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Quelle: van Treeck, Till, and Janina Urban. Wirtschaft neu denken: Blinde Flecken in der Lehrbuchökonomie. iRights Media, 2016. Das Buch kann hier bestellt werden: http://irights-media.de/publikationen/wirtschaft-neu-denken/.
Rezensiertes Buch:
Krugman, P.R./Obstfeld, M./Melitz, M.J. (2014): International Economics – Theory and Policy, 10. Auflage, London: Pearson, 792 Seiten. Im Folgenden zitiert als KOM. (Abb: Pearson; Abb. zeigt die 10. Auflage der deutschen Fassung)
Einleitung
Die Lehrbücher zur Einführung in die Theorie der internationalen Ökonomie sind heutzutage üblicherweise dicke Wälzer jenseits der 500 Seiten. Es entsteht der sicherlich richtige Eindruck: Über die internationale Ökonomie gibt es vieles zu wissen und zu lernen und die genannten Einführungsbücher vermitteln wesentliche Aspekte dieses Wissens.
Aufgrund ihres Umfangs und dem damit verbundenen Anspruch auf eine ganzheitliche Darstellung der Probleme und Lösungsmöglichkeiten der internationalen Ökonomie liefern derartige Lehrbücher eine gute Grundlage, um den Aufbau und die Funktion ökonomischen Wissens zu studieren und den Umgang mit diesem Wissen zu analysieren. Im Folgenden werden daher zwei klassische wissenschaftstheoretische Perspektiven aufgegriffen, um anhand des weit verbreiteten Buches von Krugman et al. (2014) den typischen Umgang mit ökonomischem Wissen und die Stärken und Schwächen der Einführungslehrbücher besser verständlich zu machen. Dabei zeigt sich schon vorweg, dass Krugman et al. sich um einen breiteren Zugang zum Thema bemühen und die übliche Lehrbuchdarstellung – die im Allgemeinen so aussieht, dass eine Reihe ökonomischer Modelle iterativ abgehandelt wird – kritisieren und aufzuweichen versuchen.
„Allzu oft konfrontieren Lehrbücher der internationalen Ökonomie Studierende mit einer verwirrenden Ansammlung spezieller Modelle und Annahmen, so dass es schwer fällt die wesentlichen Einsichten der internationalen Ökonomie zu erfassen und zu überblicken.“ (KOM, S. 26, eigene Übersetzung)
Dieser Einstellung folgend versuchen die Autoren ihre Präsentation des konkreten Materials umfassend empirisch und historisch einzubetten und in eine allgemeinverständliche Erzählung einzupflegen. Dadurch wird der schon von Hans Albert kritisierte „dogmatische“ Aufbau der Lehrbücher, die den Eindruck vermitteln, „die [ökonomischen] Probleme seien im Wesentlichen gelöst und man brauche diese Lösungen nur anzunehmen” (Albert 1998, S. 153) zwar gelockert, aber keineswegs aufgelöst. Die Darstellung und Kapitelabfolge bleibt auch in der Fassung von Krugman et al. in wesentlichen Punkten modellzentriert und orientiert sich am klassischen Kanon des Faches.
Instrumentalismus und Realismus oder die Brauchbarkeit von Modellen
Instrumentalismus und Realismus bilden zwei klassische Pole in der wissenschaftstheoretischen Auseinandersetzung. Dabei verlangt die realistische Position, dass sich die Wissenschaft tatsächlich um realistische Ausgangsannahmen bemühen sollte: Hilfsannahmen und Randbedingungen sollten daher möglichst präzise gefasst sein und Gesetzesaussagen in Theorien, wenn irgend möglich, jene Mechanismen repräsentieren, die tatsächlich relevant sind. Der Instrumentalismus hingegen verlangt Theorien weniger ab; hier reicht es aus, wenn die Prognosen eines Modells oder einer Theorie einigermaßen zutreffen, während die kritische Betrachtung einzelner Annahmen als nicht notwendig erachtet wird (Kapeller 2012, Kapitel 5).
