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Die Sozialökonomik ist 1) die historische Fachbezeichnung einer integrierten Sozial- und Wirtschaftswissenschaft (vgl. Einzelwissenschaft, Disziplin). Als (Sozial-)Ökonomik wird die Wissenschaft selbst bezeichnet, ihr Gegenstand als (Sozial-)Ökonomie. 2) Ein kontextabhängiger Ausdruck für komplexe Zusammenhänge von Gesellschaft und Wirtschaft (vgl. Sozialökonomie bzw. Sozioökonomie).
Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts stand die Bezeichnung im deutschsprachigen Raum für das übergreifende Wissensgebiet von Geschichte, Rechts- und Staatswissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Soziologie. Das jüngere sozialökonomisch wurde oft synonym mit den älteren nationalökonomisch oder volkswirtschaftlich verwendet, womit v.a. der „gesellschaftliche und politische Kontext wirtschaftlicher Aktivität“ hervorgehoben werden sollte.[1] Als charakteristisch gilt der erkenntnistheoretische Versuch, historisch-soziale Wirklichkeitswissenschaft mit wirtschaftstheoretisch-logischer Analyse zu verbinden.[2] Als Wissenschaftskonzept repräsentierte die Sozialökonomik die anfänglich interdisziplinär ausgerichtete universitäre Praxis der institutionalisierten Volkswirtschaftslehre (VWL). Durch methodologische Spezialisierung und akademische Restrukturierung seit den 1950er-Jahren verlor sie jedoch ihren disziplinären Leitbildcharakter.[3]
In der Gegenwart werden Sozial- oder Sozioökonomik und VWL kaum mehr auf derselben Bedeutungsebene verwendet. Dagegen sind u.a. Sozialpolitik, Sozialstatistik, Sozioökonomische Bildung und Verhaltensforschung, Soziale Arbeit, Sozialwirtschaft, sozial-betriebliche Organisation, sozial-ökologische Transformation oder die Christlichen Soziallehren mit dem Begriff assoziiert. Oft werden im Sprachgebrauch mit sozioökonomisch sozialstatistische Sachverhalte (Sozio-oekonomisches Panel) und mit sozialökonomisch wirtschafts- und sozialpolitische Themen adressiert (FB Sozialökonomie Hamburg). Hierbei wird zuweilen offen auf wirtschaftsethische Prämissen bzw. auf einen notwendigen ethischen Diskurs in den Wirtschaftswissenschaften und der Wirtschaft selbst hingewiesen.[4]
In diesem doppelten Sinne werden z.B. die neueren historisch-sozial wie statistisch-formal angelegten Studien des Ökonomen Thomas Piketty in der Literatur sowohl der älteren Tradition einer disziplinären Sozialökonomik als auch aktuellen sozioökonomischen oder transformativ-wirtschaftspolitischen Forschungsansätzen zugeordnet.[5] Die Juristin Katharina Pistor knüpft rechtshistorisch und rechtstheoretisch an diese Fragestellungen an.[6]
Inhalt
Die Sozialökonomik prägte zu Beginn des 20. Jahrhunderts gemeinsam mit der Soziologie den Fächerkanon der modernen Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Anders als die Soziologie konnte sich die Sozialökonomik jedoch nie als eigenständige Wissenschaftsdisziplin etablieren, wenngleich sie als interdisziplinäres Wissensgebiet präsent blieb.[7]
In der Wirtschaftswissenschaft dominierten lange Zeit vor allem Politik, Staat, Nation bzw. Volk als disziplinäre Bestimmungsbegriffe (z.B. Nationalökonomie, Volkswirtschaftslehre, Staatswirtschaftslehre, Politische Ökonomie). Vor diesem Hintergrund kann man die umfassender ausgerichtete Sozialökonomik als eine „verspätete Wissenschaft“ bezeichnen.[8] Sie setzte sich zwar teilweise begrifflich-konzeptionell durch, nicht aber akademisch-institutionell. Als klassische Idee einer ökonomischen Querschnittswissenschaft verlor sie im Zuge der Fächerdifferenzierung des 20. Jahrhunderts an Boden. Nach dem Ende des Kalten Krieges und im Zuge der voranschreitenden ökonomisch-ökologischen Globalisierung fand sie wieder stärkere Beachtung.
Der Gegenstandskomplex der Gesellschaftswirthschaft (1852) bzw. des Gesellschaftlichen Systems der menschlichen Wirthschaft (1867) wurden in Verbindung mit ersten Ansätzen einer disziplintheoretischen Beleuchtung von Karl Rodbertus und Albert Schäffle eingeführt.[9]
Unter der Bezeichnung Sozialökonomik wurden diese Grundlagen ab etwa 1880 von Adolph Wagner und Heinrich Dietzel systematisch als Wissenschaftskonzepte weiterentwickelt. Ziel war die erkenntnistheoretische und methodologische Verknüpfung der institutionen- und sozialhistorischen Expertise der Historischen Nationalökonomie mit dem Theorieschwerpunkt der Klassischen Nationalökonomie.[10]
Max Weber verlieh der Sozialökonomik als ihr prominentester Exponent und als Schriftleiter der mehrbändigen Lehrbuchreihe Grundriss der Sozialökonomik (GdS, 1914-1930) andauernde Bekanntheit und Wirkung; insbesondere mit seinem 1921/22 darin erschienenen Beitrag Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte (später als Soziologische Kategorienlehre bezeichnet).[11] Ab 1956 wurden seine nachträglich kompilierten sozialökonomischen Schriften als Wirtschaft und Gesellschaft – Grundriß der verstehenden Soziologie (WuG) herausgegeben und wirkten v.a. in der Soziologie und in der Politikwissenschaft weiter. Mittlerweile stellt die Max-Weber-Gesamtausgabe (MWG) unter dem Obertitel Wirtschaft und Gesellschaft mehrere Einzelbände mit den originalen und z.T. unvollendeten sozialökonomischen Texten bereit.[12]
Vielen GdS-Autoren und Mitherausgebern wie z.B. Karl Bücher, Joseph Schumpeter, Friedrich von Wieser und Werner Sombart hängt wie Weber bis heute der Nimbus der letzten „Jedi-Ritter“ an – der letzten sozialwissenschaftlichen Universalgelehrten.[13]
In den USA legte Richard T. Ely – der in Deutschland im Sinne des Historismus ausgebildet worden war – den Grundstein für die spätere Institutionenökonomik.[14] Ely war Initiator der am Verein für Socialpolitik orientierten American Economic Association (1885), führende Figur der Progressive Era, Autor populärer Lehr- und Schulbücher sowie Herausgeber der Reihe Citizen’s Library of Economics, Politics and Sociology (1900ff.). Seine Darstellungen beschäftigten sich mit der ökonomischen Bedeutung historisch bedingter Institutionen der modernen Gesellschaft wie etwa der Privatautonomie. Seine disziplinäre Auffassung stand der Sozialökonomik sehr nahe, was seine frühe Beschäftigung mit Karl Rodbertus, Albert Schäffle und Adolph Wagner zeigt.[15] Ely war akademischer Lehrer u.a. von John R. Commons, Thorstein Veblen und Wesley Clair Mitchell sowie des US-Präsidenten Woodrow Wilson.[16]
Als der Einfluss der Wirtschaftstheorie des Keynesianismus in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg zurückging, konnte sich die Neoklassik als die Dominante aller postklassischen Wirtschaftstheorien etablieren. An den westlichen Universitäten wurde die Neoklassische Synthese weitgehend mit der ökonomischen Wissenschaft als solcher identifiziert, weshalb sie bis heute oft als „Orthodoxie“ bezeichnet wird. Abweichende wissenschaftstheoretische Disziplinmodelle wie die traditionelle Sozialökonomik oder wirtschaftstheoretische Alternativansätze (ugs. meist „Paradigmen“ oder „Denkschulen“), welche im Forschungs- und Lehrkanon der institutionalisierten VWL unterrepräsentiert sind, zählen seither zur „Heterodoxie“. Diese verfügt nicht über eine hinreichend homogene Interessen- und Organisationsstruktur und eine vergleichbare akademische Basis wie der postklassisch geprägte Mainstream (vgl. Kritik seitens der Pluralen Ökonomik).[17]
Bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Wirtschaftswissenschaft keine einheitlich institutionalisierte Disziplin. Wie alle im 19. Jahrhundert entstandenen Sozialwissenschaften hatte sie kein exklusives Forschungsfeld und keine entsprechend verbindlichen Erkenntniswege gefunden. Einzelne Lehrstühle an den Universitäten hatten großen subjektiven Einfluss auf Forschung und Lehre.
In den klassischen Schriften von Adam Smith, Thomas Robert Malthus, David Ricardo und ihren Zeitgenossen zeigte sich die moderne Wirtschaftswissenschaft als Kind der Aufklärung. Ihre moral-, staats- und sozialphilosophischen Aspekte schlugen sich in der frühen Fachbezeichnung Politische Ökonomie nieder (heute ugs. meist nur Klassik). Sie vereinte wissenschaftliche Bereiche, die heute mit der Wirtschaftsethik, der Wirtschaftsgeschichte und der Wirtschaftstheorie assoziiert werden, in einer Sozialwissenschaft, die vom freiheitlichen Antifeudalismus und einem bürgerlich-individualistischen Privatrechtssystem nach antikem Vorbild ausging. Seit der Unabhängigkeit der USA 1776 und der Französischen Revolution 1789 prägten diese aufklärerischen Elemente die modernen westlichen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen.
Die Isolation und Formalisierung von einzelnen Theoremen und Motivationen menschlichen Verhaltens verstärkten jedoch bald die Tendenz zur Naturalisierung von Wirtschaft. Aus vergesellschafteten Menschen und Rechtssubjekten wurden zunehmend autonome Individuen, welche als ökonomisch rationalisierte Akteure in quasi-naturgesetzlichen Kausalzusammenhängen handelten. Mehr und mehr verlagerte sich so die Auffassung des Ökonomischen in das Vorfeld zwischenmenschlicher und sozialer Bindungen. Historische Entwicklung, Komplexität und Brisanz gesellschaftlicher Wirklichkeit wurden weitgehend ausgeklammert.
Im deutschsprachigen Raum herrschte zunächst die Historische Schule der Nationalökonomie als Erfahrungswissenschaft komplexer und jeweils einzigartiger sozialer Sachverhalte vor. Der ökonomische Historismus hatte sich bei Adam Müller und Friedrich List sowie später bei Wilhelm Roscher, Bruno Hildebrand und Karl Knies v.a. als traditional-entwicklungsorientierte Gegenströmung zur naturrechtlich-rationalistischen Rechtslehre der Aufklärung formiert.
Dementsprechend betrachtete der Historismus Wirtschaftszustände – in bewusster Abkehr von allgemeingültigen Gesetzmäßigkeiten – als Äußerungsformen von ethischer und institutioneller Entwicklung. Empirische Fakten wurden weniger auf deren verallgemeinerungsfähige Bedeutung als auf ihre geschichtliche Eigenart hin untersucht. Der Historischen Schule wurde deshalb mitunter Erklärungsschwäche aufgrund von Theorielosigkeit vorgeworfen. Sie ließe keinerlei allgemeine Aussagen über ökonomische Einzelvorgänge zu und sei deshalb blind für die Methoden des Vergleichs, der Abstraktion und der Ableitung von Erkenntnissen. Aus diesem Grund sei sie keine anwendungsbezogene Wissenschaft, die ihre Aktualität durch Prognosefähigkeit unter Beweis stellen könne.
Die revolutionären Ereignisse in Europa nach 1789, vor allem aber die sozialistischen und kommunistischen Bewegungen in Frankreich, riefen in Deutschland den Wunsch nach der Etablierung einer Gesellschaftswissenschaft wach. So fragte der Jurist und Ökonom Lorenz von Stein 1842: „Werden wir uns von dem gewaltigsten Widerspruch unsrer Zeit, wie er sich in Frankreich Bahn bricht, überwältigen lassen, weil wir ihm kein bestimmtes Bewusstsein über Wesen und Gestalt der gesellschaftlichen Aufgabe, kurz keine Wissenschaft der Gesellschaft entgegenzustellen hatten?“[18] Der Inspirator von Karl Marx und Publizist Friedrich Wilhelm Schulz beklagte 1843 eine „Staatenkunde und Statistik, die sich mit ihren Durchschnittszahlen überall durchschleicht“, ohne „die Wirklichkeit des Volkslebens nur zu berühren“.[19]
Ebenso früh wurde die Vorstellung geäußert, durch wissenschaftlich begründete Wirtschaftspolitik der Gesellschaft einen Dienst erweisen zu können. Der Chemiker und Ökonom Karl Marlo stellte 1850 in einer Abhandlung über das System der Weltökonomie fest, dass „aller Fleiß und alle Anstrengung der einzelnen Bürger […] vergeblich“ sei, „wenn die gesetzliche Organisation des socialen Lebens falsch“ sei. „Jeder ökonomische Mißgriff“ könne „das Verderben der Gesellschaft zur unabwendbaren Folge haben.“[20]
Ab 1842 begann der Jurist und Landwirt Karl Rodbertus seine sozialen und ökonomischen Studien zu veröffentlichen (Erkenntnis unserer Zustände 1842, Soziale Briefe 1850-52[21]).[22] Sein Ansatz war es einerseits, die begrifflich-analytische und logische Stärke der klassischen Ökonomik für entwicklungsgeschichtliche Studien der griechischen und römischen Antike sowie der Moderne fruchtbar zu machen. Andererseits griff er die theoretischen Annahmen und Konzepte vor allem Adam Smiths an, indem er die empirische Dynamik und die historischen Besonderheiten gesellschaftlicher Prozesse betonte. Seine methodologische Kombination von Theorie und Geschichte nahm den späteren Wesenszug neu entwickelter Wissenschaftskonzeptionen vorweg, die ähnliche Syntheseversuche darstellten.[23]
Rodbertus bezeichnete den Forschungsgegenstand der modernen Ökonomik als Gesellschaftswirtschaft. Diese grenzte er ausdrücklich von der Nationalökonomie und anderen engführenden Vorgängerbegriffen ab. Rodbertus verwarf die Alleingültigkeit des klassischen Konzepts der individualistisch angelegten arbeitsteiligen Tauschwirtschaft. Seine Vorstellung von der Gesellschaftswirtschaft basierte auf einer von ethisch-systemischen Abhängigkeiten geprägten Arbeits- und Verbrauchsgemeinschaft. Hieraus leitete er u.a. den Begriff der relativen Armut, eine Theorie der Einkommens- und Vermögensverteilung sowie der wirksamen Nachfrage ab (Gesetz der fallenden Lohnquote 1850).[24]
Rodbertus gilt als Begründer der sozial-ökonomischen Kategorienlehre (1842). Diese verdeutlichte er v.a. am Doppelcharakter des Kapitals als eines sozialen bzw. ethisch-rechtlichen Verhältnisses einerseits und als eines materiellen Produktionsmittels andererseits. Begriffsjuristisch geschult, unterschied er in seiner systematischen Begriffsstruktur etwa Arbeitskosten als spezifisch historische Kategorie der Unternehmer-Perspektive und Kostenarbeit als generelle ökonomische Aufwandsgröße der Produktionstheorie. Ergäben sich die Arbeitskosten aus einem gegenseitigen Anspruchsverhältnis in Geldform, schaffe die Kostenarbeit tatsächlich Einkommen und Produktionsmittel in Güterform.[25]
Karl Rodbertus über die Doppelbedeutung des Kapitals als materielles Produktionsmittel und als soziales Verhältnis:
„Auch in der Lehre vom Einkommen haben die Nationalökonomen niemals das Verhältniss oder die Wirkung des Kapitals an sich, sondern immer nur des Privatbesitzes von Kapital behandelt.“[26]
Die Reflexion der Mehrdeutigkeit des Kapitalbegriffs stellte dessen wirtschaftstheoretisch wertfreie Verwendung infrage. Rodbertus definierte 1868 den „Capitalismus“ als „sociales System“ des „Capitalbesitzes“ und der „Capitalpräponderanz“, das die Wahrnehmung der realen Abläufe der Gesellschaftswirtschaft durch privilegierte soziale Partikularinteressen verzerre.[27] Mit der parallelen Analyse der historisch-sozialen und der logischen Bedeutungsebenen von Begriffen prägte er v.a. Adolph Wagner, Heinrich Dietzel, Max Weber sowie Werner Sombart und trug laut Joseph Schumpeter maßgeblich zur „Gesamtauffassung“ und zu den „Grundbegriffen“ der Sozialökonomik bei.[28]
Der Ökonom und Staatswissenschaftler Albert Schäffle gilt als einer der ersten deutschsprachigen Soziologen. Ab 1860 war er mehr als vier Jahrzehnte einer der Herausgeber der Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft, welche zu dieser Zeit ein zentrales Publikationsorgan der interdisziplinären sozial-ökonomischen Wissenschaftsgemeinschaft war. Mit seinen stark organologisch-institutionell angelegten Arbeiten grenzte er sich von der Klassik ab, ohne jedoch auf eine rein historisch-ethische Darstellung zu verfallen (v.a. Gesellschaftliches System der Wirtschaft 1867 u. Bau und Leben des socialen Körpers 1875-78[29]).
Schäffle postulierte, dass die „Wirtschaftswissenschaft eine Gesellschaftswissenschaft“ sei. Eine explizite Begriffsabgrenzung zwischen „Gesellschafts-, [und] Nationalökonomie“ (wie bei Karl Rodbertus) findet sich bei Schäffle nicht. So wies er einer weiterhin meist national gedachten Gesellschaft einen „gemeinwirtschaftlichen“ Charakter zu, den er „streng nationalökonomischen“ Studien unterzog. Hiervon unterschied er das „privatwirtschaftliche System der bürgerlichen Gesellschaft“, welches wiederum von nationalökonomischen Erwägungen abweichende „privatwirtschaftliche Grundlehren“ erfordere (Privatwirtschaftslehre). Das vielzitierte Wort des Historischen Nationalökonomen Wilhelm Roscher - „Ausgangspunkt, wie Zielpunkt unserer Wissenschaft ist der Mensch“ - geht auf die direkte Anregung durch ihn zurück. Schäffle steht für die erste sozialwissenschaftliche Annäherung einer spezifischen historisch-ethischen Nationalökonomie an die theoretische Nationalökonomie im Vorfeld der Jüngeren Historischen Schule Gustav Schmollers.[30]
Mehrere Vertreter eines Wissenschaftskonzepts der Sozialökonomik verorteten die Zukunft der Wirtschaftswissenschaft bereits früh in einem anthropologisch-weltwirtschaftlichen Bezugsrahmen (vgl. Anthropozän). Sie gingen damit sozialwissenschaftlich sowohl über die Klassik als auch die Historische Schule hinaus, ohne diese jedoch als berechtigte Forschungsperspektiven verwerfen zu müssen.
1861 forderte Albert Schäffle, den Menschen als das Wesen mit einem freien und „bewussten Willen“ in den Mittelpunkt zu stellen, da allein für dessen Zwecke gewirtschaftet werde. Das Wirtschaften sei „Kulturtätigkeit“, kein „Naturprozess“. „In diesem Sinn verlangen wir eine ethisch-anthropologische, statt einer chrematistischen Nationalökonomie.“ Als praktische Konsequenz erschien Schäffle etwa die Begrenzung des persönlichen Privateigentums für Zwecke des „lebendigen sozialen Zusammenhangs“ und des „sozialen Bedürfnisses“ als selbstverständlich, da es unter anthropologischen Gesichtspunkten „keine rein isolierten Persönlichkeiten“, sehr wohl aber „gemeinsame Güter“ gebe.[31] Im Sinne der unterschiedlichen historisch-sozialen Verhältnisse griff er die klassische Lehre von Arbeit, Kapital und Natur als „mechanischer“ Produktionsfaktoren an.
Albert Schäffle über den „ethisch-anthropologischen Standpunkt in der Nationalökonomie“:
„Wenn man den Menschen als ethisches, als Kulturwesen in den Mittelpunkt rückt, ihn zum Agens und Ziel des Wirthschaftens erhebt, ist es absolut ausgeschlossen, den Erzeugungsproceß als Naturproceß, als Produkt dreier mechanisch aufeinander wirkender ‚Faktoren,‘ als Zusammenfluß dreier ebenbürtiger Kräfte aufzufassen. […] der Mensch, der reale, kulturhistorische Mensch [ist] der treibende Mittelpunkt, der Faktor im eigentlichen Sinne des Wortes […]“[32]
1871 sah Karl Rodbertus das Zeitalter der Anthropokratie (Menschenherrschaft) gekommen. Er forderte das Ende der deterministischen Ökonomik und griff die physiokratischen Denkmuster in der Klassik an (v.a. den Grundsatz Laissez-faire). „Wir müssen diesen ‚Naturgesetzen‘ freie, sittliche, neubelebende Menschengesetze substituiren […] Wir müssen es und wir können es. Denn wir Menschen vermögen ‚das Unmögliche‘; wir dürfen [‚]alles Irrende, Schweifende nützlich verbinden.‘“ An die Stelle blinder Bewegungsgesetze sollte die Auffassung von der Selbstorganisation des „freien geschichtlichen Organismus“ der Menschheit treten.[33]
Karl Rodbertus in den Sozialen Briefen zum „moralischen“ statt „mathematischen“ Gesamtzusammenhang menschlicher Wirtschaft:
„Sie [die individualistische Nationalökonomie] hat z.B. den Begriff des Vermögens des Einzelnen zum Grunde gelegt, ohne zu bedenken, daß das Vermögen eines mittelst der Theilung der Arbeit mit Anderen vergesellschafteten Menschen etwas ganz Anderes ist, als das eines völlig isolirt wirthschaftenden Individuums. […] Sie hat gethan, als ob die Gesellschaft nur eine Summe verschiedener wirthschaftlicher Einer, ein mathematisches und kein moralisches, denn das heißt sociales Ganze wäre, als ob sie selbst, die Staatswirthschaft, nur ein Aggregat individueller Wirthschaften und keine organische Gesammtwirthschaft wäre […].“[34]
Max Weber betrachtete 1895 die Volkswirtschaftslehre ebenfalls als „Wissenschaft vom Menschen“.[35] Anders als Schäffle und Rodbertus thematisierte er die normative Problematik der Werturteile einer derart selbstbezogenen anthropologischen Forschung. Rodbertus war etwa noch überwiegend von einer auf Harmonie und Gleichgewicht abstellenden, also klassisch-aufklärerisch geprägten Moralphilosophie der Ökonomik ausgegangen. Weber versuchte hingegen, Bereiche und Wirkung von vorgelagerten Werturteilen und Wertbeziehungen in den Sozialwissenschaften auszuloten, um eine kritische Reflexion unterschiedlicher methodologischer Denkvoraussetzungen (Axiome) zu ermöglichen.
