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Die österreichische Schule ist ein ökonomische Perspektive, deren Ursprung oft auf das Werk von Carl Menger zurückgeführt wird. Im englischen Sprachraum werden die Vertreter*innen dieser Perspektive auch als “Austrians” bezeichnet. Menger betonte insbesondere den Subjektivismus, das Nutzenprinzip und den Marginalismus in der ökonomischen Analyse (Quaas und Quaas 2013, 34). Spätere Vertrer*innen haben den Kanon der österreichischen Schule um eine Reihe von Konzepten erweitert. Von verschiedenen Autor*innen, welche sich teilweise als Nachfolger*innen der Schule sehen, wie auch von solchen, die die Austrians von außen betrachten, werden folgende Punkte als konstitutiv angesehen:
(Siehe z.B. Holcombe 2014,107ff; Radzicki 2003, 145; Milonakis and Fine 2009, 254-25; Blumenthal 2007, 34-35; Hagemann 2010, 188). Weiter unten im Text werden diese und andere Konzepte näher erläutert.
Es liegt ein sehr langer Zeitrahmen zwischen der Veröffentlichung von Carl Mengers Grundsätzen (1871) und den Arbeiten heutiger Austrians (den sog. New Austrians). Menger, der als Gründer der Schule angesehen werden kann, war eine zentrale Figur der Marginalistischen Revolution und hatte großen Einfluss auf die Entwicklung der subjektiven Wertlehre sowie die Theorie des abnehmenden Grenznutzens. Im Laufe des 20 Jh. hatte die österreichische Schule jedoch mit historischen Brüchen zu kämpfen, die mit der Emigration wichtiger Mitglieder von Österreich und Europa v.A. in die USA, sowie der Marginalisierung der Perspektive in der Mitte des Jahrhunderts zu tun hatten. Diese “bewegte Geschichte” der Perspektive macht es schwierig, ein einheitliches und konsistentes theoretisches Gebäude zu errichten, das sich konsequent von den Gründern bis heute durchzieht. Ideengeschichtliche Betrachtungen haben deshalb eine historische Einordnung in vier – bzw. fünf, zählt man die aktuellen Beiträge von Austrians mit – Generationen oder Entwicklungsphasen eingeteilt (Quaas und Quaas 2013; Blumenthal 2007). Auf diese historischen sowie analytischen Differenzierungen wird unter Punkt 8) näher eingegangen. Im Rest der Darstellung soll hingegen ein Einstieg durch eine idealtypische Beschreibung erfolgen, die mehr die Gemeinsamkeiten als die Unterschiede hervorheben will. Dabei wird unter anderem auf die Selbstbeschreibung heutiger Vertreterr*Innen der Austrians (den sog. New Austrians) zurückgegriffen. In diesem Zusammenhang gilt es jedoch zu bedenken, dass die Darstellung als kohärentes Paradigma eine von marginalisierten ökonomischen Perspektiven durchaus bewusst gewählte und politische Strategie sein kann (vgl. Backhouse 2004, 268). Insofern soll die Eigendarstellung, die im Besonderen von den New Austrians vorgenommen wird, kritisch kommentiert werden. Dadurch soll verhindert werden, dass ein “Bastard-Austrianismus” (Quaas und Quaas 2013, 33) reproduziert wird, der bewusst oder unbewusst die Theorien und Überlegungen der ursprünglichen Österreichischen Schule (insbesondere mit Bezug auf Menger) verfälscht oder verkürzt wiedergibt.
Der Fokus von Forschungen im Sinne der Österreichischen Schule liegt auf der Untersuchung der wirtschaftlichen Koordination zwischen Individuen. Dieser Fokus ist in gewisser Weise schon im Werk von Menger vorhanden (Blumenthal 2007, 36). Das Hauptaugenmerk von Menger lag aber wohl auf der Spannung zwischen menschlichen Bedürfnissen und exogen gegebenen knappen Gütern, was ihn näher zum in der Neoklassik prominenten Problem der effizienten Allokation bringt (Yagi 2010, 32-33). Von den Austrians, die sich am Werk von Friedrich A. von Hayek orientieren, kann jedoch gesagt werden, dass die Untersuchung des Marktgleichgewichts bzw. der Effizienz des Marktergebnisses von untergeordneter Bedeutung ist (vgl. Holcombe 2014, 51). Die Marktwirtschaft wird als Koordinationsmechanismus verstanden, der es Individuen ermöglicht ihre Informationen so zu nutzen, dass sie ihre wirtschaftlichen Aktivitäten in einer Weise planen können, die mit den Plänen aller anderen konsistent sind. Diese These der Austrians geht daher mit einer positiven Einschätzung von Märkten einher. Weil jedoch gleichzeitig eingeräumt wird, dass diese Koordination nicht immer perfekt funktioniert, ist ein wesentliches Ziel der ökonomischen Analyse im Sinne der österreichischen Schule herauszufinden, warum diese Koordination manchmal zusammenbrechen kann (Holcombe 2014, 2). Allgemein zielt die Forschung der Österreicher somit darauf ab, die Prozesse der Allokation von Ressourcen und der Koordination von Angebots- und Nachfrageplänen zu verstehen (Holcombe 2014, 5).
