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Unter anderem befeuert durch die Kritik der volkswirtschaftlichen Lehre im Nachklang der Finanzkrise, wurden in den letzten Jahren einige Untersuchungen zu Studiengangsinhalten vorangetrieben. Das Gros der Studien in Europa geht dabei auf die Initiative kritischer Studierendengruppen zurück.1 Bemerkenswert ist, dass alle Studien eine weltweit hohe Einheitlichkeit des Grundlagenstudiums beschreiben (Jatteau 2014; Fauser und Kaskel 2016). Dieses ist allgemein stark von technisch ausgerichteten Ansätzen geprägt. Zusammengefasst dominiert das Trio „Mikro-Makro-Mathe“ (Jatteau 2014, S. 388), nachfolgend als MMM bezeichnet. Demnach machen, neben den Fächern Mikroökonomik und Makroökonomik, die meist in dieser Reihenfolge gelehrt werden, vor allem quantitative Methoden den größten Teil des Studiums aus, wobei sich letztere in die Fächer Mathematik, Statistik und Ökonometrie aufgliedern. Im Folgenden werden einige empirische Untersuchungen zusammengefasst.
Jatteau untersucht mit der Gruppe PEPS-Economie (Pour un Enseignement Pluraliste dans le Supérieur en Economie) die Kursinhalte von VWL-Studiengängen an 54 französischen Universitäten. Dabei gewichtet er die Kurse mit ECTS-Punkten, die Werte in den Klammern geben jeweils den Anteil an der Gesamtpunktzahl an. Jatteau nimmt eine Eingliederung in die Bereiche „Technical approaches“ (43.0%), „Working methodologies“ (13.9%), „Management“ (13.7%), „Thematic approaches“ (2.1%), „Reflexive approaches“ (5.5%), „Interdisciplinarity“ (4.1%) und „Professionalisation“ vor. Der Bereich „Technical Approaches“ beinhaltet den MMM-Kern des volkswirtschaftlichen Studiums mit den Fächern Mathematik, Statistik, Mikroökonomik und Makroökonomik. „Working Methodologies“ beschreibt Kurse zu „Speaking and Writing Skills“. Die Kategorie „Thematic approaches“ umfasst u. a. die Fächer Arbeitsökonomik, Geld und Banken sowie internationale Wirtschaft. Die reflexiven Ansätze beinhalten Kurse zur Epistemologie, Wirtschaftsgeschichte sowie zur Geschichte des ökonomischen Denkens.
Jatteau fasst die Dominanz formaler Methoden in folgendem Beispiel zusammen: Jeder fünfte Kurs widme sich dem Erlernen quantitativer Methoden, wohingegen nur jeder 50. Kurs reflexiv angelegt sei (S. 387). Laut dieser Aussage verwendet ein VWL-Student2 (der Stichprobe) 10 mal mehr Zeit auf mathematische und statistische Fragen, als sich über die Annahmen, Grundlagen oder Auswirkungen der Wirtschaftswissenschaft Gedanken zu machen. Jatteau schlussfolgert, die Studierenden würden nicht ermutigt, ihre eigene Disziplin zu hinterfragen.
Grundsätzlich scheint für alle Studien, die allein Kursnamen quantitativ erfassen, die Schlussfolgerung auf Kursinhalte nicht unbedenklich. Jatteau führt selbstkritisch folgendes Beispiel an: „Specifically, a microeconomics class taught by heterodox economist Bernard Guerrien (University Paris 1 – Sorbonne) might not have a lot in common with a microeconomics class given by Jean Tirole at the Toulouse School of Economics.” (ISIPE 2017). Dies widerlegt jedoch nicht die Annahme, dass der Kursname als erste Einschätzung für die Gewichtung einer Themenstellung im Studium Aussagekraft enthält. Studien zu weitgehend einheitlichen Inhalten, sowie Examensfragen in den Kursen Mikro- und Makroökonomik, stärken diese Argumentation. Eindeutige Rückschlüsse basierend auf dem Kursnamen können zudem hinsichtlich der Bedeutung quantitativer Methoden gezogen werden.