Webers eigene methodologische Verbindung von verstehender Deutung und erklärender Analyse menschlicher Ökonomien konnte sich zwar durchaus an der rationalen Aufklärung über Naturzusammenhänge anlehnen. Letztlich musste sie aber historisch-sozial informierte Wirklichkeitswissenschaft und damit kulturbezogene Wissenschaft vom Menschen bleiben. Disziplinäre Axiome, die ausschließlich in unterschiedlichen Methodenlehren begründet lagen (z.B. Geschichte oder Theorie), bezeugten Weber weniger ein allgemein wissenschaftliches denn ein spezifisch weltanschauliches Interesse. Methoden blieben Mittel zum Zweck, sie waren dem umfassenden Erfassen und Erkennen des Forschungskomplexes der menschlichen Kultur nachgelagert.
Max Weber im sogenannten Objektivitätsaufsatz (1904):
„Die Sozialwissenschaft, die wir treiben wollen, ist eine Wirklichkeitswissenschaft. Wir wollen die uns umgebende Wirklichkeit des Lebens, in welches wir hineingestellt sind, in ihrer Eigenart verstehen – den Zusammenhang und die Kulturbedeutung ihrer einzelnen Erscheinungen in ihrer heutigen Gestaltung einerseits, die Gründe ihres geschichtlichen So-und-nicht-anders-Gewordenseins andererseits.“[36]
Die Zeit von ca. 1870 bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war von belebenden Kontroversen unter konkurrierenden Auffassungen von Ökonomik geprägt. Sie ging als Periode des Methoden- und Werturteilstreits in die Geschichte ein, wobei die geführten Debatten keineswegs nur als methodologische Binnenkonflikte, sondern als Teil sozial- und kulturwissenschaftlicher sowie disziplintheoretischer Zukunftsdiskurse wahrgenommen wurden. Im Zentrum standen die Auseinandersetzungen zwischen den „Theoretikern“ und den „Historikern“ unter den Ökonomen und der Konflikt um die Wertfreiheit der Sozialwissenschaften.[37] Die ersten programmatischen Wissenschaftskonzepte der Sozialökonomik gingen unmittelbar aus diesen Spannungen hervor.
Lujo Brentano über Vielfalt und mangelnde „Übereinstimmung“ in der Volkswirtschaftslehre:
„Fast auf jeder deutschen Universität wird die Volkswirtschaftslehre in einer von der Behandlung der anderen verschiedenen Weise vorgetragen, und wo mehrere Professuren bestehen – zur Verzweiflung der Schüler – oft an derselben Universität. Einer der berühmtesten deutschen Nationalökonomen, Lorenz von Stein, hat den Professor definirt als ‚Jemand, der anderer Meinung ist.‘ Wäre diese Definition zutreffend, so wären die Professoren der Volkswirtschaftslehre offenbar das Ideal der Professoren […]“[38]
Oftmals wird der Methodenstreit auf die Streitfrage von Deduktion oder Induktion reduziert. Dabei machte er die Diskussion um allgemein-gültige und bedingt-gültige Erkenntnismöglichkeiten zum Gegenstand zahlreicher weiterer Einzelstreitfragen, die auf den Gegensatz von Theorie und Geschichte bezogen werden konnten (z.B. a priori vs. a posteriori, ex ante vs. ex post, methodologischer Individualismus vs. Kollektivismus und Holismus, Philosophie vs. Realität, Naturwissenschaft vs. Kultur- bzw. Geisteswissenschaft).[39]
Eugen Böhm-Bawerk kritisiert die erkenntnistheoretische Einseitigkeit der Historischen Schule:
„Die klassische Nationalökonomie hat Theorie ohne Geschichte getrieben; die historische Nationalökonomie ist im besten Zuge[,] Geschichte ohne Theorie zu treiben, […] aber die Zukunft muß und wird einem dritten Wahlspruch gehören: ‚Geschichte und Theorie!‘“[40]
Die an den Universitäten noch vorherrschende historische Richtung geriet zunehmend unter Druck, die Volkswirtschaftslehre zu einer wirtschaftstheoretisch fundierten und dadurch statistisch wie wirtschaftspolitisch prognosefähigen Disziplin umzugestalten. Die wissenschaftspolitischen Allianzen verschiedenster ökonomischer Strömungen setzten sich je nach Methodenschwerpunkt zusammen, so dass z.B. der Staatssozialismus um Adolph Wagner und Werner Sombart genauso wie die individualistisch geprägte Österreichische Schule um Carl Menger und Eugen Böhm-Bawerk den theoretischen Standpunkt betonten, obwohl sie wirtschaftspolitisch zu entgegengesetzten Urteilen kamen. Später sollten sich beide Richtungen tatsächlich im Umfeld der sozialökonomischen Konzeptionen wiederfinden.
Franz Oppenheimer zur synthetischen Methodik einer sozial-ökonomischen Geschichtsauffassung:
„Das ist der Hauptinhalt der sozial-ökonomischen Geschichtsauffassung und der Sozialwissenschaft überhaupt: denn Historik und Ökonomik sind nur zwei verschiedene Ansichten desselben wissenschaftlichen Objektes, des menschlichen Kollektivlebens; jene stellt seine Entwickelungsgeschichte, diese seine Physiologie dar, jene arbeitet sozusagen mit Längs-, diese mit Querschnitten; beide zusammen erst geben die volle Erkenntnis.“[41]
Insgesamt zeigte der Methodenstreit, dass eine strikte Trennung von Erfahrungswissen und Verstandeswissen weder möglich, noch – mit Immanuel Kant – erkenntnistheoretisch angezeigt ist: „Alle Kultur der Erkenntnisvermögen teilt sich in zwei Zweige auf: Geschichte und Philosophie.“[42] Die methodologische Integration beider Erkenntniswege in eine sozial- und wirtschaftswissenschaftliche Einzeldisziplin – wie sie die Sozialökonomik im Zuge des Methodenstreits anzustreben begann – war jedoch damit noch nicht erreicht.
In die Methodenfrage von Geschichte und Theorie wurde im Rahmen des Werturteilsstreits eine dritte strittige Größe einbezogen, die Wissenschaftsethik. Auslöser war die weitverbreitete Verschränkung von Wirtschaftswissenschaft und Wirtschaftspolitik, also die Verbindung von spezifisch methodischer Sein-Beschreibung und Sein-Analyse mit spezifischen Vorstellungen eines normativen Sein-Sollens. So hatten die Liberalen der theoretisch geprägten sog. Manchesterschule (Kongreß deutscher Volkswirte) wie Heinrich B. Oppenheim und die historisch-ethisch orientierten sog. Kathedersozialisten (Verein für Socialpolitik) wie Gustav Schmoller teilweise sehr erfolgreich Einfluss auf Gesetzgebung und Politik genommen.
Schmoller sprach sich für eine bewusst-selbstreflexive Haltung zu den unvermeidlichen eigenen Werturteilen und Interessen aus. Er argumentierte vor allem mit objektiven Werten, die der Ökonomik, egal welcher subjektiven Wertorientierung der einzelne Ökonom noch nachstrebe, seit jeher innewohnten, v.a. mit dem Streben nach dem Gemeinwohl. In diesem Sinne habe die Wirtschaftswissenschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts über alle methodologischen und politischen Gräben hinweg eine objektivierende Wirkung gehabt. Wenn auch idealisierende Wertvorstellungen vom praktischen Zweck der Wissenschaft weiter existierten, so seien diese an den Lehrstühlen der Universtäten nicht identisch mit denjenigen, die in Parteizeitschriften und anderen Organisationen des Klasseninteresses vorherrschten.[43]
Max Weber zu Gustav Schmollers These der objektiven ethischen Konvergenz:
„Denn der radikalste Zweifel ist der Vater der Erkenntnis. […] Die spezifische Funktion der Wissenschaft scheint mir […]: daß ihr das konventionell Selbstverständliche zum Problem wird.“[44]
Max Weber sprach sich für eine strenge Trennung von Werturteil- und Methodenfragen aus. Aus einem methodisch ermittelten Sein könne nicht methodisch auf ein Sollen geschlossen werden (Humes Gesetz). Dies gelte für vermeintlich historisch entwickelte „Kulturwerte“ ebenso wie für theoretische „Grundprinzipien“ des Wirtschaftens. Allerdings machte Weber deutlich, dass der Zweck bzw. das Erkenntnisziel einer sozialwissenschaftlichen Disziplin wie der Ökonomik in jedem Falle wertgebunden und damit a priori gesetzt werde (Axiom). Dabei verbürge die Allgemeinheit und Ergebnisoffenheit eines gemeinsamen Zwecks größere Wirklichkeitsnähe als eine strittige „Wahl der Zwecke“, welche die Wissenschaften beschränkten Erkenntnisinteressen unterordnen und damit einer ungenügenden Methodik sowie einer einseitigen Normativität zuführen könne.
Max Weber über eine möglichst ergebnisoffene Formulierung des Forschungszwecks einer umfassenden sozialökonomischen Disziplin:
„Es ist einfach eine Naivität, wenn auch von Fachmännern gelegentlich immer noch geglaubt wird, es gelte, für die praktische Sozialwissenschaft vor allem ‚ein Prinzip‘ aufzustellen und wissenschaftlich als gültig zu erhärten, aus welchem alsdann die Normen für die Lösung der praktischen Einzelprobleme eindeutig deduzierbar seien.“[45]
„Die zu theoretischen Zwecken nützlichen Fiktionen der reinen [theoretischen] Oekonomik können aber nicht zur Grundlage von praktischen Wertungen realer Tatbestände gemacht werden. […] Denn – um nur eins zu erwähnen – hinter der ‚Handlung‘ steht: der Mensch. Für ihn kann die Steigerung der subjektiven Rationalität und objektiv-technischen ‚Richtigkeit‘ des Handelns als solche über eine gewisse Schwelle hinaus – ja, von gewissen Anschauungen aus ganz generell – als eine Gefährdung wichtiger (z. B. ethisch oder religiös wichtiger) Güter gelten.“[46]
Bei der Entwicklung einer integrativen Position in den Gegenstandsbereichen der Geschichte, Theorie und Ethik profitierte der sozial-ökonomische Diskurs von grundlegenden Entwicklungen im Bereich der Wissenschaftsphilosophie. In Reaktion auf die naturalistisch rationalisierte Aufklärung und ihren Anspruch, selbst historische, soziale und ethische Gegenstände naturalistisch verstehen und erklären zu können, war die Wissenschaftslehre von den Natur- und den Geisteswissenschaften entstanden.
Die einflussreichen Programme der historischen Schulen des 19. Jahrhunderts (z.B. Geschichtliche Methode, Wilhelm Roscher 1843; Historik, Johann Gustav Droysen 1868; Geisteswissenschaften, Wilhelm Dilthey 1883)[47] stellten heraus, dass die Mensch- und Menschheitswissenschaften „die Geschichte“ nicht als erledigte Vergangenheit betrachten oder mit abgestorbenen Anschauungsmaterial verwechseln dürften. Ebenso wenig könne die Geschichte, wie u.a. Georg Simmel betonte (Probleme der Geschichtsphilosophie 1892), in Form von universellen Geschichtsphilosophien „richtig“ interpretiert, auf „natürliche“ und „ewige“ Prinzipien reduziert werden. Sie könne nicht als überzeitlicher Ziellauf einer generellen Vernunft interpretiert werden, weil derartige Zuschreibungen immer auf den subjektiven Werten des Interpreten basierten (z.B. Fortschritts-, Kreislauf- oder Gleichgewichtsdenken).[48]
Vielmehr verbinde die Geschichte als Erfahrungshorizont den Menschen einerseits mit dem Gewesen-Sein und Werden seines individuellen und gattungsmäßigen Selbst sowie andererseits mit dessen denkbaren Zustandsmöglichkeiten. Subjekt und Objekt würden nicht, wie in den Naturwissenschaften, durch Erklärung in eine äußerliche und gesetzesmäßige Beziehung gebracht, sondern durch sinnhaftes Verstehen (Hermeneutik) aus der menschlichen Innenansicht heraus zueinander geführt – zur Sach- tritt die Selbsterkenntnis.[49] Wilhelm Dilthey prägte dafür den Satz: „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir.“[50]
Die neukantianischen Wissenschaftsphilosophen Wilhelm Windelband und Heinrich Rickert prägten eine Lehre der Wissenschaften, die spezifische systematische Erkenntnisinstrumente nach spezifischen Erkenntniszielen unterschied. Windelband legte die Unterscheidung von nomothetischen und idiographischen Wissenschaften zugrunde (Gesetzes- und Wirklichkeitswissenschaften). Diese ordnete Rickert wiederum den Kategorien der generalisierenden Naturwissenschaften und der individualisierenden Kulturwissenschaften zu.[51] Beide akzeptierten Diltheys Betonung der Hermeneutik für die Geistes- bzw. Kulturwissenschaften, ließen aber auch „natur-“ bzw. gesetzeswissenschaftliche Erklärungen gesellschaftlicher Zusammenhänge unter Vorbehalten gelten.[52]
Rickert entwickelte dabei eine Erkenntnistheorie der Heterologie, die eine Wissenschaft nicht aus einer definitorischen Objekt-Klassifikation (Definition der Gattung), sondern aus der ihr zugrunde gelegten Wertbeziehung als Bedeutungszusammenhang bzw. Auswahlprinzip heterogener Untersuchungsobjekte hervorgehen lässt (Definition des Zwecks). Das daran ausgerichtete Erkennen muss andersartige Erkenntnisobjekte im Erkenntnisganzen nicht methodisch zwingend in genetischer, hierarchischer, mathematischer oder dialektischer Konstellation ordnen, sondern kann sie heterothetisch (von Heterothese bzw. „Anderthese“) kombinieren und sie so zu einer verbundenen Synthese zusammenführen, zu einer „Einheit der Mannigfaltigkeit“.[53] Rickert habe gezeigt, so Werner Flach, dass „das Letzte, was wir zu denken vermögen, mindestens eine Zweiheit darstellt“ und dass damit der „erkenntnistheoretische Pluralismus eine (endgültige) Begründung“ erhalten habe.[54]
Eine disziplinäre Zweck-Definition findet sich in Max Webers Auffassung der Sozial- und Wirtschaftswissenschaft als „wissenschaftliche[r] Erforschung der allgemeinen Kulturbedeutung der sozialökonomischen Struktur des menschlichen Gemeinschaftslebens und seiner historischen Organisationsformen“.[55] Diese allgemeine Form der Verbindung von Entwicklung und Struktur kann auch für andere Konzeptionen der Sozialökonomik als kennzeichnend gelten, wobei die methodologische Heterogenität des Faches aufgrund seiner Zusammenschau des Andersartigen jeweils vorausgesetzt wurde.
Die wachsende Kluft zwischen „ethischen“, „kulturwissenschaftlichen“, „politischen“ und „sozialen“ Ökonomen auf der einen und den „theoretischen“, „mathematischen“ und „naturwissenschaftlichen“ Ökonomen auf der anderen Seite drohte, den disziplinären Diskurs auf Dauer zu spalten. Dabei war dieser Diskurs in den Jahrzehnten vor und nach 1900 keinesfalls nur dualistisch angelegt und bildete zahlreiche Probleme und Fragestellungen der damaligen Zeit ab, welche innerhalb eines diskursiven Netzwerks mit sozialen, politischen und ökonomischen Sachverhalten in Verbindung gebracht wurden.
Im Folgenden werden einige dieser Diskurselemente anhand ihrer Inhalte sowie mit diesen in Verbindung stehenden Personen und Institutionen aufgeführt. Die Diskursfelder ihrerseits lassen sich u.a. in Anlehnung an die vier „fundamental fields“ entfalten, wie sie der zeitgenössische Disziplinhistoriker der Sozialökonomik, Joseph Schumpeter, dargelegt hat: Geschichte, Statistik, Theorie und Wirtschaftssoziologie bzw. Sozialökonomik.[56] Über den sozial-ökonomischen Kerndiskurs hinaus sind interdisziplinäre, ethische, rechtliche, politische und supradisziplinäre Bezüge berücksichtigt, wie sie sich aus der Geistesgeschichte der europäischen Neuzeit ergeben.
Personen- und ideengeschichtliche Rück- und Vorgriffe sowie semantische Übergänge in „nicht-wissenschaftliche“ Diskursbereiche sind über den Darstellungszeitraum (1850 bis 1970) hinweg fließend gehalten, sofern sie wissenschaftshistorisch in Betracht kommen. Die Mehrfachnennung von Personen ist möglich. Auflistungen erfolgen nicht primär nach chronologischen, sondern nach inhaltlichen Gesichtspunkten.