Österreichische Ökonomen*innen verstehen den Markt als Marktprozess. Eine zentrale Annahme ist, dass die Koordination individueller Angebots- und Nachfragepläne niemals vollständig funktioniert, weil Pläne auf die Zukunft gerichtet sind und deshalb fundamentaler Unsicherheit unterliegen (Holcombe 2014, 1). Es wird daher angenommen, dass eine Situation mit Gleichgewichtspreis und -menge niemals erreicht werden kann. Zwar gibt es Marktmechanismen, durch die auf Märkten eine Tendenz entsteht, sich zu einem Gleichgewichtszustand hinzubewegen. Vertreter*Innen der Österreichischen Schule argumentieren jedoch, dass sich das „Marktumfeld“ ständig verändert (Präferenzen, Technologien, Wissen), sowie dass die zum Erreichen des Gleichgewichts notwendigen Informationen über alle Marktteilnehmer hinweg verstreut sind und niemals in einer Weise aggregiert werden können, die die Entstehung eines Gleichgewichts ermöglicht. Das Marktgleichgewicht ist für die Vertreter*innen der österreichischen Schule ein hypothetisches Konzept, das von ihnen auch analytisch genutzt wurde (vgl. Hayek 1976, in Quaas und Quaas 2013, 142). Jedoch stellt es für sie keine Beschreibung der Realität dar. Vielmehr wird das Marktgleichgewicht als sich kontinuierlich bewegendes Ziel verstanden („continually moving target“). Märkte tendieren dazu, geräumt zu werden, aber wenn die existierende Konfiguration von Preisen und Mengen gestört wird, verändert diese Störung die zu Grunde liegenden wirtschaftlichen Bedingungen, so dass die Wirtschaft nicht zu ihrem vorherigen Zustand zurückkehren kann (Holcombe, 2014, 11).[1]
Ein weiteres Merkmal der Österreichischen Schule ist das von Hayek (1960, 38) geprägte Konzept der spontanen Ordnung, die aus den dezentralisierten Planungen der Individuen entsteht. Das Marktergebnis, sowie andere soziale Institutionen wie Geld oder Sprache, werden als „Ergebnis menschlichen Handelns, jedoch nicht menschlichen Entwurfs interpretiert (Hayek 1969, 97-107). Diese Einschätzung verdeutlicht, dass die Austrians der zentralen Planung, staatlichen Gestaltung und Vorhersage von wirtschaftlichen Aktivitäten keine oder nur geringe Leistungsfähigkeit zugestehen. Nach ihrer Einschätzung können weder das Marktergebnis insgesamt, noch das Verhalten der einzelnen Individuen, von einer zentralen Autorität vorhergesagt oder gesteuert werden (Holcombe 2014, 4).
Für das Funktionieren der dezentralisierten, individuellen Wirtschaftsplanung und die Koordination über Märkte ist es laut Randall Holcombe (2014, 10) entscheidend, dass im Marktprozess neue Informationen entstehen. Dieser Sachverhalt wird durch die Charakterisierung des Marktes als Entdeckungsverfahren verdeutlicht. Der Markt erzeugt Informationen über sich ständig verändernde Knappheitsrelationen, die es den Individuen ermöglichen, ihre (Zukunfts-)Pläne an veränderte Bedingungen anzupassen und mit Kontingenzen umzugehen (Holcombe 2014, 10). Mit Bezug auf die Arbeiten von Hayek ist noch anzumerken, dass der Markt hier als Wettbewerbsmarkt verstanden wird, da nur in einer Situation der Konkurrenz die genannten Informationen entdeckt werden können Um zu demonstrieren, inwiefern der Markt als Entdeckungsverfahren verstanden werden kann, benutzt Holcombe (2014, 13) Leonard Read`s Beispiel der Herstellung eines Bleistiftes, welches eine komplexe Koordination arbeitsteiliger Aktivitäten erfordert. Erst durch den Prozess des Markttauschs werden die Informationen über die Preise der Produktionsfaktoren (z.B. Graphit) entdeckt, die es den Produzenten*innen ermöglichen, darüber zu entscheiden, wie viel von welcher Kombination von Materialien im Herstellungsprozess verwendet werden sollen. Der Markt „entdeckt“ somit den Wert der Produktionsfaktoren sowie der anschließend hergestellten Güter und Dienstleistungen, wenn Markttausch betrieben wird. In den Marktpreisen werden Informationen verschiedener Markteilnehmer*innen aggregiert. Beispielsweise muss der Hersteller eines Bleistifts nicht selbst wissen wie Graphit abgebaut wird, um das Wissen derjenigen zu nutzen, die solche Bergbau-Kenntnisse besitzen. Das Wissen bleibt dezentralisiert, und dennoch werden die wirtschaftlichen Aktivitäten der Akteure so koordiniert, dass am Ende ein fertiger Bleistift entsteht. Von den Vertreter*innen der Österreichischen Schule wird die These vertreten, dass die Wirtschaftssubjekte ohne Marktpreise als Knappheitsindikatorennur eine sehr begrenzte Fähigkeit haben, ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zu koordinieren, weil ihr Wissen den besagten dezentralisierten und impliziten bzw. stillschweigenden Charakter besitzt (Holcombe 2014, 14).
In der Österreichischen Schule wird zudem zwischen Management und Entrepreneurship (d.h. Unternehmertum) unterschieden. Das Finden der optimalen Kombination von Inputs und deren optimaler Menge, um bei gegebener Produktionsfunktion einen bestimmten Output möglichst effizient zu produzieren, ist die Management-Funktion der Unternehmen. Die Parameter der Produktionsfunktion werden als gegeben hingenommen. Entrepreneurship ist hingegen das Entdecken neuer, bisher unentdeckter Profitmöglichkeiten. Dies geschieht durch die neue Kombination von Produktionsfaktoren, das Hinzufügen neuer Produktionsfaktoren oder die (qualitative) Veränderung des Outputs. Entrepreneurship verändert somit die Produktionsfunktion (Holcombe, 2014: 24).
Das Entrepreneurship-Konzept ist ein zentrales Element der Österreichischen Schule, weil die wohlfahrtssteigernden Effekte des Marktprozesses begründet werden. Im Gegensatz zur Neoklassik, die das Marktgleichgewicht auf einem Markt mit vollständiger Konkurrenz als pareto-optimalen Zustand identifiziert, bei dem niemand seine Wohlfahrt durch zusätzliche Tauschakte weiter steigern kann ohne andere schlechter zu stellen, kann ein solcher wohlfahrtsoptimaler Zustand laut den Österreichern nie erreicht werden. Stattdessen wird von ihnen die These vertreten, dass es im Marktprozess kontinuierliche Wohlfahrtszuwächse durch unternehmerisches Handeln bzw. „entrepreneurial innovation“ gibt.[2]
Ein weiterer wichtiger Punkt, der sich durch die Analyse der Austrians zieht ist der Fokus auf eine monetäre Ökonomie und die Implikationen einer solchen (Hagemann 2010, 183). Carl Menger startet diese Tradition mit seiner Entwicklung einer (Waren-)Geldtheorie, die auf einer evolutionären Entwicklung von einer spontanen Ordnung von Individuen fußt und nicht etwa auf einer staatlichen Intervention (Menger 1892, Holcombe 2014, 3-4).