Das kritische Studierendennetzwerk ISIPE weitete Jatteaus Untersuchungen 2015 auf weitere Länder aus. Im Rahmen der internationalen Studie werden Daten zur Kursstruktur für die Länder Frankreich, Chile, Israel, Portugal, Spanien, Dänemark, Mexiko City, Türkei, Argentinien, Italien, Deutschland, Brasilien und Uruguay erfasst. Von der französischen Studie übernommen wird dabei z. B. die Gewichtung der Kurse nach Studienpunkten: “The idea is simply to count the credits given to each course during the first 3 years at the University, focusing on Bachelor in economics.” (ISIPE 2017). Die Eingliederung lehnt sich ebenfalls an die französische Methodik an, ist jedoch etwas feiner aufgegliedert und bildet 14 Kategorien ab: “Mathematics and Statistics” (dies beinhaltet auch Ökonometrie), “Microeconomics”, "Macroeconomics” (beinhaltet auch Wachstumstheorien), “Introduction to Economics”, “Reflexive, Economic history / Economic problems”(beinhaltet z. B. Ideengeschichte) , “International”, “Money and bank”, “Methodology” (beinhaltet u. a. Sprach- und Computerkenntnisse), “Topic in economics” (beinhaltet u. a. Verteilung, Arbeit etc.), “Management”, “Professional”, “Opening” and “Others”. Die Datenerfassung sowie die Einteilung in die definierten Fächerklassen wurde jeweils von den lokalen Studierendengruppen für die Jahre 2014 bis 2015 oder 2015 bis 2016 basierend auf einer gemeinsamen Richtlinie umgesetzt - ausgenommen der Datengrundlage in Frankreich, welche sich auf die Jahre 2012 bis 2013 bezieht.
Neben der Erfassung verschiedener geringfügig unterschiedlicher Zeithorizonte stellt sich die Einordnung in Kursklassen auf internationaler Ebene als besonders schwierig dar, da nationale Spezifika in ein gemeinsames Schema gepresst werden müssen. Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Einteilungsproblematik im größeren Maße bei jenen Kursen auftritt, deren Angebot eine höhere Streuung aufweist. Die Einteilung in die Fächer Mikroökonomik, Makroökonomik, sowie im Bereich der quantitativen Methoden scheint hingegen unproblematisch. Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich auf die aussagekräftigeren Schlussfolgerungen aus der Umfrage.
Heraus sticht auch im Rahmen der internationalen Studie von ISIPE die Dominanz des MMM-Kerns, der in der Stichprobe im Durchschnitt 41% des Studiums ausmacht. Geringe Anteile weisen hingegen die Kursbereiche “Reflexive” (3%), sowie “Economic History und Economic Problems” auf (4%). Neben dem hohen Stellenwert der quantitativen Methoden (im Durchschnitt 20%) fällt die geringe Streuung auf. In allen untersuchten Datensätzen liegt der Anteil der quantitativen Methoden in einem Korridor zwischen 16% und 25%. Die im Rahmen der Stichprobe erfassten Studierenden widmen folglich ein Sechstel bis ein Viertel ihres Studiums den Fächern Mathematik, Statistik und Ökonometrie. Im Allgemeinen ist die Standardabweichung im Bereich des MMM-Kerns über alle Kurse hinweg am niedrigsten: Dem MMM-Kern kommt überall die gleiche zentrale Rolle zu.