historisch-soziale Knotenpunkte:
Adam Müller, Friedrich List, Bruno Hildebrand, Karl Knies, Wilhelm Roscher, Gustav Cohn, Wilhelm Neurath, Lujo Brentano, Gustav Schmoller, Gustav Schönberg, Georg F. Knapp, Robert René Kuczynski, Johannes Conrad, Wilhelm Lexis, Karl Bücher, Franz Eulenburg, Bernhard Harms, Arthur Spiethoff, Carl Brinkmann sowie die sog. Kathedersozialisten des frühen Vereins für Socialpolitik
Albert Schäffle, Otto Hintze, Richard T. Ely, Georg Simmel, Max Weber, Edgar Jaffé, Alfred Weber, W. E. Burghardt „W. E. B.“ Du Bois, Franz Oppenheimer, Heinrich Herkner, Werner Sombart, Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld, Othmar Spann, Johann Plenge, Alfred von Martin, Edgar Salin, Albert Salomon, Helmuth Plessner, Norbert Elias, Hans Freyer, Alfred Müller-Armack, Alexander Rüstow, Karl Polanyi, Gottfried Eisermann
Herbert B. Adams, Richard T. Ely, John B. Clark, Henry C. Adams, Edwin R. A. Seligman, Edmund J. James, Simon N. Patten (Gründergeneration der American Economic Association), sowie Walton H. Hamilton, John R. Commons, Thorstein Veblen, Wesley C. Mitchell, John M. Clark, John K. Galbraith, Robert Liefmann, Karl William Kapp
Henri de Saint-Simon, Auguste Comte, Herbert Spencer, Jacob Burckhardt, Wilhelm Wundt, Ernst Cassirer, Eberhard Gothein, Karl Lamprecht, für die Philosophische Anthropologie: Max Scheler, Helmuth Plessner, Arnold Gehlen, für die Annales-Schule: Marc Bloch, Lucien Febvre, Fernand Braudel, für die Bielefelder Schule bzw. Historische Sozialwissenschaft: Hans-Ulrich Wehler, Jürgen Kocka; für die Weltsystem-Theorie: Immanuel Wallerstein
theoretisch-formale Knotenpunkte:
Adam Smith, Thomas Robert Malthus, David Ricardo, Jean-Baptiste Say, John Stuart Mill, für die deutschsprachige Ökonomik u. Agronomie: Albrecht Thaer, Johann Heinrich von Thünen, Karl Heinrich Rau, Hermann Heinrich Gossen
Alfred Marshall, William Stanley Jevons, Léon Walras, John B. Clark, Irving Fisher, Philip Henry Wicksteed, Paul Howard Douglas, Charles Wiggins Cobb, Paul A. Samuelson, Robert M. Solow, für die Österreichische Schule: Carl Menger, Frank A. Fetter, für die Theoretische Sozialökonomik: Heinrich Dietzel, für die Schwedische Schule: Knut Wicksell, Gustav Cassel
Carl Menger, Eugen von Böhm-Bawerk, Frank A. Fetter, Friedrich von Wieser, Joseph Schumpeter, Ludwig von Mises, Friedrich Hayek (u.a. methodologischer Individualismus, Verhaltens- und Grenznutzentheorie, Unternehmer- und Innovationstheorie, Theorie der wirtschaftlichen Entwicklung)
für die Birmingham Currency School: Thomas Attwood, Matthias Attwood; Jean-Charles-Léonard Simonde de Sismondi, Karl Rodbertus, John A. Hobson, Michał Kalecki, für den (Post-)Keynesianismus: John M. Keynes, Richard Kahn, Joan Robinson, Nicholas Kaldor, John R. Hicks, für die Neoricardianische Schule: Piero Sraffa
Henri de Saint-Simon, Karl Rodbertus, Ferdinand Lassalle, Karl Marx, Friedrich Engels, Adolph Wagner, Eugen Dühring, Werner Sombart, Eduard Bernstein, Karl Kautsky, John A. Hobson, Rosa Luxemburg, Johann Plenge, Michail Iwanowitsch Tugan-Baranowski, Rudolf Hilferding, Eduard Heimann, Michał Kalecki, Jürgen Kuczynski (u.a. methodologischer Kollektivismus oder Holismus, Klassen- und Kapitalismustheorie, Verteilungs- und Konflikttheorie, Imperialismustheorie, makroökonomische Unterkonsumtions- und Profittheorie)
Lewis H. Morgan, Henry T. Buckle, Friedrich Engels, Karl Marx, Franz Mehring, Rudolf Stammler
Ferdinand Tönnies, Georg Simmel, Gustav Ratzenhofer, Rudolf Goldscheid, Émile Durkheim, Robert Michels, Friedrich von Wieser, Leopold von Wiese, Alfred Schütz, Karl Mannheim, Talcott Parsons, Jürgen Habermas, Werner Hofmann, Niklas Luhmann, Ralf Dahrendorf
Max Horkheimer, Theodor W. Adorno, Herbert Marcuse, Erich Fromm, Leo Löwenthal, Franz L. Neumann, Otto Kirchheimer, Friedrich Pollock, Walter Benjamin
Wolfgang Abendroth, Heinz Maus, Werner Hofmann
Robert N. Bellah, Amitai Etzioni
ethisch-politische Knotenpunkte:
Wilhelm Emmanuel von Ketteler, Wilhelm Hohoff, Joseph Mausbach, Franz Hitze, Heinrich Weber, Heinrich Pesch, Papst Leo XIII. (Sozialenzyklika Rerum Novarum 1891), Karl Wasserrab, Theodor Brauer, Oswald von Nell-Breuning, Hans Küng, für die vormalige Catholic Economic Association (1941/42) bzw. Association for Social Economics (seit 1970): Thomas F. Devine, Bernard W. Dempsey
Johann Hinrich Wichern (Innere Mission u. Diakonie), Christoph Blumhardt, Adolf Stoecker, Rudolf Todt, Friedrich von Bodelschwingh d.Ä. (Hochschule Bethel), Rudolph Sohm, Caspar René Gregory, Friedrich Naumann, Paul Göhre, Gertrud Bäumer, Gottfried Traub, Adolf von Harnack, Ernst Troeltsch, Paul Tillich, Karl Barth sowie der Evangelisch-Soziale Kongress (1890)
Thomas Hobbes, Jeremy Bentham, John Stuart Mill
Richard Cobden, John Bright, Harriet Martineau, Jean-Baptiste Say, Frédéric Bastiat, John Prince-Smith, Eugen Richter, Henry Charles Carey
Friedrich Hayek, Albert Hunold, Ludwig von Mises, Karl Popper, Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow, für die Chicagoer Schule: Frank Knight, George Stigler, Milton Friedman, für die Sozialökonomische Verhaltensforschung: Günter Schmölders
Friedrich Wilhelm Schulz, Friedrich Naumann, Eugen von Philippovich, Franz Oppenheimer, Gerhart von Schulze-Gaevernitz, Adolf Weber, Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack
Walter Eucken, Franz Böhm, Leonhard Miksch, Hans Großmann-Doerth, Arbeitsgemeinschaft Erwin von Beckerath
Alfred Müller-Armack, Ludwig Erhard, Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke, Günter Schmölders, Franz Böhm, Karl Schiller
Max Hirsch, Franz Duncker, Ferdinand Lassalle (Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein 1863), Johann Baptist von Schweitzer, Wilhelm Hasenclever, Wilhelm Liebknecht, August Bebel, Karl Kautsky, Clara Zetkin, Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht, für den Revisionismus: Karl Höchberg, Carl August Schramm, Karl Flesch, Eduard Bernstein
Eduard Baltzer, Louise Otto-Peters, Marianne Weber, Anita Augspurg, Clara Zetkin, Hermann Schulze-Delitzsch, Friedrich Wilhelm Raiffeisen, Karl Marlo, Theodor Hertzka, Henry George, Adolf Damaschke, Silvio Gesell, Wilhelm Ostwald, Ernst Bloch (u.a. Renten- und Zinstheorie, Bodenreform, Produktions-, Wohnungsbau- u. Siedlungs-, Kredit- und Konsumgenossenschaften, alternative Geldtheorie und -reform, Freiwirtschaft, energetisch-physikalische Kulturtheorie, Konkrete Utopie)
Charles A. Beard, James Harvey Robinson, Thorstein Veblen, Wesley C. Mitchell, Alvin S. Johnson, Hannah Arendt, Emil Lederer, Hanns Eisler, Alfred Schütz, Albert Salomon, Erich Fromm, Karl Löwith, Marie Jahoda, Arnold Brecht, Eduard Heimann, Adolf Löwe (Adolph Lowe), Hans Jonas, Hans Simons, Helmuth Plessner
rechts- und staatspolitische Knotenpunkte:
Thomas Hobbes, William Petty, Hugo Grotius, John Locke, Samuel Pufendorf, Christian Wolff, Jean-Jacques Rousseau, Thomas Paine, David Hume, Immanuel Kant
Johann Gottlieb Fichte, Georg W. F. Hegel, Henri de Saint-Simon, Pierre-Joseph Proudhon, Lorenz von Stein, Karl Rodbertus, Rudolf von Gneist, Adolph Wagner, Gustav Schmoller, Otto von Gierke, Hugo Preuß, für die Sozialrechtliche Schule: Rudolf Stolzmann, Rudolf Stammler, Karl Diehl; für das Staats- und Völkerrecht: Ferdinand von Martitz, Walther Schücking, Hans Kelsen
Ferdinand Lassalle, Anton Menger, Carl Bulling, Anita Augspurg, Karl Flesch, Philipp Lotmar, Hugo Sinzheimer, Hermann Heller, Otto Kahn-Freund, Ernst Fraenkel, Franz L. Neumann, Thilo Ramm
Lorenz von Stein, Rudolf von Jhering, Philipp Heck, Eugen Ehrlich, Max Weber, Friedrich von Wieser, Niklas Luhmann
wissenschafts- und erkenntnistheoretische Knotenpunkte:
Immanuel Kant, Friedrich Schleiermacher, Friedrich Ast, Friedrich Carl von Savigny (Historische Rechtsschule), Ferdinand Christian Baur (Tübinger Schulen), Adam Müller, Friedrich List, Leopold von Ranke, Johann G. Droysen, Theodor Mommsen, Wilhelm Roscher (Historische Schule der Nationalökonomie), Karl Knies, Wilhelm Dilthey (Kategorie der Geisteswissenschaften), Adolf von Harnack (Historische Theologie), Ernst Troeltsch (Religionsgeschichtliche Schule), Karl Lamprecht (Institut für Kultur- und Universalgeschichte), Marc Bloch, Lucien Febvre (Annales-Schule), Hans-Ulrich Wehler, Jürgen Kocka (Bielefelder Schule)
Francis Bacon, Thomas Hobbes, William Petty, John Locke, Auguste Comte, Herbert Spencer, John Stuart Mill, Gottlob Frege, Rudolf Carnap, Ludwig Wittgenstein, für den Wiener Kreis: Hans Hahn, Otto Neurath, Kurt Gödel, Karl Menger, Richard von Mises
für die Marburger Schule: Friedrich Albert Lange, Hermann Cohen, Paul Natorp, Karl Vorländer, Rudolf Stammler, Walther Schücking; für die Südwestdeutsche Schule: Wilhelm Windelband, Heinrich Rickert
Immanuel Kant, Johann Gottlieb Fichte, Adam Müller, Friedrich W. J. Schelling, Georg W. F. Hegel, Henri de Saint-Simon, Johann Caspar Bluntschli, Georg Jellinek, Gustav Radbruch, Hans Kelsen
Christian Wolff, Samuel Pufendorf (mos geometricus), Friedrich Carl von Savigny (Historische Rechtsschule), Georg Friedrich Puchta, Bernhard Windscheid (Pandektenwissenschaft), Rudolph von Jhering, Philipp Heck (Interessenjurisprudenz)
Friedrich Schleiermacher, Wilhelm von Humboldt, Wilhelm Dilthey, Eduard Spranger, Theodor Litt
Von Beginn an trat die Sozialökonomik weniger als klarer definitorischer Gattungsbegriff denn als allgemeine Zweckorientierung des sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Erkenntnisinteresses auf. Als Ausdruck eines programmatischen integrativen Disziplinmodells formierte sich die Sozialökonomie, Sozialwirtschaftslehre bzw. Sozialökonomik erstmals zu Beginn der 1880er-Jahre im Umfeld des Berliner Ökonomen und Staatswissenschaftlers Adolph Wagner, welcher vor allem Karl Rodbertus und Albert Schäffle als seine Einflüsse kennzeichnete und seinerseits z.B. Heinrich Dietzel, Werner Sombart und Max Weber beeinflusste. Wagner lehrte 45 Jahre an der Friedrich-Wilhelms-Universität und prägte Generationen, die in den Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, im Staatsrecht, im Staatsbeamtentum oder im Journalismus tätig wurden. Franz Oppenheimer formulierte anlässlich seines Todes, dass „wir Berliner Akademiker“ in Wagner „unseren lieben und verehrten Altmeister“ sahen.[57]
Erste programmatische Texte stellten Adolph Wagners Antikritik (1883) sowie seine Systematische Nationalökonomie (1886) dar, welche an die Diskussion von Gustav Schönbergs Handbuch der politischen Oekonomie (1882) anknüpften.[58] Darin kritisierte er einseitige Auffassungen sowohl auf Seiten der historisch-gesellschaftlichen (Gustav Schmoller) wie auch der theoretisch-individualistischen Ökonomik (Carl Menger) und betonte die Notwendigkeit, beide Perspektiven in einer Wissenschaft der Socialökonomie zusammenzuführen.
Adolph Wagner zu Beginn des Methodenstreits in der Antikritik (1883):
„Nicht das Aufgehen der Polit[ischen] Oekon[omie] in eine einstweilen noch recht unklare ‚Socialwissenschaft‘ sondern die Umbildung der Polit. Oek. in eine wahre Socialökonomie scheint mir die Aufgabe und, wenn ich auch einmal prophezeien darf, das Resultat der Weiterentwicklung unserer Wissenschaft zu sein.“[59]
Nachdem Wagner 1892 bekundet hatte, sein eigenes bekanntes Lehrbuch in der 3. Auflage nur noch der Konvention halber der Politischen Ökonomie statt der Socialökonomie gewidmet zu haben, vollzog er 1907 schließlich auch offen den Schritt zur Sozialökonomik.[60] Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Entwicklung bezeichnete Adolf Weber ihn 1909 als den „sympathischen Nestor der deutschen sozialökomischen Wissenschaft“.[61] Die aus der Kameral- und Staatswissenschaft (v.a. Karl Heinrich Rau) herrührende disziplinäre Dreigliedrigkeit der öffentlichen Wirtschaftswissenschaften behielt Wagner in seiner Gesamtkonzeption der Sozialökonomik bei:[62]
A. allgemeine bzw. theoretische Wissenschaft (Wirtschaftskunde)
B. spezielle bzw. praktische Wissenschaft (Wirtschaftspolitik)
C. Finanzwissenschaft (Staatswirtschaftslehre)
In seiner 1882 vorgelegten Dissertation unter der Betreuung von Adolph Wagner schied Heinrich Dietzel die kausal-logisch aufgebaute Sozialwirtschaftslehre von der historisch-ethisch motivierten Volkswirtschaftslehre. Der ersten legte er die deduktive und der zweiten die induktive Vorgehensweise als zwar gleichberechtigte Methoden, jedoch letztlich als unvereinbare disziplinäre Axiome zugrunde. Anders als Wagner, der diese Spaltung der Gesamtdisziplin zunächst tolerierte, aber ablehnte, legte Dietzel den Schwerpunkt seiner Überlegungen auf die Rechtfertigung des methodologischen Individualismus im Gefolge der ökonomischen Klassik.[63] Als erster und einziger Biograph von Karl Rodbertus stellte er ab 1886 dessen Werke sowie wissenschafts- und wirtschaftstheoretische Ideen systematisch dar.[64]
Der klassisch orientierte Wirtschaftstheoretiker Heinrich Dietzel formulierte in seiner Theoretischen Socialökonomik (1895) die erste dezidierte Wissenschaftskonzeption der Sozialökonomik aus:
„Zum Siege gelangt, verfiel der Liberalismus in den Fehler, die von ihm vertretene sociale Ordnung für die absolute, ‚natürliche‘ zu halten. Denen, welche diesem Glauben huldigten, verschwand immer mehr die Erkenntniss, dass ein Unterschied natürlicher und socialer Kategorien bestehe. Den Gegnern dieser liberalen Orthodoxie, den Männern der historischen Schule, konnte es nicht in den Sinn kommen, solchen Unterschied, welcher von ihnen nur als Nachklang der verspotteten ‚naturrechtlichen‘ Anschauungsweise rubricirt worden wäre, wieder zu beleben. Ihnen war Alles historisch wandelbar, Nichts natürlich. Erst durch Rodbertus und Ad. Wagner ist der Gegensatz ‚rein-ökonomischer‘ und ‚historisch-rechtlicher‘ Kategorien gewissermaassen neu entdeckt worden.“
„Während Menger die Theorie ‚exact‘ nennt, erkennen die Historiker nur der Historie dieses Epitheton zu. Und Beide mit Recht: denn eine historische Untersuchung, welche einen concreten Vorgang vollendet beschreibt und ursächlich erklärt, darf sich ebenso als ‚exacte‘ bezeichnen, wie eine mittelst der Isolirmethode geführte Untersuchung, welche die Reactionen von ‚Wirthschaftsmenschen‘ auf ein wirtschaftlich relevantes Ereigniss und das daraus sich ergebende Phänomen richtig bestimmt.“
„Wenn demnach der Ausdruck ‚Nationalökonomik‘ nur auf die Analyse gewisser Phasen der concreten wirthschaftlichen Entwicklung zutrifft, so trifft der Ausdruck ‚Socialökonomik‘ auf alle zu.“[65]
Unter Berücksichtigung der Kritik Wagners lieferte Dietzel 1895 im gemeinsamen Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie die erste dezidiert disziplintheoretische Neukonzeption, die aus dem Methoden- und Werturteilsstreit hervorging. Seine bisherige disziplinäre Zweiteilung führte er nun unter dem Begriff der Sozialökonomik zusammen.[66] Abweichend von den traditionellen Disziplingliederungen hielt Dietzel eine Einteilung für wissenschaftstheoretisch und wissenschaftsethisch angebracht, welche die Erkenntnisdimensionen und die ethischen „Zwecksysteme“ trotz gleicher Gegenstände weitgehend selbstständig und damit neutralitätsfördernd einband:[67]
A. Theoretische Sozialökonomik (beschreibend – Sein)
a) Wirtschaftsgeschichte – historisch-rechtliche, soziale Kategorien
b) Wirtschaftstheorie – rein-ökonomische, natürliche Kategorien
B. Praktische Sozialökonomik (vorschreibend – Sein-Sollen)
a) Wirtschaftsethik (normativ)
aa) Individualprinzip (Individualismus)
ab) Sozialprinzip (Kollektivismus)
b) Wirtschaftspolitik (kritisch-technisch)
ba) angewandtes Individualprinzip
bb) angewandtes Sozialprinzip
Max Weber verwendete den Begriff der Sozialökonomik erstmals 1894/95 in seiner Freiburger Vorlesung Allgemeine („theoretische“) Nationalökonomie. Sowohl der Zeitpunkt als auch die Begründung seiner Begriffsnutzung lassen auf eine Entlehnung aus dem Umfeld Adolph Wagners und Heinrich Dietzels schließen. Im Rahmen seiner juristischen Habilitation über die römische Agrargeschichte (1891) hatte er sich eingehend auch mit den methodologischen und begriffstheoretischen Vorarbeiten Karl Rodbertus‘ beschäftigt.[68]
Weber selbst führte 1904 im sog. Objektivitätsaufsatz Wilhelm Roscher und Karl Marx als herausragende Vordenker der „sozialökonomischen Wissenschaft“ an, womit er auf die historische und theoretische Methodik seines eigenen Ansatzes hinwies.[69] Statt zu einer Entscheidung für die Methoden der theoretischen Deduktion oder der historischen Induktion tendierte Weber zur Abduktion als eines kombinierenden, heuristisch angelegten begriffslogischen Verfahrens der „Idee“ des Wirklichen (Idealtypus-Lehre).[70] Ziel sei die „wissenschaftliche Erforschung der allgemeinen Kulturbedeutung der sozialökonomischen Struktur des menschlichen Gemeinschaftslebens und seiner historischen Organisationsformen“.[71]
Wegen seiner Gesamtperspektive auf die historische Genese des gesellschaftlichen Wirtschaftssystems des Kapitalismus und seiner daran ausgerichteten disziplinären Stoffsystematik ist er auch als „bürgerlicher Marx“ (Albert Salomon) bezeichnet worden.[72] Weniger theoretische Gesetzmäßigkeiten als vielmehr historisch-ethische Erwägungen ließen Weber die Möglichkeiten der „inneren Umbildung und die Zukunftschancen des Kapitalismus“ zum Kern des sozialökonomischen Erkenntnisinteresses zählen.[73] Er selbst äußerte die Befürchtung, dass der historisch entstandene „Kosmos der modernen Wirtschaftsordnung, der heute den Lebensstil aller einzelnen, die in dieses Triebwerk hineingeboren werden, mit überwältigendem Zwange bestimmt“, herrschen „wird, bis der letzte Zentner fossilen Brennstoffs verglüht ist“.[74]
Max Weber über die Bedeutung der Problemorientierung bei der disziplinären Bestimmung der Sozialökonomik (Definition über den subjektiven Zweck, nicht über die objektive Gattung des Gegenstands); aus dem Objektivitätsaufsatz anlässlich der Übernahme der Herausgeberschaft des Archivs für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik zusammen mit Werner Sombart und Edgar Jaffé im Jahr 1904:
„Unsere Zeitschrift nun befaßt sich wie die sozialökonomische Wissenschaft seit [Karl] Marx und [Wilhelm] Roscher nicht nur mit ‚wirtschaftlichen‘ sondern auch mit ‚wirtschaftlich relevanten‘ und ‚wirtschaftlich bedingten‘ Erscheinungen. Der Umkreis derartiger Objekte erstreckt sich natürlich, – flüssig, wie er je nach der jeweiligen Richtung unseres Interesses ist, – offenbar durch die Gesamtheit aller Kulturvorgänge.“
„[…] Nicht die ‚sachlichen‘ Zusammenhänge der ‚Dinge‘, sondern die gedanklichen Zusammenhänge der Probleme liegen den Arbeitsgebieten der Wissenschaften zugrunde: wo mit neuer Methode einem neuen Problem nachgegangen wird und dadurch Wahrheiten entdeckt werden, welche neue bedeutsame Gesichtspunkte eröffnen, da entsteht eine neue ‚Wissenschaft‘. […]“[75]
1909 wurde Max Weber von dem Verleger Paul Siebeck mit der Konzeption und Schriftleitung einer neuen Lehrbuchreihe beauftragt. Für deren Titel favorisierte Weber schließlich 1912 die Sozialökonomik als den „modernsten [und] besten Namen der Disziplin“ – in ausdrücklicher Abwendung von der Volkswirtschaftslehre.[76] Mehr noch als Heinrich Dietzel (Ausgliederung der Finanzwissenschaft) wich Weber mit seiner Gliederung von den bisherigen Disziplinmodellen seit der Klassik ab (Ausgliederung der praktischen VWL bzw. Wirtschafts- und Sozialpolitik), was seiner Sozialökonomik langfristig den größten interdisziplinären Einfluss sicherte (z.B. in Soziologie, Politikwissenschaft). Mittelfristig erodierte mit dem Rückgang historisch ausgebildeter Ökonomen die inhaltliche, begriffliche und disziplinäre Bindungskraft seines Ansatzes in der zunehmend theoretischen Wirtschaftswissenschaft.
