Einführung in die Plurale Ökonomik

Corinna Dengler
Universität Vechta, 2021
Level: beginner
Topic: Criticism of Capitalism, Economic History, Reflection of Economics
Format: Syllabus

 Exploring Economics für Lehrende

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Plurale Feministische Ökonomie

Dieser Kurs wurde ursprünglich an der Universität Vechta gelehrt. 
Lehrende: Corinna Dengler


Kurszusammenfassung

Studierende und Ökonom*innen haben zuletzt seit der Globalen Finanzkrise von 2007 die Einseitigkeit der Wirtschaftswissenschaften kritisiert. Studentische Bewegungen weltweit fordern eine Abkehr von der standardisierten Lehrbuch-Volkswirtschaftslehre hin zu mehr Pluralismus, Reflexivität und historischer Fundierung. Diese Forderungen aufgreifend beginnt der Kurs mit einer Einführung in Wissenschaftstheorie und vergleicht wissenschaftstheoretische Positionen unterschiedlicher Denkschulen. Anschließend werden Studierende in zwei Sitzungen in die ökonomische Theoriegeschichte – und auch in deren Auslassungen – eingeführt. Auf dieser Basis wird ein Vergleich von Orthodoxie und Heterodoxie hergestellt, der den Beginn der Vorstellung unterschiedlicher Denkschulen markiert. In Sitzungen sechs bis zehn werden fünf heterodoxe Denkschulen vorgestellt und jeweils in ihren orthodoxen und heterodoxen Ausprägungen diskutiert. Die Feministische Ökonomie wird in dem Vertiefungskurs „Einführung in eine Plurale Feministische Ökonomie“ angeboten. Beide Kurse sind miteinander verbunden und bauen aufeinander auf, können jedoch auch einzeln gelehrt werden. Abschließend wird ein Blick auf das aktuelle Impulspapier des Netzwerks Plurale Ökonomik gerichtet und somit der aktuelle Stand der Pluralen Ökonomik in Erfahrung gebracht.

Übungen und Prüfungen 

Für den Kurs ist ein Portfolio zu erstellen. Das Portfolio dokumentiert den Lernprozess der Prüfungskandidat*innen durch Zusammenstellung geeigneter Texte oder Daten, Recherchen oder Hausaufgaben, Artikel und ähnlicher Materialien sowie einer abschließenden Reflexion. Es besteht aus mehreren Aufgaben sowie einem abschließenden Bericht, in dem die Studierenden ihre Lernerfahrungen reflektieren.

Um den eigenen Lernprozess zu dokumentieren, sind für den Kurs vier der von der Dozentin bereitgestellten Aufgaben zu lösen. Wird der Kurs zusammen mit dem Kurs: „Einführung in die Plurale Ökonomik“ angeboten, sind acht der bereitgestelltem Aufgaben zu lösen. Die Abgabe der Aufgaben erfolgt am Vorabend der Veranstaltung, 20:00 Uhr digital über eine Lernplattform. Die Abgabe des abschließenden Reflexionsberichtes von 8-10 Seiten erfolgt nach Ende der Vorlesungszeit digital über die Lernplattform.
 

Termine und Themen

Liste der behandelten Themen und Literatur 

Sitzung 1 Moduleinführung: Plurale Ökonomik - was ist das eigentlich? 

  • In der ersten Sitzung wird das Modul sowie die historischen Bewegungen für eine Pluralisierung der VWL vorgestellt. Studierende lernen die Kritik an der Mainstream-VWL kennen sowie die Institutionalisierung(en) von pluraler Ökonomik.

Zur Einführung: 

  • International Student Initiative for Pluralism in Economics: https://www.isipe.net/
  • Netzwerk Plurale Ökonomik: https://www.plurale-oekonomik.de/netzwerk-plurale-oekonomik/
  •  Exploring Economics: https://www.exploring-economics.org/de/

Sitzung 2 Wissenschaftstheoretische Grundlagen einer Pluralen Ökonomik

  • Vor dem Hintergrund der Entstehung von wissenschaftlichen Disziplinen werden Studierende in vier grundlegende Kategorien der Wissenschaftstheorie eingeführt: Sie lernen die Begriffe Ontologie, Epistemologie, Methodologie und Politik/Ethik kennen und verstehen den Unterschied zwischen Kritischem Rationalismus und Kritischem Realismus. Zudem wird ein Einblick in feministische und postkoloniale Wissenschaftskritik gegeben.