Anteil quantitativer Methodenkurse (Mathe, Statistik, Ökonometrie) am VWL-Studium (ISIPE 2017)
Normalisierte Standardabweichung einzelner Kursgruppen (ISIPE 2017)
Der in der internationalen Studie verwendete Datensatz für Deutschland basiert auf der Erfassung der Kursstrukturen von Bachelorstudiengängen der Wirtschaftswissenschaften an 54 deutschen Hochschulen. Er wird in einer Arbeit von Fauser und Kaskel im Detail beschrieben und ausgewertet (Fauser und Kaskel 2016). Die Daten für Deutschland wurden, basierend auf den Angaben in Modulhandbücher, Studiengangsbeschreibungen und Prüfungsordnungen, erfasst, wobei die Auswahl der Studiengänge der Liste von Beckenbach et al. folgt. Fauser und Kaskel begegnen der Problematik der ECTS-basierten Erfassung von Wahlmodulen durch unterschiedliche Gewichtung der Kurse. Für die Stichprobe lassen sich, vorbehaltlich der von den Autoren erläuterten methodischen Einschränkungen, folgende Rückschlüsse für das VWL-Studium in Deutschland ziehen: Zusammengenommen machen die MMM-Kerninhalte knapp 40% des Studiums aus (38%). Vermutlich aufgrund des hohen Anteils an Kursen im Bereich BWL/Management/Recht (22%) liegt Deutschland hier im internationalen Vergleich leicht unter dem Durchschnitt. Wenig Raum nehmen die Themenfelder Wirtschaftsgeschichte (0,5%) und reflexive Inhalte (1%) ein. Entsprechend hoch ist der Anteil jener Hochschulen, welche keine Lehrveranstaltungen im Bereich Wirtschaftsgeschichte (70%) und reflexive Inhalte (37%) anbieten. Auch für Deutschland belegen Fauser und Kaskel demnach die MMM Dominanz und wenig Raum für kontextualisierende und reflexive Inhalte:
Anteil einzelner Kursgruppen am VWL-Studium (Fauser und Kaskel 2017)
Fauser und Kaskel untersuchen die Stichprobe zudem auf das Angebot von Kursen im Bereich qualitativer Forschungsmethoden und beschreiben folgende Beobachtungen: An keiner der untersuchten Universitäten zählen qualitative Methoden in den Pflichtbereich. Im Bereich des Wahlbereichs sind sie bei nur 28% der Studiengänge explizit im Modulhandbuch angeführt. Fauser und Kaskel weisen hier ergänzend darauf hin, dass an einigen Universitäten (N=15) wahrscheinlich die Möglichkeit bestehe, im Rahmen des offenen Wahlbereichs Veranstaltungen zu qualitativen Methoden an anderen Fachbereichen zu besuchen. Auch unter dieser Berücksichtigung verbleiben jedoch 44% der Studiengänge, in welchen Studierende der Wirtschaftswissenschaften keine Möglichkeit haben, sich im Bereich der qualitativen Methoden auszubilden.
In einer Studie aus dem Jahr 2001 untersucht Gärtner Kursinhalte und Kurstruktur der wirtschaftswissenschaftlichen Lehre im Bachelor in Europa. Auch er weist auf die Bedeutung von Mikroökonomik und Makroökonomik als „Kernkurse“ hin. Seinen Berechnungen zufolge verwenden Studierende der Volkswirtschaftslehre in Deutschland 73% ihrer Studienzeit auf die Bereiche Mikro- und Makroökonomik. Methoden werden in seiner Darstellung nicht berücksichtigt. Unklar bleibt zudem auf welcher Grundlage die prozentualen Zuordnungen berechnet werden, eine Auswertung nach ECTS-Punkten nach Kursen erscheint aufgrund der hohen Prozentzahlen unwahrscheinlich. Gärtner bemerkt zur Methodik lediglich: “The results discussed here were based on detailed analyses of study programs, course syllabi, and adopted textbooks from a sample of 33 European universities.“3 (Gärtner 2001, S. 222).
"The Allocation of Teaching Time in the Economics Course", Europa, in % (Gärtner 2001)
Für Großbritannien beschreibt Westerlind Wigstrom basierend auf einer Analyse der zwölf „Topuniversitäten“4 eine “beinah identische” Struktur der VWL-Programme (Westerlind Wigstrom 2008). Auch hier ist die Fächerkombination Mikroökonomik, Makroökonomik, Mathe und Statistik allgegenwärtig. Zitiert wird die Universität Nottingham, welche die Kombination als den Kern des volkswirtschaftlichen Abschlusses benennt. Als bemerkenswert ergänzt Westerlind Wigstrom, dass nur zwei von zwölf Universitäten diskursive Kurse (hier definiert als „History of Economic Thought“, „Economic History“, „Philosophy of Science“) fordern.
Ähnliche Ergebnisse beschreiben Earle et al.: So dokumentieren die Autoren für sieben Universitäten in Großbritannien5 den MMM-Kern mit den verpflichtenden Standardkursen Makroökonomik, Mikroökonomik, Mathematik, Statistik und Ökonometrie (Earle et al. 2017).
Während die Datenlage für den europäischen Kontinent sowie den Rest der Welt nach Ermessen der Autoren als relativ lückenhaft beschrieben werden kann, bzw. erst in den letzten Jahren verstärkt Versuche unternommen wurden, die Kurstruktur systematisch zu erfassen, wurden in den USA fortlaufend Studien zu den Inhalten des ökonomischen Grundstudiums durchgeführt. Auf dieser Grundlage lassen sich hier auch quantitativ belegte Aussagen über die Entwicklung der Kurstruktur im Studiengang Economics im Zeitverlauf treffen. Vorwiegend wurde das Kursangebot hier ebenfalls anhand des Kursnamens erfasst.