In groben Zügen lassen sich diese Positionen auch in der Geschichte des ökonomischen Denkens wiederfinden. Die instrumentalistische Sichtweise wird dabei prominent von Milton Friedman zum Ausdruck gebracht, der in der sogenannten schwachen Friedman-These, die folgende Ansicht vertritt:
„Viewed as a body of substantive hypotheses, theory is to be judged by its predictive power for the class of phenomena which it is intended to ‘explain’.“ (Friedman 1953, S. 8)
Auch die realistische Gegenposition wird in der Ökonomie vorgetragen. Ein Beispiel für einen solchen realistischen Anspruch im Bereich ökonomischen Modellierens und Theoretisierens vertritt etwa John Maynard Keynes in einem Brief an seinen Kollegen und Freund Roy Harrod:
„Economics is a science of thinking in terms of models joined to the art of choosing models which are relevant to the contemporary world. It is compelled to be this, because, unlike the typical natural science, the material to which it is applied is, in too many respects not homogeneous through time.“ (Keynes 1938, S. 296)
Der realistische Anspruch ist für Keynes hier vor allem deshalb so relevant, weil die historischen Ausgangsbedingungen ökonomischer Aktivitäten – als Gesellschaft, Kultur, Recht, Technologie – in ständiger Veränderung begriffen sind und es daher eine hohe Kunst darstelle, jene Modelle auszuwählen, die für die gegenwärtige Situation oder Fragestellung tatsächlich relevant sind. Und relevant sind Modelle, der gängigen wissenschaftstheoretischen Lesart folgend, vor allem, wenn sie erklärungsmächtig sind, also sowohl die konkrete Anwendungssituation als auch die relevanten Gesetzmäßigkeiten beziehungsweise Mechanismen möglichst präzise erfassen. Wissenschaftspraktisch umgesetzt bedeutet diese Einsicht nichts anderes, als die Annahmen der Modelle, die in Lehre oder Forschung zum Einsatz gebracht werden, kritisch auf ihren Bezug zur aktuellen Situation von Wirtschaft und Gesellschaft zu prüfen. Realismus erfordert also nicht notwendigerweise, auf alle unrealistischen Annahmen zu verzichten, sondern vielmehr, Sensibilität dafür zu zeigen, dass ein Modell nur dann anwendbar und relevant sein kann, wenn zumindest die zum Einsatz gebrachten Randbedingungen und Hilfsannahmen erfüllt sind.
Die Ambivalenz zwischen einer realistischen Behandlung von Modellen und ihrer instrumentalistischen Deutung in Krugman et al. ist bereits im einleitenden Kapitel zu Struktur und Größenordnungen des Welthandels sichtbar. Hier wird zur Illustration eine neuere Modellklasse – jene der „gravity models“ – eingeführt. Diese Modelle beruhen auf der Annahme zweier wesentlicher Effekte beziehungsweise theoretischer Mechanismen zur Erklärung empirischer Regularitäten im internationalen Handel: einem Größeneffekt (größere Ökonomien haben einen relativ größeren Anteil am Welthandel) und einem Distanzeffekt (größere Distanzen führen aufgrund zunehmender Transportkosten und geringerer sozialer Vernetzung zu kleineren Handelsvolumina zwischen zwei ausgewählten Ländern). Obgleich also relativ klare und einfache Gesetzeshypothesen – und damit ein theoretischer Apparat zur Erklärung der beobachteten Größenordnungen – vorliegen, wird das Gravity-Modell von den Autoren als „empirische Beziehung“ (KOM, S. 42) präsentiert, die „funktioniert“, weil sie „eine gute Approximation“ an die beobachteten Daten liefert (KOM, S. 45). Erst nach dieser Rechtfertigung werden die strukturellen Mechanismen, die offensichtlich hinter den empirischen Beziehungen liegen, erörtert. Der Realismus der Annahmen findet hier also wohl Berücksichtigung, allerdings erst nachdem das Modell mit Verweis auf seine empirische Prognosetauglichkeit legitimiert wurde.
Ganz gegenteilig gestaltet sich die Diskussion hingegen im nachfolgenden Kapitel, das sich Ricardos Modell des komparativen Vorteils zum Gegenstand nimmt. Hier wird die Wahl des Modells explizit nicht mit dessen empirischer Qualität begründet, die erst am Ende des Kapitels angesprochen wird, um den Leser_innen mitzuteilen, dass die jüngere empirische Forschung Schwierigkeiten hat, die Wirkungen des komparativen Vorteils entsprechend nachzuweisen (KOM, S. 77 ff.). Vielmehr wird die Präsentation des Ricardianischen Modells damit gerechtfertigt, dass es ein ökonomisches Prinzip von „unbezweifelbarer Wahrheit“ (KOM, S. 56) zum Ausdruck bringt, das es erlaubt, „verbreitete Denkfehler im Feld des internationalen Handels zu widerlegen“ (KOM, S. 57; siehe auch den Beitrag von Achim Truger zum Freihandel in diesem Band).