Literatur: 

  • Jäger, Johannes; Springler, Elisabeth (2012): Ökonomie der internationalen Entwicklung: eine kritische Einführung in die Volkswirtschaftslehre. Wien: Mandelbaum. --> Teil 1 „Grundlegungen“, S. 14–35. 

Sitzung 3 Ökonomische Theoriegeschichte I: Vom Merkantilismus zur Klassischen Politischen Ökonomie 

  • In der dritten Sitzung setzen sich die Studierenden mit Theoriegeschichte auseinander, insbesondere der Entstehung unterschiedlicher ökonomischer Schulen zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert (bspw. Merkantilismus, Physiokraten, die „Klassiker“ Smith, Ricardo, Malthus und Mill). Dabei wird auch immer auf die Auslassungen der dominanten Erzählung hingewiesen – was bedeutet z.B. „Zufluss von Gold und Silber“ im Merkantilismus für den Rest der Welt (Kolonialismus) oder warum ist die unsichtbare Hand von Adam Smith (Wealth of Nations, kommt 1x auf 1280 Seiten vor) so viel bekannter als sein unparteiischer Beobachter (Theory of Moral Sentiments, 71x auf 447 Seiten)?

Literatur: 

  • Jäger, Johannes; Springler, Elisabeth (2012): Ökonomie der internationalen Entwicklung: eine kritische Einführung in die Volkswirtschaftslehre. Wien: Mandelbaum. --> Teil 2 „Die zentralen Paradigmen im Überblick“, S. 36–95. 

Sitzung 4 Ökonomische Theoriegeschichte II: Von der Marginalistischen Revolution über die Neoklassische Ökonomie zum Keynesianismus - und zurück? 

  • In Teil der zwei der Ökonomischen Theoriegeschichte wird Sitzung drei weitergeführt: Beginnend bei Karl Marx und zentralen Konzepten seiner Kritik der Politischen Ökonomie werden die Entstehung der Neoklassik und die verschieden Spielarten des Keynesianismus diskutiert. Dabei zeigt sich: Die derzeitige Lehrbuchmeinung ist nicht etwa alternativlos: Es gab seit jeher und gibt auch heute viele Theoriestränge, von denen einige im Semester von der Studierenden erarbeitet werden sollten. 

Literatur: 

  • siehe Sitzung 3 

Sitzung  5 Orthodoxe vs. Heterodoxe Ökonomie heute: Ein Überblick

  • Die fünfte Sitzung bildet die Brücke von der Wissenschaftstheorie und Theoriegeschichte zur Vorstellung in bestimmte Denkschulen. Eigennütziger, desinteressierter und interessierter Pluralismus, also drei Versionen von Pluralismus in der Ökonomie nach Dobusch & Kapeller, werden von der Dozentin vorgestellt. In Kleingruppen diskutieren Studierende Implikationen und Handlungsmöglichkeiten, um interessierten Pluralismus zu verwirklichen.

Literatur: 

  • Dobusch, Leonhard; Kapeller, Jakob (2012): Heterodox United vs. Mainstream City? Sketching a Framework for Interested Pluralism in Economics. In: Journal of Economic Issues XLVI/4, S. 1035-57.

Sitzung 6 Verhaltensökonomik & Experimentelle Ökonomie

  • Die Dozentin gibt eine Einführung in die Verhaltensökonomik, insbesondere ihre Annahmen, zentralen Begriffe und Experimente. Zudem wird die Verhaltensökonomik ins Verhältnis zu Heterodoxie und Orthodoxie gesetzt und Studierende lernen das Wissenschaftsverständnis der Verhaltensökonomik kritisch zu reflektieren.

Literatur: 

  • Beck, Hanno (2014): Behavioral Economics. Eine Einführung. Wiesbaden: Springer Gabel.
    -> Kapitel 1 „Was ist Behavioral Economics?“, S. 1-24.

Sitzung 7 Neue Institutionelle Ökonomie & Alter Institutionalismus (Gastvortrag: Ulrike Knobloch)

  • In der siebten Sitzung wird die Entwicklung des Alten Institutionalismus vorgestellt. Studierende lernen das Verständnis von Institutionen sowie zentrale Aussagen aus Texten von Thorstein Veblen kennen. Zudem stellt die Dozentin die Entstehung der orthodoxen Neuen Institutionellen Ökonomie ab den 1970er Jahren sowie zentrale Ansätze vor.