Erhebungen zur Kurstruktur gehen mit der Studie von Newcomer et al. bis ins Jahr 1950 zurück. In den Pflichtkursen taucht in dieser Studie weder Mathematik noch Ökonometrie auf. Bemerkenswert ist des Weiteren die Abwesenheit der Dichotomie zwischen Mikro- und Makroökonomik. Keiner der Kurse wird erwähnt.
Pflichtkurse im Hauptfach "Economics", USA, in % (Newcomer et al. 1951)
Newcomer et al. erörtern, dass das Angebot der untersuchten Universitäten (zumeist Liberal Science) stark variiert. In mehr als der Hälfte der Institutionen werden u. a. folgende Kurse nach Häufigkeit geordnet angeboten6: “money and banking”, “public finance”, “labor problems”, “economic history”, “statistics”, “international economics”, “corporations”, “theory”, “accounting”, “history of economic thought”, “comparative economics” und “business cycles” (Newcomer et al., S. 98, in Taylor 1950)
Der in einer aktuelleren Studie von Siegfried und Walstad analysierte Datensatz beruht auf einer im Jahr 2013 durchgeführten Umfrage. Mit Antworten von 337 Programmen deckt diese etwa 70% der Bachelorstudiengänge im Fach Economics in den USA ab. Die Autoren vergleichen den Datensatz mit einer vorangehenden Studie aus dem Jahr 1981 um die Entwicklung der Kursinhalte darzustellen. Die Analyse der Autoren beschränkt sich dabei auf die Abbildung der Pflichtkurse und berücksichtigt nicht die relative zeitliche Bedeutung der einzelnen Studienfächer.
Für Studierende, welche im Hauptfach Economics im Bachelor studieren, belegen auch Siegfried und Walstad die Bedeutung von Mikroökonomik, Makroökonomik und quantitativen Methoden als Kern des Studiums. Im Durchschnitt etwa drei Viertel der analysierten Studiengänge enthalten laut Siegfried und Walstad Mathematik und Einführung in die Statistik als Pflichtmodul. Fast alle Studiengänge erfordern den Autoren zufolge die Belegung der Kurse Mikroökonomik und Makroökonomik. Die Fächer werden dabei jeweils zumeist über einen Zeitraum von ein bis zwei Semestern gelehrt, im Normalfall folge die Makroökonomik der Mikroökonomik.
Siegfried und Walstad weisen auf die Verdrängung reflexiver Kurse im Austausch für einen stärkeren Fokus auf quantitative Methoden hin. Traditionelle Kurse wie Moralphilosophie sowie “Public Utility Economics” teilten, so die Autoren, das Schicksal der sprichwörtlichen “Pferdekutsche”. Sie seien ein „Ding der Vergangenheit“ (Siegfried und Walstad 2014, S. 156).
Auch der Kurs „Money und Banking“ hat den Autoren zufolge an Bedeutung eingebüßt. War der Kurs im Jahr 1980 laut Siegfried und Walstad noch in 37% der Programme ein Pflichtkurs, liegt der Anteil im Datensatz für 2013 nur noch bei 10%. Ähnlich sei auch die Wirtschaftsgeschichte im Pflichtkursbereich quasi “ausgestorben” (ebd., S. 154). Hier liegt der Pflichtkursanteil laut Datensatz zwischen 5% und 2%. Die allgemeine Entwicklung beschreiben die Autoren wie folgt: “The trend over the past three decades is simple and clear: Add econometrics and drop other specific requirements, leaving room for four field course electives. “ (ebd.).
Einige Unterschiede lassen sich im Datensatz von Siegfried und Walstad zwischen den Hochschulformen erkennen. So liegt sowohl für die Arts and Science Colleges als auch die Business Colleges die Belegungspflicht für ökonomische Ideengeschichte jeweils bei den Hochschulen, die nur einen Bachelor in Economics anbieten, höher als bei jenen Hochschulen, an welchen eine weiterführende Ausbildung möglich ist. Umgekehrtes gilt für die Belegungspflicht im Fach Mathematik. Diese liegt im öffentlichen Sektor für die weiterführenden Institute mindestens 60% über dem Anteil der reinen Bachelor-Hochschulen.