Webers Wissenschaftskonzeption zeigte sich zuletzt in den originären Planungen der Sammelbandreihe Grundriss der Sozialökonomik (GdS, erschienen ab 1914). Diese verantwortete er stellvertretend für einen Herausgeberkreis allein und schloss demonstrativ ein „theoretisches Muster einer Stoffgruppierung“ bzw. ein „theoretisches Ideal“ aus (wie z.B. historistische und insbesondere (neo-)klassische Dogmatiken à la Principles of Economics von David Ricardo, Carl Menger, Alfred Marshall u.a.).[77] Hierzu konnte es allein schon deshalb nicht kommen, da Weber im Sinne seines hybriden historisch-theoretischen bzw. sozial- und kulturwissenschaftlichen Ansatzes namhafte Ökonomen, Historiker und Sozialwissenschaftler „aus methodisch und politisch verschiedensten Lagern“ in die Mitarbeit eingebunden hatte.[78]
Die Bemühungen Webers um disziplinäre Integration machte bereits die heterologische Gruppierung der Historischen Schule in Person von Karl Bücher und der neoklassisch-österreichischen Gesellschaftstheorie in Person Friedrich von Wiesers im ersten Band des GdS von 1914 deutlich. Dieser „erkenntnistheoretische Pluralismus“ (nach Werner Flach) – der im gleichen Band durch den vermittelnden Beitrag Dogmen- und Methodengeschichte von Joseph Schumpeter unter die gemeinsame sozialökonomische Perspektive gestellt wurde – stand für den ausdrücklich gewünschten „didaktischen Charakter“ sowie die „nach Problemstellung und Stoffverteilung gänzlich heterogene Anlage“ des GdS.[79]
Die Stoff- und Problemsystematik des Grundrisses der Sozialökonomik (Auszug Planungsstand in Band 1 von 1914):[80]
Erstes Buch – Grundlagen der Wirtschaft
Zweites Buch – Spezifische Elemente der modernen kapitalistischen Wirtschaft
Drittes Buch – Die einzelnen Erwerbsgebiete in der kapitalistischen Wirtschaft und die ökonomische Binnenpolitik im modernen Staate
Viertes Buch – Kapitalistische Weltwirtschaftsbeziehungen und äußere Wirtschafts- und Sozialpolitik im modernen Staate
Fünftes Buch – Die gesellschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus und die soziale Binnenpolitik im modernen Staate
Die Heterogenität des Disziplin- und Lehrbuchkonzepts sowie dessen editorische Behandlung nach seinem Tod wurden lange Zeit als Fortschreibung von Webers vielfältigen und außergewöhnlichen Forschungsinteressen begriffen. Es wurde nur selten hinreichend interdisziplinär-diskurshistorisch auf seine verbindenden Elemente und seine Entstehungszeit hin untersucht. So konnte der Politikwissenschaftler Wilhelm Hennis noch 1997 behaupten, „daß diese Bezeichnung [Sozialökonomik] in der Nationalökonomie – außer für Dietzel – für niemanden die geringste, die Sache näher definierende Bedeutung hatte“.[81]
Für andere Weber-Forscher war die Problematisierung ebenso wie der Begriff der Sozialökonomik dagegen der zentrale, aufgrund des frühen Todes unvollendet gebliebene Versuch Max Webers, dem Anspruch einer „Wissenschaft vom Menschen“ disziplinär gerecht zu werden. Weniger in seinen fragmentarischen Einzeldarstellungen zur Wirtschafts- und Sozialwissenschaft als vielmehr in der metadisziplinären „Sozialökonomik als Kulturwissenschaft“ (Heino H. Nau), im „Rahmen einer sozialökonomischen Theorie“ (Dirk Kaesler), in der „sozialökonomischen Konstruktionslogik“ (Bernhard Quensel) und in seiner erkenntnisleitenden sozialökonomischen „Programmatik“ (Hans-Peter Müller) sei bei Weber systematische Geschlossenheit zu finden.[82]
Die Ereignisse des Ersten Weltkriegs nur wenige Monate nach Erscheinungsbeginn des Grundrisses der Sozialökonomik sowie der frühe Tod Max Webers (1920) markierten den Höhe- und Scheitelpunkt des Wissenschaftskonzepts der Sozialökonomik. Nachfolger in der Schriftleitung des Grundrisses wurde Emil Lederer, der die seit Kriegsbeginn stockende Herausgebertätigkeit im Sinne Webers bis zur Einstellung der Arbeiten 1930 fortführte. Lederer leitete in Heidelberg ab 1924 gemeinsam mit dem Bruder Alfred Weber das Institut für Sozial- und Staatswissenschaften (ehemals Volkswirtschaftliches Seminar). Die Wirkung des Lehrbuchs als Gesamtwerk wird als „überaus bescheiden eingeschätzt“ (Dirk Kaesler), wenngleich Teile daraus internationale Reichweite erzielen konnten.[83]
Das Projekt einer disziplinären Integration von Geschichte und Theorie trat im Fachdiskurs in den Hintergrund. Als Kern des methodologischen und auch des wissenschaftsethischen Grundkonflikts blieb es jedoch allgegenwärtig. Die Bereitstellung anwendbarer sozialökonomischer Theorien sowohl zur Analyse wirtschaftspolitischer Einzelfragen als auch zur Beantwortung andauernder gesellschaftlicher Fragen entfaltete v.a. nach 1945 ihre Wirkung (vgl. polit- und rechtsökonomische Konzepte wie das Sozialstaatsprinzip, die Soziale Marktwirtschaft oder den Ordoliberalismus).
Durch die Erfordernisse der Kriegswirtschaft forciert, entwickelte sich die Volkswirtschaftslehre immer mehr zu einer beratenden und instrumentell anwendbaren wirtschaftspolitischen Wissenschaft. Die krisenhafte Lage der Zwischenkriegszeit erhöhte zudem die Nähe zu politischen Parteien und zur Tagespolitik. Selbst der strengste Vertreter der wissenschaftlichen Wertfreiheit, Max Weber, war in der Novemberrevolution von 1918 zum Mitgründer einer politischen Partei geworden (DDP).[84]
Die sozialökonomischen Studien der Zeit bildeten die ganze Bandbreite wirtschaftspolitischer Erwägungen ab. Gustav Cassel, ein ehemaliger Student Adolph Wagners, legte ein post- bis neoklassisch ausgerichtetes Werk vor (Theoretische Sozialökonomie 1918), das von keynesianischer Seite später wegen seines theoretischen Schwerpunktes und wegen seiner Vorwegnahme des Harrod-Domar-Modells als „Wendepunkt in der Entwicklung der Wirtschaftswissenschaft in Deutschland“ gewertet wurde.[85] Einer der Hauptvertreter der wirtschaftsliberalen Österreichischen Schule, Friedrich von Wieser, veröffentlichte 1924 seine Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft (1914) im Grundriss der Sozialökonomik in zweiter Auflage als eigenständige Monographie.[86] Alfred Müller-Armack legte die Grundlagen der kredit- und konjunkturpolitischen Wirtschaftslenkung und seiner Konzeption einer Sozialen Marktwirtschaft (Krisenproblem der Sozialökonomik 1923, Ökonomische Theorie der Konjunkturpolitik 1926).[87] Mit dem ehemaligen Generalsekretär der Sozialisierungskommission (1919), dem Sozialdemokraten Eduard Heimann, vertrat einer der ersten Lehrstuhlinhaber für Sozialökonomie (Hamburg 1925) offen einen ökonomischen und politisch-religiösen Sozialismus (Entwicklungsgang der wirtschafts- und sozialpolitischen Systeme und Ideale 1924, Soziale Theorie des Kapitalismus 1929).[88]
Auf die disziplinäre Weiterentwicklung ausgelegte Konzeptionen zeigten sich etwa in der Kultursoziologie (Alfred Weber 1920/21)[89], in Wirtschaft und Gesellschaft (Max Weber 1921/22, posthum kompiliert)[90], im System der Soziologie (Franz Oppenheimer 1922-1935)[91], in der Staatsordnung des Kapitalismus (Carl Brinkmann 1925)[92], in der Anschaulichen Theorie (Edgar Salin 1927)[93], in der Verstehenden Nationalökonomie der Wirtschaftssysteme (Werner Sombart 1930)[94], in der Modernen Wirtschaftsverfassung (Alfred Müller-Armack 1932)[95] oder in einer Geschichtlichen Theorie der Wirtschaftsstile (Arthur Spiethoff 1932)[96]. Derartige Ansätze verfolgten in ihrer historisch-theoretischen sowie zivilisations- und kulturwissenschaftlichen Orientierung das „sozialökonomische Forschungsprogramm“ Max Webers weiter.[97]
Im Falle von Franz Oppenheimers wirtschaftsethischer Schwerpunktsetzung ergaben sich über zahlreiche Rezeptionen verschiedene Spielarten eines wirtschaftspolitischen Programms des Sozialliberalismus bzw. des Liberalen Sozialismus (u.a. Ludwig Erhard, Alexander Rüstow, Adolf Löwe, Eduard Heimann, Erich Preiser, Paul Tillich, Gerhard Colm). Von der Kategorienlehre in Max Webers hybrider Sozialökonomik-Konzeption dichotomisch abweichend, sah Oppenheimer die Ökonomische Soziologie für die Untersuchung der historischen Wirtschaftsgesellschaft und ihre „Schwesterwissenschaft“, die Sozialökonomik, zur Untersuchung der rein-ökonomischen bzw. politischen Gesellschaftswirtschaft vor.[98]
Die Vorstöße, welche nach 1918 in Richtung einer Verbindung von Geschichte und Theorie orientiert waren, werden in der Forschung noch überwiegend als Ausläufer der Jüngsten Historischen Schule bzw. des Neohistorismus gewertet, zugleich aber oft auch als sozialökonomische Synthesen beschrieben.[99] Die unmittelbare Bedeutung der internationalen Lage für die breite Bevölkerung und die beschleunigten politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen in der Weimarer Republik verstärkten die Begriffsnutzung der Sozialökonomik sowohl durch den Studierenden-Nachwuchs als auch durch die Nachkriegs-Nationalökonomie selbst.[100]
Während der in den 1920er-Jahren aufkommende Nationalsozialismus unter Adolf Hitler (NS) den „neuen“ Historismus stellenweise für seine Zwecke vereinnahmte, gab es von Seiten bekannter Fachgrößen auch aktive Versuche einer Annäherung.[101] Ältere Ökonomen wie Werner Sombart glaubten (Deutscher Sozialismus 1934), sich als Künder des lange gehegten und vermeintlich gemeinsamen Interesses an einer klassenübergreifenden Wirtschafts- und Sozialpolitik profilieren zu können.[102] Vertreter der jüngeren Generation – wie etwa Alfred Müller-Armack (Wirtschaftsordnung im neuen Reich 1933, ebd. NSDAP-Eintritt) – erhofften sich die Ermöglichung neuartiger konjunkturpolitischer Krisenmaßnahmen unter den Bedingungen eines „totalen Staates“.[103]
Auch theoretisch orientierten Vertretern der „neuen Wirtschaftslehre“ wie Erich Preiser (SA 1933, NSDAP-Mitglied 1937) oder den mathematisch arbeitenden Erich Schneider (NSDAP-Mitglied 1933) und Wilhelm Kromphardt (NSDAP-Mitglied 1937) schwebte eine wissenschaftlich fundierte Wirtschaftspolitik zur dauerhaften Stabilisierung der Marktwirtschaft vor.[104] Sie standen damit für die Schnittstelle der theoretischen Ökonomik zum Neohistorismus – aber auch für den Gedanken, dass das NS-Regime der neuen Konjunkturpolitik zum Durchbruch verhelfen könnte. Das sozialökonomische Denken sah sich – wenn auch Preiser noch die Wertfreiheit hervorhob[105] – vor ethischen und praktischen „Problemen, die von der Historischen Schule angesprochen wurden und auf die der Nationalsozialismus katastrophale Antworten gab“ (Helge Peukert).[106] In der BRD verstanden sich Vertreter der „neuen Wirtschaftslehre“ später überwiegend als Vertreter des Keynesianismus.[107]
Die Annäherung Alfred Müller-Armacks an das NS-Regime:
„Die nationale Bewegung ist die Mobilmachung des Historismus. […] Dieser Nationalismus ist bewußt gewordener Geschichtsaktivismus. […] Es muß hier zunächst darauf hingewiesen werden, daß das Aufkommen der Konjunkturpolitik im letzten Jahrzehnt der Tendenz zum totalen Staate innerlich entspricht. Denn an die Stelle der bisher auf Förderung einzelner Wirtschaftszweige oder sozialer Schichten gerichteten Maßnahmen, tritt mit ihr ein Typ Wirtschaftspolitik, der […] in seiner Zielsetzung auf die Gesamtsituation der Volkswirtschaft abgestellt ist. Dem liberalen Staate ist es bisher nicht möglich gewesen, die Konjunkturpolitik in größerem Umfange praktisch zu entwickeln.“[108]
Im Umfeld der Mitarbeiter und Autoren des Grundrisses der Sozialökonomik hatte Robert Michels, der in Italien vom Sozialismus zum Faschismus übergegangen war (SPD-Mitglied 1903, PNF 1922), die Abschnitte Wirtschaft und Rasse (1914/23) sowie Psychologie der antikapitalistischen Massenbewegungen (1926) übernommen.[109] Othmar Spann (NSDAP-Mitglied Ende der 1920er-Jahre) und Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld (NSDAP-Mitglied 1937) waren neben Werner Sombart (Gründungsmitglied der Akademie für Deutsches Recht 1933, Mitunterzeichner des Aufrufes Deutsche Wissenschaftler hinter Adolf Hitler 1934) die bekanntesten Ökonomen aus der Vorkriegsgeneration, welche versuchten, Einfluss auf den NS zu nehmen.[110]
Schon früh wurden dagegen v.a. Ökonomen jüdischer Herkunft, aber auch politisch Andersdenkende ins Exil oder in die innere Emigration gedrängt. Wichtige Vertreter der Österreichischen Schule wie Joseph Schumpeter und Friedrich August von Hayek waren vor 1933 aus anderen Gründen in die USA bzw. nach Großbritannien gegangen und nützten dort teilweise ihre Stellungen, um Emigranten zu unterstützen.[111] Ein Zentrum des deutschsprachigen sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Exils wurde die New School in New York, an der 1933 die University in Exile gegründet wurde. Neben Eduard Heimann zog sich u.a. auch Emil Lederer (u.a. Arbeiterschutz u. Sozialversicherung 1927) dorthin zurück und wurde erster Dekan der Graduate Faculty of Political and Social Science.[112] Er war noch 1931– statt des Mitbewerbers Joseph Schumpeter – Lehrstuhl-Nachfolger Sombarts in Berlin geworden.[113]
Neben den sozialdemokratischen bzw. sozialistischen gerieten auch (sozial-)liberale Ökonomen unter Druck: Walter Eucken und der Freiburger Schule kam innerhalb der in Deutschland verbliebenen Befürworter einer weitgehend „freien Marktwirtschaft“ die Rolle als Aushängeschild und Widerstandsnest des Wirtschaftsliberalismus zu. Alexander Rüstow und Wilhelm Röpke befassten sich ab 1933 im türkischen Exil an der Universität Istanbul durchaus kritisch mit der historischen Rolle des Wirtschaftsliberalismus in der Geistes- und Gesellschaftsgeschichte.[114] Franz Oppenheimer, Wegbereiter der Sozialen Marktwirtschaft und Vordenker des genossenschaftlichen Zionismus (1934/35 noch in Palästina als Dozent tätig), musste Deutschland 1938 endgültig verlassen. Zum 70. Geburtstag 1934 hatte ihm Erich Preiser geschrieben, dass in Deutschland doch nun Oppenheimers Gedanken eines „dritten Weges zwischen Kapitalismus und Marxismus“ der Verwirklichung nahe seien und er, Preiser, deshalb „mit Überzeugung Mitglied der SA“ geworden sei.[115]
Auch aufgrund der völkischen und rassenantisemitischen Überformung nationaler und sozialpolitischer Ziele durch den NS kam es nach 1933 zu Konflikten u.a. zwischen Werner Sombart und Othmar Spann und dem Regime, weshalb sie zwar als „Wegbereiter“, aber gemeinhin nicht als originäre „Vordenker“ interpretiert werden.[116] Sombart starb 1941 mit 78 Jahren, zuletzt zensiert und isoliert, nachdem er sich früh enttäuscht von den neuen Machthabern gezeigt und Abstand genommen hatte. Spanns konservativ-ständische und zum Teil romantische bzw. klerikalfaschistische Vorstellungen einer Staats- und Wirtschaftsordnung wurden zum Anlass NS-interner Auseinandersetzungen. Er wurde 1938 nach dem Anschluss Österreichs einige Wochen inhaftiert, die Lehre an der Universität Wien wurde ihm verboten.[117]
Friedrich von Gottl-Ottlilienfeld kann hingegen als aktiver Förderer der völkischen Wirtschaftslehre bis zum Ende des NS gelten. Er wurde 1940 Direktor des Forschungsinstituts für Deutsche Volkswirtschaftslehre bei Graz.[118] Dennoch wurde auch er vom NS-Regime „mit Bedenken betrachtet“, als „Gelehrter alter Schule“ vertrete er weiterhin „die autonome Nationalökonomie, die die Interessen der Volksgemeinschaft nicht berücksichtigt“ (Dienststelle Rosenberg 1942).[119]
In der Forschungsliteratur sind die Begriffe von der Neuen Wirtschaftslehre, des Deutschen Sozialismus und auch der frühe deutschsprachige Keynesianismus in einem ambivalenten politökonomischen und personellen Entwicklungskomplex von der Weltwirtschaftskrise über die NS-Diktatur bis in die Bundesrepublik miteinander verbunden.[120] Der traditionelle Disziplinbegriff der kulturgeschichtlichen Volkswirtschaftslehre hatte sich zunehmend zur Deutschen Volkswirtschaftslehre und schließlich zur völkischen Wirtschaftslehre verschoben, in der eine biologistisch definierte „Volksgemeinschaft“ sowohl den Wirtschafts- als auch den Wissenschaftszweck bestimmte.
Die unreflektierte Weiternutzung hergebrachter Begriffe nach dem Zweiten Weltkrieg setzte die während des NS geschwächte Prominenz der Sozialökonomik als Alternative zu Volkswirtschaftslehre oder Nationalökonomie weiter herab.[121]
1929 hatte die Weltwirtschaftskrise große Arbeitslosigkeit mit sich gebracht, was die wirtschaftspolitische Diskussion über geeignete Krisenmaßnahmen anfachte. Im Verlauf der 1930er-Jahre deutete sich in Deutschland ein großer Einfluss der postklassischen Allgemeinen Theorie von John M. Keynes an (1936), die im Vergleich zur Neoklassik als realistischer und anwendungsbereiter galt und insofern auch den sozialökonomischen Ansätzen von historisch wandelbaren Wirtschaftssystemen, Wirtschaftsverfassungen oder Wirtschaftsstilen entgegen zu kommen schien.
Im „Sofortprogramm“ der NSDAP im Mai 1932 wurde erstmals eine Forderung nach kreditfinanzierter Arbeitsbeschaffung und Konjunkturbelebung parteipolitisch aufgenommen.[122] Diese ging nicht unmittelbar auf NS-Kreise oder die theoretische Vorarbeit von Keynes zurück und war zuvor bereits in Regierungskreisen als politisch nicht vermittelbar bzw. unerwünscht verworfen worden.[123] Schon 1931 hatte Wilhelm Lautenbach (Reichswirtschaftsministerium) mit dem geheimen sog. Lautenbach-Plan eine Kreditausweitung der Reichsbank vorgeschlagen, welche jedoch wegen Befürchtungen einer Inflation nicht umgesetzt wurde.
Eduard Heimann gehörte zu den wenigen Ökonomen, die Lautenbachs Vorschläge früh unterstützten.[124] Werner Sombart sprach sich 1934 – ausdrücklich angelehnt an Keynes‘ Vorstudien zur Allgemeinen Theorie – offen für eine „planmäßige Konjunkturpolitik“ aus.[125] Erich Preiser beschrieb schließlich 1941 das Wirtschaftssystem unter dem NS als das „System einer gelenkten Marktwirtschaft“, das über seine historische „Einmaligkeit“ und „Individualität“ hinaus „Züge“ bereithielte, „die für die allgemeine Theorie der Wirtschaft und der Wirtschaftspolitik wesentlich“ seien.[126]
Im nationalsozialistischen Deutschland und in den USA des New Deal fiel die Allgemeine Theorie 1936 solchermaßen auf bereits „beackerten Boden“, da hier traditionell nicht-klassische ökonomische Lehrauffassungen erwogen und schon politische Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und auf den Weg gebracht worden waren.[127] Die keynesianische Ökonomin Joan Robinson formulierte 1972 rückblickend: „Hitler hatte bereits herausgefunden, wie man Arbeitslosigkeit kurierte, bevor Keynes mit der Erklärung fertig war, warum sie eintrat.“[128] Die US-Arbeitsministerin Frances Perkins notierte, Keynes sei bei seinem ersten Gespräch mit Franklin D. Roosevelt (1934) begeistert von dessen Maßnahmen, aber erstaunt über seine wirtschaftstheoretische Unbedarftheit gewesen.[129]
John M. Keynes im deutschen Vorwort der Allgemeinen Theorie von 1936:
„In Deutschland hat es immer wichtige Wirtschaftsschulen gegeben, die die Zulänglichkeit der klassischen Theorie für die Analyse zeitgenössischer Ereignisse stark in Frage gestellt haben. Sowohl die Manchester-Schule wie der Marxismus stammen letzten Endes von Ricardo ab – eine Folgerung, die nur bei oberflächlicher Betrachtung zu überraschen braucht. Aber in Deutschland hat es immer einen großen Teil der Meinung gegeben, der weder zur einen noch zur anderen Schule gehalten hat.