Literatur: 

  • von Egan-Krieger, Tanja (2014): Die Illusion wertfreier Ökonomie: Eine Untersuchung der Normativität heterodoxer Theorien, Frankfurt a.M.: Campus, 80-91, 163-167 und 201-207.

Sitzung 8 Umweltökonomik & Ökologische Ökonomie 

  • Studierende lernen die Anfänge der Umweltökonomie in den Werken der Physiokraten und William Stanley Jevons kennen. Die Dozentin stellt die Entstehung und die zentralen Annahmen der eher orthodoxen Umweltökonomie und der heterodoxen ökologischen Ökonomie heraus. Auch werden die Studierenden in die unterschiedlichen Methoden beider Denkschulen eingeführt.

Literatur: 

  • Røpke, Inge (2004): The Early History of Modern Ecological Economics. In: Ecological Economics, 50, S. 293–314.

Sitzung 9 Kritische Entwicklungsökonomie 

  • In der neunten Sitzung steht die Etablierung des Konzepts „Entwicklung“ und seine Implikationen für unterschiedliche Weltteile im Fokus: Nach der Präsentation von Indikatoren für „Entwicklung“ werden Klassiker der Entwicklungstheorie vorgestellt. Den Abschluss bildet ein Einblick in Ansätze der kritischen Entwicklungsökonomie, wie der Dependenz- und Weltsystemtheorie, aber auch Ansätze die dezidiert nach Alternativen zur Entwicklung suchen, wie z.B. Post-Development, Post-Extraktivismus oder Degrowth. 

Literatur: 

  • Gudynas, Eduardo (2013): Debates on development and its alternatives in Latin America: a brief heterodox guide. In: Beyond development, Fondación Rosa Luxemburg, 2013, S. 15-39.

Sitzung 10 Neokeynesianismus & Postkeynesianismus (Gastvortrag: Birte Strunk)

  • Studierende werden in dieser Sitzung an postkeynesianisches Denken herangeführt. Die Dozentin zeichnet hierfür das Leben von Keynes und seine spätere Rezeption sowie die Entstehung des Postkeynesianismus als eigenständige Denkschule nach. Auch erläutert sie die Entstehung des Neokeynesianismus als neoklassische Vereinnahmung keynesianischer Ideen. Sichtbar werden die Unterschiede zwischen Post- und Neokeynesianismus im Vergleich von Makro-Modellen. 

Literatur: 

Sitzung 11 Von heterodoxen Theorieschulen zu einer Pluralen Ökonomik

  • In der letzten Sitzung wird ein Blick zurück geworfen und es wird versucht, die verschiedenen Stränge zusammenzudenken. Zudem stellt ein Mitglied des Netzwerks Plurale Ökonomik das Impulspapier vor und die Studierenden diskutieren Handlungsspielräume an ihren Institutionen.

Literatur: 

  • Netzwerk Plurale Ökonomik (2019): Impulse für eine zukunftsfähige ökonomische Lehre. Heidelberg: Netzwerk Plurale Ökonomik e.V.

Begleitende Materialien zur Vorlesung

Weiterführende Literatur 

  • Becker, Joachim et al. (2009): Heterodoxe Ökonomie. Marburg: Metropolis. 
  • Dürmeier, Thomas; Egan-Krieger, Tanja v., Peukert, Helge (2006): Die Scheuklappen der Wirtschaftswissenschaft. Postautistische Ökonomik für eine pluralistische Wirtschaftslehre. Marburg: Metropolis.  
  • Jäger, Johannes; Springler, Elisabeth (2012): Ökonomie der Internationalen Entwicklung. Eine kritische Einführung in die Volkswirtschaftslehre. Wien: Mandelbaum.  
  • Netzwerk Plurale Ökonomik (2019): Impulse für eine zukunftsfähige ökonomische Lehre. Heidelberg: Netzwerk Plurale Ökonomik e.V.  
  • Petersen, David et al. (2019): Perspektiven einer Pluralen Ökonomik. Wiesbaden: Springer VS. 
  • Reardon, Jack (2009): The Handbook of Pluralist Economics Education. London/New York: Routledge. 
  • Strunk, Birte; Gräbner, Claudius (2020): Pluralism in Economics: Its Critiques and their Lessons. In: Journal of Economic Methodology.

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