Im Allgemeinen bewerten Siegfried und Walstad die Curricula der Economics-Hauptfachbachelor als relativ einheitlich und beständig: „The program of study for undergraduate economics majors is quite similar in most economics departments in the United States. In contrast to other social science disciplines, there has been widespread agreement for many decades about the appropriate curriculum for an undergraduate degree in economics in the United States, and little has changed since 1980.” (ebd., S. 152).
Die Autoren weisen des Weiteren auf die Bedeutung des Einführungskurses „Principles of Economics“ hin, dem über den Schwerpunkt Economics hinaus Bedeutung zukomme. Nur ein geringer Anteil der Bachelor-Absolventen belege im Hauptfach „Economics“. Gleichwohl sei die Bedeutung des Fachs „Principles of Economics“ (PE) im amerikanischen System über alle Studiengänge hinweg hoch. Siegfried und Walstad gehen davon aus, dass 40% der neueingeschrieben Bachelor-Studierenden in den USA PE belegen.
Auch Petkus et al. präsentieren in einer Studie über die Economics-Bachelor-Studiengänge in den USA für das Jahr 2010 das MMM-Trio. Die Datenerfassung erfolgt hier über die Sichtung der Websites und offizieller Verzeichnisse und umfasst 792 Studiengänge.
Petkus et al. beschreiben das standardisierte Curriculum wie folgt: Die Belegungspflicht im Fach “Principles of Economics” liegt für Economics-Bachelorabsolventen bei fast 100%. Intermediate Microeconomics und Intermediate Macroeconomics liegen jeweils zwischen 94% und 95%. (Petkus et al. 2014). Ähnlich wie bei Siegfried und Walstad zeigen sich Unterschiede für die verschiedenen Hochschularten.
Der Anteil der Studiengänge, im Rahmen welcher Statistik belegungspflichtig ist, liegt bei Petkus et al. höher als bei Siegfried und Walstad. Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass Siegfried und Walstad „Statistics“ und „Introductory Statistic“ getrennt aufführen. Dabei wird bei der Studie von Siegfried et al. nicht ersichtlich, bei wie vielen Studiengängen mindestens eines der Fächer belegungspflichtig ist. Hier erscheint Petkus et al. aussagekräftiger.
Monteiro und Lopez (2007) vergleichen das amerikanische System mit dem europäischen, wobei sich die Datengrundlage jeweils auf die am höchsten gerankten Universitäten bezieht. Die Autoren erstellen für den Zeitraum 2004-2005, basierend auf den Angaben der Universitätswebsites, eine umfangreiche Kursbibliothek. Im Rahmen einer Cluster-Analyse wird diese in Kursklassen überführt. Auch hier zeigt sich die in den anderen Studien beobachtete Dominanz der Kurse: Einführung in die VWL, Mikroökonomik, Makroökonomik, Ökonometrie, Mathematik und Statistik. Diese Kurse zeichnen sich laut ihrer Analyse über die Universitäten hinweg durch eine sehr viel höhere Häufigkeit aus als alle anderen Kurse, welche eine weitaus heterogenere Gruppe darstellen.
Die Veranstaltung „Einführung in die VWL“ wird in Europa im Vergleich zu den USA, laut Monteiro und Lopez, seltener verpflichtend gehört. So liegt die Belegungspflicht für die amerikanische Stichprobe für den „Principle-Kurs“ bei 100% während der Wert für die europäische Stichprobe nur bei 60% liegt. (Monteiro und Lopes 2007)
Earle et al. (2017) untersuchen Kursstruktur und Kursinhalte in Economics-Bachelorprogrammen an sieben Universitäten in Großbritannien. Sie sehen den neoklassischen Mainstream in allen untersuchten Kursen vertreten. Diesen beschreiben sie als eine mechanistische Weltsicht, die vorhersagbare Kräfte annehme, die zum Gleichgewicht tendierten. Die Neoklassik gehe von einem abstrakten System aus, dass natürlich aus der Interaktion individueller Agenten entstehe. Fragen der Historizität oder von Institutionen würden nicht berücksichtigt. Typisch sei auch die Unterscheidung zwischen positiver und normativer Ökonomik. Des Weiteren beobachten Earle et al. eine erstaunlich hohe Ähnlichkeit der Kursstruktur und Inhalte: “Economics education massproduces graduates by teaching them a set of standardised core topics that form the heart of the neoclassical approach.”
