Vergleiche die Perspektiven der Theorieschulen der Ökonomik

Ontologie

Die Ontologie beschäftigt sich mit dem „Seienden” oder einfacher mit den Dingen, die es gibt. Ontologische Aussagen beantworten beispielsweise die Fragen, ob Zahlen, Institutionen oder kausale Zusammenhänge existieren oder nicht. Eine klassische ontologische Frage aus der Philosophie ist: Gibt es einen Gott? Ontologische Fragen und Annahmen werden oft vor der wissenschaftlichen Untersuchung gestellt und getroffen. Sie stellen eine Auffassung über die Beschaffenheit der Welt dar und beeinflussen die Fragen von Wissenschaftler*innen und die Art und Weise, wie diese Wissenschaft betreiben.

Welches Problem treibt die ökonomische Welt an?

Die Antworten auf diese Frage beschreiben die Sachverhalte, um die es aus Sicht der Perspektiven in der Ökonomie hauptsächlich geht.

Knappheit: Ressourcen wie Land, Kapital, Arbeit oder Energie sind knapp. Deswegen ist die zentrale ökonomische Fragestellung, wie knappe Ressourcen effizient verteilt werden können.

Wandel: Die Art und Weise der wirtschaftlichen Organisation ändert sich stetig. Dieser Prozess ist das Hauptmerkmal der Ökonomie.

Herrschaft: Macht und Dominanz einer Gruppe über eine andere Gruppe (im materiellen und im sozialen Sinn) sind die zentralen Probleme ökonomischer Phänomene.

Ungewissheit: Die Zukunft ist ungewiss und das Wissen über die Zukunft ist fehlbar. Die Mechanismen, die Menschen entwickeln, um mit diesem Problem umzugehen, sind ein zentraler Treiber der Ökonomie.

Auf wen oder was muss ich (hauptsächlich) schauen, wenn ich die Wirtschaft verstehen will?

Die Antworten auf diese Frage zeigen, welche Sache oder welche Akteur*innen für die Perspektive am wichtigsten sind. Die Perspektive setzt entweder auf einer kleineren Ebene (z.B. Individuen) oder auf einer größeren Ebene (z.B. Systeme) an. Das heißt allerdings nicht, dass eine Perspektive, die ihren Fokus auf Systeme legt, die Existenz von Individuen negiert. Sie geht lediglich davon aus, dass Systemdynamiken andauernder und prägender als individuelle Entscheidungen sind.
 

Mikro: Das Individuum und dessen Motivationen, Beziehungen und Handlungen stehen im Fokus.

Meso: Gruppen und Organisationen (bzw. auch Institutionen als soziale Normen), Firmen, Wirtschaftssektoren, Märkte und Subsysteme wie das Finanzwesen prägen die Wirtschaft.

Makro: Systeme und Strukturen wie z.B. das Ökosystem oder der Kapitalismus stehen im Fokus.

Was ist das Menschenbild der Perspektive?

Viele Perspektiven haben eine bestimmte Vorstellung von menschlichem Verhalten in ökonomischen Situationen. Das Verhalten kann zum Beispiel in der Natur des Menschen liegen oder durch äußere Faktoren beeinflusst werden.

Existieren Dinge und Akteur*innen unabhängig von ihrem Kontext?

Manche Perspektiven gehen davon aus, dass Beziehungen zwischen Akteur*innen und Dingen auf einer externen Ebene existieren. Andere nehmen an, dass sich der äußere Kontext auch auf die interne Konstitution von Akteur*innen und Dingen auswirkt.

Atomistisch: Dinge existieren unabhängig von ihrer Umgebung. Ihre Motivationen, Handlungen und Meinungen kommen aus ihnen selbst und ihre Identität oder Essenz bleibt dieselbe, wenn sich der Kontext ändert.

Mitte: Dinge oder Akteur*innen existieren grundsätzlich als unabhängige Entitäten. Es gibt allerdings Mechanismen auf anderen Ebenen, also aus dem Kontext, die diese Akteur*innen beeinflussen. Eine Abstraktion muss daher sowohl die individuelle, als auch die wirkmächtigen Elemente des Kontextes berücksichtigen.