Eugen von Böhm-Bawerk hat in der Entwicklung seiner Theorie zu Kapital und Zins (der sog. Agiotheorie) die heute weithin verwendete These aufgestellt, dass Güter der Gegenwart von Individuen höher bewertet werden als zukünftige Güter, womit er die Existenz des Zinses begründet. Die Wertschöpfung d.h. die Kapazität des Produzenten, mit dem geliehenen, als Kapitalgüter eingesetzten Mitteln, einen höheren Ertrag zu generieren und damit den Zins zu zahlen wird dann bei Böhm-Bawerk mit einer zeitlichen Verlängerung der Produktionsstufen erklärt. Diese zeitlich längere und technologisch anspruchsvollere Produktion ist erfolgreicher, da sie durch den Einsatz von Gütern in den Zwischenstufen einen höheren und qualitativ hochwertigeren Ertrag abwirft (vgl. Quaas und Quaas 2013, 69-72).[3]
Ein weiterer wichtiger Aspekt der österreichischen Theorie ergibt sich aus ihrem eher prozessorientierten Verständnis der Wirtschaft. Arbeiten von Austrians haben sich auf verschiedene Art und Weise dem Problem der Wirtschaftszyklen oder Business Cycles genähert. So stellten unter Anderem Joseph Schumpeter (1911), Friedrich von Hayek (1931), Gottfried Haberler (1937), und Ludwig von Mises (1949) Theorien zu Wirtschaftszyklen und Wirtschaftskrisen auf. Während Schumpeters Theorie die kreative Zerstörung von etablierten Wirtschaftszweigen durch Unternehmer*innen hervorhebt und sich mit Innovationsprozessen beschäftigt (Hyperlink zur evolutorischen Ökonomik), stellen die anderen Erklärungen (endogene) monetäre Phänomene als Grund von Krisen und Zyklen dar. Da diese Erklärungen im Zuge der Finanzkrise der späten 2000er wieder verstärktes Interesse und kontroverse Diskussionen hervorgerufen haben, wird die Austrian-Business-Cycle theory nach Mises und Hayek in Abschnitt 7) kritisch betrachtet.
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Die österreichische Schule geht von einem strengen Subjektivismus und neben einem methodologischen somit auch möglicherweise von einem ontologischen Individualismus aus (Blumenthal 2007, 35). Subjektivismus bedeutet hierbei, dass die einzig existierende Welt die ist, die Individuen wahrnehmen können. Auch wenn das eher eine epistemologische Position ist, so ist sie dennoch ontologisch relevant, da sie impliziert, dass die Existenz von sozialen Fakten wie Preisen oder Kosten nur im Individuum selbst vorzufinden ist (Hall and Martin 2011). Daraus folgt z.B., dass auch wenn beispielsweise Institutionen oder Aggregate Teile der Diskussion sind, immer das Individuum als deren Grund vorausgeht (Hall and Martin 2011,4).
Das ökonomische Problem stellt sich für diese individuellen Akteure in der Koordination von Plänen sowie der Aggregierung von Wissen dar. Die Individuen können dabei entweder als Konsument*innen oder als Unternehmer*innen agieren. Konsument*innen artikulieren demnach Nachfrage, die den Markt determiniert, während Unternehmer*innen in der Lage sind neue Nachfrage zu entdecken (Holcombe 2014, 21, 24). Dieser Fokus bezieht sich stark auf Unsicherheit, die Verstreutheit von Wissen und Information sowie den Wandel von Rahmenbedingungen in historischer Zeit. Bei den älteren Vertretern der Schule tritt jedoch, ähnlich wie in der Neoklassik, das Problem der Allokation knapper Ressourcen im Zusammenhang mit den menschlichen Bedürfnissen in den Vordergrund (vgl. Yagi 2010, 27).
Das Menschenbild der Austrians ist in gewisser Hinsicht dem der Neoklassik nicht unähnlich, wird jedoch von manchen Vertreter*innen erweitert. Während Menger zum Beispiel einen eher simplistisch konstruierten homo oeconomicus mit instrumentellem Rationalismus, Nutzenmaximierung und perfekter Information als analytisches Konstrukt verteidigte (Quaas und Quaas 2013, 38), haben andere Austrians soziale Komponenten wie Institutionen, Macht und soziales Umfeld mit in ihr Menschenbild aufgenommen (z.B. Wieser, vgl. Arena 2010, 112-113). Die Anerkennung des Kontextes heißt aber nicht, dass der exklusive Fokus auf das Individuum als handelndes Subjekt aufgegeben wird, sondern nur, dass die Aktionen des Individuums einen anderen Input je nach historischem Kontext bekommen.
Ebenfalls wird von den neueren Austrians im Vergleich zur Neoklassik das Konzept der Nutzenmaximierung gelockert. Obwohl Individuen handeln um ihre persönlichen Ziele zu erfüllen, verhalten sie sich nicht per se nutzenmaximierend. Stattdessen handeln sie entsprechend ihrer Präferenzen. Geht man jedoch von Unsicherheit als ontologisch existent aus, so kann eine Handlung immer nur auf eine Erwartung hin erfolgen und dabei kann nur Wissen generiert werden, ob sie Nutzen hinzufügt oder nicht. Das heißt es findet keine Maximierung hin zu einem globalen Optimum statt. Da Handlungen in historischer Zeit erfolgen ist es auch nicht möglich zu überprüfen, ob eine alternative Handlung mehr Nutzen generiert hätte (Holcombe 2014, 31). Darüber hinaus werden Präferenzen nicht als stabil angesehen. Sie sind subjektiv und preisabhängig. (Holcombe 2014, 19). Das wiederum führt zu inhärenter Unsicherheit und zu Komplexität auf der Ebene des Marktes. Unsicherheit und variable Präferenzen implizieren auch ein dynamisches Zeitverständnis. Es wird demnach angenommen, dass heutige Entscheidungen von Menschen direkten Einfluss auf die Zukunft haben. Menschen machen Pläne auf der Basis des Wissens, das sie in der Gegenwart besitzen und auf Basis ihrer Erwartungen hinsichtlich der Zukunft. Die Zukunft kann aber nur schwer vorhergesehen werden, da aufgrund der Unsicherheit auch unvorhergesehene Dinge passieren können. Jedoch können Individuen aufgrund ihrer akkumulierten Erfahrung mehr oder weniger realistische Erwartungen bzgl. der Zukunft anstellen.