Earle et al. beschreiben folgende Kerninhalte der Mikroökonomik: Grundlage bildeten die Konsumenten- und Produzententheorie, welche jeweils durch rationale, vollständig informierte, optimierende Agenten beschrieben werde. Ein störungsfrei funktionierender Markt führe zu einem sozial optimalen Ergebnis. Nach der Einführung der „idealen Wirtschaft“ würden Imperfektionen, wie eingeschränkte Informationen (häufig illustriert am Beispiel des Gebrauchtautomarktes) behandelt, welche zu Marktversagen führten.
Im Bereich der Makroökonomik fassen Earle et al. folgende Kernkonzepte zusammen: Einen Schwerpunkt stellten langfristige Wachstumsmodelle dar, welche fast ausschließlich auf dem Solow-Model beruhten. Dieses werde im Kursverlauf um endogene Wachstumsmodelle erweitert, welche die Förderung von Technologie und Kompetenzen für Wachstum thematisierten. Demgegenüber stehe die kurze Frist. Hier dominierten zwei Konzepte: Das IS-LM Model und Representative-Agent-Models, welche konjunkturelle Abschwünge im Allgemeinen als exogene Schocks modellierten.
Fragenanteile in Klausuren (UK), links: alle Module, rechts: Mikro- und Makroökonomik (Earl et al. 2017)
Westerlind Wigstrom (2008) beobachtet für die Mikroökonomik einen starken Fokus auf Mathematik und Theorie. Die Makroökonomik beschreibt er als oberflächlich pluraler und anwendungsbezogener. Dies sei in Teilen darauf zurückzuführen, dass das Fach auch in der Disziplin als pluraler wahrgenommen werde. Westerlind Wigstrom zitiert in diesem Zusammenhang erneut Nottingham: “Unlike (in general) microeconomics, there have been many 'schools of thought' in macroeconomic theory and policy.” (S. 5, ebd.). Gleichwohl, so fährt der Autor fort, würden auf dem Einführungsniveau weitestgehend die gleichen Themen behandelt.
Westerlind Wigstrom merkt an, dass die meisten Universitäten die dominante Rolle der mikroökonomischen Theorie innerhalb der Disziplin als Ganzes betonten. Stellvertretend wird hier Southhampton zitiert: “arguably all of modern economics is an application of microeconomic principles.“ (S. 4, ebd.).
Des Weiteren weist der Autor auf die Abwesenheit des Aspekts “Unsicherheit” hin. In diesem Zusammenhang beschreibt Westerlind Wigstrom exemplarisch eine Veranstaltung mit dem Titel “risk and uncertainty”, welche als Wahlfach im dritten Jahr angeboten wird. Selbst in dieser Veranstaltung werde das Konzept “Unsicherheit”, anders als der Titel vermuten ließe, nicht behandelt. (Westerlind Wigstrom 2008)
Auch Gärtner wertet im Rahmen mehrerer Studien (2001, 2013) die Kursinhalte wirtschaftswissenschaftlicher Studiengänge aus. 2001 untersucht Gärtner die Kursinhalte der Bachelorprogramme an 33 europäischen Universitäten basierend auf einer detaillierten Analyse von Studienprogrammen, Syllabi, sowie verwendeten Lehrbüchern.7 Auch im Rahmen dieser Studie wird die Bedeutung des IS-LM Models sowie des keynesianischen Kreuzes bestätigt, welche Gärtner als „Bread and Butter Modelle“ bezeichnet. Diese werden, so Gärtner, in mehr als 90% der Kurse abgedeckt.
Im Rahmen der Mikroökonomik wird laut Gärtner die Haushaltstheorie (Konsumentenseite) und die Theorie der Unternehmung (Produktion) überall behandelt und in 97% der Fälle in ein Gleichgewichtsmodel zusammengeführt. Allgemein resümiert Gärtner, die Kursinhalte der Mikroökonomik seien durch die Eckpfeiler Konsumenten- und Unternehmensverhalten, die Analyse von Partialmärkten, allgemeine Gleichgewichtstheorie sowie die Theorie des imperfekten Wettbewerbs charakterisiert.
