen Wirtschaftssystem, keinen Spielraum gibt (vgl. Sauer 2010: 38f.). Da sich die feministische Ökonomie in die heterodoxen Ökonomie eingliedert; vielfaltig und pluralistisch ist und in allen Themenbereichen bzw. Gebieten die genderspezifischen Aspekte herausarbeitet und analysiert, wird die Finanzkrise 2007 auf diese Thematik hin untersucht und bearbeitet. Das bedeutet: ,,Geschlecht als Variable, als Strukturkategorie, als soziales Verhältnis stellt also eine nicht vernachlässigbare Größe für die feministische Ökonomie dar“ (Knittler/Haidinger 2016, S.48), die nun auf eine heterodoxe und makroökonomische Analyse der Finanzkrise trifft. Als Auslöser und Ursachen der Krise aus einer heterodoxen Sichtweise, wurde die ansteigende ökonomische Ungleichheit, in Bezug auf Einkommen und Vermögen und die damit einhergehende mangelnde gesamtwirtschaftliche Nachfrage ausgemacht. Gekoppelt an einen großen Zeitraum der Deregulierung und Finanzialisierung von Bank- Kredit- und Finanzmärkten, die eingliedert in das Minsky-Framework von Finanzinnovationen, also ständig risikoreicheren Finanzprodukten, die einerseits lukrative Gewinne erzeugen und andererseits, wie geschehen in der Subprime-Krise des Immobilienmarktes, ein krisenhaftes Schneeballsystem erzeugen, welches abhängig war, von steigenden Häuserpreisen und exzessiver privater Verschuldung der Haushalte (vgl. McCulley 2009: 264ff.), wird nun jeder dieser Aspekte einer genderspezifischen Analyse unterzogen, welche die Gender Dimensionen der Finanzkrise in groben Zügen erfassen kann.
Ein wesentlicher zentraler Faktor bei der Entstehung der Finanzkrise spielte die ansteigende ökonomische Ungleichheit von Vermögen und Einkommen. Ab den 1970 Jahren, kam es aufgrund einer Ausrichtung auf ein angebotsorientiertes Wirtschaftssystem und weitreichender Deregulierungen auf den Kapital- und Finanzmärkten, zu weitestgehend freien und mobilen Kapitalvermögen und Unternehmensauslagerungen, die ihre Produktion oder Kapital dorthin verlegen konnten, wo die höchsten Gewinne bzw. geringsten Steuern oder die geringsten Arbeits- und Produktionskosten anfielen. Dies führte daraufhin zu einer Schwächung nationaler Gewerkschaften und staatlicher demokratischer Einflussnahme. Auf der anderen Seite kam zu einer Stärkung der des Kapital- und Finanzvermögens, wobei die Finanzmärkte immer stärkere Bedeutung erhalten (vgl. Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013: 6f.). Diese Entwicklungen gehen mit einem Verlust an Verhandlungsmacht der arbeitenden Bevölkerung einher, wobei die Löhne stagnieren, während die Produktivität stetig stärker anwächst. Anstatt dass die Löhne der Entwicklung der Produktivität folgen, wird der Anteil der Profite von Unternehmen und Finanz- und Kapitalerträgen immer größer (vgl. Seguino 2010: 180f.). Besonders drastisch fällt die Ungleichheit aus, wenn man sich die Anteilsgewinne der Einkommensbezieherinnen der Top 1% in Amerika anschaut. ,,Besonders prononciert zeigt sich diese Entwicklung in den USA, wo die Top 1% der EinkommensbezieherInnen ihren Einkommensanteil in den letzten Jahren auf nahezu 25% der Gesamteinkommen steigern konnten. (..) Auch wenn die Intensität der Einkommensungleichheit dabei in europäischen Breiten generell geringer ist (…), lässt sich in Europa dieselbe Tendenz beobachten: Die oberen Einkommensgruppen, insbesondere die Top 1% der EinkommensbezieherInnen, gewinnen signifikant Einkommensanteile auf Kosten der restlichen Beschäftigten“ (Kapeller, 2015: 153). Daraus ergibt sich ein makroökonomischer Nachteil: ,,as inflation-adjusted wages fall or wage growth slows, so does workers’ consumption. This has led to the central problem the global economy faces, which is one of insufficient global demand for goods and services. Without sufficient buying power on the part of workers, businesses have little motivation to invest, expand output, and create jobs“ (Seguino 2010: 181). Ein weiterer negativer Effekt dieser der wachsenden ökonomischen Ungleichheit war, dass vor allem die mittelständischen und die Niedriglohnverdienenden, Kredite aufnehmen mussten, um den gewohnten Konsum und Lebensstandard aufrechterhalten zu können. ,,Unsustainable credit expansion was one way to maintain growth in the face of inequality. The wave of foreclosures in the US, however, was a symptom of the bigger problem of stagnating incomes for workers and debt-financed consumption.“ (Seguino 2009: 1)
