Stickeraktion: Wieso sieht mein VWL-Professor auch dort Gleichgewichte, wo keine sind?

Netzwerk Plurale Ökonomik e.V. , 2018
Level: beginner
Perspective: Other
Topic: Reflection of Economics
Format: Infographic

Viele Fragen in der VWL beschäftigen sich mit Gleichgewichten. Dazu gehört die Suche nach Gleichgewichten, die Betrachtung von Gleichgewichten bei Veränderung einer Variable ceteris paribus und die Identifikation von Faktoren, die Gleichgewichte stören. Die methodische Fixierung auf Gleichgewichte kann als ein Kerncharakteristikum der Mainstream-VWL bezeichnet werden (Arnsperger, Varoufakis, 2006: 5). Die Idee von Gleichgewichten prägt die Vorstellung vieler Ökonom*innen vom Markt, was sich auf das Denken über das Verhältnis von Markt und Staat in der Neoklassik auswirkt. Ein plakatives Beispiel dafür ist zum Beispiel ein Veranstaltungstitel wie 'Rechtfertigung der Staatstätigkeit' (TU Dresden), in dessen Unterton die grundsätzliche Unnötigkeit des Staates auf Grund 'natürlicher' Gleichgewichte mitschwingt.

Andere Theorieströmungen verkörpern hingegen andere Vorstellungen vom Markt. In der postkeynesianischen Theorieschule können Märkte auch zu sich selbst destabilisierenden Prozessen führen. Hier ist das Eingreifen des Staates essentiell, um das Funktionieren des Marktes zu ermöglichen. Dominant ist also die Vorstellung, dass es gerade kein natürliches Gleichgewicht gibt. Andere Postkeynesianer*innen vertreten auch die Idee von multiplen Gleichgewichten, was den Fokus auf die Destabilisierung und den Übergangen zwischen diesen lenkt. Weiter geht die marxistische Ökonomik, wo es nicht nur keine Gleichgewichte gibt, sondern die kapitalistische Produktionsweise sogar ihre eigene Grundlage untergräbt und so schlussendlich sich selbst zerstören wird. Diese unterschiedlichen Auffassungen vom Markt sind sehr hilfreich, um einzelne Dynamiken zu verstehen, werden aber in der Mainstream-Ökonomik kaum behandelt.

 

Die Stickeraktion wurde von der Gruppe Was ist Ökonomie? initiiert und für das Netzwerk Plurale Ökonomik erstellt. Vielen Dank für die finanzielle Unterstützung des Projekts an das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung. 

 

Noch Fragen?

1. Wann kommt die nächste Krise, Herr Professor*?

2. Grenzenloses Kapital? Grenzenlose Arbeit? Grenzenlose Freiheit?

3. Markt United vs. FC Staat: Wer gewinnt?

4. Krise?

5. Ein Ökonom kommt in eine Krise: Was tut er?

6. Mit neuem Nationalismus aus der Wirtschaftskrise?

7. Mit Green Growth die Welt retten?

8. Wen trifft die Krise?

9. Hat Griechenland Schuld(en)?

10. Wie viele Theorieschulen gibt es eigentlich in der VWL?

11. Werde ich durch das VWL Studium egoistischer?

12. Ist der repräsentative Agent männlich oder weiblich?

13. Was ist mit ökonomischen Inhalten, die nicht in Matheformeln passen?

14. Wieso sehen meine VWL-Professor*innen auch dort Gleichgewichte, wo keine sind?

15. Hat Geld wirklich keinen Einfluss auf die reale Wirtschaft?

16. Wieso nimmt mein VWL-Professor andere Sozialwissenschaften nicht ernst?

17. Wie funktionieren eigentlich andere Wirtschaftssysteme?

18. Warum sind meine VWL-Professoren fast nur männlich?

19. Wieso kennen meine VWL-Modelle keine Geschichte?

20. Studiere ich VWL oder Neoklassik?

 

Literatur

Arnsperger, Christian; Varoufakis, Yanis (2006): What Is Neoclassical Economics? The three axioms responsible for its theoretical oeuvre, practical irrelevance and, thus, discursive power. Panoeconomicus 53 (1), 5-18.

Freeman, Alan (2006): Die Himmel über uns: Über die Bedeutung des Gleichgewichts für die Wirtschaftswissenschaft. EXIT! Krise und Kritik der Warengesellschaft 3, 212-241.

Elsner, Wolfram; Heinrich, Torsten; Schwardt, Henning (2015): The Microeconomics of Complex Economics. Elsevier.

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