Auch Gärtner beobachtet eine relativ höhere Homogenität der mikroökonomischen Lehre im Vergleich zur Makroökonomik. Erstere beschreibt er als gesetzter. Dies zeige sich sowohl in der Verteilung der Marktanteile der Lehrbücher als auch in den in den Vorlesungen abgedeckten Inhalten.
Im Bachelor VWL behandelte Themen, Kurs: Mikroökonomik, Analyse von Studienmaterialien und Programmen, europäisches Sample, in% (Gärtner 2001)
Im Bachelor VWL behandelte Themen, Kurs: Makroökonomik, europäisches Sample, in % (Gärtner 2001)
Gärtner wertet die Erklärung von Konzepten wie Klassik, Monetarismus und Keynesianismus als Einführung der Studierenden in die wirtschaftswissenschaftliche Ideengeschichte. Gärtner hierzu: “half the curriculums make a point of introducing students to the history of economic thought, explaining labels such as classical economics, moneytarism or keynesianism” (Gärtner 2001, S. 224). Aus der Formulierung geht jedoch nicht hervor, ob 50% der Kurse in alle genannten Begriffe einführen, oder beispielsweise nur die Erläuterung von Keynesianismus erforderlich ist.
Gärtner führt des Weiteren aus, dass die klassischen keynesianischen Inhalte an einzelnen Universitäten nicht (mehr) im Einführungscurriculum abgedeckt werden. Beispielhaft führt er die Universität Mannheim und Frankfurt an. Hier liege der Fokus ausschließlich auf RBC-Modellen und intertemporaler Makroökonomik. Gärtner notiert: „ISLM, Mundell Fleming, aggregate demand and supply, or the Solow model have been scrapped from the undergraduate curriculum!“ (S. 228, ebd.).
In einer weiteren Studie widmet sich Gärtner gemeinsam mit Griesbach und Jung spezifischer der Lehre der Makroökonomik. Hierzu befragen die Autoren 2010 Lehrende in Europa und den USA. Mit einer Rücklaufquote von 33% werten Gärtner et al. 259 Antworten aus8 (Gärtner et al. 2013).
Als wichtigste Themen machen Gärtner et al. auch hier die keynesianischen Inhalte Keynesianische Kreuz, sowie das ISLM Model aus, sowie auf der anderen (angebotsorientierten) Seite Real-Business-Cycle-Models und Overlapping Generations Models. Letztere werden, laut Datensatz, jedoch weniger häufiger gelehrt. Die Autoren bemerken: „The Intermediate macro lingua franca for discussing short run issues appears to be the ASAD model.” 97% der Befragten geben den Autoren zufolge an, dieses zu behandeln. Gärtner et al. weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass jedoch nur ein geringerer Prozentsatz die zum Verständnis des ASAD notwendigen grundlegenden Konzepte behandle. Des Weiteren bestätigt die Studie die Bedeutung formalistischer Modelle in der makroökonomischen Lehre. Nur einer von fünf Lehrenden gibt nicht an, mathematische Modellierung abzudecken.
Beckenbach et al. analysieren die Kursinhalte von 54 wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen in Deutschland basierend auf einer Befragung von Lehrenden sowie der Auswertung von Modulbeschreibungen und Lehrmaterialien. Hierbei beobachten auch Beckenbach et al. die Dominanz einer neoklassischen Orthodoxie. Dies begründen sie u. a. anhand einer quantitativen Textauswertung der Modulhandbücher. In der Mikroökonomik gehören dabei, den Autoren zufolge, die Begriffe „Gleichgewicht“, „Maximierung“ und „Optimierung“ zu den meistgenannten Begriffen, welche Beckenbach et al., Colander folgend, der Neoklassik zuordnen. In der Makroökonomik tauchen unter den meistgenannten Begriffen ebenfalls der Neoklassik zugeordnete Begriffe, wie „Gleichgewicht“, „Optimierung“ und „Marginalanalyse“ aber auch das Wort „Neoklassik“ auf. Als konkrete Konzepte dominieren, so die Autoren, das IS-LM-Modell, das ASAD-Modell, die Phillipskurve sowie das Solow-Modell.
[1] Jatteau bemerkt hierzu: “Could we find some evidence about this lack of pluralism, or what we are saying is just a point of view? To answer such questions, we had no option except produce our own data by looking at what is taught in economics.” (ISIPE 2017).