Betrachtet man die genderspezifischen Aspekte der Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen in der westliche Industriestaaten, lässt sich festhalten, dass ethnische Minderheiten und explizit Frauen weniger über Einkommen und Vermögen verfügen als weiße Männer und Männer jeglicher ethnischen Minderheit. Ethnische Gruppen wie Afroamerikaner, Hispanics, Mexikaner etc. arbeiten oft in Firmen als Niedriglohnverdienerinnen, wo die Situation so ist, dass Unternehmen sehr flexibel aufgestellt sind und ihre Arbeitsplätze jederzeit in andere Länder auslagern können. Neben den daraus resultierenden Druck zu einem niedrigen Lohnniveau und den steigende Kosten für Bildung, Gesundheit, in einem schwach ausgeprägten Wohlfahrtstaat, sind ganze Bevölkerungsschichten in eine Armutsfalle geraten. D.h. Minderheiten und explizit alleinstehende amerikanische Frauen haben oftmals kein Vermögen und besitzen nur anhand einer leicht zugänglichen Kreditvergabe ausreichend Einkommen, um sich über Wasser zu halten (vgl. Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013: 8ff.). ,,Rising poverty rates in all racial groups of womenheaded households with children under 18 have been registered since the early 2000s, standing at 40.9 percent by 2011. Similar trends are in evidence for blacks and Hispanics, whose poverty rates by 2011 stood at 24.2 and 22.9 percent, respectively“ (Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013:9). Die Ursachen der Ungleichheitsentwicklungen von Einkommen und Vermögen, können für Frauen, Minderheiten und explizit für alleinstehende Frauen, äußerst vielschichtig ausfallen. Zu den wesentlichen Erklärungsansätzen wird unteranderem der gender wage gap angeführt, der die Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern zu erklären versucht. Dazu beinhaltet die Arbeit in der Versorgungsökonomie, zum großen Teil prekäre und atypische Arbeitsverhältnisse und ist von unbezahlter Arbeit im Haushalt, von der immer noch viele Frauen betroffen sind, betroffen (vgl. Sauer 2010: 40f.). ,, Hier spielen familiäre und gesellschaftliche Normen eine zentrale Rolle, genauso wie die Organisation des Arbeitsmarktes. So leisten immer noch vorwiegend Frauen unbezahlte Betreuungs- und Hausarbeit, vor allem wenn sich ein Paar entschließt Kinder zu bekommen. Die damit einhergehenden Einkommensverluste (im Erwerbs- und Kapitaleinkommen) können im Normalfall nur schwer wieder aufgeholt werden“ (Mader/Schneebaum/Hollan/Klopf 2014: 2). Ebenso kommt für Frauen, die am Arbeitsmarkt einer Erwerbsarbeit nachgehen, eine hohe Benachteiligung in Bezug auf Vermögen und Einkommen zum Tragen, da Frauen sehr oft in Teilzeit Jobs beschäftigt werden, wo sie viel weniger verdienen und die Lohnunterschiede zu den männlichen Löhnen und Gehältern nicht mehr so leicht aufgeholt werden können. Auch können letztlich weniger Ersparnisse zurückgelegt werden, was eine Vermögensakkumulation unterbindet (vgl. Mader/Schneebaum/Hollan/Klopf 2014: 2). Empirische Daten aus der österreichischen Vermögensverteilungsanalyse, bestätigen die Ungleichheitsverteilung in männlich und weiblich geführten Haushalten. Männliche Haushalte verfügen über mehr Vermögen als weibliche Haushalte, wobei besonders an den oberen Rändern der Vermögensanteil von männlichen Single- Haushalten gegenüber den weiblichen Single- Haushalten etwas stärker zulegt. Paarhaushalte besitzen ständig ein höheres Vermögen (Mader/Schneebaum/Hollan/Klopf 2014: 4f.)
