Im Zuge wiederkehrender Finanz- und Wirtschaftskrisen stellt der Staat immer wieder gigantische Mengen an Geld zur Verfügung, um kapitalistisches Wirtschaften zu "retten". Woher kommt dieses Geld und warum steht es für bestimmte Zwecke scheinbar unbegrenzt zur Verfügung und für andere nicht?
Aaron Sahr leitet die Forschungsgruppe "Monetäre Souveränität" am Hamburger Institut für Sozialforschung und hat auf diese Fragen Antworten. Teil 02 des Gesprächs mit Aaron Sahr findet ihr hier.
Im ersten Teil der Podcast-Reihe "Future Histories" erörtert der Soziologe Aaron Sahr die Problematik der monetären Souveränität und der Finanzierbarkeit gesellschaftlicher Daseinsfürsorge. Im Kern weist er auf einen wesentlichen Bestandteil der Geldproduktion bzw. des zweistufigen Geldsystems hin, dass Geld in der Regel ein Geflecht von Bankschulden ist und Geld bzw. Staatsschulden de facto Zahlungsversprechen an (Privat- bzw. Zentral-) Banken sind. Tangiert werden Argumentationslinien inwiefern Geld erwirtschaftet werden muss und es dazu gekommen ist, dass gewisse Staaten von neuer Schuldenaufnahme 'entwöhnt' wurden und einem Dogma von ausgeglichenen Haushalten erliegen. Eingegangen wird zudem auf die Entwicklung der Zentralbanken als Kontrollinstanz, die auf die Wahrung des Verhältnisses zwischen des Tauschmittels Geld und der Überschüsse an Gütern im Maßstab eines stabilen Preisniveaus achtet und die jüngste Infragestellung dieser Überzeugung seit den Ereignissen rund um die globale Finanzkrise 2008/09. Aus Sicht von Aaron Sahr fokussieren öffentliche Debatten über Finanz- und Haushaltspolitik vor allem auf die Verteilung von Geld und drehen sich auffällig selten um die Funktionsweise von Geld bzw. der Architektur des Geldsystems. Aber genau auf die Erzeugung von Zahlungsfähigkeit durch öffentlich/private Geldschöpfung kommt es an, um bestehende Machtverhältnisse näher durchleuchten zu können und die Aufmerksamkeit auf die Bedingungen monetärer Souveränität, d.h. der Erweiterung des soziopolitischen Handlungsspielraum, zu lenken.
Im zweiten Teil bespricht Aaron Sahr die Modern Monetary Theory (MMT). Die MMT habe es geschafft den Diskurs über geldpolitische Fragen auf ein neues Fundament zu heben und damit die Prozesse der Geldschöpfung zu repolitisieren. Anstatt also die wirtschaftliche Entwicklung an dem einen Kriterium der Preisstabilität auszurichten, wäre es gemäß der MMT auch denkbar die Geldschöpfung an gesellschaftliche Kriterien zu koppeln und in einen demokratischen Deliberationsprozess einzubinden.
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