Es kann jedoch kaum behauptet werden, daß diese Gedankenschule einen gegnerischen theoretischen Aufbau errichtet hat oder auch nur versucht hat, dies zu tun. Sie ist skeptisch, realistisch gewesen, zufrieden mit historischen und empirischen Methoden und Ergebnissen, die eine formelle Analyse verwerfen. [...]
Trotzdem kann die Theorie der Produktion als Ganzes, die den Zweck des folgenden Buches bildet, viel leichter den Verhältnissen eines totalen Staates angepaßt werden als die Theorie der Erzeugung und Verteilung einer gegebenen, unter Bedingungen des freien Wettbewerbes und eines großen Maßes von laissez-faire erstellten Produktion. Das ist einer der Gründe, die es rechtfertigen, daß ich meine Theorie eine allgemeine Theorie nenne. Da sie sich auf weniger enge Voraussetzungen stützt als die orthodoxe Theorie, läßt sie sich umso leichter einem weiten Feld verschiedener Verhältnisse anpassen.“[130]
In der DDR folgte die universitäre Lehre weitgehend den Vorgaben des marxistisch-leninistischen Partei- und Staatssozialismus bzw. des sog. Wissenschaftlichen Sozialismus, welche anfangs unter dem maßgeblichen Einfluss der Sowjetunion standen. Die Verbindung von gesellschaftlicher und ökonomischer Lehre im Sinne der Partei- und Staatsideologie setzte an die Stelle der Volkswirtschaftslehre und in Ablehnung aller bisherigen Konzepte sog. bürgerlicher Wissenschaft die Unterweisung in den Politischen Ökonomien des Sozialismus und des Kapitalismus.[131]
Zur allgemeinen Politischen Ökonomie traten aufgrund des Wirtschaftssystems der Zentralverwaltungswirtschaft verschiedene anwendungsorientierte Fächer der Planökonomie. Zu den beispielhaften Lehr- und Ausbildungsinstitutionen gehörte die 1950 gegründete Hochschule für Ökonomie Berlin, welche unter Gründungsrektorin Eva Altmann die Fachrichtungen der marxistisch-leninistischen Wirtschaftswissenschaften, der zentralen Wirtschaftsplanung sowie der Betriebsführung zusammenfasste.
Für die bedingte Fortsetzung des sozialökonomischen Wissenschaftskonzepts kann in diesem Umfeld das Wirken des marxistischen Ökonomen und Historikers Jürgen Kuczynski betrachtet werden (KPD-Mitglied 1930, SED 1946).[132] Als Student wurde er in den 1920er-Jahren stark vom Umfeld der Heidelberger Gelehrtenwelt geprägt (z.B. „Sonntagskreis“ von Marianne Weber). Dort wirkten damals u.a. Heinrich Rickert, Edgar Salin und Emil Lederer. Der Student schätzte das ethisch-politisch offene „problemwissenschaftliche Leben“: „Heidelberg gibt die Synthese von Mensch und Wissenschaftler“ (1923).[133] Bei dem Erlanger Philosophen Paul Hensel, ein langjähriger Freund seines Vaters Robert René Kuczynski und Max Webers, promovierte Kuczynski 1925 über den ökonomischen Wertbegriff aus historischer, soziologischer und theoretischer Perspektive.[134]
In der kritischen Betrachtung der stalinistisch-dogmatischen Ära bis zur Mitte der 1950er-Jahre setzte sich Kuczynski u.a. für eine Trennung spezifischer Soziologischer Gesetze (1957)[135] von den als allgemein verstandenen historisch-materialistischen Gesetzmäßigkeiten ein, was eine bereits laufende „Revisionismus“-Debatte befeuerte und ihm persönlich die Bedrohung seiner wissenschaftlichen Existenz einbrachte. Seine Gegner warfen ihm vor, mit dem Vorschlag einer eigenständigen disziplinären Soziologie innerhalb der prinzipiellen Stellung des Historischen Materialismus die Wiederherstellung „bürgerlicher“ Wissenschaft und damit die Relativierung der Erkenntnisse des Wissenschaftlichen Sozialismus anzustreben. Aus dem Streit um das parteioffizielle Philosophie- bzw. Theorieprimat über die Einzeldisziplinen ging das geflügelte Wort Robert Havemanns von der „Hauptverwaltung ‚Ewige Wahrheiten‘“ hervor (1956).[136]
Die „Revisionismus“-Debatte änderte an der ideologischen Durchdringung der Wissenschaftsinstitutionen nichts Wesentliches. Nach einer verhaltenen wirtschaftspolitischen Öffnung durch das Neue Ökonomische System der Planung und Leitung 1963 unter Erich Apel lehnte sich die Partei- und Staatsführung bald wieder enger an die zentralistische Planung an. Die Präambel der Verfassung formulierte ab 1974, dass „das Volk der [DDR] in Übereinstimmung mit den Prozessen der geschichtlichen Entwicklung unserer Epoche sein Recht auf sozial-ökonomische […] Selbstbestimmung verwirklicht“ habe und nunmehr „die entwickelte sozialistische Gesellschaft [gestaltet]“.[137]
Die wirtschaftstheoretischen Implikationen und die ökonomischen Ergebnisse des Arbeitsbeschaffungs- und Rüstungsprogramms ab 1933 sollten sich bis in die Nachkriegsdebatten um Wirtschaftslenkung und Soziale Marktwirtschaft (Alfred Müller-Armack) hinein sowie für das westdeutsche „Wirtschaftswunder“ als prägend erweisen.[138] Mit dem Keynesianismus war zudem ein neues, vorübergehend bestimmendes Element in die ökonomischen Diskursfelder der Wirtschaftstheorie und der Wirtschaftspolitik eingetreten, welches die deutschsprachige Diskussion an den britisch-amerikanischen Diskurs anschloss.
Bald nach dem Zweiten Weltkrieg gab es kontroverse Pläne und Interessen einer Neuordnung und Vereinheitlichung der institutionalisierten Volkswirtschaftslehre. Einerseits gab es aus wirtschaftstheoretisch und wirtschaftspolitisch ausgerichteten Hochschulkreisen Konzepte für die endgültige Abtrennung der Volkswirtschaftslehre von den Rechts- und Sozialwissenschaften und für ihre Zusammenlegung mit der Betriebswirtschaftslehre (heute als disziplinäres Konzept der Wirtschaftswissenschaften verbreitet). In diesem Sinne taten sich z.B. der sozialökonomisch bis theoretisch ausgerichtete Erich Preiser oder die Keynesianer Erich Schneider und Wilhelm Kromphardt hervor, welche auf den „Stand der Wissenschaft“ im Ausland verwiesen, hinter den man nicht zurückfallen dürfe. Andererseits erstellten behördlich eingesetzte Kommissionen noch Anfang der 1950er-Jahre Richtlinien für Diplomprüfungsordnungen, die Pflichtleistungen in den Rechtswissenschaften vorsahen und formal-statistische Studien lediglich als Wahlbereich festsetzten.
Im Hintergrund flammte erneut der bekannte Diskurs um Methoden- und Werturteilsfragen auf: Plädoyers für das sozial-ökonomische Konzept der „Einheit der Sozialwissenschaften“ sowie der gegenseitige Vorwurf „Politischer Ökonomie“ im Sinne verschiedener transformativer Agenden vom Konservatismus über den Liberalismus bis hin zum Sozialismus und Marxismus riefen entsprechende Gegenpositionen hervor.[139]
1959 empfahl der Fachausschuss für die wirtschafts- und sozialwissenschaftliche Diplomprüfung der Westdeutschen Rektorenkonferenz (WRK, seit 1990 HRK) und der Kultusministerkonferenz (KMK) der Sache nach die Umsetzung des disziplinhistorisch herausgebildeten sozialökonomischen Wissenschaftskonzepts. So schrieb das Kommissionmitglied Hans Achinger, der Vorschlag solle „alle beteiligten Teildisziplinen wieder dem Zustand nahebringen, der zur Zeit von Werner Sombart und Max Weber (‚Wirtschaft und Gesellschaft‘) noch selbstverständlich war“. Parallel zu diesem teilweise als konservativ wahrgenommenen Vorstoß hatten Universitäten 1953 in Berlin und 1956 in Nürnberg bereits den Diplom-Sozialwirt als Abschluss eingeführt.[140]
In Hamburg war – nachdem Eduard Heimann 1925 bis 1933 den Lehrstuhl für theoretische und praktische Sozialökonomie inne gehabt hatte – 1948 die Akademie für Gemeinwirtschaft gegründet worden. Aus dieser ging 1970 die Hochschule für Wirtschaft und Politik (HWP) mit einem kombinierten Studiengang aus Anteilen der Volks- und Betriebswirtschaftslehre sowie der Soziologie und der Rechtswissenschaften hervor. Ab den 1980er-Jahren wurde der konsekutive Studiengang Diplom-Sozialökonom eingerichtet. Bis heute beherbergt der Fachbereich Sozialökonomie den meistbelegten Studiengang der Universität Hamburg. Der Hamburger Rechtswissenschaftler Karsten Nowrot forderte 2014 eine Weiterentwicklung in Form der „Ausarbeitung und Konkretisierung eines sozialökonomischen Wissenschaftsparadigmas“ auf einer integrierten einzeldisziplinären Grundlage. Er bezog sich hierbei namentlich auf Heimann und Amitai Etzioni.[141]
Der Ökonom und Soziologe Werner Hofmann vertrat die disziplinäre Tradition der Sozialökonomik zuletzt in Marburg (Sozialökonomische Studientexte 1964ff.; Grundelemente der Wirtschaftsgesellschaft 1969).[142] Er trat u.a. als theoretisch versierter Kritiker der Nutzen- und Modellökonomik auf (Das Elend der Nationalökonomie 1968). Diese billige dem „wirklichen“ historisch-gesellschaftlichen Individuum letztlich immer nur das Verhalten eines generalisierten „rechnenden Unternehmers“ zu, weshalb sie die „ideologische Vereinheitlichung der Gesellschaft“ durch gleichförmige Fragmentierung der Einzelnen aktiv forciere. Mit der Entfernung der geschichtlichen und der ethisch-rechtlichen Perspektive aus dem Methodenkanon habe sie zudem dafür gesorgt, dass „Alternativen“ oder überhaupt erst die „Möglichkeit eines Anderen“ keinerlei erkenntnistheoretische Rolle mehr spielen. Aus diesen Gründen bezeichnete er die sich formierende ökonomische Lehre als affirmative „Rechtfertigungslehre“ und sprach von der „Pauperisierung des Geistes“ der Ökonomik – ein Ausdruck, der stark an die Charakterisierung des entwicklungsgeschichtlichen „Geistes des Kapitalismus“ von Max Weber erinnert.[143]
Wenn sich die Empfehlungen zu einer einheitswissenschaftlich geprägten Diplomprüfungsordnung von 1959 bundesweit durchgesetzt hätten, wäre dies dem Urteil des Wissenschaftshistorikers Jan-Otmar Hesse zufolge dem „umfassendsten Einschnitt in die Wirtschaftswissenschaft“ gleichgekommen, „den es seit dem 19. Jahrhundert in Deutschland überhaupt gegeben hätte“. Doch im Laufe der 1960er-Jahre neigte sich die Auseinandersetzung zwischen einer eher sozial-ökonomisch und einer eher statistisch-formal orientierten Fachordnung aus verschiedenen Gründen der letzteren zu. Hesse konstatiert ein komplexes personelles und stetiges institutionengeschichtliches Abrücken vom bisherigen Disziplinmodell der VWL. Voraussetzung sei der endgültige Abtritt der Epigonen der Historischen Schule gewesen.[144]
Zunächst schufen sich Soziologie und Politologie erfolgreich eigene disziplinäre Fundamente, was die Befürworter der Spezialisierung einer Wirtschaftswissenschaft begünstigte. Vor dem Hintergrund der Besetzung Deutschlands und der Entnazifizierung der Eliten stand die Volkswirtschaftslehre zudem früh im Fokus von nicht-staatlichen Geldgebern wie der Rockefeller-Stiftung. Neben Lehrenden wurden v.a. auf unmittelbare wirtschaftspolitische Anwendung ausgerichtete außeruniversitäre Einrichtungen wie die Münchener Informations- und Forschungsstelle (Ifo) für Wirtschaftsbeobachtung gefördert. Dies trug zur Verschiebung der institutionellen Rahmenbedingungen der überlieferten sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Diskursstruktur bei.[145]
Die in der frühen BRD von außen oftmals als „rückständig und etatistisch“[146] bewerteten Universitäten wurden durch diese Art der zweckorientierten Rationalisierung und Zuständigkeitskonzentration der Wirtschaftswissenschaft bis in die 1970er-Jahre eines Teils ihrer öffentlichen Zuständigkeiten benommen. Die bis dahin als endgültig erwiesen geltenden Erklärungspotentiale des herausgebildeten disziplinären Mainstream-Diskurses zwischen den postklassischen Wirtschaftstheorien des Keynesianismus und der Neoklassik deckten offenbar den politischen Bedarf an verwertbarer volkswirtschaftlicher Expertise.
Zugleich immunisierte sich dieser herrschende Diskurs der Neoklassischen Synthese mit seiner erkenntnistheoretischen statistisch-formalen Geschlossenheit gegen „fachfremde“ Kritik. Nach der sog. Methodentagung des Vereins für Socialpolitik (VfS) 1963 verstetigte sich die Binnenperspektive einer stofflich und methodisch exklusiven einzeldisziplinären Ökonomik. So wurde etwa die Mathematik von einer partiellen zu einer zentralen Methode der „exakten“ Auffassung und Strukturierung des Wissensgebietes. Galt selbst der Oppenheimer-Schüler Erich Preiser bereits 1953 als „Verächter“ der social science und Förderer der economics, so wurde nunmehr die Sozialwissenschaft „per se als eine Perspektive von inkompetenten Fachfremden modelliert“ und „der vormals so zentrale Gegensatz zwischen ‚reiner Theorie‘ und ‚sozialer Theorie‘ regelrecht in die Soziologie ausgelagert“.[147]
Die Wirtschaftswissenschaft hatte sich von der „historisch-rechtlichen“ auf die „rein ökonomische“ Kategorie zurückgezogen und ihr Zweck war ein anderer als noch derjenige der Sozialökonomik geworden.
[Dieser Teil wird in Kürze hinzugefügt. Verantwortlicher Autor ist Sebastian Thieme.]
Im Folgenden sind zentrale wissenschaftstheoretische und beispielhafte thematische Schriften aus dem Umfeld der historischen Sozialökonomik aufgeführt.
Ein Großteil der Literatur ist mit direkten Links zu den digitalisierten Texten versehen. Einzelne Autor*innen werden kurz vorgestellt.
Im Folgenden sind Schriften aus dem sozial- und sozioökonomischen Diskurs der letzten fünf Jahrzehnte bis zur Gegenwart aufgeführt.
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Wissenschaftliche Gesellschaften:
[1] Vgl. Alfred Oppolzer: „Sozialökonomie“. Zu Gegenstand, Begriff und Geschichte eines interdisziplinären und praxisbezogenen Wissenschaftskonzeptes, in: Sozialökonomische Beiträge. Zeitschrift für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft 1/1 (1990), S. 6ff.
[2] Vgl. Gertraude Mikl-Horke: Traditionen, Problemstellungen und Konstitutionsprobleme der Sozioökonomie, in: Reinhold Hedtke (Hrsg.): Was ist und wozu Sozioökonomie?, Wiesbaden 2015, S. 95ff. u. zum erkenntnistheoretischen Zusammenhang treffend Geoffrey M. Hodgson: How Economics Forgot History. The Problem of Historical Specificity in Social Science, London/New York 2001, S. 21ff. Aktueller Christian Fridrich/Reinhold Hedtke/Georg Tafner (Hrsg.): Historizität und Sozialität in der sozioökonomischen Bildung, Wiesbaden 2019.
[3] Zur geschichtlichen Entwicklung der VWL zu einer „mathematisch und axiomatisch argumentierenden Wirtschaftstheorie“ vgl. Jan-Otmar Hesse: Wirtschaft als Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre in der frühen Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2010.
[4] Vgl. Gertraude Mikl-Horke: Was für eine Ökonomie ist die Sozialökonomie/Sozioökonomie? Begriffsverwendungen in Geschichte und Gegenwart, in: Arne Heise/Kathrin Deumelandt (Hrsg.): Sozialökonomie – ein Zukunftsprojekt, Marburg 2015, S. 13ff. und breiter in Verbindung mit dem Bildungsbegriff vgl. Andreas Fischer/Bettina Zurstrassen (Hrsg.): Sozioökonomische Bildung, Bonn 2014 sowie Tim Engartner/Christian Fridrich/Silja Graupe/Reinhold Hedtke/Georg Tafner (Hrsg.): Sozioökonomische Bildung und Wissenschaft. Entwicklungslinien und Perspektiven, Wiesbaden 2018 und Christian Fridrich/Reinhold Hedtke/Walter Otto Ötsch (Hrsg.): Grenzen überschreiten, Pluralismus wagen. Perspektiven sozioökonomischer Hochschullehre, Wiesbaden 2020. Zur Verbindung von Sozialer Arbeit und Sozialwirtschaft vgl. Klaus Schellberg: Die Wirtschaftswissenschaften und ihr Verhältnis zur Sozialwirtschaft (und der Sozialen Arbeit), in: Reinhilde Beck/Armin Wöhrle/Klaus Grunwald/Klaus Schellberg/Gotthart Schwarz/Wolf Rainer Wendt: Grundlagen des Managements in der Sozialwirtschaft, Baden-Baden 2013, S. 117ff.
[5] Vgl. zu Pikettys „Kapital im 21. Jahrhundert“ (2014) Frank Fehlberg: Sozialökonomik und Kapitalistik. Karl Rodbertus’ Beitrag zur Sozioökonomie, in: Jakob Kapeller/Stephan Pühringer/Katrin Hirte/Walter O. Ötsch (Hrsg.): Ökonomie! Welche Ökonomie? Stand und Status der Wirtschaftswissenschaften, Marburg 2016, S. 231ff. und Till van Treeck: Zur Bedeutung von r > g in Pikettys „Kapital im 21. Jahrhundert“, in: Peter Bofinger/ Gustav A. Horn/Kai D. Schmid/Till van Treeck (Hrsg.): Thomas Piketty und die Verteilungsfrage. Analysen, Bewertungen und wirtschaftspolitische Implikationen für Deutschland, o.O. 2015, S. 73ff.
[6] Vgl. Katharina Pistor: Der Code des Kapitals. Wie das Recht Reichtum und Ungleichheit schafft (engl. Orig. 2019), Berlin 2020, S. 20. Zum Verhältnis von Rechts- und Wirtschaftsentwicklung vgl. den Handbuch-Eintrag Dies.: Rechtssystem und Wirtschaftsentwicklung, in: Raj Kollmorgen/Wolfang Merkel/Hans-Jürgen Wagener (Hrsg.): Handbuch Transformationsforschung, Wiesbaden 2015, S. 657ff.
[7] Vgl. allgemein zum Überblick Volker Kruse: Von der historischen Nationalökonomie zur historischen Soziologie. Ein Paradigmenwechsel in den deutschen Sozialwissenschaften um 1900, in: Zeitschrift für Soziologie 19/3 (Juni 1990), S. 149ff. sowie v.a. Gertraude Mikl-Horke: Historische Soziologie der Wirtschaft. Wirtschaft und Wirtschaftsdenken in Geschichte und Gegenwart, München/Wien 1999; Dies.: Historische Soziologie – Sozioökonomie – Wirtschaftssoziologie, Wiesbaden 2011; Dies. (Hrsg.): Sozioökonomie. Die Rückkehr der Wirtschaft in die Gesellschaft, Marburg 2011; Gerda Bohmann/Johanna Hofbauer/Johann August Schülein (Hrsg.): Sozioökonomische Perspektiven. Texte zum Verhältnis von Gesellschaft und Ökonomie, Wien 2014 sowie Andrea Maurer/Gertraude Mikl-Horke: Wirtschaftssoziologie, Baden-Baden 2015. Die Präsenz explizit volkswirtschaftlich-sozialökonomischer Forschungen zeigte sich in den letzten Jahrzehnten in Beiträgen wie Beat Bürgenmeier: Sozioökonomie. Für eine ethische Erweiterung der wirtschaftspolitischen Diskussion, Marburg 1994; Karl S. Althaler/Egon Matzner/Manfred Prisching/Brigitte Unger (Hrsg.): Sozioökonomische Forschungsansätze. Historische Genese, Methoden, Anwendungsgebiete, Marburg 1995; Uwe Jens/Hajo Romahn (Hrsg.): Sozialpolitik und Sozialökonomik. Soziale Ökonomie im Zeichen der Globalisierung (Festschrift für Lothar F. Neumann), Marburg 2000 und Dies. (Hrsg.): Methodenpluralismus in den Wirtschaftswissenschaften, Marburg 2010.