[2] Unter der Annahme, dass ECTS-Punkte, die tatsächliche Studienzeit abbilden.
[3] Universität Wien, Wirtschaftsuniversität Wien, Innsbruck, Graz, Amsterdam, Lovain (Katholische Universität), Lille, Marseille, Montpellier, Hamburg, Bochum, Bonn, Mannheim, München, FU Berlin, Fankfurt, Erlangen-Nürnberg, Münster, Santiago de Compostella, Sevilla, Granada, Zaragoza, Madrid Complutense, Málaga, Basel, Lausanne, St. Gallen, Zürich, Manchester, Bristol, Warwick, LSE, University College London (S. 229)
[4] Laut RAE 2008: LSE, UCL, Essex, Oxford, Warwick, Bristol, Nottingham, Queen Mary, Cambridge, Manchester, Royal Holloway and Southampton.
[5] LSE, Sheffield, Exeter, Cambridge, Glasgow, Manchester, Queen's University Belfast.
[6] Hier nicht notwendiger Weise als Pflichtkurse.
[7] Zur Auswahl der Hochschulen bemerkt Gärnter: “The selection of universities was neither random nor representative. In the first round, skills limited attention to Britain, the French-speaking countries, the German-speaking countries, The Netherlands, and Spain. Within the selected countries, I then focused on the largest universi- ties (in terms of economics enrollment). Those universities that provided sufficiently information were finally included in the sample. The schools and universities included in the sample are: the universities of Vienna (Universitait and Wirtschaftsuniversitdit), Innsbruck, Amsterdam, Louvain (Catholic University), Lille, Marseille, Montpellier, Hamburg, Bochum, Bonn, Mannheim, Munich, Berlin (Free University), Frankfurt, Erlangen-Nuremberg, Munster, Santiago de Compostella, Sevilla, Granada, Zaragoza, Madrid Complutense, Malaga, Basel, sanne, St. Gallen, Zurich, Manchester, Bristol, Warwick, the London School of Economics, the University College of London.” (Gärtner 2001, S. 229)
[8] Angefragt wurden 768 Lehrende an 512 Universitäten. Studien zum Veränderungsbedarf sind grundsätzlich kritisch hinsichtlich einer potenziellen Verzerrung, im Sinne einer höheren Antworthäufigkeit unter kritisch eingestellten Personen, zu hinterfragen, welche aufgrund der persönlich wahrgenommen Erfordernis von Veränderung womöglich einen stärkeren Anreiz zur Teilnahme an der Befragung haben. Auch hinsichtlich der Studie von Gärtner et al kann eine derartige Verzerrung nicht ausgeschlossen werden. Folgende Punkte können dennoch positiv hinsichtlich der Aussagekraft der Daten gewertet werden. Die Auswertung zu den Lehrangaben zeigt für alle Befragten eine Konzentration auf wenige Themen. Eine mögliche kritische Einstellung der Lehrenden schlägt sich somit scheinbar zumindest nicht in den behandelten Lehrinhalten. In jedem Fall bildet die Studie mit einer Rücklaufquote von 33% einen substantiellen Teil der Lehrenden der Grundgesamtheit ab.
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Beckenbach, Frank; Daskalakis, Maria; Hofmann, David (2016): Zur Pluralität der volkswirtschaftlichen Lehre in Deutschland. Eine empirische Untersuchung des Lehrangebotes in den Grundlagenfächern und der Einstellung der Lehrenden. 1. Auflage. Marburg: Metropolis-Verlag.
Brue, Stanley (1996): Controversy and Change in the American Economics Curriculum. In: The American Economist 40 (2), S. 44–51. DOI: 10.1177/056943459604000206.
Clawson, Rosalee (2002): Poor People, Black Faces. The Portrayal of Poverty in Economics Textbooks. In: Journal of Black Studies 32 (3), S. 352–361. DOI: 10.1177/002193470203200305.
Dolar, Veronika (2013): The treatment of minimum wage in undergraduate economics textbooks revisited. In: IJPEE 4 (2), S. 157. DOI: 10.1504/IJPEE.2013.055446.
Earl, Peter E. (2006): Capability prerequisites and the competitive process. Online verfügbar unter https://espace.library.uq.edu.au/view/UQ:8480/Earl_Capability_.pdf.
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