Wir brauchen eine kritische Wirtschaftswissenschaft - mehr denn je! Mit Exploring Economics stärken wir alternative ökonomische Ansätze und setzen der Mainstream-VWL ein kritisches und plurales Verständnis von ökonomischer Bildung entgegen. Außerdem liefern wir Hintergrundanalysen zu akuellen ökonomischen Debatten, um einen kritischen Wirtschaftsdiskurs zu stärken.
Doch leider geht uns das Geld aus, um unsere Arbeit fortzusetzen.
Mit einem kleinen Beitrag kannst Du Exploring Economics unterstützen, online zu bleiben. Danke!
Wir sind ein eingetragener, gemeinnütziger Verein | Netzwerk Plurale Ökonomik e.V. | IBAN: DE91 4306 0967 6037 9737 00 | SWIFT-BIC: GENODEM1GLS | Impressum
Erstveröffentlichung in der Frankfurter Rundschau am 29.07.2024
Die Debatte um demokratische und ökologische Wirtschaftsplanung nimmt an Fahrt auf. Die Kolumne „Gastwirtschaft“ von Samuel Decker.
Als Netzwerk Plurale Ökonomik ist es unser Ziel, die Vielfalt ökonomischer Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Deshalb veröffentlichen wir seit 2014 eine Kolumne in der Frankfurter Rundschau, in der wir aktuelle gesellschaftliche Themen aus der Perspektive der Pluralen Ökonomik beleuchten.
Nach dem überraschenden Wahlsieg der Neuen Volksfront (Nouveau Front populaire, NFP) bei den französischen Parlamentswahlen lag viel Augenmerk auf den internen Konflikte des linken Wahlbündnisses. Weniger Aufmerksamkeit erhielten dagegen die tieferen Gründe für den Wahlerfolg der NFP.
Die „Volksfront“ hatte es geschafft, sich mit einem konsequent linken Wirtschaftsprogramm gegen das neoliberale Macron-Lager abzugrenzen und zeitgleich den Aufstieg der extremen Rechten zu stoppen. Mit Forderungen, etwa nach Mindestlohnerhöhungen, öffentlichen Investitionen, Preisobergrenzen, Millionärs- und Unternehmenssteuern und dem Übergang zu einem System der „ökologischen Planung“ wurde der Inhalt der Debatte verschoben – weg vom Thema Migration, hin zu Fragen der sozialen Sicherheit und der öffentlichen Lenkung der Wirtschaft.
Vor allem die Forderung nach „ökologischer Planung“ sticht dabei hervor. Sie wurde bereits im Wahlkampf im Jahr 2022 breit debattiert. Macron nahm eine abgespeckte Variante der „planification écologique“ daraufhin in sein Regierungsprogramm auf. Der Begriff „ecological planning“ tauchte bereits 2020 in der „Le Monde diplomatique“ in einem Artikel des Degrowth-Vordenkers Cédric Durand auf, der vor Kurzem ein in Frankreich vielbeachtetes Buch zu dem Thema veröffentlichte.
Doch auch außerhalb von Frankreich wird über ökologische Planung debattiert. Die „taz“-Autorin Ulrike Hermann forderte in ihrem Bestseller „Das Ende des Kapitalismus“ staatliche Wirtschaftsplanung nach dem Vorbild der britischen Kriegsökonomie, um die Klimakrise zu bekämpfen. In der Wissenschaft ist sogar von einer „neuen Planungsdebatte“ die Rede – Veröffentlichungen rund um Möglichkeiten der demokratischen Wirtschaftsplanung erfahren einen regelrechten Hype. Im Juli gründeten über 100 Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt ein internationales Netzwerk für demokratische Wirtschaftsplanung: das International Network for Democratic Economic Planning, kurz: INDEP.
Angesichts der sich abzeichnenden Klimakatastrophe und der ohnehin massiven staatlichen Eingriffe ist ökologische Planung kein Nischenthema mehr. Es bleibt abzuwarten, ob sich auch in Deutschland politische Akteure wie Parteien oder Gewerkschaften trauen werden, das Thema aufzugreifen.
Samuel Decker ist Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied im Netzwerk Plurale Ökonomik und im Netzwerk Demokratische Wirtschaftsplanung.