[8] Vgl. Oliver Römer/Ina Alber-Armenat: Die „verspätete Wissenschaft“, in: Soziologie, 47/4 (2018), S. 403ff., 417f. Der Beitrag formuliert für die Göttinger Soziologie und in Anlehnung an den lokalen Klassiker Helmuth Plessner (Die verspätete Nation 1959): „Der ‚Sonderweg‘ der Göttinger Soziologie zeigt sich dagegen in einer nachholenden Gründung und Verwissenschaftlichung einer Disziplin.“
[9] Zit. bei Karl Rodbertus: Das Kapital. Vierter socialer Brief an von Kirchmann (1852/1884 posthum), in: Adolph Wagner/Theophil Kozak (Hrsg.): Aus dem literarischen Nachlass von Dr. Carl Rodbertus-Jagetzow, Bd. II, Berlin 1884, S. 77f. und Albert Schäffle: Das gesellschaftliche System der menschlichen Wirthschaft. Ein Lehr- und Handbuch der Nationalökonomie […], Tübingen 1867. Vgl. zur Ideen- und Theoriegeschichte der Sozialökonomik im Überblick Frank Fehlberg: Arbeitswert und Nachfrage. Die Sozialökonomik von Karl Rodbertus zur Einführung, Marburg 2017.
[10] Vgl. Adolph Wagner: Theoretische Sozialökonomik oder Allgemeine und theoretische Volkswirtschaftslehre. Grundriss in tunlichst prinzipieller Behandlungsweise […], Leipzig 1907. Chronologisch eher, jedoch konzeptionell und begrifflich bereits von Wagner beeinflusst: Heinrich Dietzel: Theoretische Socialökonomik, Leipzig 1895. Vgl. im Überblick Gertraude Mikl-Horke: Traditionen, Problemstellungen und Konstitutionsprobleme der Sozioökonomie, in: Reinhold Hedtke (Hrsg.): Was ist und wozu Sozioökonomie?, Wiesbaden 2015, S. 95ff., S. 101 [Historische Nationalökonomie und Wirtschaftstheorie: Sozialökonomik als Verbindung].
[11] Durch seinen frühen Tod sei Weber an der systematischen Zusammenfassung „seiner über Jahrzehnte angehäuften, universalhistorischen vergleichenden Untersuchungen“ und ihrer Einordnung „in den Rahmen einer sozialökonomischen Theorie“ gehindert worden. So Dirk Kaesler: Eine Konstruktion wird dekonstruiert. Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft“ zerfällt in Einzelteile, in: literaturkritik.de. 4/2006 (https://literaturkritik.de/id/9356 v. 14.08.2020). Vgl. Heino Heinrich Nau: Eine ‚Wissenschaft vom Menschen‘. Max Weber und die Begründung der Sozialökonomik in der deutschsprachigen Ökonomie 1871 bis 1914, Berlin 1997 und Bernhard K. Quensel: Max Webers Konstruktionslogik. Sozialökonomik zwischen Geschichte und Theorie, Baden-Baden 2007. Neuer dagegen Christoph Morlok: Rentabilität und Versorgung: Wirtschaftstheorie und Wirtschaftssoziologie bei Max Weber und Friedrich von Wieser, Wiesbaden 2013 und Hans-Peter Müller: Max Webers Sozialökonomik, in: Klaus Kraemer/Florian Brugger (Hrsg.): Schlüsselwerke der Wirtschaftssoziologie, Wiesbaden 2017, S. 89ff.
[12] Vgl. zum Ganzen Wolfgang Schluchter (Hrsg.): Wirtschaft und Gesellschaft. Entstehungsgeschichte und Dokumente, Max-Weber-Gesamtausgabe I/24, Tübingen 2009.
[13] In Anlehnung an Stefan Kesting: Die Rückkehr der Jedi-Ritter. Ein kritische Bilanz von Etzionis Beitrag zur Sozialökonomie, in: Arne Heise/Kathrin Deumelandt (Hrsg.): Sozialökonomie – ein Zukunftsprojekt, Marburg 2015, S. 111ff.
[14] Vgl. Bruce E. Kaufman: The Origins and Theoretical Foundation of Original Institutional Economics Reconsidered, in: Journal of the History of Economic Thought 39/3 (2017), S. 293ff. und Helge Peukert: Richard Theodore Ely. Christian solidarist, initiator of the American Economic Association, fountainhead of critical old institutionalism, and the 'midwife' from Germany, in: Harald Hagemann (Hrsg.): German Influences on American Economic Thought and American Influences on German Economic Thought, Berlin 2017, S. 124ff.
[15] „Political economy is a part of sociology.“ Richard T. Ely: An Introduction to Political Economy, New York 1889, S. 13. Zur ökonomischen Bedeutung der Privatautonomie vgl. etwa den Abschnitt „Fundamental Institutions in the Existing Socio-economic Order“ in Richard T. Ely: Elementary Principles of Economics. Together with a short Sketch of Economic History, London 1904, S. 9ff. Zur theoretischen und damit disziplinären Bedeutung des ökonomischen Sozialismus als postklassischer Strömung vgl. Richard T. Ely: French and German Socialism in Modern Times, New York 1883, S. 156ff. Hier hieß es, die eigenen institutionenökonomischen Anleihen am deutschen Historismus ergänzend: „Rodbertus, one of the ablest socialists who ever lived, is perhaps the best representative of pure theoretical socalism. Professor Wagner of Berlin calls him the Ricardo of socialism. This gives him an important place in the history of political economy, for political economists may be considered as practically unanimous in the opinion that ‚scientific socialism represents an economic system which no science of political economy can any longer neglect.‘ (Wagner).“ Ebd., S. 159f.
[16] Vgl. zur institutionell-ökonomischen new school in Abgrenzung zur klassisch geprägten old school und deren „Economic Orthodoxy“ Richard T. Ely: The Past and the Present of Political Economy (Johns Hopkins University Studies in Historical and Political Science, Bd. 2: Institutions and Economics), Baltimore 1884, S. 9ff. u. 43ff. Vgl. zu den wissenschaftspolitischen Schlagworten und Begriffen der new school, der new economics oder der realistic school sowie zu geistigen Wurzeln und Wirken von Ely immer noch Benjamin G. Rader: The Academic Mind and Reform. The Influence of Richard T. Ely in American Life, Lexington 1966. Zum Verhältnis von Ely und Wilson vgl. Clifford F. Thies/Gary M. Pecquet: The Shaping of a Future President’s Economic Thought. Richard T. Ely and Woodrow Wilson at "The Hopkins", in: The Independent Review 15/2 (2010), S. 257ff.
[17] Zur Einordnung der Sozialökonomik in das Diskursfeld „Orthodoxie“, „Heterodoxie“ und „Mainstream“ vgl. Sebastian Thieme: Integratives Wirtschaftsstildenken. Über den sozialökonomischen Charakter und das integrative Potenzial des Wirtschaftsstilkonzepts von Arthur Spiethoff, in: Arne Heise/Kathrin Deumelandt (Hrsg.): Sozialökonomie – ein Zukunftsprojekt, Marburg 2015, S. 139ff. und für den Gesamtüberblick Arne Heise/Henrike Sander/Sebastian Thieme: Das Ende der Heterodoxie? Die Entwicklung der Wirtschaftswissenschaften in Deutschland, Wiesbaden 2017.
[18] Lorenz Stein: Der Socialismus und Communismus des heutigen Frankreichs. Ein Beitrag zur Zeitgeschichte, Leipzig 1842, S. IVf.
[19] [Friedrich] Wilhelm Schulz: Die Bewegung der Production. Eine geschichtlich-statistische Abhandlung zur Grundlegung einer neuen Wissenschaft des Staats und der Gesellschaft, Zürich/Winterthur 1843, S. 173.
[20] Karl Marlo: Untersuchungen über die Organisation der Arbeit oder System der Weltökonomie. Bd. I: Historische Einleitung in die Oekonomie (1850), 2. Aufl., Tübingen 1885, S. 182.
[21] Johann Karl Rodbertus: Gesammelte Werke und Briefe. Zusammengestellt auf Grund früherer Ausgaben und mit Einleitung sowie Bibliographie (hrsg. Thilo Ramm), Osnabrück 1972. Wichtige Einzelwerke: Karl Rodbertus: Zur Erkenntniss unsrer staatswirthschaftlichen Zustände, H. 1 (Fünf Theoreme), Neubrandenburg/Friedland 1842; Ders.: Sociale Briefe an von Kirchmann. Erster Brief: Die sociale Bedeutung der Staatswirthschaft, Berlin 1850; Ders.: Sociale Briefe an von Kirchmann. Zweiter Brief: Kirchmann’s sociale Theorie und die meinige, Berlin 1850; Ders.: Sociale Briefe an von Kirchmann. Dritter Brief: Widerlegung der Ricardo’schen Lehre von der Grundrente und Begründung einer neuen Rententheorie, Berlin 1851; Ders.: Das Kapital. Vierter socialer Brief an von Kirchmann (1852/1884 posthum), in: Adolph Wagner/Theophil Kozak (Hrsg.): Aus dem literarischen Nachlass von Dr. Carl Rodbertus-Jagetzow, Bd. II, Berlin 1884.
[22] Vgl. zur Einführung Frank Fehlberg: Arbeitswert und Nachfrage. Die Sozialökonomik von Karl Rodbertus zur Einführung, Marburg 2017.
[23] Zum Einfluss z.B. auf Max Weber vgl. Jürgen Deininger in der Einleitung von Max Weber: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht (1891) (hrsg. Jürgen Deininger), Max-Weber-Gesamtausgabe I/2, Tübingen 1986, S. 19ff. „Dabei handelt es sich nicht um die, wie Weber selbst gleich in der Einleitung zu erkennen gibt, teilweise sehr problematischen sachlichen Resultate von Rodbertus, sondern um dessen grundsätzliche Methoden und Problemstellungen. An der Spitze steht dabei zweifellos Rodbertus‘ Versuch, überhaupt systematische Fragestellungen und ökonomische Theorien für die Analyse der antiken literarischen Quellen fruchtbar zu machen. Dies hatte vor ihm zumindest in Deutschland noch niemand in vergleichbarer Intensität unternommen. […] Nur bei Rodbertus fand Weber das, was ihm so weder Meitzen noch Mommsen bieten konnten: eine Analyse der antiken Quellen mithilfe genuin ökonomischer und fiskalischer Kategorien.“ (Ebd., S. 21f.). Vgl. zur späteren Verbindung von Theorie und Geschichte in verschiedensten Disziplinen Volker Kruse: Von der historischen Nationalökonomie zur historischen Soziologie. Ein Paradigmenwechsel in den deutschen Sozialwissenschaften um 1900, in: Zeitschrift für Soziologie 19/3 (Juni 1990), S. 149ff.
[24] Zur Gesellschaftswirtschaft vgl. Karl Rodbertus: Das Kapital. Vierter socialer Brief an von Kirchmann (1852/1884 posthum), in: Adolph Wagner/Theophil Kozak (Hrsg.): Aus dem literarischen Nachlass von Dr. Carl Rodbertus-Jagetzow, Bd. II, Berlin 1884, S. 103ff. Zum Lohnquotengesetz in „sich selbst überlassenen“ Privatkapitalwirtschaften und zur relativen Armut vgl. Karl Rodbertus: Sociale Briefe an von Kirchmann. Erster Brief: Die sociale Bedeutung der Staatswirthschaft, Berlin 1850, S. 3 u. S. 71.
[25] Karl Rodbertus: Sociale Briefe an von Kirchmann. Dritter Brief: Widerlegung der Ricardo’schen Lehre von der Grundrente und Begründung einer neuen Rententheorie, Berlin 1851, S. 26 und zur Geldtheorie Ders.: Die Preußische Geldkrisis, Anclam/Swinemünde 1845.
[26] Karl Rodbertus: Das Kapital. Vierter socialer Brief an von Kirchmann (1852/1884 posthum), in: Adolph Wagner/Theophil Kozak (Hrsg.): Aus dem literarischen Nachlass von Dr. Carl Rodbertus-Jagetzow, Bd. II, Berlin 1884, S. 293.
[27] Zit. b. u. vgl. Karl Rodbertus: Zur Erklärung und Abhülfe der heutigen Creditnoth des Grundbesitzes (1868), Bd. I u. II (Die Ursachen der Noth u. Zur Abhülfe), 2. Ausg., Jena 1876, S. 92 [Bd. I] u. S. XVf. [Bd. II]. Vgl. auch Albert Schäffle: Kapitalismus und Socialismus. Mit besonderer Rücksicht auf Geschäfts- und Vermögensformen. Vorträge zur Versöhnung der Gegensätze von Lohnarbeit und Kapital, Tübingen 1870. Zur Begriffsgeschichte des Kapitalismus vgl. Jürgen Kocka: Geschichte des Kapitalismus, München 2013, S. 8. Rodbertus vermutete, dass Albert Schäffle, Karl Marx und Eugen Dühring stark von ihm beeinflusst gewesen seien. Dühring habe v.a. in Ders.: Cursus der National- und Socialökonomie einschließlich der Hauptpunkte der Finanzpolitik, Berlin 1873 Gedanken ohne Nennung von ihm übernommen. Vgl. Frank Fehlberg: Arbeitswert und Nachfrage. Die Sozialökonomik von Karl Rodbertus zur Einführung, Marburg 2017, S. 296.
[28] Vgl. z.B. Werner Sombart: Die drei Nationalökonomien. Geschichte und System der Lehre von der Wirtschaft, München/Leipzig 1930, S. 322: „Meiner Auffassung entspricht die Einteilung, die Karl Rodbertus und ihm folgend Adolph Wagner vornahmen, in ‚ökonomische‘ und ‚historische‘ Kategorien der Wirtschaftswissenschaft. Ihre Terminologie war falsch (es handelt sich in beiden Fällen um ‚ökonomische‘ Kategorien, und die sachentsprechende Bezeichnung muß lauten: allgemein-ökonomisch und historisch-ökonomisch), aber ihr Gedanke war richtig.“ Vgl. zudem Joseph Schumpeter: Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, in: Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 1. Abteilung: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1914, S. 19ff., S. 55 u. 71.
[29] Vgl. etwa Albert Schäffle: Bau und Leben des socialen Körpers. Encyklopädischer Entwurf einer realen Anatomie, Physiologie und Psychologie der menschlichen Gesellschaft mit besonderer Rücksicht auf die Volkswirthschaft als socialen Stoffwechsel, Bd. 1: Allgemeiner Theil, Tübingen 1875.
[30] Zit. b. Albert Schäffle: Das gesellschaftliche System der menschlichen Wirthschaft. Ein Lehr- und Handbuch der Nationalökonomie […], Tübingen 1867, S. VIII u. 4. Vgl. weiterführend Eugenie Fabian-Sagal: Albert Schaeffle und seine theoretisch-nationalökonomischen Lehren, Gera 1909 sowie Heino Heinrich Nau (Hrsg.): Gustav Schmoller. Historisch-ethische Nationalökonomie als Kulturwissenschaft. Ausgewählte methodologische Schriften, Marburg 1998. Wilhelm Roscher machte ausdrücklich auf Hinweis Schäffles ab der fünften Auflage seines Systems der Volkswirthschaft den Menschen zum Ausgangspunkt des Wirtschaftens, nicht mehr den Begriff des Gutes. Ab der siebten Auflage stellte Roscher seinem Werk den zitierten Satz voran. Vgl. Ders.: System der Volkswirthschaft. Ein Hand- und Lesebuch für Geschäftsmänner und Studierende (5 Bde. 1854ff.), Erster Band: die Grundlagen der Nationalökonomie enthaltend, 5. u. 7. Aufl., Stuttgart 1864 u. 1868, jew. S. 1f.
[31] Albert Schäffle: Mensch und Gut in der Volkswirthschaft oder der ethisch-anthropologische und der chrematistische Standpunkt in der Nationalökonomie, mit besonderer Rücksicht auf die Grundprincipien der Steuerlehre, in: Deutsche Vierteljahrs-Schrift 24/4 (1861), S. 232ff., S. 305.
[32] Albert Schäffle: Mensch und Gut in der Volkswirthschaft oder der ethisch-anthropologische und der chrematistische Standpunkt in der Nationalökonomie, mit besonderer Rücksicht auf die Grundprincipien der Steuerlehre, in: Deutsche Vierteljahrs-Schrift 24/4 (1861), S. 232ff., S. 241 u. S. 244.
[33] Vgl. Karl Rodbertus: Physiokratie und Anthropokratie?, in: Ders.: Briefe und Socialpolitische Aufsätze von Dr. Rodbertus-Jagetzow (hrsg. Rudolph Meyer), Berlin 1882 [1881], Bd. 2, S. 518ff., S. 521f.
[34] Karl Rodbertus: Sociale Briefe an von Kirchmann. Zweiter Brief: Kirchmann’s sociale Theorie und die meinige, Berlin 1850, S. 48.
[35] Max Weber: Der Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik. Akademische Antrittsrede, Freiburg i.Br./Leipzig 1895, S. 17. Vgl. zu Webers Hintergrund Wilhelm Hennis: Max Webers Wissenschaft vom Menschen. Neue Studien zur Biographie des Werks, Tübingen 1996, S. 152ff., zu Webers Faszination (Arbeit an Begriffen) und Abstoßung („krasse […] Konstruktionen“) hinsichtlich Rodbertus S. 187 u. 190.
[36] Max Weber: Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 19, 1904, aus Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 146ff., S. 170f. (Hervorh. i. O.).
[37] Vgl. hierzu Johannes Glaeser: Der Werturteilsstreit in der deutschen Nationalökonomie. Max Weber, Werner Sombart und die Ideale der Sozialpolitik, Marburg 2014, S. 135ff.
[38] Lujo Brentano: Die Meinungsverschiedenheiten unter den Volkswirtschaftslehrern, in: Cosmopolis. Revue internationale (Nr. 4, April 1896), S. 241ff., S. 242.
[39] Vgl. hierzu Jürgen Backhaus/Reginald Hansen: Methodenstreit in der Nationalökonomie, in: Journal for General Philosophy of Science 31/2 (2000), S. 307ff.
[40] Eugen Böhm-Bawerk: Rez. L. Brentano, Die klassische Nationalökonomie, in: Göttingische gelehrte Anzeigen 1889/Nr. 12, S. 465ff., S. 475 (Hervorh. i. O.).
[41] Franz Oppenheimer: Skizze der sozial-ökonomischen Geschichtsauffassung I u. II, in: Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie 27 (1903), S. 323ff. und S. 369ff., S. 410.
[42] Immanuel Kant, Akademieausgabe XIII 115 (opus postumum), zit. nach Manfred Riedel: Einleitung, in: Immanuel Kant: Schriften zur Gesellschaftsphilosophie, Ditzingen 1999, S. 3ff., S. 4 (Hervorh. ebd.).
[43] Vgl. Gustav Schmoller: Über einige Grundfragen der Socialpolitik und der Volkswirtschaftslehre, Leipzig 1898, S. 340f.
[44] Max Weber: Der Sinn der ‚Wertfreiheit‘ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften (1917), in: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 451ff., S. 458 u. S. 464 (Hervorh. i. O.).
[45] Max Weber: Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 19, 1904, aus Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 146ff., S. 153 (Hervorh. i. O.).
[46] Vgl. dazu u. zit. n. Max Weber: Der Sinn der ‚Wertfreiheit‘ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften (1917), in: Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 451ff., S. 491f.
[47] Vgl. Wilhelm Roscher: Grundriß zu Vorlesungen über die Staatswirthschaft. Nach geschichtlicher Methode, Göttingen 1843, S. 1: „Der Philosoph will ein System von Begriffen […] möglichst entkleidet von allen Zufälligkeiten des Raumes und der Zeit; der Historiker eine Schilderung menschlicher Entwicklungen […] getreu dem wirklichen Leben […].“; Johann Gustav Droysen: Grundriss der Historik, Leipzig 1868, S. 11: „Nach den Objecten und nach der Natur des menschlichen Denkens sind die drei möglichen wissenschaftlichen Methoden: die (philosophisch oder theologisch) speculative, die mathematisch-physikalische, die historische. Ihr Wesen ist: zu erkennen, zu erklären, zu verstehen. Daher der alte Canon der Wissenschaften: Logik, Physik, Ethik: – nicht drei Wege zu Einem Ziel, sondern die drei Seiten eines Prisma, wenn das menschliche Auge das ewige Licht, dessen Glanz es nicht zu ertragen vermag, im Farbenwiederschein ahnen will.“; Wilhelm Dilthey: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte, Bd. 1, Leipzig 1883, S. XVf.: „Welcher ist der Zusammenhang von Sätzen, der gleicherweise dem Urtheil des Geschichtsschreibers, den Schlüssen des Nationalökonomen, den Begriffen des Juristen zu Grunde liegt und deren Sicherheit zu bestimmen ermöglicht? […] wo ist der feste Rückhalt für einen Zusammenhang der Sätze, der den Einzelwissenschaften Verknüpfung und Gewißheit giebt?“ Gustav Schmoller nutzte Diltheys Darlegungen gleich nach Erscheinen als Argumentationshilfe gegen Carl Menger. Vgl. Gustav Schmoller: Zur Methodologie der Staats- und Sozial-Wissenschaften, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich, 7. Jgg. (1883), S. 239ff.
[48] Vgl. Georg Simmel: Die Probleme der Geschichtsphilosophie. Eine erkenntnistheoretische Studie, Leipzig 1892, S. 92ff.