Die Vertreter*innen der Österreichischen Schule heben die subjektive Komponente des Wissenserwerbs hervor. Deswegen ist es für sie wenig zielführend, über objektive Observationen zu sprechen, die über Sinneserfahrung wahrgenommen werden können. Stattdessen wird Wissen, das sich auf soziale Phänomene bezieht, durch die Interpretationen von Individuen generiert und ist demnach sozial konstruiert. Hayek hat diesen Standpunkt mit den Worten hervorgehoben, dass mit Hinblick auf menschliches Handeln die Dinge das sind, was Menschen denken, dass sie sind (zitiert in Hagemann 2010, 257). Der New Austrian Peter Boettke äußert sich ähnlich, wenn er sagt, dass die Fakten der Sozialwissenschaften das sind, was Menschen glauben und denken (Boettke)
Grundsätzlich ist dieses Verständnis von Wissen und Wissenschaft von einem subjektivistischen sowie hermeneutischen - auf internes Verstehen und nicht auf externes Erklären - angelegten Ansatz abzuleiten (vgl. Boettke und Prychitko 2011).
Im Kontrast zu anderen Sozialkonstruktivismen bedeutet diese Position der Austrians jedoch nicht, dass die Wahrheit als relativ, d.h. vom Betrachter abhängig, angesehen wird oder dass eine wertfreie Wissenschaft als nicht möglich erachtet wird. Die deduktive Orientierung an “exacten Gesetzen” (Menger) sowie die Praxeologie von Mises geht davon aus, dass es möglich ist, ahistorisch valide Gesetzmäßigkeiten von zentralen Axiomen abzuleiten (siehe Methodologie). Durch Introspektion und logisches Denken ist es dann möglich, diejenigen menschlichen Handlungen bzw. Handlungsformen zu identifizieren, welche notwendigerweise immer “wahr” sind. Diese sind unabhängig von historischen Kontingenzen sowie von dem konkreten Ziel, das durch die jeweilige Handlung erreicht werden soll. Der Anspruch der Praxeologie, eine wertfreie und universelle Wissenschaft zu sein, begründet sich darauf, dass sie allgemeine Gesetze aufstellt, die sich auf die Form menschlichen Handelns beziehen und nicht auf dessen Inhalte. Als Beispiele für solche allgemeinen Gesetze werden das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens sowie die Rationalität von Akteuren angeführt (Selgin 1990, 19).
In einem zweiten Schritt können dann diese allgemeinen (ökonomischen) Gesetze auf eine Vielzahl bzw. sogar auf alle sozialen Phänomene angewandt werden. Mises ging es in seinem Hauptwerk Human Action um nicht weniger als eine Wissenschaft zu entwickeln, deren Gesetze unabhängig von “Ort, Zeit, Herkunft, Nationalität oder Klasse des Akteurs” ([eigene Übersetzung] zitiert in Milonakis and Fine 2009, 256) gültig sind. Historisch stellt er dadurch einen extremen, wenn auch nicht abweichenden Fall der Österreicher dar, die immer wieder die Allgemeingültigkeit und die breite Anwendbarkeit des ökonomischen Prinzips, d.h. rationales, kosteneffizientes Handeln von Individuen zum Erreichen ihrer Ziele -, sowie die Bedeutung von analytischen Konzepten wie Subjektivismus, Individualismus betont haben (vgl. Blumenthal 2007, 35). Emanuel Hermann, ein eher unbekannter Vertreter der Schule, ging sogar soweit zu argumentieren, dass das ökonomische Prinzip auf alle Aspekte des menschlichen Handelns und der Natur angewendet werden kann (Haller 1986, 198) Dementsprechend ist die österreichische Schule eine Theorie, die sich eher durch die Anwendung einer bestimmten Perspektive auf verschiedene Phänomene als durch besonderes Interesse für ein bestimmtes Forschungsobjekt definiert.
Die Beziehung von Austrians zu methodologischen Fragen und insbesondere zu Fragen der Empirie stellt einen interessanten Fall dar, dem man sich vielleicht am besten aus einem historischen Kontext nähert. Die starke Bedeutung von Deduktion und Apriorismus sowie die Ablehnung von empirischen Beobachtungen für die Wissensgewinnung ist möglicherweise mit der Rolle und den Äußerungen von Carl Menger im Methodenstreit mit der deutschen historischen Schule verbunden. Friedrun Quaas weist darauf hin, dass Mengers Verteidigung der deduktiven Theorie, gegenüber der real-empiristischen Methode der Historiker bei späteren Austrians zu einer “Verwirrung” geführt haben, da letztere die Empirie gerne verwenden würden, ihr jedoch aus theoretischen Gründen sehr skeptisch gegenüber stehen (Quaas und Quaas 2013, 40-41).
