Die Schuldenbremse ist kein Naturgesetz

Die Schuldenbremse ist kein Naturgesetz

Foto von Norbert Braun auf Unsplash

Carl Mühlbach
Frankfurter Rundschau, 2023
Level: leicht
Perspektive: Postkeynesianismus
Thema: Institutionen, Regierungen & Politik, Geld & Schulden
Format: Essay

Erstveröffentlichung in der Frankfurter Rundschau am 28.08.2023

Die Sparpolitik der Bundesregierung geht auf Kosten der Zukunft der jungen Generation. Die Kolumne „Gastwirtschaft“ von Carl Mühlbach.


           

Als Netzwerk Plurale Ökonomik ist es unser Ziel, die Vielfalt ökonomischer Themen in die Öffentlichkeit zu tragen. Deshalb veröffentlichen wir seit 2014 eine Kolumne in der Frankfurter Rundschau, in der wir aktuelle gesellschaftliche Themen aus der Perspektive der Pluralen Ökonomik beleuchten.


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Mit ihrer aktuellen Haushaltspolitik verspielt die Bundesregierung zahlreiche Chancen auf eine gute Zukunft. Der Sparkurs von Finanzminister Lindner ist in aller Munde: Es gibt Kürzungen beim Bafög, beim Elterngeld und bei Mitteln für Jugendarbeit und Demokratieförderung. Diese Sparpolitik geschieht auf Kosten unserer Zukunft: Mehr als zwei Millionen Kinder und Jugendliche leben in Deutschland in Armut. Diesen Missstand endlich beenden? – scheitert an der Finanzierung. Die im März angekündigten 45 Milliarden Euro für den Ausbau des Schienennetzes? – hatten eine kürzere Lebensdauer als das Neun-Euro-Ticket.

Daher haben bereits Anfang Juli zehn Jugendorganisationen einen offenen Brief an die Bundesregierung geschrieben, der Titel: „Eure Sparpolitik kostet uns die Zukunft“. Denn wenn Finanzminister Lindner die Schuldenbremse als Leitmotiv seiner Politik wählt, hat das konkrete Auswirkungen auf den Alltag und die Zukunftsaussichten von Millionen junger Menschen. Investitionen in die Infrastruktur von morgen geraten ins Stocken, Projekten gegen Kinderarmut fehlen die Mittel, Klimaziele werden aufgegeben. Die soziale Ungleichheit steigt und wirtschaftliche Zukunftsängste nehmen zu.

Sparzwang ist keineswegs alternativlos

Dabei ist der vermeintliche Sparzwang keineswegs alternativlos. Wäre der politische Wille da, könnte der Staat die notwendigen Ausgaben finanzieren. Die Schuldenbremse ist kein Naturgesetz. Sie wurde 2009 von der damaligen großen Koalition ins Grundgesetz geschrieben. Selbst wenn zum aktuellen Zeitpunkt keine Zweidrittelmehrheit für eine umfassende Reform in Sicht ist, hat die Ampel-Regierung dennoch zahlreiche Möglichkeiten: Technische Verbesserungen an der Schuldenbremse würden den Handlungsspielraum erweitern, zudem liegen im Wirtschaftsstabilisierungsfonds ungenutzte Mittel. Auch könnte die Deutsche Bahn mit einer Kreditermächtigung für Investitionen ins Schienennetz ausgestattet werden. Analog könnte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben in die Schaffung bezahlbaren Wohnraums investieren.

Doch statt die drängenden Herausforderungen angemessen zu adressieren, fesselt sich die Bundesregierung lieber freiwillig die Hände. Statt mutig zu investieren, kürzt sie auf Kosten der Zukunft.


Carl Mühlbach ist Gründer von Fiscal Future, einer überparteilichen Jugendorganisation für zukunftsfähige Finanzpolitik. Zudem engagiert er sich im Netzwerk Plurale Ökonomik.

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