In der heterodoxen Uraschenanalyse der Finanzkrise 2007, ist die Kombination aus einem deregulierten Schattenbankensystems, die Schaffung neuer Finanzinnovationen und Minsky´s Framework der Finanzinstabilität, neben den schon erwähnten Einkommens- und Vermögensungleichverteilung, einer der wesentlichen Auslöser, für die Entstehung der Finanzkrise. Zusammengefasst entspricht sie dem Modell einer finanzialisierten Ökonomie, wo Bank-Kredit- und Finanzmärkte eine immer wichtigere Rolle, in Bezug auf Gewinne und Renditen etc. einnehmen. Finanzialisierung kann definiert werden als, ,,as the increase in the quantity, velocity, and complexity of financial transactions in the global economy; the expansion of financial motives in the operations of the economy; and the expanded role and power of financial interests.” (Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013: 8). Folgen dieser Entwicklungen sind einerseits, eine wesentlicher Risikoanstieg in der Stabilität des Wirtschaftssystems, der Fokus auf kurzfristige Profitmaximierung, die einhergeht mit einer Ausblendung an alternativen Wert- oder Moralvorstellungen, sowie der Optimierung des Share-Holder-Value Ansatzes. (vgl. Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013: 8f.) Die Finanzialisierung wird von einer Deregulierung im Bankensektor getragen, die ein Schattenbankensystem etablierte, um die Renditen durch Kauf und Verkauf von Finanzinnovationen zu maximieren. Dabei führen Schattenbanken ähnliche Aufgaben aus, wie normale Banken. Der Unterschied liegt in der weniger regulierten Institution selbst. Schattenbanken besitzen keine Banklizenz und sind nicht an die Regulierung der Kreditinstitute gebunden, da sie keinen Zugang zur Liquidität der Banken, also auch der Fed haben (vgl. Kessler/Wilhelm 2014, S.99f.). Gewinnstreben und Maximierung des Leverage Effekts spielten im Schattenbankensystem, eine große Rolle, da sie aufgrund geringer Regulierung und kurzfristiger Profitmaximierung, kreative Finanzinnovationen kaufen oder verkaufen konnten, was enorme Gewinne einbrachte. ,,And they did this in droves, running leveraged lending and investment institutions known as investment banks, conduits, structured investment vehicles, and hedge funds. They did so by raising funding in the nondeposit markets, notably unsecured debt—such as interbank borrowing and commercial paper—and secured borrowing—such as reverse repurchase agreements (repo) and asset-backed commercial paper“ (McCulley 2009: 257f.) Die neuen Finanzinnovationen und Produkte, die in der Finanzkrise eine zentrale Rolle einnahmen waren zum Beispiel CDOs Collateralized Debt Obligations, ABSs Asset Backed Securities, MBOs Mortgage Backed Obligations, sowie CDS Credit Default Swaps, die anhand des Prozesses der Verbriefung, also der Bündelung von unterschiedlich bewerteten Krediten, zu Bestnoten bewertet worden sind, da davon ausgegangen worden war, dass die verbrieften Finanzinnovationen auch bei Ausfallraten, durch eine Änderung in der Risikostruktur, in ihrem Wert stabil bleiben würden (vgl. Stocker 2010: 48ff.). ,,Letztlich liegt der Verbriefung die Idee des Risikotransfers und der Risikostreuung zugrunde; eine Verbriefung ändert nicht das Gesamtrisiko im Pool, wohl aber ihre Risikostruktur“ (Beyer/Ötsch/Mader 2013: 13). Problematisch war aber, dass sogenannte Subprime-Kredite, also Kredite an Menschen, die kein ausreichendes Einkommen zur Verfügung hatten und sich eine Immobilie gar nicht ökonomisch leisten konnten, immer öfter vergeben wurden, womit der Anteil an Subprime-Krediten in den verbrieften Finanzinnovationen sehr stark anstieg. ,,Diese Gruppe hat sich zwischen 1998 und 2005 von 10% auf 24% der Kreditnehmer erhöht. Mit anderen Worten, ungefähr eines von vier Darlehen ging an Subprime-Antragsteller – mit entsprechend höheren Zinsbelastungen für die Darlehensempfänger“(Young 2010: 18). Mit diesen Produkten konnten wie gesagt sehr hohe Renditen und ein hoher Leverage-Effekt erzielt werden, die jedoch auf einen sehr instabilen und höchst risikoreichen Fundament gebaut waren, wie es sich dann auch in der Immobilienkrise offenbarte (Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013: 12f.). Ähnliche Entwicklungen, wie sie in der Finanzkrise zum Vorschein kamen, hat Minsky in seinem Framework zur Finanzinstabilität Hypothese formuliert. Diese besagt, dass in einer ökonomischen stabilen Phase, die allgemeine Risikobereitschaft von Anlegern steigt, interne Risikostandards gesenkt werden, wie man beispielsweise im Schattenbankensystem und auf den Finanzmärkten sehen konnte. Vergangene Krisen werden vergessen und Finanzinnovationen werden geschaffen, die das Gesamtrisiko zusätzlich erhöhen (vgl. McCulley 2009: 260f.) All diese Faktoren können in der Finanzkrise nachgezeichnet werden, in der aus Stabilität Instabilität entsteht. Das Schattenbankensystem, die Hypotheken Kreditvergabe an einkommensschwache Schichten, die sich die Häuser nur leisten konnten, wenn die Häuserpreise ständig weiter steigen und dem damit einhergehenden vergrößertem Angebot von Krediten, treffen auf ökonomische Ungleichheiten, die den Konsum und den Lebensstandard, nur durch eine steigende private Verschuldung finanzieren konnten (vgl. Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013: 10f.)
Empirische und theoretische Analysen der feministischen Ökonomie haben herausgefunden, dass die Finanzialisierung der ökonomischen Realität, alles andere als Gender neutral ist. Die dominante weiße Bevölkerungsschicht in den USA, konnte im Manager- und Finanzsektor, höhere Gehälter und Boni erringen, als andere ethnische Gruppierungen. D.h. die Finanzialisierung, in Form von hohen Gehältern und privaten Profiten war der dominanten männlichen Bevölkerungsschicht vorbehalten, wodurch sich ergab, dass ethnische Minderheiten und auch Frauen, nicht gleichmäßig an den Profiten und Gewinnen der Finanzialisierung beteiligt waren. Insgesamt haben Männer jeglicher Gruppierungen, mehr verdient als Frauen, wie sich anhand folgender Abbildung darstellen lässt (vgl. Arestis/Charles/Fontana 2013: 157ff.) ,,They find evidence that high earnings are associated with financial occupations, and that, in turn, gender and racial hierarchies disproportionately reserve high-wage financial and managerial job slots for members of dominant groups.“ (Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013: 10).
Diese einseitige Besserstellung der dominanten männlichen Einkommenssituation, trägt aber auch dazu bei, dass soziale Normen, Diskriminierungen und Stereotype, für ethnische Minderheiten und Frauen bestärkt werden und Aufstiegschancen innerhalb des Managers- und Finanzsektors erschwert werden. Die Präferenzen der dominanten Gruppe, fördern ihre eigenen Gruppenangehörigen, indem der jeweilige soziale Status der einzelnen Gruppen, die Höhe ihrer Einkünfte festlegt und diese sich ständig weiter reproduzieren (vgl. Arestis/Charles/Fontana 2013: 160f.). Auch befördert die Finanzialisierung der Ökonomie, dass die untersten Einkommensschichten, also ethnische Minderheiten und alleinstehende Frauen, inzwischen so wenig Einkommen und Vermögen zur Verfügung haben, dass sie nur durch eine hohe private Verschuldung, den Konsum und ihren gewohnte Lebensstandard aufrechterhalten konnten. So war der Kauf einer Immobilie und die Aufnahme einer Subprime-Hypothek oftmals das einfachste Mittel, dieser Problematik zu entkommen (vgl. Young/Schuberth 2010: 4f.). ,,Owning property and gaining assets through real estate thus became one of the few avenues open to women across class and ethnicity for social mobility and securing middle-class status. “Income helps families get along, but assets help them get and stay ahead” (Young 2010: 269). Zusammengefasst kann man für die genderspezifischen Aspekte der Finanzialisierung festhalten: ,,Putting it boldly, the theoretical and empirical analyses suggest that financialization has been neither race nor gender neutral. It has in fact exacerbated gender and ethnic stratification in the US labor market. From this perspective, the gender and race stratification effects of the Great Recession are at least in part the long-run outcome of structural processes generated by the financialization process (Arestis/Charles/Fontana 2013: 171f.).