Im Bezug auf den praxeologischen Zugang wurde in Folge dessen das Argument entwickelt, dass statistische Inferenzen in der Formulierung einer Theorie keine Rolle spielen sollten, da es in den Sozialwissenschaften um einen internen – heißt hermeneutischen – Zugang zu menschlichen Entscheidungen gehen muss. (Milonakis and Fine 2009, 256; Selgin 1990, 14). Die Überprüfung von Hypothesen durch empirische Daten wird jedoch von manchen Österreicher*innen als adäquates Mittel angesehen um zu testen ob eine Theorie auf einen bestimmten Fall angewendet werden kann und um die Theorie bei einem negativen Resultat im Sinne der Logik der Falsifikation zu verwerfen (z.B. Hayek vgl. Hagemann 2010, 222). Eine Falsifikation einer ganzen Theorie, wie vom kritischen Rationalismus postuliert wird jedoch von ihnen abgelehnt. Der kritische Rationalismus ist eine Wissenschaftsphilosophie, die unter anderem auf die Arbeiten von Karl Popper zurückzuführen ist und argumentiert, dass eine der Theorie widersprechende empirische Beobachtung genügt um diese Theorie für unwahr zu erklären, d.h. zu falsifizieren. Das wohl berühmteste Beispiel, dass immer wieder zur Illustration dieser Vorgehensweise angeführt wird ist, dass die Beobachtung eines schwarzen Schwans die Theorie, dass alle Schwäne weiß sind, widerlegt. Die jüngeren Vertreter*innen der Österreichischen Schule haben diesen Ansatz jedoch kritisiert, unter anderem weil sie das Verständnis von Empirie in den Sozialwissenschaften anders definieren als es z.B. in den Naturwissenschaften der Fall ist (für eine kritische Diskussion siehe Rothbard 1997, insbesondere 64-66). Daraus folgt, dass für die Austrians eine Falsifizierung einer ganzen Theorie nur auf der deduktiven Ebene erfolgen kann, d.h. durch einen logischen Bruch oder Fehler in der Theorieformulierung.
Ein weiterer Grund, der für die Aversion der Austrians gegenüber statistischen und mathematischen Methoden angeführt wird, ist die ontologische Komplexität der Ökonomie. Kurt Leube argumentiert, dass solche Methoden nur zu Wissen über statische und nicht-denkende, nicht zielgerichtet-handelnde und nicht-lernende und sich aus sich selbst verändernde Objekte, wie Steine oder Wasser, generieren können; jedoch keinesfalls über Menschen (Leube 2010, 263). Dementsprechend erfolgt die Darstellung von Sachverhalten durch die Austrians oft anhand von verbalen Beschreibungen (“literary economics” in den Worten von Don Lavoie, vgl. Boettke and Prychitko 2011, 136), sowie unter Zuhilfenahme von historischen Beispielen zur Illustration. Außerdem gehören Gedankenexperimente und Counterfactuals zu den verwendeten Methoden (Aimar 2009, 204-205).
Die Praxeologie ist ein methodologischer Ansatz der von Verter*Innen der Österreischischen Schule (insbesondere von Ludwig von Mises) entwickelt wurde und dessen Ausgangspunkt das sog. “human action axiom” darstellt. Dieses besagt, dass (ausschließlich) Individuen zielgerichtet handeln. Die praxeologische Analyse beschränkt sich darauf zu fragen, ob ein bestimmtes Mittel dem Erreichen eines gegebenen Ziels gerecht wird. Die Frage nach dem Ursprung ebendieser Ziele wird als irrelevant erachtet. Damit verwahrt sich die Theorie gegenüber Kritiken, die das Bestehen von interpersonell konstruierten Systemen von Bewertungen und Bedürfnissen hervorheben. In diesem Sinne ist es irrelevant, ob sich Menschen gegenseitig in ihrer Zielsetzung beeinflussen, da das aus Sicht der Österreichischen Schule nichts an der Tatsache ändert, dass Menschen handeln um bestimmte Ziele zu erreichen. Auch wenn die Darstellung durch Anhänger*innen der Praxeologie und einer epistemologischen wie methodologischen Herangehensweise im Sinne von Mises teilweise betonen für alle Austrians zu sprechen, so muss dennoch kritisch angemerkt werden, dass sowohl Hayek, wie auch der Mises Schüler Murray Rothbard, diesen extremen Ansatz von Apriorismus und Empiriefeindlichkeit abgelehnt haben.
Charakterisierungen der Österreichischen Schule, die die politische Dimension mit aufnehmen, ordnen die Austrians oft in die nähe des Liberalismus bzw. des Libertarismus ein und attestieren ihnen in Konsequenz eine grundsätzlich ablehnende Haltung gegenüber dem Staat (Radzicki 2016, 145; Blumenthal 2007, 35). Dennoch sollen, bevor weiter unten die theoretische Herleitung dieser Positionen aufgearbeitet wird, noch zwei Qualifikationen der politischen Nähe der Austrians zum Liberalismus erörtert werden. Die erste Qualifikation ist dabei historischer Natur. Wie Friedrun Quaas herausarbeitet, findet sich in den ersten drei Generationen der Austrians eine große Heterogenität an politischen Positionen wieder. Neben dem Liberalismus sind bei Vertreter*innen auch eine eher sozialdemokratisch reformistische Haltung (Sax), konservativer Nationalismus (Wieser) und sogar Marxismus (Grünberg) präsent (Quaas und Quaas 2013, Kapitel 1). Eine Möglichkeit, den Liberalismus als zentralen und auch historisch validen Punkt dennoch beizubehalten, kann natürlich dadurch erreicht werden, diese Ökonom*innen nicht als (echte) Austrians zu bezeichnen. Durch einen Ausschluss von Wieser z.B. würde man allerdings die Schule eines ihrer konstitutiven Mitglieder berauben.
Die zweite Qualifikation bzgl. der Assoziierung der Austrians mit dem Liberalismus wird von Randall Holcombe vorgenommen. Holcombe argumentiert, dass wenn man die österreichische Schule als positive Wissenschaft versteht, kein zwingender Grund für eine politisch liberale Haltung besteht. Beispielsweise kommt die österreichische Schule in ihrer Analyse zu dem Resultat, dass Staatsinterventionen den Marktprozess stören und Wohlfahrt vermindern kann. Ein positives Wissenschaftsverständnis würde implizieren, dass dieser Erkenntnis eine normative Entscheidung nachgelagert wird, in der zwischen der Wohlfahrt als Ziel und anderen normativen Zielen abgewogen wird (Holcombe 2014, 107). Holcombe relativiert diese Position allerdings sofort wieder indem er für eine Sicht plädiert, in der das ökonomische und politische System als interdependent betrachtet werden und demzufolge die Trennung solcher Entscheidungen als künstlich angesehen wird (Holcombe 2014. 108).