Kontextabhängig: Dinge und Akteur*innen sind immer voneinander abhängig und in einen Kontext eingebettet. Daher ist es unmöglich, sie als vom jeweiligen Kontext unabhängige Einheit zu begreifen. Ohne den spezifischen Kontext wären sie andere Dinge.

Wie sind zeitliche Abläufe konzipiert?

Diese Frage bezieht sich darauf, ob die Zeit als Ablauf von Zeitpunkten (t 1, t 2, …) oder als kontinuierlicher Prozess, der sich ständig ändert und sich keinem fixen Punkt annähert, begriffen werden kann.

Statisch: Zeit ist eine Abfolge von statischen Zuständen, die identifiziert werden können.

Mitte: Zeitliche Abläufe umfassen sowohl statische als auch prozessuale Elemente.

Dynamisch: Zeit ist prozessual und die Dinge befinden sich stetig in Veränderung.

Epistemologie

Im engeren Sinne ist Epistemologie die Untersuchung von Wissen und begründeten Auffassungen. Es stellen sich folgende Fragen: Was sind notwendige und hinreichende Bedingungen von Wissen? Was sind dessen Quellen, Strukturen und Grenzen? Anders gefragt: Was können wir wissen und wie kommen wir zu diesem Wissen? Die Art und Weise wie Wissenschaftler*innen diese und andere epistemologische Fragen beantworten, beeinflusst ihre Annahmen, wie Wissen über die Welt gewonnen werden kann, sowie das Vertrauen, das sie in ihre Aussagen haben.

Können Wissenschaftler*innen die reale Welt sehen oder konstruiert Wissenschaft erst die Welt?

Diese Frage beschäftigt sich damit, ob Wissenschaft real existierende Objekte erfassen und adäquat abbilden kann und inwiefern Interpretationen und bereits bestehende Theorien im Erkenntnisprozess eine Rolle spielen.

Realismus: Es gibt eine reale Welt, die unabhängig von menschlichen Konzepten existiert. Die Wissenschaft kann diese betrachten und beschreiben.

Diese Definition von Realismus unterscheidet sich von der Realismus-Instrumentalismus Dichotomie, die in Folge von Milton Friedmans Essays in Positive Economics (1953) für Diskussionen in der Ökonomik bezüglich der Übereinstimmung von Annahmen in Theorien und Modellen mit der Realität gesorgt hat.

Mitte: Es gibt eine reale Welt. Der wissenschaftliche Zugang zu dieser erfolgt jedoch über Interpretation und Diskurs. Die Verhältnisse zwischen realer Welt und ihrer interpretativen Darstellung sind komplex und interdependent.

Konstruktivistisch: Die Dinge mit denen sich die (Sozial-)Wissenschaften beschäftigen sind von Menschen produzierte Interpretationen. Diese Interpretationen geben der Welt Bedeutung und konstruieren sie letztendlich. Die Aufgabe von Wissenschaft ist es, diese Bedeutungen zu verstehen.

Definiert sich eine Theorie mehr über ein Thema oder mehr über eine „Art zu denken“?

Diese Frage beschäftigt sich damit, ob eine Perspektive versucht, einen allgemeinen theoretischen Ansatz zu entwickeln, der möglichst alle Phänomene der Ökonomie erklären kann, oder ein besonders wichtiges Objekt in der Ökonomie möglichst gut zu beschreiben. Letzteres geschieht auch unter der Verwendung von verschiedenen theoretischen Ansätzen.

Perspektive: Eine Art über ökonomische Phänomene zu denken, z.B. in Bezug auf Anreize, Gleichgewichte oder Produktionsverhältnisse, wird als nützlich angesehen, um neue Erkenntnisse zu gewinnen. Das rührt von der Überzeugung her, dass sich alle ökonomischen Phänomene anhand dieses Schemas erklären lassen.

Umstritten: Beide Tendenzen sind gegeben. Ein bestimmtes Objekt oder Phänomen ist von besonderem Interesse, aber eine Art zu Denken ist ebenso präsent. In Bezug auf das Selbstverständnis der Disziplin gibt es eine gewisse Spannung zwischen den beiden Positionen.

Objekt: Ein bestimmtes Objekt wird als fundamental wichtig für das Verstehen der Ökonomie angesehen. Dieses Objekt wird mit vielen verschiedenen Arten zu Denken betrachtet.