Fasst man nun alle wesentlichen, aus der heterodoxen bzw. makroökonomischen Ursachenanalyse zusammen, lässt sich, in Verbindung der genderspezifischen Aspekte der feministischen Ökonomie, ein ganz gutes Gesamtbild über die Entstehung der Immobilien- und Subprime-Krise, erzeugen. Da Minderheiten und besonders alleinstehende Frauen kaum Vermögen, Einkommen zur Verfügung hatten, um ihren Konsum und Lebensstandard zu sichern oder zu steigern, wurden der Häuserkauf und die daraus erzeugte Nachfrage nach Subprime-Hypotheken, das oft einzige Mittel, ökonomische Sicherheit und Lebensstandardsicherung zu erreichen. In Amerika ist der Besitz einer Immobilie, ein wichtiges Statussymbol und wird als Ersatz wohlfahrtstaatlicher Leistungen angesehen, welches sich in eine Art Bürgerrecht entwickelte (vgl. Young 2010: 264f.). ,,Das Recht auf Wohneigentum wurde im Diskurs der täglichen Politik zur Normalität, ausgehend von der weit verbreiteten Annahme, Wohnimmobilien seien eine sichere Anlage für die Altersversorgung und gleichzeitig ein funktionales Äquivalent der stagnierenden Reallöhne und gekürzten Sozialleistungen“ (Young 2009: 18). So spielte auch von staatlicher Seite her, die Forderung, dass jede Amerikanerin ein Haus besitzen soll, neben der Finanzialisierung anhand der genannten Finanzinnovationen, eine entscheidende Rolle bei der Vergabe von Subprime-Hypotheken, welcher einherging mit einem stetigen Wachstum des Kreditangebotes. Dies war insofern problematisch, da die Subprime-Hypotheken an Menschen vergeben wurden, die kein Einkommen, kein Vermögen, also auch eine sehr geringe Bonität aufweisen konnten, wodurch sie die Zinsen bei den Banken nicht mehr bedienen konnten, falls diese steigen, was beim Platzen der Immobilienblase auch geschehen ist. Die Subprime-Hypotheken gingen einher mit einer exzessiven Verschuldung der privaten Haushalte, was nur so lange gut gehen konnte, solange die Häuserpreise stetig stiegen (vgl. Young 2009: 18ff.). D.h. es kam auf dem amerikanischen Immobilienmarkt zu einer Blasenbildung, die von steigenden Häuserpreisen abhängig war und getrieben wurde von einer exzessiven privaten Verschuldung, welches ein sehr instabiles Konstrukt erzeugen ließ, die in Verbindung mit der Renditen Gewinnen aus den Finanzinnovationen die prozyklische Tendenz noch verstärkte, indem der Subprime-Kredit Anteil in den Finanzinnovationen vernachlässigt wurde, da die Produkte von den Ratingagenturen ja gut bewertet wurden (vgl. McCulley 2009: 262-265). ,,A key part of keeping the three bubbles (property valuation, mortgage finance, and the shadow banking system) going was that the rating agencies thought the default rates would be low because they had been low. But they had been low because the degradation of underwriting standards was driving up asset prices.“ (McCulley 2009: 265). Dabei wurden die Subprime-Hypotheken verstärkt an Frauen und Minderheiten vergeben, da sie diejenigen in der Bevölkerung ausmachten, die laut interner Bankbewertungen, die geringsten Bonitätswerte aufwiesen und sie selbst auf diese angewiesen waren. Anhörungen im US Senat, haben jedoch gezeigt, dass Frauen oftmals mehr Subprime-Hypotheken annehmen mussten als Männer, obwohl einige von Ihnen eine höhere Bonität besaßen als die männlichen Hypothekennehmerinnen (vgl. Young 2009: 18ff.). ,,Despite that women have on average higher credit scores than men (682 versus 675), women borrowers are more likely to receive sub-prime loans at every income level. Women with income levels twice the median income are 46.4 percent more likely to have to accept subprime loans than men with similar Earnings“ (Young 2010: 270). Folgende Abbildung zeigt den Anteil der Subprime-Hypotheken von Frauen gegenüber Männern. Frauen erhielten unverhältnismäßig mehr Subprime-Kredite als Männer
Besonders stark betroffen waren alleinstehende Frauen und diejenigen Frauen die einer Minderheit angehörten, was der Immobilienkrise eine Gender und ethnische Dimension verleiht. Am häufigsten wurden Subprime-Hypotheken an afroamerikanische und lateinamerikanische Frauen vergeben. ,,African American women were the most likely to receive subprime loans regardless of income. While single women across ethnic lines have made strong inroads into home ownership, purchasing nearly one in five homes sold in 2003,it was African American and Latino women who actively sought out home purchase loans“ (Young 2010: 271). Folgende Abbildung zeigt diese Problematik auf