Das hier gemeinte Prinzip sind die – in den Worten des Lehrbuchs – „gains from trade“, also die Ausweitung der Produktionsmöglichkeiten durch wechselseitige Spezialisierung. Die zugehörige Diskussion des Modells findet dann im weitgehend spekulativen Rahmen eines fiktiven Szenarios statt, in der zwei Länder – „Home“ und „Foreign“ – zwei Güter – nämlich Wein und Käse – handeln können. Diese übliche Darstellungsweise wird von den Autoren selbst expost als „Gedankenexperiment“ (KOM, S. 68) charakterisiert, das die hier interessierende „unbezweifelbare Wahrheit“ zum Vorschein bringen soll.
Wir wollen im Folgenden darüber hinwegsehen, dass bei Lektüre des entsprechenden Kapitels letztlich unbeantwortet bleibt, warum sich diese „unbezweifelbare“ Wahrheit nicht auch in entsprechender empirischer Evidenz abbildet, sondern lieber danach fragen, wie (selbst-)kritisch die Autoren mit den wesentlichen Annahmen ihres Gedankenexperiments umgehen. An dieser Stelle zeigt sich dann eine durchaus signifikante Lücke in der Darstellung des komparativen Vorteils: So werden zwar unter der Überschrift „Misconceptions about Comparative Advantage“ mehrere Seiten verwendet, um gängige „Mythen“ der Freihandelskritik zu dekonstruieren (KOM, S. 69 ff.), dafür verzichtet das Buch aber auf eine genaue Darstellung der Kontextannahmen und Randbedingungen des Modells des komparativen Vorteils. Diese sind aber für ein Verständnis der Anwendbarkeit des Modells zentral: So geht Ricardo von einer Immobilität von Produktionsfaktoren ebenso so aus wie von Vollbeschäftigung in allen beteiligten Ländern. Auch nimmt er, den gängigen Praktiken seiner Zeit Rechnung tragend, an, dass dauerhafte Leistungsbilanzdefizite nicht am Finanzmarkt finanziert werden können und langfristige Ungleichgewichte im Außenhandel, die die Autoren eingangs richtigerweise als zentrales Phänomen gegenwärtiger Globalisierung bewerten (KOM, S. 33), gar nicht erst auftreten können. Nur unter diesen idealisierten, allerdings kaum mehr zeitgemäßen Annahmen liefert das Ricardianische Modell die gewünschten Implikationen. Dieses Detail findet im Lehrbuch allerdings keinerlei Erwähnung, und daher bleibt die Tatsache, dass diese Annahmen in der aktuellen weltwirtschaftlichen Situation für kaum ein Land zutreffen werden, im Wesentlichen unbeachtet.
Diese kurze Diskussion zeigt, dass das Ricardianische Modell – im Gegensatz zum Gravity-Modell im vorhergehenden Kapitel – tatsächlich als „Gedankenexperiment“ verstanden wird, das zum Zweck hat, einen zentralen Aspekt des mainstream-ökonomischen Weltbilds – nämlich, dass Freihandel im Wesentlichen eine Win-win-Situation darstellt („gains from trade“) – zu illustrieren. Diese Illustration ist sich dabei scheinbar selbst genug, weshalb auf eine Diskussion der Anwendungsbedingungen dieses Gedankenexperiments auf die reale Welt nicht weiter nötig erscheint.
Internationale Ökonomie und die Rolle der Werturteilsfreiheit
In seiner klassischen Wissenschaftslehre brachte Max Weber sein Diktum von der Werturteilsfreiheit der Wissenschaft prägnant zum Ausdruck. An letzterem entzündete sich der sogenannte zweite Methodenstreit, der zur Verstärkung der disziplinären Trennung in den deutschsprachigen Sozialwissenschaften, insbesondere zwischen Ökonomie und Soziologie, beitrug (vgl. Glatzer 2008). Weber meinte, dass die Wissenschaft in politischen Angelegenheiten zwar unter Umständen „zu lehren vermag, was man tun könne“, aber niemals für sich in Anspruch nehmen sollte „zu lehren, was man tun sollte“ (Weber 1917). Die Wissenschaft kann demnach also zur Erreichung gegebener Ziele beitragen – aber nicht selbst Zielsetzungen vorgeben.