Methodologie

Methodologie adressiert die Frage, was als begründetes Wissen gelten kann. Oft drehen sich methodologische Diskussionen um Regeln oder Bedingungen, die erfüllt werden müssen, damit etwas als Wissenschaft gilt. Konventionen über das, was als begründetes Wissens gilt, beeinflussen die Wahl der Methode.

Welche Methoden gibt es und sind sie qualitativ oder quantitativ?


Die Infographik zeigt verschiedene Methoden, die in der Ökonomik verwendet werden.

Wie werden Hypothesen formuliert?

Hypothesen sind Vorschläge dafür, wie ein bestimmtes Phänomen erklärt oder verstanden werden kann. Sie können aus bereits bestehenden Theorien, z.B. durch Logik, abgeleitet werden, durch empirische Observationen oder durch eine Kombination der beiden Herangehensweisen generiert werden.

Deduktiv: Aufbauend auf bereits formulierten Axiomen und akzeptierten Gesetzen werden neue Hypothesen logisch abgeleitet.

Mitte: Axiome, empirische Observationen und Konzeptualisierungen sind miteinander verbunden und der/die Forscher*in muss sich zwischen diesen hin und her bewegen, um neue Hypothesen zu entwickeln (in diesem Zusammenhang verwendete Konzepte sind Abduktion, Retroduktion und Dialektik).

Induktiv: Regelmäßigkeiten, die in Beobachtungen festgestellt wurden, führen zu Verallgemeinerungen und Hypothesen.

 

Wie werden Hypothesen evaluiert?

Frage 1: Wie können wir eine Theorie oder Hypothese auf dem abstrakten Niveau erstellen und evaluieren?

Die Antworten auf diese Frage zeigen, ob eine Perspektive darauf Wert legt, dass Hypothesen logisch kohärent, formal korrekt und oft in langen Argumentationsketten dargelegt werden. Diese Merkmale werden demzufolge als Kriterien von Wissenschaftlichkeit angesehen. Alternative Sichtweisen sehen ein breiteres Spektrum von Praktiken und „Denkweisen“ als wissenschaftlich an, auch wenn diese zum Teil Konzeptionen der klassischen Logik widersprechen.

Formale Konsistenz: Die Hypothese lässt sich logisch aus Axiomen herleiten. Bei der Formulierung der Hypothese wurden keine logischen Fehler gemacht.

Mitte: Sowohl formale Logik als auch andere Formen werden angewandt.         

Breit gefächerte Argumentation: Logische Techniken wie Gedankenexperimente, Dekonstruktion, wechselnde Konzeptionalisierungen und unscharfe Kategorien, Heuristiken usw. werden angewandt, um die Plausibilität einer Hypothese mehr oder weniger genau zu prüfen.

Frage 2: Wie können wir den Bezug einer Theorie oder einer Hypothese zur Realität herstellen?

Die Antworten auf diese Frage zeigen, wie empirische Observationen von den jeweiligen Perspektiven konzeptionalisiert und eingeordnet werden. Einige Perspektiven haben klar definierte Regeln, wie bei empirischen Beobachtungen und dem Sammeln von Daten vorgegangen werden muss. Hingegen verwenden andere Perspektiven weniger spezifizierte Formen der empirischen Forschung. Oft variieren diese je nach Untersuchungsgegenstand.

Standardisierte und vorgeschriebene Methodologie: Ein empirischer Test verläuft nach einer durch die Wissenschaftsphilosophie und/oder die Wissenschaftspraxis allgemein akzeptierten Methode, wie der wissenschaftlichen Methode.

Mitte: Standardisierte sowie idiosynkratische Methoden werden verwendet.

Idiosynkratisch: Der empirische Test erfolgt idiosynkratisch und ist abhängig von dem/der Forscher*in sowie von dem untersuchten Phänomen. Deskriptive Methoden wie halbstrukturierte Interviews, Genealogien, kontrafaktische Analysen oder Diskursanalysen fallen in diese Kategorie.

Axiomatik

Welche Axiome gibt es in einer Perspektive und welche Terminologie wird verwendet?

Axiome werden hier als zentrale Themen verstanden, die die Forschungsrichtung leiten. Sie unterscheiden sich von Hypothesen oder Theorien dadurch, dass sie nicht aufgrund von empirischen Observationen entwickelt werden bzw. mit diesen gar nicht in Berührung kommen, sondern als selbstevident gelten. Sie sind also eine Art Vermutung oder Heuristik, die die Formulierung von Hypothesen begleitet.

