Erstveröffentlichung in der Frankfurter Rundschau am 21.02.2024
Die Schuldenbremse destabilisiert das System. Sie bremst Investitionen in die öffentliche Daseinsvorsorge und bereitet damit den Boden für rechtsextreme Positionen. Die Kolumne „Gastwirtschaft“ von Tung Doan.
Als Netzwerk Plurale Ökonomik ist es unser Ziel, die Vielfalt ökonomischer Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Deshalb veröffentlichen wir seit 2014 eine Kolumne in der Frankfurter Rundschau, in der wir aktuelle gesellschaftliche Themen aus der Perspektive der Pluralen Ökonomik beleuchten.
Im Kampf gegen bedrohlich starke demokratiefeindliche Tendenzen müssen wir alle Mittel mobilisieren. Dabei bleibt die Haushaltspolitik eher unbeachtet. Allerdings hält sie mächtige Hebel in der Hand, um die Demokratie in Krisenzeiten handlungsfähig zu halten und zu verteidigen.
Ökonomische Sorgen und Zukunftsängste in der Breite der Gesellschaft bereiten den Nährboden für rechtsextreme Positionen. Die Menschen erleben Missstände im Bildungssystem, eine marode Infrastruktur und enorme finanzielle Belastungen durch Krisen. Auch deshalb verlieren sie ihr Vertrauen in die Problemlösungskompetenz unserer Demokratie. All diese Missstände resultieren nicht zuletzt aus gravierenden Investitionslücken oder unzureichenden sozialen Entlastungen. Unter Einhaltung der Schuldenbremse drohen uns in den nächsten Jahren zusätzlich gravierende Einschnitte in den öffentlichen Haushalten und hohe gesellschaftliche Kosten – denn Austeritätspolitik destabilisiert die Demokratie: Eine Studie der schwedischen Zentralbank zeigt, dass eine Reduktion öffentlicher Ausgaben um einen Prozent die Zustimmung zu extremistischen Parteien um drei Prozentpunkte steigert.
Eine unveränderte Haushaltspolitik läuft also Gefahr, diese bedrohliche Situation weiter zu verschärfen. Dabei könnte sie mit ihren ungenutzten Potenzialen die Demokratie in wichtigen gesellschaftlichen Bereichen stärken. Aus ökonomischer Sicht hätten wir noch großen Spielraum, um Investitionslücken bei Klimaschutz, Bildung und Betreuung oder Infrastruktur schuldenfinanziert zu schließen. Solche Investitionen sind nicht nur Teil der staatlichen Daseinsvorsorge, die die Menschen von unserem Land erwarten: Wir brauchen das Geld auch, um wichtige vereinbarte gesellschaftliche Ziele wie unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Umfangreiche soziale Ausgleichsmaßnahmen sind notwendig, um Krisenbelastungen abzufedern und die Transformation sozial verträglich zu gestalten. Doch ohne eine Reform der Schuldenbremse sind solche Vorhaben kaum möglich.
Zum Erhalt unserer Demokratie brauchen wir eine Haushaltspolitik, die aus dem Vollen schöpft. Der Gegenwert einer Investition in die Demokratie ist in dieser Situation unermesslich.
Tung Doan setzt sich für eine plurale Ökonomik ein und ist Mitgründer der NGO Fiscal Future, die die Interessen junger Menschen in der Finanzpolitik vertritt.