Demgegenüber steht gerade im Bereich der internationalen Ökonomie die Kritik im Raum, dass eine solche Zielvorgabe hier nachgerade allgegenwärtig ist, da Ökonom_innen mehrheitlich und vehement für eine Ausweitung der Offenheit internationaler Güter- und Finanzmärkte eintreten.
„Es gibt wohl nur wenige Bereiche und Themen, bei denen seit gut 200 Jahren die meisten Ökonomen einen mahnenden Zeigefinger so heben, wie sie es tun, wenn es um Fragen des Freihandels und seine Beschränkung geht. Selbst Autoren, welche die ökonomische Theorie streng als positive Wissenschaft verstanden wissen wollen, haben selten Hemmungen, Freihandel und dessen Beschränkungen nicht nur analytisch […] zu behandeln, sondern ihn auch normativen Urteilen zu unterwerfen.“ (Rothschild 1998, S. 227; siehe auch Driskill 2012 und Lepenies 2015)
Im Fall des Lehrbuchs von Krugman et al. gibt es hierzu eine nach Kapiteln gegliederte Aufgabenteilung: Während das Modell des komparativen Vorteils als konzeptioneller Einstieg dient, um die allgemeinen „Vorteile freier Handelsbeziehungen zu demonstrieren“ (KOM, S. 57), folgt im Anschluss eine – ebenso modellbasierte – Diskussion der Verteilungswirkung internationalen Handels. Hier knüpft das Lehrbuch – ungeachtet der schon älteren Datierung der verwendeten Modellgrundlage (siehe Samuelson 1971) – an jüngere Forschungen an, die einen Zusammenhang zwischen Außenhandelsoffenheit und steigender Einkommensungleichheit diagnostizieren (zum Beispiel Egger und Kreickemeier 2012; siehe bereits Myrdal 1970). Konkret wird das Ricardianische Modell um die Annahme verschiedener Produktionsfaktoren erweitert, die nicht alle gleichermaßen flexibel zwischen unterschiedlichen Produktionssektoren wechseln können. Dadurch entstehen bei Nutzung komparativer Vorteile Gewinner_innen und Verlierer_innen auf beiden Seiten – eine Konstellation, die zum Anstieg der Ungleichheit beitragen kann.
Damit verweist das entsprechende Kapitel 4 auf einen wesentlichen politisch-moralischen Trade-off in der Freihandelsfrage, nämlich dass die Entscheidungsträger_innen am Ende des Tages zwei unterschiedliche Zielsetzungen abzuwägen haben: Ist die Entwicklung des gesamten Wohlstands (Effizienz!) über oder unter Verteilungserwägungen (Gerechtigkeit!) zu stellen? In diesem moralischen Zielkonflikt findet die Ökonomie Orientierung in ihrer traditionellen Überzeugung, die korrekte Priorisierung bestimmter Wertvorstellungen bereits seit langem erkannt zu haben. Dieser Einsicht folgend gilt es, stets die effizienteste Vorgangsweise zu propagieren und andere Aspekte außer Acht zu lassen (siehe den Beitrag von Till van Treeck zu Effizienz vs. Gerechtigkeit in diesem Band). Oder in den Worten der Autoren:
„Most economists, while acknowledging the effects of international trade on income distribution, believe it is more important to stress the overall gains from trade.“ (Krugman et al. 2015, S. 100)
Diese Insistenz, „den analytischen Idealtypus in ein politisches Ideal“ (frei nach Myrdal 1963, S. 101) zu verwandeln, ist umso bemerkenswerter, als unsere Diskussion im letzten Abschnitt gezeigt hat, dass die Anwendbarkeit der klassischen Begründung der Vorzüge des Freihandels in Form des Ricardianischen komparativen Vorteils im globalisierten Kapitalismus des 21. Jahrhundert weitgehend eingeschränkt scheint. Alleine die Aufgabe der Annahme fehlender Kapitalmobilität etwa, verändert auch aus normativer Sicht die grundlegende Problemkonstellation: Während in der Ricardianischen Welt Final- und Intermediärgüter um Absatzmärkte wetteifern, ist der wesentliche internationale Wettbewerb heute ein Standortwettbewerb, in dem unterschiedliche Gesellschaften um Investitionen und Arbeitsplätze konkurrieren. Dieser Standortwettbewerb wird aber von Krugman et al. kaum wahrgenommen – wesentliche Stichworte dazu, wie „race for the best location“, „tax evasion“ oder „regulatory arbitrage“ finden in Krugman et al. keine relevante Erwähnung. Damit erscheint das hemmungslose Plädoyer der Ökonomie für freie Handelsbeziehungen doppelt fragwürdig: Zum einen folgt diese Aussage letztlich einer normativen Überzeugung; zum anderen erscheinen die theoretischen Grundlagen eben dieser Überzeugung gar nicht mehr vorzuliegen. Der Vorwurf eines normativen Bias an die Ökonomie – wie eingangs dieses Abschnittes zitiert – ist damit nur schwer von der Hand zu weisen.