 

Unser Verständnis von Axiomen kommt dem von Imre Lakatos nahe, der Heuristiken als präanalytischen harten Kern eines Paradigmas bezeichnet. Andererseits werden hier auch typische Termini aufgelistet. Diese weisen nicht unbedingt den Charakter eines Axioms auf, d.h. sie gelten nicht als selbstevidente Wahrheiten. Stattdessen handelt es sich hierbei um oft verwendete Codes und Konzepte, die typisch für eine Perspektive sind.

Werte

Welche Politik und welche Ideale werden mit der Perspektive assoziiert?

Ideale sind normative Überzeugungen, die beschreiben, welche Dinge im Bereich der Ökonomie gut sind. Unter Politik oder auch Politikempfehlungen sind konkrete Maßnahmen zu verstehen, die zu einer Situation führen, die normativ als gut verstanden wird. Oft fallen die beiden in Äußerungen oder Meinungen zusammen.

Erkunde die Perspektiven der Theorieschulen der Ökonomik

Evolutionsökonomik
Der Fokus der Evolutorischen Ökonomik liegt auf der Erklärung wirtschaftlichen Wandels. Analysiert werden Wandlungsprozesse, wie Wirtschaftswachstum, Innovationen, Strukturwandel, technologischen Wandel, institutionellen Wandel oder allgemein die wirtschaftliche Entwicklung.
Feministische Ökonomik
Der Fokus der feministische Ökonomik liegt auf dem wechselseitigen Zusammenhang von Geschlechterverhältnissen und Ökonomie. Sie rückt insbesondere Care und die teils nicht marktvermittelte Reproduktionssphäre in das Blickfeld.
Institutionenökonomik
Der Fokus der Institutionenökonomik liegt auf der Rolle von sozialen Institutionen, wie Verträgen, Gesetzen oder auch Verhaltensweisen, in der Produktion, der Verteilung und dem Konsum sowie auf den aus ihnen resultierenden sozialen Beziehungen.
Komplexitätsökonomik
Der Fokus der Komplexitätsökonomik liegt auf den Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen Individuen und Strukturen wirtschaftlicher Systeme. Diese werden als Systeme organisierter Komplexität aufgefasst. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Analyse von Netzwerken.
Marxistische Politische Ökonomik
Der Fokus der Marxistischen Politischen Ökonomik liegt auf der Ausbeutung von Arbeit durch Kapital. Die Ökonomie wird nicht als neutrale Austausch- und Kooperationsplattform gesehen, sondern als historische und politische Ausprägung, die von asymmetrischen Machtverhältnissen, Ideologie und sozialen Konflikten geprägt ist.
Neoklassik
Der Fokus der Neoklassik liegt auf dem Umgang mit knappen Ressourcen. Analysen beschäftigen sich mit der effizienten Allokation von Ressourcen, um den Wohlstand zu vermehren.
Ökologische Ökonomik
Der Fokus der Ökologischen Ökonomik ergibt sich aus der Einsicht, dass wirtschaftliche Aktivität mit absoluten Grenzen konfrontiert ist. Somit werden Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Gesellschaft und natürlicher Umwelt analysiert, mit dem Ziel einer Transformation hin zu (mehr) Nachhaltigkeit.
Österreichische Schule
Der Fokus der Österreichischen Schule liegt auf der wirtschaftlichen Koordination von Angebots- und Nachfrageplänen zwischen Individuen. Konstitutiv sind u.a. der Subjektivismus, das Nutzenprinzip, Laissez-faire-Politik, fundamentale Unsicherheit sowie der Fokus auf den/die Unternehmer*in.
Postkeynesianismus
Der Fokus des Postkeynesianismus liegt auf der Analyse kapitalistischer Ökonomien. Diese werden als sehr produktive, jedoch instabile und konfliktive Systeme angesehen. Wirtschaftliche Aktivität wird von der effektiven Nachfrage bestimmt, die in der Regel keine Vollbeschäftigung und Vollauslastung der Kapazitäten garantieren kann.
Verhaltensökonomik
Der Fokus der Verhaltensökonomik liegt auf dem beobachtbaren Verhalten von Menschen und deren Entscheidungen.

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