Die theoretische Rechtfertigung von laissez-faire und marktorientierter Politik leitet sich aus dem Verständnis der österreichische Schule ab, dass der Markt Ressourcen effizient verteilen kann und das Koordinationsproblem lösen kann (siehe Sektion 2). Die Skepsis gegenüber staatlichen Eingriffen in den Markt rührt also daher, dass angenommen wird, dass eine technokratische Behörde, im Gegensatz zum Markt und dessen Preisen, niemals in der Lage sein wird, die Komplexität des ökonomischen Systems zu begreifen und die verstreuten Informationen der Marktteilnehmer entsprechend zu bündeln. Dieses Argument wurde insbesondere von Mises und Hayek im Rahmen der Socialist Calculation Debate herausgearbeitet (Mises 1912, Hayek 1945).[4] Folgt man dieser Analyse, so ist davon auszugehen, dass ökonomische Regulierungen aufgrund der wissenschaftlich nicht zu verstehenden Komplexität der Ökonomie auch zu unvorhergesehenen Konsequenzen führen. Wenn aber die Resultate der Intervention neue Probleme schaffen, so ein weiteres Argument der Austrians, dann verleitet dies die Regierung dazu, weitere Interventionen als Lösung zu suchen. Dadurch wird ein Teufelskreis angestoßen, in dem immer neue Interventionen die Wirtschaft langfristig in die Nähe einer Planwirtschaft bewegen (vgl. Holcombe 2014, 108; Hayek 1944).
Ein weiterer politischer Akteur, der in jüngster Zeit starke Kritik der Austrians auf sich gezogen hat, sind die Zentralbanken. Diese Kritik basiert auf der österreichischen Business Cycle Theorie, die unter 7) diskutiert wird. Zusammengefasst kann jedoch gesagt werden, dass sich die negative Einstellung zu Zentralbanken daraus speist, dass die Austrians argumentieren, dass ein zu niedriger Leitzins falsche Preissignale an Entrepreneurs schickt, was zu Fehlinvestitionen und langfristig zu einem Boom-Bust Zyklus führt.
Einige Vertreter*innen der österreichischen Schule gestehen dem Staat eine Rolle in der Sicherung von Gemeingütern wie die Sicherung von Eigentumsrechten oder die innere Sicherheit zu. Manche Vertreter wie z.B. Hayek gingen sogar soweit über Mindestsicherungen nachzudenken (Hayek 1944, 124-125). Radikalere Mitglieder wie Murray Rothbard, die sich in der Tradition des Anarcho-Kapitalismus befinden, sehen aber selbst die Bereitstellung von Gemeingütern als besser durch den Markt zu bewältigen an (Holcombe 2014, 105-106). Grundsätzlich besteht jedoch ein starker Zusammenhang der heutigen Austrians mit den philosophischen Positionen des Libertarismus.
Vertreter der österreichischen Schule argumentieren, dass im Angesicht des Versagens konventioneller ökonomischer Theorien in der globalen Finanzkrise die Austrian Business Cycle (ABC) Theorie eine Alternative darstellt, die für ein besseres Krisenverständnis sorgen kann (Holcombe 2014, 69).
Die ABC-Theorie, wie hier vorgestellt, wurde vor allem von Hayek entwickelt, der sich auf die Kapitaltheorie von Böhm-Bawerk sowie auf die Geldtheorie von Mises bezieht.
Hayek entwickelt auf dieser Basis eine endogene Überinvestionstheorie, die mit einer Ökonomie im Gleichgewicht beginnt. Dieses Gleichgewicht wird dann aber durch eine Erweiterung des Kredits der Banken an die Unternehmer*innen gestört. Stimmt diese Erhöhung der Kreditmenge nicht mit größerem Sparen überein, d.h. erfolgt eine Geldschöpfung in der der Preis des Geldes (also der Zins) unter dem “natürlichen,” marktvermittelten Zinssatz liegt, dann entfaltet sich ein Krisenzyklus. Durch die Interpretation des geringeren Zinssatz-Marktpreissignals schließen die Unternehmer*innen, dass die Konsumenten ihre Präferenz zu weniger Konsum in der Gegenwart zu Gunsten von höherem Konsum in der Zukunft verändert haben. Nach Hayek investieren die Unternehmer*innen demzufolge ihr zusätzliches Kreditgeld in Kapitalgüter, die einen zeitlich längeren und technologisch fortgeschritteneren und dadurch ertragreicheren Produktionsprozess ermöglichen. Mit Bezug auf Böhm-Bawerks Produktionsstufen stellt Hayek dies als Dreieck dar, in dem eine Verlängerung des Produktionsprozess die zeitliche Dauer erhöht, jedoch dadurch eine größere Menge an Konsumgütern zu einem geringeren Wert bereitstellt werden (vgl. Quaas und Quaas2013, 155, 203-204).
Figur 1: Änderung hin zu einem längeren und effizienteren Produktionsprozess, basierend auf der graphischen Aufarbeitung von Hayek. (Grafik von Roger Garrisson)
Passiert dieser Prozess durch erhöhtes Sparen, so ist er unproblematisch und erhöht sogar die Wohlfahrt. Passiert dies jedoch durch Ausweitung der Kreditmenge, so kommt es zu einer Verknappung der Konsumgüter in der Gegenwart, da die Unternehmer*Innen jetzt vis a vis den Konsumenten über mehr Geld verfügen um Konsumgüter zu kaufen, die erstere zu einem Input für den Produktionsprozess umwandeln. Dementsprechend steigt das Preisniveau und der Konsum geht zurück. Die Konsumenten werden dadurch “gezwungen” in der Gegenwart zu Sparen, damit die Unternehmer*Innen in der Zukunft Konsumgüter herstellen können. Dadurch, dass das Sparen (im Sinne von verringertem Konsum) jedoch nicht freiwillig erfolgt, sondern durch eine Entscheidung der Banken hinsichtlich der Kreditschöpfung, entsteht ein falsches (Preis-) Signal bzgl. der zukünftigen Wünsche der Konsumenten; d.h. die Unternehmer*innen investieren in Produktionsprozesse für Güter, die nicht abgesetzt werden können. Die Investitionen sind also Fehlinvestitionen. Sobald dies klar wird, kommt es zur Krise, in der ein Mangel an Konsumgütern besteht, diese also relativ teuer sind, und in denen Kapitalgüter in den falschen Produktionsprozessen feststecken. Die Krise hilft in der ABC Theorie, die korrekten Preissignale wiederherzustellen und zu- profitablen Investitionen in die Produktionsprozesse führen.[5]
Diese Ausführung der ABC Theorie ist aus Platzgründen sehr rudimentär. Dennoch soll hier auch noch kurz auf die historische sowie die aktuelle Kritik an ihr eingegangen werden.