[49] Vgl. Gudrun Kühne-Bertram: Zum Verhältnis von Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften in der Philosophie Diltheys, in: Christian Damböck/Hans-Ulrich Lessing (Hrsg.): Dilthey als Wissenschaftsphilosoph, Freiburg/München 2016, S. 225ff. und zur Verbindung zur „verstehenden Soziologie“ Max Webers etwa Klaus Lichtblau: Soziologie und Anti-Soziologie um 1900: Dilthey, Simmel und Weber, in: Peter-Ulrich Merz-Benz/Gerhard Wagner (Hrsg.): Soziologie und Anti-Soziologie. Ein Diskurs und seine Rekonstruktion. Konstanz 2001, S. 17ff. „[...] daß Weber im Unterschied zu anderen soziologischen Klassikern den Begriff ‚Gesellschaft‘ bewußt vermieden hat und insofern die von ihm begründete Richtung der verstehenden Soziologie auch nicht als Beitrag zu einer ambitionierten Theorie der Gesellschaft verstand, sondern als eine soziologische Begriffslehre, die der historischen Forschung dienend zur Seite stehen sollte.“ Klaus Lichtblau: Die Eigenart der kultur- und sozialwissenschaftlichen Begriffsbildung, Wiesbaden 2011, S. 261.
[50] Wilhelm Dilthey: Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie, in: Sitzungsberichte der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Sitzung der philosophisch-historischen Classe, Berlin 1894, S. 1309–1407, S. 1314.
[51] Vgl. Wilhelm Windelband: Geschichte und Naturwissenschaft. Rede zum Antritt des Rektorats der Kaiser-Wilhelms-Universität Strassburg (1894), 3. Aufl., Strassburg 1904 u. Heinrich Rickert: Die Grenzen der naturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Eine logische Einleitung in die historischen Wissenschaften. Erste Hälfte, Freiburg/Leipzig 1896 sowie Ders.: Kulturwissenschaft und Naturwissenschaft. Ein Vortrag, Freiburg 1899.
[52] „So wenig Erfreuliches diese Wissenschaft […] auch bisher erreicht haben mag, so wenig ist unter logischen Gesichtspunkten gegen eine naturwissenschaftliche Darstellung der gesellschaftlichen Wirklichkeit einzuwenden“. Heinrich Rickert zit. b. Volker Kruse: Von der historischen Nationalökonomie zur historischen Soziologie. Ein Paradigmenwechsel in den deutschen Sozialwissenschaften um 1900, in: Zeitschrift für Soziologie 19/3 (Juni 1990), S. 149ff., S. 151 (Hervorh. i. O.).
[53] Vgl. im Überblick Sven Wöhler: Das heterologische Denkprinzip Heinrich Rickerts und seine Bedeutung für das Werk Max Webers. Die Einheit der modernen Kultur als Einheit der Mannigfaltigkeit, Norderstedt 2005 bzw. Heinrich Rickert: Das Eine, die Einheit und die Eins. Bemerkungen zur Logik des Zahlbegriffs, in: Logos. Internationale Zeitschrift für Philosophie der Kultur, Bd. 2 (1911/12), Tübingen 1912, S. 26ff.
[54] Vgl. Werner Flach: Negation und Andersheit. Ein Beitrag zur Problematik der Letztimplikation, München 1959, S. 26: „Empirie und Logik sind unter ein gemeinsam begründetes Prinzip zu bringen. Sie sind aber nicht Spezialfälle eines Denkens überhaupt, sondern sie sind einundasselbe [sic!], das eine Denken. Und das heterothetische Prinzip ist ein Fundamentalprinzip dieses einen Denkens, die Formulierung seines Ursprungs.“ Vgl. vor diesem Hintergrund die Darstellungen von Klaus Lichtblau: Max Webers Verständnis von ‚Sozialökonomik‘. Werkgeschichtliche Betrachtungen zum Ursprung seiner Verstehenden Soziologie, in: Georg Peter/Reuß-Markus Krauße (Hrsg.): Selbstbeobachtung der modernen Gesellschaft und die neuen Grenzen des Sozialen, Wiesbaden 2012, S. 203ff. Weiterführend vgl. Peter Koslowski (Hrsg.): Methodology of the Social Sciences, Ethics, and Economics in the Newer Historical School. From Max Weber and Rickert to Sombart and Rothacker, Berlin/Heidelberg/New York 1997.
[55] Max Weber: Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 19, 1904, aus Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 146ff., S. 165 u. vgl. ebd. ff. (Hervorh. i. O.).
[56] Vgl. Joseph A. Schumpeter: History of Economic Analysis (hrsg. Elizabeth Boody Schumpeter 1954, posthum), [Taylor & Francis e-Library] 2006, S. 10f. u. 19, wobei Schumpeter unter „Wirtschaftssoziologie“ die spezifisch „deutsche Tradition“ verstand, die Max Weber als „Sozialökonomik“ entwickelt habe und welche als „vervollständigend“ (engl. complement) hinsichtlich der ersten drei „fundamental fields“ zu betrachten sei. Vgl. ursprünglich Joseph Schumpeter: Epochen der Dogmen- und Methodengeschichte, in: Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 1. Abteilung: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1914, S. 19ff. Vgl. zu Schumpeter im Überblick Heinz D. Kurz: Joseph A. Schumpeter. Ein Sozialökonom zwischen Marx und Walras, Marburg 2005.
[57] Vgl. insbes. zur Vorgeschichte der Wort- und Begriffsnutzung Bernhard K. Quensel: Max Webers Konstruktionslogik. Sozialökonomik zwischen Geschichte und Theorie, Baden-Baden 2007, S. 37ff. und Richard Swedberg: Max Weber and the Idea of Economic Sociology, Princeton 1998, S. 177ff. Wagner über Rodbertus: „Das Urtheil, welches ich glaubte schon früher über Rodbertus als socialökonomischen Autor fällen zu dürfen, indem ich ihn den ‚Ricardo des ökonomischen Socialismus‘ nannte, findet durch die vorliegende Schrift über das ‚Kapital‘ [...] seine volle Bestätigung. Rodbertus zeigt hier eine Kraft des abstrakten Denkens, wie sie nur den grössten Meistern eigen ist. Er schliesst sich an diese an und tritt wohl auf dem Gebiete der Nationalökonomie an ihre Spitze.“ Aus dem Vorwort zu Karl Rodbertus: Das Kapital. Vierter socialer Brief an von Kirchmann (1852/1884 posthum), in: Adolph Wagner/Theophil Kozak (Hrsg.): Aus dem literarischen Nachlass von Dr. Carl Rodbertus-Jagetzow, Bd. II, Berlin 1884, S. VIIf. Wagners Mitherausgeber hatte bereits zwei Jahre früher veröffentlicht: Theophil Kozak: Rodbertus-Jagetzow’s socialökonomische Ansichten, Jena 1882. Wagner über Schäffle: „Wesentlich [Schäffle], als der bedeutendste Autor dieser Richtung, hat die neuste vorwiegend ‚sozialökonomische‘ Richtung der Nationalökonomie angebahnt, ja zum Durchbruch gebracht.“ Adolph Wagner: Theoretische Sozialökonomik oder Allgemeine und theoretische Volkswirtschaftslehre. Grundriss in tunlichst prinzipieller Behandlungsweise […], Leipzig 1907, S. 16. Vgl. zudem die einschlägigen Dissertationen der Schüler Wagners, Heinrich Dietzel: Ueber das Verhältniss der Volkswirthschaftslehre zur Socialwirthschaftslehre, Berlin 1882 und Werner Sombart: Die römische Campagna. Eine sozialökonomische Studie, Leipzig 1888 (promoviert bei Gustav Schmoller). Zu Franz Oppenheimer vgl. Ders.: Adolf Wagner. Gedächtnisrede gehalten bei der zum Andenken an Gustav Schmoller und Adolf Wagner veranstalteten Trauerfeier der Staatswissenschaftlichen Vereinigung am 8. Januar 1918, in: Europäische Staats- und Wirtschaftszeitung 5/1918 (02.02.1918), 5 S. in der Presse-Dokumentation des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs.
[58] Die Antikritik von Wagner gegen Schmoller kann als „Vorspiel“ des Methodenstreits gelten. Vgl. Heino Heinrich Nau: Eine ‚Wissenschaft vom Menschen‘. Max Weber und die Begründung der Sozialökonomik in der deutschsprachigen Ökonomie 1871 bis 1914, Berlin 1997, S. 160ff. Vgl. dazu Adolph Wagner: Rez. Gustav Schönberg: Handbuch der politischen Oekonomie 1882 („Antikritik“), in: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft 1883, S. 258ff. u. Ders.: Systematische Nationalökonomie. Rez. Gustav Cohn: Systematik der Nationalökonomie 1885, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik N.F. 12/3 (1886), S. 197ff.
[59] Adolph Wagner: Rez. Gustav Schönberg: Handbuch der politischen Oekonomie 1882 („Antikritik“), in: Zeitschrift für die gesammte Staatswissenschaft 1883, S. 258ff., S. 271.
[60] Vgl. Adolph Wagner: Grundlegung der politischen Oekonomie, 3. Aufl., Leipzig 1892 (= Adolph Wagner/Karl Bücher/Heinrich Dietzel (Hrsg.): Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie, Erste Hauptabtheilung: Grundlegung der politischen Oekonomie), S. 2 u. S. 65ff. (Die Socialökonomie als eigene selbstständige Wissenschaft) und S. 264 („Socialökonomie […] allerdings correcter […] Socialökonomik“). Zur semantischen Begründung: die Sozialökonomie integriere „das, was neben dem ‚Oekonomischen‘ das Wesentliche in der Disciplin ist, das gesellschaftliche, ‚sociale‘ Moment“ (S. 266, Hervorh. i. O.). Später dann Ders.: Theoretische Sozialökonomik oder Allgemeine und theoretische Volkswirtschaftslehre. Grundriss in tunlichst prinzipieller Behandlungsweise […], Leipzig 1907.
[61] Adolf Weber: Die Aufgaben der Volkswirtschaftslehre als Wissenschaft, Tübingen 1909, S. 1.
[62] Vgl. zur institutionellen Disziplingeschichte und zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Wagner und Weber Bernhard K. Quensel: Max Webers Konstruktionslogik. Sozialökonomik zwischen Geschichte und Theorie, Baden-Baden 2007, S. 37ff. u. S. 175ff.
[63] Vgl. Heinrich Dietzel: Ueber das Verhältniss der Volkswirthschaftslehre zur Socialwirthschaftslehre, Berlin 1882 und Adolph Wagner: Grundlegung der politischen Oekonomie, 3. Aufl., Leipzig 1892, S. 266.
[64] Biographisch bis heute ungenügend: Heinrich Dietzel: Karl Rodbertus. Darstellung seines Lebens und seiner Lehre, 2 Bde. (Darstellung seines Lebens und Darstellung seiner Socialphilosophie), Jena 1886/88. Vgl. auch Edward C. K. Gonner: The Social Philosophy of Rodbertus, London/New York 1899.
[65] Heinrich Dietzel: Theoretische Socialökonomik, Bd. 1, Leipzig 1895, S. 56, 74 u. 125. (Hervorh. i. O.).
[66] Heinrich Dietzel: Theoretische Socialökonomik, Bd. 1, Leipzig 1895 (= Adolph Wagner/Karl Bücher/Heinrich Dietzel (Hrsg.): Lehr- und Handbuch der politischen Oekonomie, Zweite Hauptabtheilung: Theoretische Socialökonomik).
[67] Vgl. Heinrich Dietzel: Theoretische Socialökonomik, Bd. 1, Leipzig 1895 und den Kontext darstellend Carsten Kasprzok: Der Sozialökonom Heinrich Dietzel. Ein deutscher Klassiker, Marburg 2005, S. 61ff. sowie Heino Heinrich Nau: Eine ‚Wissenschaft vom Menschen‘. Max Weber und die Begründung der Sozialökonomik in der deutschsprachigen Ökonomie 1871 bis 1914, Berlin 1997, S. 196ff.
[68] Vgl. dazu Heino Heinrich Nau: Eine ‚Wissenschaft vom Menschen‘. Max Weber und die Begründung der Sozialökonomik in der deutschsprachigen Ökonomie 1871 bis 1914, Berlin 1997, S. 200 u. S. 220f. Im Ganzen vgl. Max Weber: Allgemeine („theoretische“) Nationalökonomie. Vorlesungen 1894–1898 (hrsg. Wolfgang J. Mommsen in Zusammenarbeit mit Cristof Judenau, Heino H. Nau, Klaus Scharfen und Marcus Tiefel), Max-Weber-Gesamtausgabe III/1, Tübingen 2009, S. 194 [„Sozialökonomik“]. „Noch in ‚Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte‘ spielen die Modellkonstrukte von Rodbertus eine wichtige Rolle“ (ebd. S. 5). Zu Rodbertus‘ „grundlegender“ methodologischer Bedeutung für Weber Jürgen Deininger in der Einleitung von Max Weber: Die römische Agrargeschichte in ihrer Bedeutung für das Staats- und Privatrecht (1891) (hrsg. Jürgen Deininger), Max-Weber-Gesamtausgabe I/2, Tübingen 1986, S. 19ff. Weber 1893 in einem Brief an Lujo Brentano, sich vom „organisch-sozialistischen“ Gehalt Rodbertus‘ distanzierend, die methodischen Verdienste aber hervorhebend: „So völlig falsch mir fast alle seine Aufstellungen auch hier scheinen, so glaube ich doch, daß er die Sache selbst mächtig gefördert hat. Er schlägt meist vorbei, aber nicht ins Blaue, sondern trifft fast stets auf einen Punkt, der in der Tat central liegt, und ich kann wohl sagen, daß mir auch seine crassesten Einseitigkeiten und Construktionen meist ungemein fruchtbar |:und anregend:| erschienen sind.“ Zit. n. Jürgen Deininger in Max Weber: Zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte des Altertums. Schriften und Reden 1893-1908 (hrsg. Jürgen Deininger), Max-Weber-Gesamtausgabe I/6, Tübingen 2006, S. 8. In diesem Sinne führte Weber im Grundriss der Sozialökonomik die Unterscheidung von Vermögen und Kapital sowie Haushalt und Erwerbsbetrieb auf die althistorischen Untersuchungen Rodbertus' zurück (Oikos-Wirtschaft). Heute könnten diese Kategorien der Versorgungsökonomie und dem Kapitalismus zugeordnet werden. Vgl. Max Weber: Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte, in: Ders. u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 3. Abteilung: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1922, S. 1ff., S. 53.
[69] Max Weber: Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 19, 1904, aus Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 146ff., S. 163.
[70] Vgl. Max Weber: Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 19, 1904, aus Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 146ff., S. 190f. Zur Abduktion Webers (Wolfgang Schluchter) vgl. Christoph Morlok: Rentabilität und Versorgung: Wirtschaftstheorie und Wirtschaftssoziologie bei Max Weber und Friedrich von Wieser, Wiesbaden 2013, S. 73ff. [Max Webers erste Konzeption der Sozialökonomie].
[71] Max Weber: Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 19, 1904, aus Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 146ff., S. 165 (Hervorh. i. O.).
[72] Vgl. u. zit n. Wolfgang J. Mommsen: Max Weber als Kritiker des Marxismus, in: Zeitschrift für Soziologie 3/3 (Juni 1974), S. 256ff., S. 257.
[73] Zit. aus dem Gliederungsplan Max Webers im ersten der Sammelwerk-Bände Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 1. Abteilung: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1914, S. XIII.
[74] Max Weber: Die protestantische Ethik und der ‚Geist‘ des Kapitalismus (hg. v. Klaus Lichtblau/Johannes Weiß), 3. Aufl., Weinheim 2000, S. 153 (Fassung 1905).
[75] Max Weber: Die ‚Objektivität‘ sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 19, 1904, aus Ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 146ff., S. 163 u. S. 166 (Hervorh. i. O.).
[76] Max Weber in einem Brief an den Verleger Paul Siebeck v. 22. März 1912, zit. n. Heino Heinrich Nau: Eine ‚Wissenschaft vom Menschen‘. Max Weber und die Begründung der Sozialökonomik in der deutschsprachigen Ökonomie 1871 bis 1914, Berlin 1997, S. 255f. (Hervorh. i. O.). Einen erschöpfenden Einblick bietet Wolfgang Schluchter (Hrsg.): Wirtschaft und Gesellschaft. Entstehungsgeschichte und Dokumente, Max-Weber-Gesamtausgabe I/24, Tübingen 2009.
[77] Die postklassische Tradition der dogmatischen, von unhinterfragten „Prinzipien“ getragenen „Lehrbuchwissenschaft“ prägt bis heute das Studium der VWL und deren disziplinären Begriff von „normaler“ Wissenschaftlichkeit. Vgl. Lukas Bäuerle: Die ökonomische Lehrbuchwissenschaft. Zum disziplinären Selbstverständnis der Volkswirtschaftslehre, in: Momentum Quarterly 6/4 (2017), S. 252ff. (Open Access).
[78] Vgl. dazu Max Webers Vorwort in Ders. u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 1. Abteilung: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1914.
[79] Max Weber im Vorwort zu Ders. u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 1. Abteilung: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1914, S. IX.
[80] Zit. aus der Einteilung des Gesamtwerkes im ersten der Sammelwerk-Bände Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 1. Abteilung: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, Tübingen 1914, S. Xff.
[81] Vgl. Wilhelm Hennis: Noch’n Diskurs. Max Weber war er schnuppe, Heino Heinrich Nau nicht, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 14.10.1997 (Nr. 238), S. L36 (https://www.faz.net/-gr0-6q38b v. 14.08.2020).
[82] Vgl. Heino Heinrich Nau: Eine ‚Wissenschaft vom Menschen‘. Max Weber und die Begründung der Sozialökonomik in der deutschsprachigen Ökonomie 1871 bis 1914, Berlin 1997, S. 252ff. und Dirk Kaesler: Eine Konstruktion wird dekonstruiert. Max Webers „Wirtschaft und Gesellschaft“ zerfällt in Einzelteile, in: literaturkritik.de. 4/2006 (https://literaturkritik.de/id/9356 v. 14.08.2020) sowie Bernhard K. Quensel: Max Webers Konstruktionslogik. Sozialökonomik zwischen Geschichte und Theorie, Baden-Baden 2007, S. 137 u. S. 16 (FN 25): „Gegen die überkommenen Arten, Weber zu lesen, tut eine sozialökonomische Relecture dringend not. […] Dabei ist doch gerade der politisch-ökonomische Kontext mit seinen einschlägigen Problemstellungen zur Entfaltung und Kulturbedeutung des modernen Kapitalismus das derzeit vielleicht wichtigste Desiderat der Weber-Forschung. Inwieweit vor solcherart disziplinenkritischem Hintergrund von Webers Werk Forschungsprogramme zurecht sich als ‚weberianisch‘ bezeichnen […], für die Webers klar sozialökonomische Ausrichtung bestenfalls nur noch Bildungsverweis ist, mag hier dahingestellt bleiben.“ Zudem Hans-Peter Müller: Max Webers Sozialökonomik, in: Klaus Kraemer/Florian Brugger (Hrsg.): Schlüsselwerke der Wirtschaftssoziologie, Wiesbaden 2017, S. 90.
[83] Vgl. Dirk Kaesler: Max Weber. Preuße, Denker, Muttersohn. Eine Biographie, München 2014, S. 651.
[84] Vgl. Roman Köster: Die Wissenschaft der Außenseiter. Die Krise der Nationalökonomie in der Weimarer Republik, Göttingen 2011, S. 62ff. u. S. 78ff. Vgl. weiterführend Klaus-Rainer Brintzinger: Die Nationalökonomie an den Universitäten Freiburg, Heidelberg und Tübingen 1918-1945. Eine institutionenhistorische, vergleichende Studie der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten und Abteilungen südwestdeutscher Universitäten, Frankfurt a.M. u.a. 1996 [Retro-Digitalisat, Open Access 2018].
[85] Gustav Cassel: Theoretische Sozialökonomie, Leipzig 1918. Vgl. Erich Schneider: Gustav Cassels ‚Theoretische Sozialökonomie‘. Ein Rückblick, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 101 (1968), S. 153ff., S. 153 u. S. 157 sowie weiterführend Benny Carlson: Wagner’s Swedish Students. Precursors of the Middle Way?, in: Journal of the History of Economic Thought 25/4 (Dezember 2003), S. 437ff.
[86] Friedrich von Wieser: Theorie der gesellschaftlichen Wirtschaft, 2. Aufl., Tübingen 1924 (= Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik. 1. Abteilung: Historische und theoretische Grundlagen, II. Teil).
[87] Alfred Müller[-Armack]: Das Krisenproblem in der theoretischen Sozialökonomik. Versuch einer Neubegründung der absoluten Ueberproduktionslehre, Köln 1923 und Ders.: Ökonomische Theorie der Konjunkturpolitik, Leipzig 1926. Vgl. Ders.: Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, Hamburg 1947.
[88] Eduard Heimann: Entwicklungsgang der wirtschafts- und sozialpolitischen Systeme und Ideale. II. Die jüngste Entwicklung, in: Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 1. Abteilung: Historische und theoretische Grundlagen, I. Teil: Wirtschaft und Wirtschaftswissenschaft, 2. erw. Aufl., Tübingen 1924, S. 184ff. und Ders.: Soziale Theorie des Kapitalismus. Theorie der Sozialpolitik, Tübingen 1929. Vgl. Heinz Rieter: Eduard Heimann – Sozialökonom und religiöser Sozialist, in: Rainer Nicolaysen (Hrsg.): Das Hauptgebäude der Universität Hamburg als Gedächtnisort. Mit sieben Porträts in der NS-Zeit vertriebener Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Hamburg 2011, S. 229ff.