Resümee
Im Vergleich zu älteren Lehrbüchern der internationalen Ökonomie sind in der neuesten englischsprachigen Edition des Lehrbuchs von Krugman et al. eine Reihe von Fortschritten zu erkennen: Man ist um historische und empirische Kontextualisierung des dargestellten Materials bemüht und scheut nicht, verstärkt Themen von gegenwärtiger Bedeutung – insbesondere mit Bezug zur Finanzkrise – in den Lehrbuchkanon aufzunehmen. Wenig Innovation findet sich hingegen im Bereich der verwendeten Modellgrundlagen, der Repräsentation alternativer Theorien sowie der Überwindung tradierter Werturteile. Ein Stück des nötigen Weges zu einer Verbesserung der Lehrbuchdarstellung wurde hiermit schon begangen, ein guter Teil des Weges, vermutlich der größere Teil, ist allerdings noch ausständig. Wer nicht warten will, bis die tradierte Ökonomie diesen Weg zu Ende beschreitet, der sei zum Abschluss auf die ökonomische Geografie verwiesen, deren Lehrbücher hier wesentlicher ambitionierter vorgehen und damit eine an vielen Stellen zeitgemäßere Einführung in das Themenfeld der internationalen Ökonomie bieten (siehe beispielhaft Dicken 2014).
Literatur
Albert, H. (1998): Marktsoziologie und Entscheidungslogik, 2. Auflage, Tübingen: Mohr.
Dicken, P. (2014): Global Shift, 7. Auflage, London: Sage.
Driskill, R. (2012). Deconstructing the argument for free trade: a case study of the role of economists in policy debates. In: Economics and Philosophy 28, Nr. 1, S. 1–30.
Egger, H./Kreickemeier, U. (2012): Fairness, trade, and inequality. In: Journal of International Economics 86, S. 184–196.
Friedman, Milton (1966[1953]): Essays in Positive Economics, Chicago: Chicago University Press.
Glatzer, Wolfgang (2008[1995]): Die akademische soziologische Vereinigung seit 1909, http://www.soziologie.de/index.php?id=14 (Zugriff: 19. Sept.2016).
Kapeller, J. (2012): Modell-Platonismus in der Ökonomie – Zur Aktualität einer klassischen epistemologischen Kritik, Frankfurt am Main: Peter Lang.
Keynes, J.M. (1973[1938]): Letter to Roy Harrod. In: Keynes, John M.: Collected Works XIV, London: Macmillan, S. 295–300.
Lepenies, R.F. (2015): Losers in Trade: Economics and Normative Justifications, Dissertation an der Hertie School of Governance, Berlin.
Myrdal, G. (1963): Das politische Element in der nationalökonomischen Doktrinbildung, Köln: Junker und Dünnhaupt.
Myrdal, G. (1970): Politisches Manifest über die Armut in der Welt, Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Rothschild, K.W. (1998): Freedom Unlimited? Bemerkungen zum Freihandelsdogma. In: Beinsen, L. (Hrsg.): Ökonomie und Common Sense, Graz: Leikam, S. 227–242.
Samuelson, P. (1971): Ohlin was right. In: Swedish Journal of Economics 73, S. 365–384.
Weber, M. (1917): Der Sinn der „Wertfreiheit“ der soziologischen und ökonomischen Wissenschaften. In: Weber, M. (1988): Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen: Mohr, S. 489–540.
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