Eine erste fundamentale Kritik von Hayeks Theorie kam von Piero Sraffa. Sraffa kritisierte unter anderem Hayeks Argument eines natürlichen Zinssatzes mit dem Verweis, dass es nach dieser Argumentation für alle Waren in der Produktion einen natürlichen Eigenzinssatz geben müsste (Quaas und Quaas 2013, 166-169). Eine weitere historische Kritik kam von Joan Robinson, die die Frage stellte inwiefern der Zinssatz eines Dreiecks (=Produktionsprozess) mit dem gesamten Kapitalstock (und dessen Zins?) in Verbindung steht. Eine neuere Kritik, sowie eine Zusammenfassung von historischen Kritiken an der ABC Theorie findet sich bei Quaas und Quaas 2013. Georg Quaas hebt logische, konzeptionelle und empirische Defizite der Theorie hervor. So bricht bei einer arithmetischen Darstellung beispielsweise der Unterschied zwischen einer durch freiwilliges Sparen induzierten Änderung und einem kreditinduzierten Boom zusammen (218-223). Außerdem führt eine solche Darstellung zu dem paradoxen Ergebnis, dass eine kapitalintensivere und ertragreichere Produktion zu geringerer Kapitalproduktivität führt (214). Konzeptionell kann auch die lineare Auffassung des Produktionsprozess unter dem Ausschluss von zirkulären Prozessen kritisiert werden (224). Letztendlich geben auch empirische Daten wenig Anlass, von einer Bestätigung der Theorie in der letzten Finanzkrise sprechen zu können (244-248). Antworten von New Austrians auf die Kritik und Versuche die ABC Theorie weiterzuentwickeln finden sich unter anderem bei Ludwig Lachmann (1986) und Roger Garrison (2001, 2004).
Ein weiteres Forschungsfeld der Österreichischen Schule ist die Theorie des Entrepreneurs. In der jüngeren Literatur wird eine Unterscheidung zwischen Entrepreneuren nach Schumpeter (Pionierunternehmer*innen) und Entrepreneuren nach Israel Kirzner (findige Unternehmer*innen) gemacht. Während erstere ökonomische Gleichgewichte zerstören und revolutionäre Änderungen einführen, sind letztere adaptiv und entwickeln profitable Wege um den Markt wieder ins Gleichgewicht zu bringen (Hall and Martin 2011; Douhan and Henrekson 2007, 4).
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist eine historische Einordnung der verschiedenen Generationen der österreichischen Schule die vielleicht zielführendste Differenzierung der verschiedenen Strömungen innerhalb der Perspektive. Eine vollständigere Zuordnung der Personen zu den jeweiligen Generationen ist in Sektion 11) zu finden.
Die erste Generation um Menger (1840-1921) zeichnet sich, wie bereits erwähnt, durch die Entwicklung der subjektiven Wertlehre, den Marginalismus (bzw. Grenznutzen) sowie durch den Fokus auf das Individuum aus. Außerdem ist der Methodenstreit mit den Vertretern der deutschen historischen Schule ein wichtiger Aspekt, in dem Menger die Bedeutung von deduktiver Theorie verteidigt. Außerdem spielen Geldtheorie, sowie Unsicherheit, Wissen und Zeit eine Rolle in Mengers Werk (Blumenthal 2007, 36). Zur zweiten Generation sind hauptsächlich Friedrich von Wieser (1851-1926) und Eugen von Böhm Bawerk (1851-1916) zu zählen. Wie bereits erwähnt, entwickelte Böhm-Bawerk eine eigene Kapital- und Geldtheorie, in der Zeit eine besondere Rolle spielt. Wieser hingegen ist für die Kalkulation von Faktorpreisen, die auf Basis der (subjektiven) Preise der Konsumgüter rückwärts ermittelt werden, bekannt. In Wiesers Werk sind jedoch auch soziologische Ansätze zu finden, die sich nicht mit dem radikalen Individualismus andere Austrians decken (Arena 2010). Die dritte Generation, der in Österreich wirkenden Ökonomen entfernt sich dann sowohl analytisch als auch politisch vom Individualismus und vom Liberalismus der Schule. Carl Grünberg (1861-1941) und Othmar Spann (1878-1950) sind Vertreter dieses Bruchs (Quaas und Quaas 2013, 78). Währenddessen baute Ludwig von Mises (1881-1973) zu dieser Zeit in seinem Privatseminar eine neue Generation der Austrians mit einem unterschiedlichen wissenschaftlichen, sowie politischen Fokus auf. Die vierte Generation, von der viele Vertreter*innen aufgrund des zweiten Weltkriegs in die USA emigrierten, besteht demzufolge hauptsächlich aus den Teilnehmern an Mises‘ Privatseminar. Während sich einige dieser Teilnehmer verstreuten und im Laufe ihres Lebens Rollen und wissenschaftliche Positionen außerhalb der österreichischen Schule annahmen, ist für die heutigen Austrians die Rolle von Friedrich von Hayek (1899-1992) von zentraler Bedeutung. Hayek bildet zusammen mit Mises den Kern der Interpretation, auf der sich die fünfte Generation der New Austrians berufen. In dieser Interpretation spielen ein starker Marktliberalismus, sowie ein Fokus auf Wissensaspekte, Geldtheorie und Wirtschaftszyklen eine Rolle. Jedoch ist anzumerken, dass es Differenzen zwischen denen, die sich auf Hayek berufen, und denen, die sich auf Mises berufen, gibt. Ein bereits in Sektion 5) erläutertes Beispiel ist die unterschiedliche Einstellungen zu Empirie und zur Praxeologie. Bekannte Vertreter der New Austrians sind Ludwig Lachmann (1906-1990), Murray Rothbard (1926-1995) und Israel Kirzner (1930- ). Richard Neck identifiziert zudem die Analyse von Institutionen, makroökonomischer Theorie insbesondere im Bezug auf Deflation, Wachstumstheorie und Fragen bzgl. der Herausbildung von Regulationen als aktuelle Forschungsfelder (Neck 2014, 123) der New Austrians.