[89] Alfred Weber: Prinzipielles zur Kultursoziologie. Gesellschaftsprozess, Zivilisationsprozess und Kulturbewegung, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, Bd. 47, 1920/21, S. 1ff.
[90] Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1922 (= Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik. III. Abteilung: Wirtschaft und Gesellschaft).
[91] Franz Oppenheimer: System der Soziologie, Jena 1922ff. (u.a. Bd. 3: Theorie der reinen und politischen Ökonomie, Halbbd. 2: Die Gesellschaftswirtschaft, 1924).
[92] Carl Brinkmann: Die moderne Staatsordnung und der Kapitalismus, in: Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 4. Abteilung: Spezifische Elemente der modernen kapitalistischen Wirtschaft, Tübingen 1925, S. 49ff.
[93] Edgar Salin: Hochkapitalismus. Eine Studie über Werner Sombart, die deutsche Volkswirtschaftslehre und das Wirtschaftssystem der Gegenwart, in: Weltwirtschaftliches Archiv, Bd. 25 (1927), S. 314ff.
[94] Werner Sombart: Die drei Nationalökonomien. Geschichte und System der Lehre von der Wirtschaft, München/Leipzig 1930.
[95] Alfred Müller-Armack: Entwicklungsgesetze des Kapitalismus. Ökonomische, geschichtstheoretische und soziologische Studien zur modernen Wirtschaftsverfassung, Berlin 1932.
[96] Arthur Spiethoff: Die Allgemeine Volkswirtschaftslehre als geschichtliche Theorie. Die Wirtschaftsstile, in: Schmollers Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche, Bd. 56/2 (1932), S. 51ff. (Sonderabdruck in: Ders. (Hrsg.): Festgabe für Werner Sombart zur siebenzigsten Wiederkehr seines Geburtstages 19. Jänner 1933, München 1933).
[97] Vgl. Alexander Ebner: Wirtschaftskulturforschung. Ein sozialökonomisches Forschungsprogramm, in: Volker Caspari (Hrsg.): Theorie und Geschichte der Wirtschaft. Festschrift für Bertram Schefold, Marburg 2009, S. 121ff. und neuer Ders.: Ökonomie als Geisteswissenschaft? Grundzüge der Erklären-Verstehen-Kontroverse in den deutschen Wirtschaftswissenschaften, in: Heinz D. Kurz (Hrsg.): Die Ökonomik im Spannungsfeld zwischen Natur- und Geisteswissenschaften. Alte und neue Perspektiven im Licht des jüngsten Methodenstreits, Berlin 2014, S. 73ff.
[98] Zum Einfluss Franz Oppenheimers u.a. auf die Soziale Marktwirtschaft vgl. etwa Volker Caspari/Klaus Lichtblau: Franz Oppenheimer. Ökonom und Soziologe, Frankfurt am Main 2014. Das Konzept des „liberalen Sozialismus“ als eines dritten Weges findet sich erstmals ausformuliert in Franz Oppenheimer: Theorie der reinen und politischen Ökonomie. Ein Lehr- und Lesebuch für Studierende und Gebildete, Berlin 1910, S. 57 [Schwesterwissenschaft] (ähnlich Ders.: Kapitalismus, Kommunismus, Wissenschaftlicher Sozialismus, Berlin/Leipzig 1919, später überarb.: Weder Kapitalismus noch Kommunismus 1931ff.).
[99] Vgl. zum Neohistorismus Heinz Rieter: Historische Schulen, in: Otmar Issing (Hrsg.): Geschichte der Nationalökonomie, 4. Aufl., München 2002, S. 135ff., S. 154ff., S. 158 u. S. 160. Für die Kennzeichnung der „Verbindung von historischer Methode und ökonomischer Theorie“ als „Kernpunkt des ordoliberalen Programms“ dagegen Nils Goldschmidt: Hermann Schumacher – nur ein weiterer Erbe Schmollers oder der erste Ordoliberale? Anmerkungen zu einem ‚missing link‘ zwischen der Historischen und der Freiburger Schule, in: Jürgen G. Backhaus (Hrsg.): Historische Schulen, Münster 2005, S. 53ff., S. 83. Von dem Schumacher-Schüler Walter Eucken ist bekannt, dass er sich neben der philosophischen Prägung durch den Vater Rudolf Eucken auch intensiv mit Henri de Saint-Simon, Karl Rodbertus und Eugen von Böhm-Bawerk auseinandergesetzt hatte. Vgl. Wendula Gräfin von Klinckowstroem: Walter Eucken. Eine biographische Skizze, in: Lüder Gerken (Hrsg.): Walter Eucken und sein Werk. Rückblick auf den Vordenker der sozialen Marktwirtschaft, Tübingen 2000, S. 53ff., S. 66 [Rodbertus-Böhm-Bawerk-Arbeitszirkel während der Habilitation].
[100] Vgl. zum Ganzen Roman Köster: Die Wissenschaft der Außenseiter. Die Krise der Nationalökonomie in der Weimarer Republik, Göttingen 2011, S. 174f. [Begriffsnutzung].
[101] Vgl. im Überblick Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012.
[102] Vgl. Werner Sombart: Deutscher Sozialismus, Berlin 1934.
[103] Vgl. Alfred Müller-Armack: Staatsidee und Wirtschaftsordnung im neuen Reich, Berlin 1933.
[104] Vgl. Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 602, S. 612 u. S. 578.
[105] Vgl. Erich Preiser: Gestalt und Gestaltung der Wirtschaft. Eine Einführung in die Wirtschaftswissenschaften, Tübingen 1934, S. 99.
[106] Helge Peukert: Nationalökonomie und Nationalsozialismus, in: Jahrbuch für Wirtschaftsgeschichte 40/2 (1999), S. 215ff., S. 227.
[107] Zur nachträglichen Identifikation der Neuen Wirtschaftslehre mit dem Keynesianismus vgl. Andreas Paulsen: Neue Wirtschaftslehre. Einführung in die Wirtschaftstheorie von John Maynard Keynes und die Wirtschaftspolitik der Vollbeschäftigung, Berlin 1950. Vgl. Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 224.
[108] Alfred Müller-Armack: Staatsidee und Wirtschaftsordnung im neuen Reich, Berlin 1933, S. 18f. u. S. 60 (Hervorh. i. O.).
[109] Dirk Kaesler: Michels, Robert, in: Neue Deutsche Biographie 17 (1994), S. 451f. Vgl. Robert Michels: Wirtschaft und Rasse, in: Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 2. Abteilung: Die natürlichen und technischen Beziehungen der Wirtschaft, Tübingen 1914, S. 97-102 und erweitert 2. Aufl., Tübingen 1923, S. 124-187 sowie Ders.: Psychologie der antikapitalistischen Massenbewegungen, in: Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 9. Abteilung: Das soziale System des Kapitalismus, Tübingen 1926, 241ff.
[110] Zu Spann vgl. Sabine A. Haring: Spann, Othmar, in: Neue Deutsche Biographie 24 (2010), S. 629f. Zu Gottl-Ottlilienfeld vgl. Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 560. Vgl. die entsprechenden Einträge zu Sombart (hier fälschlicherweise dem Aufruf der Kulturschaffenden 1934 zugeordnet) und Gottl-Ottlilienfeld auf der Webpräsenz Geschichte der Wirtschaftswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (abgerufen am 06.09.2020).
[111] Vgl. Christian Fleck: Schumpeter und die Emigranten, in: Newsletter des AGSÖ, Bd. 15 (1997) [Open Access] und zu Hayek Johannes Feichtinger: Wissenschaft zwischen den Kulturen. Österreichische Hochschullehrer in der Emigration 1933-1949, Frankfurt a.M./New York 2001: „Als österreichischer Wirtschaftswissenschaftler nach 1938 ohne Hayeks Zustimmung in England einzureisen und akademische Ambitionen zu verfolgen, hatte in jedem Fall eine Konsequenz – die unaufhaltsame Deakademisierung.“ Ebd., S. 233.
[112] Vgl. zu diversen Lederer-Beiträgen z.B. Max Weber u.a. (Hrsg.): Grundriss der Sozialökonomik, 9. Abteilung: Das soziale System des Kapitalismus, II. Teil: Die autonome und staatliche soziale Binnenpolitik im Kapitalismus, Tübingen 1927.
[113] Vgl. im Überblick Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, umfangreiches bio-bibliographisches Personenverzeichnis S. 533-640 und Harald Hagemann/Claus-Dieter Krohn (Hrsg.): Biographisches Handbuch der deutschsprachigen wirtschaftswissenschaftlichen Emigration nach 1933, München 1999.
[114] Zu Eucken aktuell Moritz Peter Haarmann: Wirtschaft – Macht – Bürgerbewusstsein. Walter Euckens Beitrag zur sozioökonomischen Bildung, Wiesbaden 2015, vgl. zur nachträglichen „Vereinnahmung ‚ordoliberalen‘ Denkens“ für die Propagierung des „freien Marktes“ insbes. S. 93ff. Vgl. zudem Alexander Rüstow: Das Versagen des Wirtschaftsliberalismus (1945), 3. Aufl. (hrsg. Frank P. u. Gerhard Maier-Rigaud), Marburg 2001 und Wilhelm Röpke: Die Gesellschaftskrisis der Gegenwart, Erlenbach-Zürich 1942. Vgl. darüber hinaus Helge Peukert: Das sozialökonomische Werk Wilhelm Röpkes, 2 Bde., Frankfurt a.M. u.a. 1992. Röpke wird wegen seiner 1964 geäußerten Rechtfertigungen der Apartheid in Südafrika und zumal ihres Vergleichs mit der Vertreibung der Araber im Umfeld der israelischen Staatsgründung zum Teil eine sozialdarwinistische bis rassistische Haltung attestiert. Vgl. ursprünglich Wilhelm Röpke: Südafrika. Versuch einer Würdigung, in: Schweizer Monatshefte 44/2 (1964), S. 97ff., S. 105f.
[115] Vgl. Klaus Lichtblau: Franz Oppenheimer (1864-1943). Chronik, Arbeitspapier 2015, S. 140 (abgerufen auf Goethe-Universität Frankfurt a.M. am 18.09.2020). Preiser schrieb den Brief wenige Monate vor der Zerschlagung der SA durch den sog. Röhm-Putsch. „Sie [die Sturmabteilung, SA] vor allem erscheint mir der Garant dafür, dass die Bewegung nicht erstarrt.“ Hierzu und zu Preisers Rolle während des NS vgl. Juliane C. Wilmanns: Erich Preiser, Franz Oppenheimer und der Nationalsozialismus, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 223/6 (2003), S. 752ff. sowie über den „sozial-ethischen“ Ökonomen Detlef J. Blesgen: Erich Preiser. Wirken und wirtschaftspolitische Wirkungen eines deutschen Nationalökonomen (1900–1967), Berlin 2000.
[116] Vgl. Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 78f. u. S. 286.
[117] Vgl. Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 86ff.
[118] Vgl. Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 56 u. S. 560.
[119] Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, Frankfurt a.M. 2005, S. 193.
[120] Vgl. Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 223ff. [Entstehung und Entwicklung einer neuen Wirtschaftslehre in Deutschland nach 1933] u. S. 288ff. [Die geld- und konjunkturtheoretischen Wurzeln der neuen Wirtschaftslehre in Deutschland].
[121] Vgl. Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 116ff. u. Jan-Otmar Hesse: Wirtschaft als Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre in der frühen Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2010, S. 255ff.
[122] Vgl. hierzu Udo Kissenkoetter: Gregor Straßer und die NSDAP, Stuttgart 1978, S. 83ff. [Wirtschaftsprogramm der NSDAP 1932]. Kissenkoetter (S. 109ff.) und auch Hauke Janssen: Nationalökonomie und Nationalsozialismus. Die deutsche Volkswirtschaftslehre in den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts, 4. Aufl., Marburg 2012, S. 85f. betonen die Rolle der Studiengesellschaft für Geld- und Kreditwirtschaft als Schnittstelle ökonomischer, konjunkturpolitischer, industrieller und (NS-)politischer Interessen. So habe sich einer der Gründer, Heinrich Dräger, bei seinen eigenen Überlegungen zur Arbeitsbeschaffung durch Kenntnisse, Vorträge und Kontakte der Gesellschaft u.a. von und mit Robert Friedländer-Prechtl, Ernst Wagemann, Rudolf Dalberg, Wladimir S. Woytinsky, Werner Sombart, Wilhelm Grotkopp und auch John M. Keynes inspirieren lassen, der offenbar mit Dalberg und Grotkopp als Vertretern der Studiengesellschaft in Kontakt gestanden hatte. Vgl. Kissenkoetter, S. 109.
[123] Vgl. die Dokumentation Gottfried Bombach/Hans-Jürgen Ramser/Manfred Timmermann/Walter Wittman (Hrsg.): Der Keynesianismus II. Die beschäftigungspolitische Diskussion vor Keynes in Deutschland, Berlin/Heidelberg 1976. Werner Sombart unterstützte im August 1932 mit einem eigenen Gutachten einen Vorschlag der Studiengesellschaft für Geld- und Kreditwirtschaft für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Der dem Reichskanzler Franz von Papen unterbreitete Entwurf basierte auf Geldschöpfung und direkter Staatsfinanzierung durch die Reichsbank. Für die Idee der direkten Staatsfinanzierung wurde als Urheber der Ökonom Ernst Wagemann genannt, Präsident des Statistischen Reichsamtes und Namensgeber des geld- und konjunkturpolitischen Wagemann-Plans vom Januar 1932 (unter Reichskanzler Heinrich Brüning verworfen). Vgl. ebd., S. 160ff. u. Ernst Wagemann: Geld- und Kreditreform, Berlin 1932.
[124] Vgl. im Überblick Ursula Büttner: Politische Alternativen zum Brüningschen Deflationskurs. Ein Beitrag zur Diskussion über ‚ökonomische Zwangslagen‘ in der Endphase von Weimar, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 37/2 (1989), S. 209ff., S. 228 [Heimann].
[125] Vgl. Werner Sombart: Deutscher Sozialismus, Berlin 1934, S. 319f.
[126] Vgl. Erich Preiser: Wesen und Methoden der Wirtschaftslenkung, in: Finanzarchiv, Neue Folge Bd. 8/2 (1941), S. 225ff., S. 225.
[127] Vgl. zum Einfluss des deutschen ethischen Historismus und der US-Institutionenökonomik auf die staatliche Sozialpolitik der Bismarck-Zeit und des New Deal Henner Schellschmidt: Ökonomische Institutionenanalyse und Sozialpolitik. Gustav Schmoller und John R. Commons als Vertreter einer sozialreformerisch ausgerichteten Institutionenökonomie, Marburg 1997.
[128] Vgl. zum Ganzen und zit. n. Werner Abelshauser: Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder. Deutschlands wirtschaftliche Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg und die Folgen für die Nachkriegszeit, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 47/4 (Okt. 1999), S. 503ff., S. 512 [Robinson-Zitat]. Abelshauser nennt als „wichtige Quelle“ des „NS-Konjunkturprogramms“ Robert Friedlaender-Prechtl: Wirtschaftswende. Die Ursachen der Arbeitslosen-Krise und deren Bekämpfung, Leipzig 1931. Vgl. zudem George Garvy: Keynes and the Economics Activities of Pre-Hitler Germany, in: Journal of Political Economy, 83/2 (1975), S. 391ff. und Kiran Klaus Patel: Amerika als Argument. Die Wahrnehmungen des New Deal am Anfang des ‚Dritten Reichs‘, in: Amerikastudien - American Studies, 45/3 (2000), S. 349ff. Garvy betont den Wahrnehmungsspalt zwischen den bereits laufenden deutschen und US-amerikanischen Krisenprogrammen und dem über Keynes' Theorie staunenden größeren Teil der englischsprachigen Ökonomenzunft. Ebenso stellte er Keynes‘ Angaben zu dessen wirtschaftstheoretischen Inspirationsquellen infrage.
[129] Roosevelt hielt Keynes eher für einen „Mathematiker“ als für einen „politischen Ökonomen“. Vgl. Frances Perkins: The Roosevelt I Knew, New York 1946, S. 225f.
[130] Deutsches Vorwort (1936) in John M. Keynes: Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes (1936), 11. Aufl., Berlin 2009, S. XIIf. (Hervorh. i. O.).
[131] Vgl. bspw. den Lehrstuhl-Aufbau der Parteihochschule ‚Karl Marx‘ beim ZK der SED (s. Bestand DY 30 Bundesarchiv).
[132] Zur KPD-Mitgliedschaft Horst Haun: Kommunist und ‚Revisionist‘. Die SED-Kampagne gegen Jürgen Kuczynski (1956-1959), Dresden 1999, S. 157, die SED-Mitgliedschaft ist aus dem Zwangsvereinigungsparteitag von SPD und KPD 1946 in der Sowjetischen Besatzungszone abgeleitet.
[133] Jürgen Kuczynski: Memoiren. Die Erziehung des J.K. zum Kommunisten und Wissenschaftler, Berlin/Weimar 1972, S. 63 u. S. 65.
[134] Vgl. Stefan Schöbel: Jürgen Kuczynski: ‚Die Erziehung des J.K. zum Kommunisten und Wissenschaftler‘, in: Markus Bitterolf/Oliver Schlaudt/Stefan Schöbel (Hrsg.): Intellektuelle in Heidelberg 1910-1933. Ein Lesebuch, Heidelberg 2014, S. 151ff. und zur Rolle Heidelbergs als akademisch-internationales „Weltdorf“ Hubert Treiber/Karol Sauerland (Hrsg.): Heidelberg im Schnittpunkt intellektueller Kreise. Zur Topographie der ‚geistigen Geselligkeit‘ eines ‚Weltdorfes‘ 1850-1950, Opladen 1995 (zwischen 1879 und 1914 lag z.B. der Anteil ausländischer Studierender durchgehend über 10 %, S. 12). Zum Ökonomen und historisch-statistisch ausgebildeten Vater sowie dessen Prägungen durch Georg F. Knapp, Lujo Brentano und Paul Hensel vgl. Franz Menges: Kuczynski, Robert René, in: Neue Deutsche Biographie 13 (1982), S. 164f. Zur (auch verwandtschaftlichen) Beziehung Weber-Hensel vgl. Dirk Kaesler: Max Weber. Preuße, Denker, Muttersohn. Eine Biographie, München 2014, S. 456 u. S. 519f. [„Heidelberger liberales Gelehrtenmilieu um 1900“].
[135] Veröffentlicht zuerst in der UDSSR, Jürgen Kuczynski: Sociologičeskie zakony [Soziologische Gesetze], in: Voprosy filosofii, 1957/5, S. 95ff.
[136] Vgl. im Ganzen Horst Haun: Kommunist und ‚Revisionist‘. Die SED-Kampagne gegen Jürgen Kuczynski (1956-1959), Dresden 1999. Zur Einordnung neuer Till Düppe: A Science Show Debate. How the Stasi Staged Revisionism, in: Contemporary European History 30/1 (2021), S. 92ff. und vgl. für weitere Literatur zum Komplex DDR das Projekt Modernisierungsblockaden in Wirtschaft und Wissenschaft der DDR im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Universität Bremen.
[137] Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968 (in der Fassung vom 7. Oktober 1974), in: documentarchiv.de v. 20.09.2020.
[138] Vgl. Werner Abelshauser: Kriegswirtschaft und Wirtschaftswunder. Deutschlands wirtschaftliche Mobilisierung für den Zweiten Weltkrieg und die Folgen für die Nachkriegszeit, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 47/4 (Okt. 1999), S. 503ff. und das zentrale Nachkriegswerk Alfred Müller-Armacks: Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft, Hamburg 1947.
[139] Vgl. und zit. n. Jan-Otmar Hesse: Wirtschaft als Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre in der frühen Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2010, S. 95f. u. 270ff.
[140] Vgl. und zit. n. Jan-Otmar Hesse: Wirtschaft als Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre in der frühen Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2010, S. 93f.
[141] Vgl. Karsten Nowrot: Sozialökonomie als disziplinäre Wissenschaft. Alternative Gedanken zur sozialökonomischen Forschung, Lehre und (Eliten-)Bildung (Vortrag 2014), erschienen in: Rechtswissenschaftliche Beiträge der Hamburger Sozialökonomie, Heft 2, Hamburg 2015, S. 12 [Wissenschaftsparadigma].
[143] Vgl. im Überblick und zit. n. Simon Melch: Werner Hofmanns Überlegungen zur Wissenschaftssoziologie der Nationalökonomie, in: Soziologie, 43/4 (2014), S. 426ff., S. 433 u. S. 436 (Hervorh. i. O.).
[144] Vgl. und zit. n. Jan-Otmar Hesse: Wirtschaft als Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre in der frühen Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2010, S. 93 [umfassender Einschnitt] sowie 270ff. [Debatte Einheitswissenschaft] u. S. 400.
[145] Vgl. Jan-Otmar Hesse: Wirtschaft als Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre in der frühen Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2010, S. 141ff. u. 159 [US-Einflüsse u. Rockefeller-Stiftung], S.156ff. [ifo].
[146] So zumindest die Rockefeller-Stiftung, vgl. Jan-Otmar Hesse: Wirtschaft als Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre in der frühen Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2010, S. 158.
[147] Vgl. u. zit. Jan-Otmar Hesse: Wirtschaft als Wissenschaft. Die Volkswirtschaftslehre in der frühen Bundesrepublik, Frankfurt a.M. 2010, S. 275ff., S. 276.