Für die feministische Ökonomie sind diese Gegebenheiten Anzeichen für eine Benachteiligung von Minderheiten und Frauen, die sich aus Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung aus vorhergehenden Zeiten ergeben haben. Soziale und ökonomische Machtstrukturen wurden gegenüber Minderheiten aufgebaut und sind im strukturellen Erbe heutzutage noch auffindbar und vorherrschend, da die nicht dominanten ethnischen Gruppierungen weniger vermögend sind und oftmals im Niedriglohnsektor arbeiten (vgl. Dymski/Hernandez/Mohanty 2013: 139f.). ""the idea of 'race' and its persistence as a social category is only given meaning in a social order structured by forms of inequality - economic, political, and cultural – that are organized, to a significant degree, along racial lines"" (Dymski/Hernandez/Mohanty 2013: 140). Aufgrund der geringeren sozialen und ökonomischen Macht ethnischer Minderheiten und Frauen, wurden in Verbindung mit der Profitmaximierung, die sich aus den Finanzinnovationen ergaben, gezielt Minderheiten und Frauen ausgewählt für Subprime-Hypotheken. Diese Subprime-Hypotheken, die ,,under unfair, deceptive, or fraudulent conditions in the loan origination process“ (Seguino/Heintz/Fukuda-Parr 2013: 9) entstanden sind, wurden in feministischen empirischen Analysen auch als predatory lending beschrieben. Insgesamt lässt sich die festhalten: ,,The gender dimensions of the subprime lending crisis amplify its racial dimensions. Women were targeted for subprime lending; and women were more likely than men to receive subprime loans when buying homes – across racial and ethnic groups, and independent of the degree of residential racial segregation. Consequently, the subprime crisis has disproportionately affected female-headed households“(Dymski/Hernandez/Mohanty 2013: 144f.). Aus all diesen Gründen waren nach Ausbruch der Immobilienkrise, afroamerikanische Frauen und ethnische Minderheiten am schlimmsten von den Kündigungen der Immobilien Hypotheken betroffen. Die Subprime-Krise wurde zu einer Krise der afroamerikanischen Bevölkerung in Amerika, wo sie den größten Anteil des verlorenen Eigentums an Immobilien ausmachten (vgl. Young 2009: 20ff.).
Die zwei wichtigsten Informationsquellen der feministischen Ökonomie sind zum einen das im Jahr 1992 gegründete „International Association for Feminist Economics“ kurz IAFFE und die seit dem Jahr 1994 gedruckte Zeitschrift „Feminist Economics“ . Zu finden sind diese beiden Seiten unter folgenden Links:
Es gibt noch eine Reihe weiterer Internetseiten, welche sich mit dem Thema der feministischen Ökonomie auseinander setzen.
Zum einen das feministische Institut Hamburg [http://www.feministisches-institut.de/], welches dazu beitragen möchte, dass feministische Perspektiven stärker in die öffentliche Diskussion hineingetragen werden.
Weiters eine Reihe von Zeitschriften, welche sich mit dem Feminismus beschäftigen:
Unter anderem beschäftigt sich die Internetseite "Zwanzigtausend Frauen" [http://zwanzigtausendfrauen.at/] mit Themen zum Feminismus und veröffentlicht feministische Satiremagazine.
In Deutschland gibt es die ''feministische Partei - DIE FRAUEN '' [http://www.feministischepartei.de/], welche sich für die wirtschaftliche Situation der Frauen und die Selbstbestimmung in Bezug auf Sexualität, Schwangerschaft und die Wahl der Lebensweise einsetzt.
Die "feministische Rechtszeitschrift - STREIT" [http://www.streit-fem.de/aktuell.html] versucht durch Information, Urteile und Dokumente aus Politik und Gesetzgebung eine Verbesserung der Rechte von Frauen in allen Bereichen.
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Im Entdecken-Bereich haben wir hunderte Videos, Texte und Podcasts zu ökonomischen Themen gesammelt. Außerdem kannst du selber Material vorschlagen!
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