Hinsichtlich der Verbindung der Austrians zu anderen Wissenschaften ist anzumerken, dass einige Vertreter*innen der Schule sich in ihrer späteren Karriere Fragen der Sozialtheorie und der Philosophie zuwendeten. Die Karriere von Hayek ist hierfür exemplarisch.
Die Betonung der Hermeneutik durch New Austrians, sowie der Bezug auf das Werk von Max Weber, der immer wieder hergestellt wird (z.B. Kobayashi 2010), stellt die Austrians in gewissen Fragen in die Nähe der interpretativen Sozialwissenschaften.
Wegen der Zentralität von Angebot und Nachfrage, Individualismus, Marginalismus und Opportunitätskosten befindet sich die österreichische Schule in der Nähe der Neoklassik (Koppl 2006, 239). Ähnliches gilt für die Politikempfehlungen, insofern diese auf den Ausbau der Sphäre des Marktes im Gegensatz zu der des Staates abzielen.
Darüber hinaus bestehen Verbindungen zur evolutorische Ökonomik, insbesondere über das Konzept der Innovation und des Entrepreneurs (Koppl 2006, 237), sowie zur Psychologie, der Verhaltensökonomik mit Bezug auf die Rolle von Wissen und zur New Institutional Economics (Koppl 2006, 235).
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Die Beziehung zwischen dem heutigen Mainstream und der österreichischen Schule war historisch von einem Spannungsfeld geprägt. Die ersten beiden Generationen der Österreicher (insbesondere Menger, Böhm-Bawerk und Wieser) und ihr Fokus auf methodologischen Individualismus, subjektiver Wertlehre und Grenznutzen ließen sich einfach in die neoklassische Theorie integrieren und haben zur Entwicklung derselben beigetragen. Das Hervorheben anderer Aspekte wie der Wissensaggregation und der monetären Wirtschaftszyklentheorie, haben wiederum Mises und Hayek sowie deren moderne Nachfolger*innen abseits des Mainstreams gestellt (Milonakis and Fine 2009, 245-246). Ein weiterer Punkt, der die heutigen Austrians vom Mainstream trennt, ist ihr hermeneutisches Herangehen an das Verstehen menschlicher Handlungen und die damit verbundene Zurückweisung statistischer und ökonometrischer Methoden, die im Mainstream oft verwendet werden.
Vom Selbstverständnis her sehen sich viele Vertreter*Innen der Austrians heute der Heterodoxie zugehörig, die sich aber als Teil eines neu entstehenden heterodoxen, d.h. nicht neoklassischen Mainstreams versteht (Koppl 2006). Wie bereits zu Beginn erwähnt, sollte man jedoch auch beim Lesen der teilweise sehr stark formulierten Abgrenzungen der New Austrians von der Neoklassik und dem Mainstream bedenken, dass die Übertreibung der Differenzen auch als Strategie gesehen werden kann, die die Kohärenz einer Perspektive als alternatives Forschungsparadigma stärken soll.
Friedrich A. von Hayek Gesellschaft
Mont Pelerin Society (mit Hayek assoziert)
Quarterly Journal of Austrian Economics
1. Generation
2. Generation
3. Generation
4. Generation
5. Generation (New Austrians)
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[1] Für Hayek war jedoch auch die Möglichkeit gegeben, dass eine Störung zu einer Rückkehr zum alten Gleichgewicht führen kann. Vgl. (Hayek, 1935).
[2] Joseph Schumpeter, der oft als Begründer der evolutorischen Ökonomik und als Mitbegründer der Sozioökonomie bezeichnet wird, jedoch auch mit der österreichischen Schule assoziiert ist, hatte seine Zweifel ob diese Funktion der entrepreneurial innovation langfristig erhalten werden kann. Laut Schumpeter führt die zunehmende Größe und Bürokratisierung von Unternehmen und Organisationen zu einem „Veralten der Unternehmerfunktion“ und damit neben anderen Faktoren zum Ende des Kapitalismus (vgl. Schumpeter 2011 [1947], 131-139; . Quaas und Quaas2013, 85-88; Milonakis and Fine 2009, 191-210)
[3] Böhm-Bawerk nimmt eine Gewichtung der Produktionsperioden vor, in der eine zeitlich weiter zurückliegende ein höheres Gewicht hat und in der eine allgemeine Aussage über den Produktionsprozess mittels der durchschnittlichen Produktionsperiode getroffen werden kann. Siehe auch Quaas und Quaas 2013, 72-73.
[4] Die Gegner der Austrians in dieser Debatte waren marxistische, jedoch auch neoklassische Ökonomen. Das Modell, des Austromarxisten Oskar Lange wurde in den 1960er Jahren von Kenneth Arrow und Leonid Hurwicz mathematisch formuliert und stellt eine analytische Lösung für die Preiskalkulation in einer sozialistischen Ökonomie im Sinne der Neoklassik dar
[5] Für eine etwas andere Darstellung von Roger Garrison u.A. mit Bezug auf die PPF siehe https://www.auburn.edu/~garriro/ppsus.htm
Titel | Dozent*in | Anbieter | Start | Level |
---|---|---|---|---|
An Introduction to Political Economy and Economics | Dr Tim Thornton | n.a. | 2022-01-30 | leicht |
IWP Wiki
http://www.iwp.jku.at/wiki/index.php/%C3%96sterreichische_Schule_der_National%C3%B6konomie
History of Economic Thought Website - Austrian Economics
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Die Österreichische Schule Der Nationalökonomie: Darstellung, Kritiken und Alternativen
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Palgrave Macmillian
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L'École Économique Autrichienne
Publikationsjahr: 2010
La Découverte
L'École Autrichienne d'Économie: une Autre Hétérodoxie
Publikationsjahr: 2010
Septentrion Presses Universitaires
Introduction à l’École Autrichienne d’Économie
Publikationsjahr: 2018
Editions de l’institut Coppet